Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2011 Nr. 35 vom 30.12.2011 Seite 621 bis 632

Änderung der Richtlinien für den Abschiebungsgewahrsam im Land Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftrichtlinien - AHaftRL) RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales v. 6.12.2011
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Änderung der Richtlinien für den Abschiebungsgewahrsam im Land Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftrichtlinien - AHaftRL) RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales v. 6.12.2011

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Änderung der Richtlinien für den Abschiebungsgewahrsam im Land Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftrichtlinien - AHaftRL)

RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales v. 6.12.2011

Die Richtlinien für den Abschiebungsgewahrsam im Land Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftrichtlinien - AHaftRL), RdErl. v. 19.1.2009 (MBl. NRW. S. 84), zuletzt geändert d. RdErl. v. 7.5.2010 (MBl. NRW. S. 568/SMBl. NRW. 26), werden wie folgt geändert:

 

1. In Ziffer 1.1 werden die Absätze 1 und 2 durch den folgenden Absatz ersetzt:

Abschiebungshaft wird in Nordrhein-Westfalen in Amtshilfe für das Ministerium für Inneres und Kommunales unter der Fachaufsicht des Justizministeriums in der Justizvollzugsanstalt Büren vollzogen. Daneben kann in besonders gelagerten Einzelfällen, z.B. nach gescheitertem Abschiebungsversuch, Abschiebungshaft auch in anderen Justizvollzugsanstalten vollzogen werden.“

Die bisherigen Absätze 3 (Diese Abschiebungshaftrichtlinien …) und 4 (Die Abschiebungshaftrichtlinien …) werden zu den Absätzen 2 und 3.

2. Ziffer 1.2.3 wird wie folgt gefasst:

„1.2.3
Richtervorbehalt, Zuständigkeiten

Nach Artikel 104 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 62 Abs. 1 AufenthG hat der Richter (Amtsrichter) die Entscheidung über die Zulässigkeit von Abschiebungshaft zu treffen.

Der Vollzug der richterlichen Haftanordnung ist gemäß § 422 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AufenthG Aufgabe der zuständigen Ausländerbehörde.

Wird der Haftanordnungsbeschluss nicht vollstreckt oder wird der Ausländer aus der Abschiebungshaft entlassen, so ist der Haftanordnungsbeschluss verbraucht.

- Örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts richtet sich nach § 416 FamFG i.V.m. der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene, in Jugendstrafsachen, in Bußgeldverfahren und Abschiebungshaftsachen vom 5.7.2010 (GV. NRW. 2010 Nr. 24 v. 23.7.2010 S. 422). Der Gerichtsstand des § 416 Satz 2 FamFG ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit in der Regel vorrangig gegenüber dem des § 416 Satz 1 FamFG.

Gericht i. S. d. § 427 Abs. 1 FamFG ist das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständige Gericht. Danach ist nach den §§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 416 FamFG das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die betroffene Person ihren (tatsächlichen) gewöhnlichen Aufenthalt hat. Lässt sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht feststellen, ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Erfordernis für die Freiheitsentziehung entsteht.

Nach § 427 Abs. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringliche Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und dringender Bedarf für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

Die Ausländerbehörde kann das für die Erstanordnung zuständige Amtsgericht ersuchen, gem. § 106 Abs. 2 AufenthG das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abzugeben, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wird, wenn über die Verlängerung (Fortdauer) zu entscheiden ist, andernfalls bleibt das Amtsgericht zuständig, das die Freiheitsentziehung angeordnet hat.

- Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde

Gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) ist in NRW diejenige Ausländerbehörde für den Haftantrag und damit auch für eine vorläufige Festnahme im Sinne des § 62 Abs. 4 AufenthG (siehe Nummer 6) zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. In der Regel ist dies die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder im Falle des „Untertauchens“ hatte.

