Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2013 Nr. 27 vom 6.11.2013 Seite 479 bis 488

Krisenmanagement durch Krisenstäbe im Lande Nordrhein-Westfalen bei Großschadensereignissen, Krisen und Katastrophen
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Krisenmanagement durch Krisenstäbe im Lande Nordrhein-Westfalen bei Großschadensereignissen, Krisen und Katastrophen

20020

Krisenmanagement durch Krisenstäbe im Lande Nordrhein-Westfalen
bei Großschadensereignissen, Krisen und Katastrophen

RdErl d. Ministeriums für Inneres und Kommunales
v 4.10.2013

Auf Grundlage der §§ 1 Abs. 3, 4 und 33 Abs. 3 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) wird das Krisenmanagement für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt. Es orientiert sich an den vom Arbeitskreis V und der Innenministerkonferenz empfohlenen „Hinweisen zur Bildung von Stäben der administrativ-organisatorischen Komponente (Verwaltungsstäbe-VwS)" vom 8.7.2004 zwecks Einführung eines bundesweit einheitlichen und durchgängigen Führungssystems.

Personenbezogene Bezeichnungen werden im Maskulinum in verallgemeinernder Form verwendet und beziehen sich auf beide Geschlechter:

1
Allgemeine Hinweise

Unter dem Begriff Krisenmanagement im Sinne dieses Erlasses werden alle Maßnahmen zur Prävention, Erkennung, Bewältigung und Nachbereitung von Krisenfällen (Großschadensereignis, sich anbahnende oder bereits eingetretene  Katastrophe) zusammengefasst. Zu einem effektiven und effizienten Krisenmanagement gehört die Schaffung von konzeptionellen, organisatorischen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen, die eine schnellstmögliche Zurückführung einer eingetretenen außergewöhnlichen Situation in den Normalzustand unterstützen. Dabei liegt der Kern der Krisenbewältigung auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte. 

Als Instrument des Katastrophenschutzes wird mit diesen Hinweisen zur Bildung von Krisenstäben eine Ebenen übergreifende, einheitliche Organisationsform für das Krisenmanagement vorgegeben, die eine reibungslose Zusammenarbeit sicherstellt.  Gleichzeitig ist damit eine inhaltlich einheitliche Aus- und Fortbildung unter Koordination des Instituts der Feuerwehr beabsichtigt. Ziel ist ein Arbeiten in einheitlichen Strukturen mit gleichen Fähigkeiten. 

Die Hinweise gelten für die Stabsarbeit bei Großschadenereignissen bis hin zur Katastrophe. Die beschriebene Organisation ist auch geeignet, um - außerhalb von Großschadenereignissen oder Katastrophen - insbesondere Verwaltungsaufgaben zu erledigen, die im originären Zuständigkeitsbereich der Behörde liegen und unvorhergesehen, kurzfristig sowie gegebenenfalls unter Beteiligung mehrerer Fachbereiche erledigt werden müssen (Krisenmanagement).

Diese Hinweise enthalten Rahmenvorgaben. Die ergänzende Ablauforganisation ist Ebenen spezifisch in einer Dienstordnung festzulegen.

2
Komponenten des Krisenmanagements

Zur Bewältigung von Großschadensereignissen, sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophen im Sinne des FSHG sind auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte unter dem Hauptverwaltungsbeamten als politisch Gesamtverantwortlichen als administrativ-organisatorische Komponente ein Krisenstab und als operativ-taktische Komponente eine Einsatzleitung vorzusehen.

Die beiden organisatorischen Komponenten sind streng getrennt zu halten; es sind wechselseitig Verbindungspersonen zum Informationsaustausch einzusetzen.

2.1
Aufgabe des politisch Gesamtverantwortlichen im Krisenfall

Der politisch Gesamtverantwortliche hat bei sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Großschadensereignissen oder Katastrophen sowohl administrativ-organisatorische wie auch operativ-taktische Aufgaben. Er muss zur Gefahrenabwehr sowohl Einsatz- als auch Verwaltungsmaßnahmen veranlassen, koordinieren, entscheiden und verantworten. Zur Erledigung seiner Aufgaben bedient er sich der Komponenten Krisenstab und  Einsatzleitung.

Die politische Gesamtverantwortung liegt für Großschadensereignisse und Katastrophen

-  auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte bei dem Hauptverwaltungsbeamten,

-  auf der Ebene der Bezirksregierungen bei dem Regierungspräsidenten und

-  auf der Landesebene bei den fachlich betroffenen Ressorts der Landesregierung.

2.2
Einsatzleitung und Einsatzunterstützung

Im Falle eines Großschadensereignisses bzw. einer sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophe hat der Hauptverwaltungsbeamte unverzüglich eine Einsatzleitung einzusetzen und einen Einsatzleiter zu bestellen.

Die Einsatzleitung hat die Aufgabe, alle operativ-taktischen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren und zur Begrenzung der Schäden durch Führung und Einsatz der Einsatzkräfte zu veranlassen. Aufgabe, Struktur und Umfang der Einsatzleitung sind in der Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100) näher geregelt; die FwDV 100 findet insoweit ergänzend Anwendung.

Das Land hält aus den Ressourcen des Instituts der Feuerwehr eine Einsatzunterstützung vor, die im Bedarfsfall den Bezirksregierungen oder den Landesministerien lageabhängig zur Unterstützung zur Verfügung steht. Über ihren Einsatz entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.

