Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 53 vom 18.10.2002 Seite 1045 bis 1070
Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz RdErl. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen v. 19.8.2002 - II B 3- 2382 |
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Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz RdErl. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen v. 19.8.2002 - II B 3- 2382
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Schutz vor sexueller Belästigung am
Arbeitsplatz
RdErl. d. Ministeriums für
Frauen, Jugend,
Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen
v. 19.8.2002 - II B 3- 2382
Der Gesetzgeber hat
mit dem Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am
Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz) vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1412) –
BSchG - für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der privaten Wirtschaft und
alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Regelungen zum Schutz vor
sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geschaffen.
Im Folgenden werden Regelungen für die Verwaltungen
des Landes, für die Landesbetriebe und Krankenhäuser des Landes sowie für die
Gerichte, Schulen und Hochschulen, den Landesrechnungshof, die
Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz und für die
Verwaltung des Landtags konkretisiert. Die Regelungen sollen Betroffene dazu
ermutigen, sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr zu setzen. Beschäftigte,
die einen Fall sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zur Sprache bringen,
bedürfen des besonderen Schutzes und der Fürsorge der Vorgesetzten. Sie dürfen
keine persönlichen oder beruflichen Nachteile erfahren. Die vorgesehenen
Sanktionen wie z.B. Umsetzung und Versetzung sollen Belästigende treffen. Damit
wird deutlich gemacht, dass diese sich falsch verhalten haben und nicht etwa
die Belästigten.
Sexuelle
Belästigung am Arbeitsplatz stellt eine Verletzung der Menschenwürde und des
Rechtes auf sexuelle Selbstbestimmung dar.
Sexuelle
Belästigung am Arbeitsplatz stört nachhaltig das Arbeitsklima und den
Betriebsfrieden.
Es gehört zur
Führungsaufgabe von Vorgesetzten und liegt in deren besonderer Verantwortung,
für ein Arbeitsklima zu sorgen, in dem die persönliche Integrität und Selbstachtung gewahrt werden. Sie
haben daher Hinweisen auf Fälle sexueller Belästigung nachzugehen, die
Betroffenen zu ermutigen, sich gegen Belästigungen zu wehren und ihnen
Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
I.
Sexuelle Belästigung
Sexuelle
Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte
Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt (§ 2 Abs. 2
Satz 1 BSchG). Die Definition von sexueller Belästigung nach dem
Beschäftigtenschutzgesetz enthält mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Aufzählung
von Handlungen, die als sexuelle Belästigung anzusehen sind, dient der
Konkretisierung. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Sexuelle Belästigung in
diesem Sinne stellen insbesondere folgende vorsätzliche Handlungen dar, soweit
sie sexuell bestimmt sind, Betroffenen - ggf. über Dritte - zur Kenntnis
gelangen und von diesen nicht
erkennbar gebilligt werden:
- herabsetzende Bemerkungen über die sexuelle Identität, körperliche Merkmale und das äußere Erscheinungsbild von Beschäftigten
- obszöne
und kompromittierende Handlungen, Äußerungen und Witze
-
Äußerungen,
telefonische Bemerkungen, Briefe sowie auf elektronischem Wege
übermittelte Mitteilungen mit unerwünschten sexuellen
Anspielungen
- Äußerungen, Anspielungen und Witze über vermeintliche oder tatsächliche Homosexualität von Beschäftigten
- Zeigen, Verteilen oder Aushängen pornografischer Hefte und Abbildungen
- Kopieren,
Anwenden, Versenden oder Nutzen sexuell diskriminierender oder pornografischer Computerprogramme oder
-dateien auf dienstlichen
ADV-Anlagen
- unerwünschte
körperliche Berührungen
- Einladung oder Aufforderung zu sexuellen
Handlungen
- Androhung
beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung
- Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen.
II.
Präventive Schutzmaßnahmen
Dienstvorgesetzte (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Landesbeamtengesetz)
bzw. Dienststellenleitungen haben
die Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Dieser
Schutz umfaßt auch vorbeugende Maßnahmen (§ 2 Abs. 1 BSchG).
Geeignete vorbeugende Maßnahmen sind in der
Regel:
- Fortbildungs-
und sonstige Maßnahmen für alle Beschäftigten zur Verhinderung von sexueller Belästigung (Information über die
Rechtslage, Beschwerdemöglichkeiten und Sanktionen)
- Sensibilisierung
vor allem von Beschäftigten mit Leitungsfunktionen für die Problematik der
sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
- eine eindeutige Haltung gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, zu der u.a. die Teilnahme insbesondere von Beschäftigten im Organisations- und Personalwesen, Personen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Mitgliedern des Personalrates und Gleichstellungsbeauftragten an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen gehört
- Erörterung
des Themas „Sexuelle Belästigung unter Einschluss der Thematik Homosexualität
und Arbeitswelt“ auf Initiative der Dienststelle, des Personalrates, der
Gleichstellungsbeauftragten, der sozialen Ansprechpartnerinnen und -partner
oder der Schwerbehindertenvertretung mit allen Beschäftigten, wobei die
Dienststelle nachdrücklich erklärt, dass gegen sexuelle Belästigung am
Arbeitsplatz mit allen rechtlichen Möglichkeiten vorgegangen wird.