Der so definierte Maßstab kann in NRW je nach Fallsituation zur Zuständigkeit auch mehrerer Ausländerbehörden führen. Bei einem inhaftierten Ausländer wird in der Regel die Behörde des Haftortes zuständig. Bestehen hinlänglich Anhaltspunkte dafür, dass der Ausländer an seinen letzten Wohn- oder Aufenthaltsort vor der Inhaftierung zurückkehren wird, etwa weil er seine dortige Wohnung beibehalten oder familiäre oder andere Bindungen dorthin aufrechterhalten hat, so ist zusätzlich auch die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Wohn- oder Aufenthaltsort liegt.

Handelt es sich um einen bisher unbekannten illegal sich aufhaltenden Ausländer ist dies die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer seinen selbstbestimmten Aufenthalt genommen hatte. Liegen keine Anhaltspunkte vor, ist die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk der Ausländer aufgegriffen wurde.

Für die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung bei einem im Ausland lebenden Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 OBG NRW die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer nach seiner Einreise begeben will. Fehlt es bei einer Befristungsentscheidung an einem derartigen Bezugspunkt, bleibt die Ausländerbehörde zuständig, die die Maßnahme getroffen hat, die zur Wiedereinreisesperre geführt hat.

Darüber hinaus hat die für den Aufgriffsort zuständige Ausländerbehörde im Rahmen der sog. außerordentlichen Zuständigkeit die Abschiebungshaft zu beantragen, soweit dies von der zuständigen Ausländerbehörde nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen kann und damit Gefahr im Verzug besteht (vgl. § 6 Abs. 1 OBG NRW).
Für Haftfolgeanträge bleibt grundsätzlich die Zuständigkeit der erstzuständigen Ausländerbehörde bestehen; die allgemein zuständige Ausländerbehörde ist daher von der außerordentlich zuständigen Behörde über die getroffenen Maßnahmen gem. § 6 Abs. 3 OBG NRW unverzüglich zu unterrichten.

Bei Unzuträglichkeiten, die sich aus Doppel- oder Mehrfachzuständigkeiten ergeben, kann die Aufsichtsbehörde nach § 4 Abs. 2 bzw. § 9 Abs. 2 OBG NRW eine Weisung im Einzelfall erteilen.

Die örtliche Zuständigkeit in anderen Ländern richtet sich nach deren Landesrecht. Die örtliche Zuständigkeit wird danach vielfach durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a VwVfG).

- Haftanträge in Amtshilfefällen

In zulässigen Amtshilfefällen hat die zuständige Ausländerbehörde den Haftantrag der ersuchten Behörde zu übersenden und diese zu bitten, den Antrag beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Gem. § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerwesen (ZustAVO) können bei Haftfolgeanträgen in Amtshilfe auch die Zentralen Ausländerbehörden in Anspruch genommen werden. Amtshilfe kommt nur im Rahmen der durch § 5 VwVfG bestimmten Voraussetzungen und Grenzen in Betracht.

Zu beachten ist, dass Amtshilfe nur eine auf Ersuchen einer anderen Behörde geleistete `ergänzende¿ Hilfe umfasst. Ein Amtshilfeersuchen muss sich auf bestimmte Teilakte eines Verwaltungsverfahrens beschränken. Die pauschale Bitte einer vollständigen Übernahme von Verwaltungsaufgaben ist nicht zulässig. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geht die dem Grundsatz nach in Artikel 35 Abs. 1 GG normierte Amtshilfe nicht über eine Aushilfe im Einzelfall hinaus. Amtshilfe besteht demnach in dem lediglich ergänzenden Beistand, den eine Behörde einer anderen leistet, um dieser die Durchführung ihrer öffentlichen Aufgaben zu ermöglichen oder zu erleichtern. Sie beschränkt sich auf ein punktuelles Zusammenwirken mit Ausnahmecharakter.“

3. In Ziffer 4.2 wird folgender Satz vorangestellt:

„Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken.“

4. In Ziffer 7 wird Absatz 2 gestrichen. Absatz 3 (alt) wird Absatz 2 (neu) und wie folgt gefasst:

„Dieser Erlass tritt mit Ablauf des 31.12.2016 außer Kraft.“

- MBl. NRW. 2011 S. 628