Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2008 Nr. 29 vom 30.10.2008 Seite 517 bis 540

Grundsätze zum Umgang mit Schadens- oder Gefahrenfällen im Bereich des Umweltschutzes (Umweltalarm-Richtlinie) Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Innenministeriums v. 9.9.2008
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zugehörige Anlagen :
Anlage1
Anlage2
 

Grundsätze zum Umgang mit Schadens- oder Gefahrenfällen im Bereich des Umweltschutzes (Umweltalarm-Richtlinie) Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Innenministeriums v. 9.9.2008

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Grundsätze zum Umgang mit Schadens- oder Gefahrenfällen
im Bereich des Umweltschutzes
(Umweltalarm-Richtlinie)

Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
und des Innenministeriums
v. 9.9.2008

1
Allgemeines

Die Umweltalarm-Richtlinie trifft fachliche Regelungen zur Entgegennahme und Weiterleitung von Meldungen über Schadens- oder Gefahrenfälle im Bereich des Umweltschutzes sowie zur Einsatzbereitschaft von Umweltschutzbehörden i.S.d. § 1 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) in Schadens- oder Gefahrenfällen. Ziel ist es, in solchen Fällen eine schnelle Reaktion der Umweltschutzbehörden, sachgerechte Maßnahmen zur Eindämmung der Umweltgefahren, die Untersuchung und Sachverhaltsaufklärung und die rechtzeitige Information aller betroffenen Stellen sowie der Bevölkerung sicherzustellen.

Die Umweltalarm-Richtlinie gibt den Rahmen für die von den Umweltschutzbehörden aufzustellenden Umweltalarmpläne vor. Zweck dieser Alarmpläne ist die Regelung einer schnellen Information von Behörden und Betroffenen bei Unfällen, Betriebsstörungen und sonstigen Ereignissen, bei denen umweltgefährdende Stoffe freigesetzt werden und eine akute Gefahr für Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre und sonstiger Sachgüter besteht oder bestehen könnte.

2
Gegenseitige Information und Weiterleitung von Meldungen

2.1
Allgemeines

2.1.1
Polizei, Feuerwehr, örtliche Ordnungsbehörden und Umweltschutzbehörden informieren sich grundsätzlich gegenseitig und unverzüglich über Schadens- oder Gefahrenfälle, soweit sie in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffen sind.

2.1.2
In jedem Fall ist die Leitstelle für den Feuerschutz und den Rettungsdienst zu unterrichten.

2.1.3
Je nach Sachlage sind von der zuständigen Umweltschutzbehörde nach Eingang einer Meldung bzw. Anzeige über einen Schadens- oder Gefahrenfall betroffene und potenziell betroffene Behörden und Dritte zu informieren. Hierzu zählen insbesondere:
- Gesundheitsämter,
- Talsperrenbetreiber,
- Wasserwerke,
- Betreiber von Anlagen zur Abwasserbehandlung und Abwasserableitung bei Gefahr des Eindringens von umweltgefährdenden Stoffen in die Anlage,
- Betreiber von Rohrfernleitungen,
- Wirtschaftsbetriebe oder Stadtwerke der Stadt bzw. des Kreises,
- Sondergesetzliche Wasserverbände,
- Wasser- oder Bodenverbände nach dem WVG,
- Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung für Bergbau und Energie in NRW (bei Fällen in Betrieben oder mit Auswirkung auf Betriebe, die der Bergaufsicht unterliegen),
- Straßen NRW oder das für Straßen zuständige Amt der Kommune bzw. des Kreises,
- die nächste Dienststelle der Bundeswehr bzw. der zuständige Verbindungsoffizier und das zuständige Regionalbüro für Immobilienanlagen (bei Fällen in Anlagen oder mit Auswirkung auf Anlagen der Bundeswehr bzw. von Stationierungsstreitkräften).

2.1.4
Die untere Umweltschutzbehörde hat die obere und die oberste Umweltschutzbehörde sowie die obere Umweltschutzbehörde die oberste Umweltschutzbehörde unverzüglich zu informieren, wenn ein Schadens- oder Gefahrenfall
- eine überregionale oder länderübergreifende Bedeutung hat oder
- ein überregionales Interesse der Öffentlichkeit und der Medien findet.

Dies ist in der Regel gegeben, wenn ein Schadens- oder Gefahrenfall ein Kriterium nach der Anlage 1 erfüllt.

In diesen Fällen hat unter dem Kennwort „Umweltalarm“ eine Meldung nach der Anlage 2 oder eine Meldung mit mindestens gleichem Inhalt an die Meldeköpfe der zuständigen oberen und der obersten Umweltschutzbehörde zu erfolgen. Außerdem ist parallel eine Information an den Meldekopf der örtlich betroffenen unteren Umweltschutzbehörde vorzusehen.