Andere oder weitere Maßnahmen sind denkbar.
III.
Beschwerdeverfahren nach § 3 BSchG
1
Die betroffenen Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen
der Dienststelle zu beschweren (§ 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz BSchG).
Zuständige Stellen
in diesem Sinne sind:
- Dienstvorgesetzte
- Vorgesetzte
-
Gleichstellungsbeauftragte.
Im Übrigen bleibt es den Personen, die den Vorwurf der Belästigung erheben, selbstverständlich unbenommen, sich an die für sie zuständige Personal- oder Richtervertretung, an die Schwerbehindertenvertretung, an die sozialen Ansprechpartnerinnen und -partner oder an die Ansprechpartnerin für Gleichstellungsfragen an Schulen und Studienseminaren zu wenden.
2
Die Personen, die den Vorwurf der Belästigung erheben, haben ein Wahlrecht,
welche Stelle sie ansprechen. Wenden sie sich nicht an den Dienstvorgesetzten
oder die Dienstvorgesetzte oder an die Dienststellenleitung, so ist die
Beschwerde von der eingeschalteten Stelle mit ihrer Zustimmung an den Dienstvorgesetzten oder die Dienstvorgesetzte
oder die Dienststellenleitung weiterzuleiten.
Ohne Zustimmung der den Vorwurf der Belästigung erhebenden Personen wird die
Beschwerde nicht weiter verfolgt. Die Beschwerde ist von allen Genannten vertraulich
zu behandeln.
3
Der oder die Dienstvorgesetzte oder die Dienststellenleitung prüft die mündlich oder schriftlich
eingelegte Beschwerde und hat die
Personen, gegen die die Vorwürfe erhoben wurden, anzuhören und den Sachverhalt
vollständig im Rahmen der rechtlichen
Möglichkeiten aufzuklären. Von der Anhörung ist ein Protokoll zu fertigen.
Die unter Nr. 1 genannten Personen können an der Prüfung beteiligt werden, wenn
die den Vorwurf der Belästigung erhebende Person hierzu ihre Zustimmung erteilt. Die Gleichstellungsbeauftragte ist
nach den Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes zu beteiligen.
Die Entscheidung über die Beschwerde soll
innerhalb von vier Wochen ergehen und ist den am Beschwerdeverfahren
Beteiligten bekannt zu geben. Aus der Entscheidung über die Beschwerde muss
hervorgehen, welche arbeitsrechtlichen, dienstrechtlichen oder
disziplinarischen und personalwirtschaftlichen Maßnahmen die Dienstvorgesetzten
oder die Dienststellenleitung ggf.
für erforderlich halten.
Kommt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass
in dem konkreten Fall eine Umsetzung oder Versetzung erforderlich, aber auch
ausreichend ist, so ist eine Umsetzung oder Versetzung der belästigenden Person vorzunehmen, es sei denn, dieses ist
aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich. In diesen Fällen sind
unverzüglich die organisatorischen oder personellen Voraussetzungen für die
Umsetzung zu schaffen. Die belästigte Person soll nur
ausnahmsweise und nur mit ihrer Zustimmung umgesetzt oder versetzt werden.
Werden Beschäftigte durch (nicht
dienststellenangehörige) Dritte im Zusammenhang mit dem Dienstbetrieb sexuell
belästigt, hat der oder die Dienstvorgesetzte oder die Dienststellenleitung
alle rechtlich möglichen Maßnahmen zum Schutz vor wiederholten Handlungen zu
ergreifen.
4
Kommt der oder die Dienstvorgesetzte oder die Dienststellenleitung der Prüfungs- und Entscheidungspflicht
schuldhaft nicht in dem erforderlichen Umfang nach, so liegt eine Verletzung
der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten oder der Fürsorgepflicht gegenüber der
belästigten Person vor. Das Unterlassen der Prüfung und der Entscheidung stellt
ein Dienstvergehen dar.
5
Die Vorschriften über die Führung von Personalakten bleiben unberührt.
IV.
Bekanntgabe
Die Bekanntgabe des
Beschäftigtenschutzgesetzes und dieses Erlasses erfolgt in der Dienststelle durch
besondere schriftliche Information, z.B. durch eine Hausmitteilung an alle Beschäftigten.
- MBl.
NRW. 2002 S. 1068