2.1.5
Meldungen, die unter dem Kennwort „Umweltalarm“ bei der Nachrichtenbereitschaftszentrale (NBZ) des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) eingehen, werden von dort an die obere und oberste Umweltschutzbehörde unverzüglich weitergeleitet.

2.2
Besondere Regelungen

Die zuständige obere Umweltschutzbehörde entscheidet bei Schadens- oder Gefahrenfällen an den Bundeswasserstraßen über die Weitergabe einer überregionalen oder internationalen Information und über die Auslösung eines überregionalen oder internationalen Alarms. Die Warn- und Alarmpläne der Flussgebiete sind zu beachten. Die Wasserschutzpolizei und die oberste Wasserbehörde sind grundsätzlich zu informieren.

Die Meldeköpfe sind mit den Nachbarländern abzustimmen und in den Umweltalarmplänen der oberen Umweltschutzbehörden festzulegen; die jeweils gültigen Warn- und Alarmpläne der Flussgebiete sind ebenfalls aufzunehmen.

Folgende besondere Zuständigkeiten sind zu beachten:
- Rhein: Bezirksregierung Düsseldorf
- Westdeutsches Kanalnetz: Bezirksregierung Münster
- Ruhr: Bezirksregierung Düsseldorf
- Weser: Bezirksregierung Detmold
- Ems: Bezirksregierung Münster

3
Zuständigkeiten

3.1
Allgemeines

In Schadens- oder Gefahrenfällen treffen die Umweltschutzbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß ZustVU in ihrer jeweils geltenden Fassung alle Maßnahmen zur Schadens- und Gefahrenabwehr.

Die Zuständigkeiten der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte nach dem Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung Nordrhein-Westfalen (FSHG NRW) in der jeweils gültigen Fassung bleiben unberührt.

Bei Gefahr im Verzuge können auch die örtlichen Ordnungsbehörden sofort tätig werden.

3.2
Örtliche Zuständigkeiten

Örtlich zuständig ist die Umweltschutzbehörde, in deren Dienstbezirk Ursachen oder Folgen eines Schadens- oder Gefahrenfalls erkannt werden. Liegt die Ursache im Dienstbezirk einer anderen Umweltschutzbehörde oder erstrecken sich die Folgen auf den Dienstbezirk anderer Umweltschutzbehörden, so sind diese betroffenen Behörden unverzüglich zu informieren.

Folgende Sonderregelung ist zu beachten:

Bei Gewässerverunreinigungen oder anderen gewässergefährdenden Ereignissen am Rhein bzw. mit Auswirkungen auf den Rhein führt das LANUV in eigener Zuständigkeit, je nach Sachlage in Abstimmung mit der örtlich zuständigen Feuerwehr, Untersuchungen durch. Dazu betreibt das LANUV kontinuierlich arbeitende Messstationen. Ggf. veranlasst das LANUV Ermittlungen durch die Wasserschutzpolizei. Außerdem informiert das LANUV unverzüglich die Bezirksregierung Düsseldorf.

3.3
Hinzuziehung des LANUV

3.3.1
Zur Feststellung des Schadensumfanges und der Schadensursachen sowie zur Unterstützung bei der Ableitung sachgerechter Sofort- und Folgemaßnahmen hat das LANUV bei den Schadens- oder Gefahrenfällen nach Nummer 2.1.4 die zuständigen Umweltschutzbehörden auf Anfrage zu beraten und zu unterstützen. Die Beratung und Unterstützung umfassen insbesondere
- Stoffdatenrecherchen, Bewertungen der Gefährdung der Umwelt und von Folgeschäden, u.a. für Wasserversorgung und Gewässergüte (z.B. Fische) und ggf. Hinweise auf die technische Durchführbarkeit von Maßnahmen sowie
- die Übermittlung von Daten zur Grundwassersituation, zum Boden, der Untergrundbeschaffenheit bzw. von Gewässergütedaten und Luftqualitätsdaten.

Hinweis: Die Ergebnisse der fest eingerichteten Messstationen sind vom LANUV im Internet unter www.lanuv.nrw.de veröffentlicht.

3.3.2
Das LANUV führt auf Anforderung der oberen und obersten Umweltschutzbehörde Untersuchungen bei Schadens- oder Gefahrenfällen im Zuständigkeitsbereich der oberen Umweltschutzbehörden durch. Dies gilt auch im Regelfall bei Schadens- oder Gefahrenfällen im Zuständigkeitsbereich der unteren Umweltschutzbehörde, wenn die Kriterien nach Nummer 2.1.4 erfüllt sind und die untere Umweltschutzbehörde das LANUV über die NBZ anfordert. In den übrigen Fällen kann das LANUV die Untersuchungen auf Anfrage der unteren Umweltschutzbehörde im Wege der Amtshilfe durchführen.

4
Umweltalarmpläne

Die Umweltschutzbehörden haben jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich einen Umweltalarmplan aufzustellen, der gewährleistet, dass bei einem Schadens- oder Gefahrenfall unverzüglich Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Die Umweltalarmpläne sind mit den beteiligten Behörden, soweit erforderlich auch mit den Behörden und Stellen der benachbarten Gebiete, abzustimmen. Die Umweltalarmpläne sowie jede Aktualisierung sind sämtlichen betroffenen Stellen zu übermitteln und in elektronischer Form über behördeninternes Internet in ständig aktueller Form zum Abruf bereitzustellen.

Dem Umweltalarmplan muss entnommen werden können, wie die zuständigen Behörden und die ggf. zu beteiligenden Stellen zu erreichen sind und wie ggf. die Öffentlichkeit informiert wird. Dazu sind u.a. die Meldeköpfe gemäß Nummer 5 aufzuführen und fortlaufend aktuell zu halten. Der Umweltalarmplan soll den örtlichen Gegebenheiten entsprechen und kann um weitere Angaben erweitert werden.

Der Umweltalarmplan enthält außerdem die organisatorischen und technischen Festlegungen, die vorsorglich für eine unverzügliche Gefahren- oder Schadensabwehr zu treffen sind. Hierzu gehören insbesondere
- Informationen, wie die erforderlichen Kräfte und technischen Hilfsmittel einschließlich der Sachverständigen und Unternehmen zur Durchführung der Untersuchungsarbeiten und Abwehrmaßnahmen herangezogen werden können,
- Festlegungen bezüglich der Ermittlung der Schadensursache und der Beweissicherung,
- Informationen über Stellen, an denen Mittel und Geräte für die Bekämpfung von Schadens- oder Gefahrenfällen bereit gehalten werden,
- Hinweise auf Karten und Informationen zu Wasserschutzgebieten, Wasserversorgungsanlagen und ggf. weitere Einzugsgebiete von Wassergewinnungsanlagen für die öffentliche Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigungsanlagen, Kanalnetzen, geeigneten Stellen für Gewässersperren, Fließzeiten zwischen den einzelnen Sperrstellen, Fernleitungen für umweltgefährdende Stoffe,
- Absprachen mit anderen Aufgabenträgern über den zweckmäßigsten Einsatz von Geräten und Personal.

5
Meldeköpfe und fachbezogene Rufbereitschaften

Jede Umweltschutzbehörde stellt über einen Meldekopf rund um die Uhr die Entgegennahme und Weiterleitung von Meldungen sicher.

Die unteren Umweltschutzbehörden bedienen sich der Leitstelle für den Feuerschutz und den Rettungsdienst als Meldekopf.

Die Umweltschutzbehörden haben zu gewährleisten, dass bei einem Schadens- oder Gefahrenfall unverzüglich Entscheidungen getroffen werden können und im Bedarfsfall unverzüglich Proben genommen, Vor-Ort-Analysen durchgeführt und weiterführende Untersuchungen eingeleitet werden können.

Die oberen Umweltschutzbehörden haben den Betreibern von Betriebsbereichen oder Anlagen, die unter die Störfall-Verordnung fallen, die Rufnummer des Meldekopfes für die Aufnahme in die innerbetrieblichen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne bekanntzugeben.

Die oberen Umweltschutzbehörden und die oberste Umweltschutzbehörde stellen während der Dienstzeit fachbezogen eine Ansprechstelle und außerhalb der Dienstzeit eine fachbezogene Rufbereitschaft im Bereich des Umweltschutzes sicher. Sie stellen weiterhin sicher, dass die Rufnummer der Ansprechstellen bei den Meldeköpfen und der NBZ verfügbar sind.

Das LANUV unterhält die NBZ als landesweite Nachrichtenzentrale. Diese ist über die Rufnummer 0201-71-44-88 rund um die Uhr erreichbar.

Das LANUV stellt darüber hinaus während der Dienstzeit für die Aufgaben nach Nummer 3.3.1 eine fachliche Ansprechstelle und rund um die Uhr für die Aufgaben nach Nummer 3.3.2 die unverzügliche Einsatzbereitschaft von Sondereinsatzdiensten (Luftmessungen, Probenahmen in den Medien Wasser und Boden, Vor-Ort-Untersuchungen und ggf. notwendige Sofort-Untersuchungen im Labor) sicher.

6
Schlussbestimmungen

Der Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Der RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz v. 28.4.2006 (MBl. NRW. S. 306, SMBl. NRW. 283) wird aufgehoben.

- MBl. NRW. 2008 S. 521