2.3
Krisenstab

Bei Großschadensereignissen, sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophen hat der politisch Gesamtverantwortliche den Krisenstab zu aktivieren.

Aufgabe und Zweck des Krisenstabes ist es, unter den eventuell zeitkritischen Bedingungen eines Ereignisses, umfassende Maßnahmen schnell, ausgewogen und unter Beachtung aller notwendigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vorzubereiten und erforderlichenfalls in Abstimmung mit dem politisch Gesamtverantwortlichen zu veranlassen. Der Krisenstab ist eine besondere Organisationsform einer Behörde und wird ereignisabhängig für einen begrenzten Zeitraum nach einem vorbestimmten Organisationsplan gebildet.

Ein Krisenstab ist erforderlich, wenn aufgrund eines besonderen Ereignisses ein über das gewöhnliche Maß hinaus gehender hoher Koordinations- und Entscheidungsbedarf besteht. Dies ist insbesondere bei Großschadenslagen, sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophen der Fall.

Der Krisenstab kann auch unterhalb dieser Schwelle bei komplexen und schwierigen Aufgaben eingesetzt werden, wenn beispielsweise

-  die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Ämter/Behörden erforderlich ist,

-  eine koordinierte und ämterübergreifende Information der Bevölkerung notwendig ist oder

-  eine Vielzahl von unterschiedlichen Informationen zu bewerten und auf dieser Grundlage abgestimmte Entscheidungen zu treffen sind.

Er kann auch bei Ereignissen einberufen werden, bei denen Einsatzkräfte nicht erforderlich oder noch nicht tätig sind.

Im Krisenstab arbeiten alle zur Bewältigung der Schadenlage notwendigen beziehungsweise zuständigen Ämter der eigenen Verwaltung, anderer Behörden und Dritte mit besonderen Kenntnissen (zum Beispiel Vertreter von Versorgungs- und Infrastrukturunternehmen) mit.

Krisenstäbe können sowohl auf gleichen als auch auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen zur selben Zeit und zur Bewältigung desselben Schadenereignisses eingerichtet sein. In diesem Falle ist der Informationsaustausch und die gegebenenfalls erforderliche Abstimmung zwischen den Stäben horizontal wie vertikal sicherzustellen; insbesondere hinsichtlich Bevölkerungsinformation und Medienarbeit.  

Krisenstäbe auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte:

2.3.1
Aufgabenbeschreibung

Der Krisenstab muss für den politisch Gesamtverantwortlichen alle mit dem Ereignis in Zusammenhang stehenden administrativ-organisatorischen Maßnahmen vorbereiten und im Rahmen der übertragenen Kompetenzen die Ausführung dieser Maßnahmen eigenverantwortlich veranlassen und kontrollieren.

Administrativ-organisatorische Maßnahmen sind solche Maßnahmen, die von einer Verwaltung aufgrund rechtlicher Vorgaben, finanzieller Zuständigkeiten oder politischer Verantwortung zu treffen sind. Beispiele sind: Grundsätzliche Entscheidungen über die Evakuierung von Wohngebieten, Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge, Information der Bevölkerung, Eigentumssicherung.

Der Krisenstab informiert betroffene Behörden, Einrichtungen und Stellen sowie die Öffentlichkeit über relevante Entscheidungen und Maßnahmen.

Der Krisenstab auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte bündelt die gesamte Kompetenz der Verwaltung nach Kreisordnung und Gemeindeordnung NRW.

Die Umsetzung der vom Krisenstab beschlossenen Maßnahmen erfolgt grundsätzlich in den bestehenden Organisationsstrukturen der Behörden.

Der Krisenstab trifft keine operativ-taktischen Entscheidungen. Die Einsatzleitung ist dem Hauptverwaltungsbeamten gegenüber unmittelbar verantwortlich.

2.3.2
Organisatorische Stellung

Der Krisenstab ist dem Hauptverwaltungsbeamten unterstellt.

Der Krisenstab hat vornehmlich Bündelungs- und Koordinierungsfunktion. Er nimmt keine Fachaufgaben einzelner Ämter, sondern eine Querschnittsaufgabe der Behörde wahr.

2.3.3
Organisatorische Voraussetzungen

Der Krisenstab muss zu jeder Zeit aktivierbar sein. Um Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit sicherzustellen, müssen die erforderlichen Vorkehrungen (insbesondere hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten zum Dienstgebäude, der Verfügbarkeit eines adäquat ausgestatteten Raumes, Netzersatzanlagen sowie der Vorhaltung der erforderlichen und unmittelbar verfügbaren Kommunikationsmittel zum direkten Einsatz) getroffen werden. Gleiches gilt hinsichtlich der Bereitstellung von dem Stand der Technik entsprechenden mobilen Kommunikationsmitteln für die verantwortlichen Funktionsträger.

Die personelle und materielle Ausstattung des Krisenstabes ist so zu bemessen, dass eine lageangepasste, ständige Handlungsfähigkeit sichergestellt ist. Dies setzt mindestens eine Zwei-Schicht-Fähigkeit in allen Teilbereichen des Krisenstabes voraus; gespeist aus einem entsprechend geschulten Personalpool der Behörde.

Es wird empfohlen, eine geeignete Person mit der Geschäftsführung des Krisenstabes zu betrauen. Es ist generell eine behördenspezifische Regelung (Dienstordnung) aufzustellen, welche die Einberufung des Krisenstabes, dessen personelle Besetzung, die Alarmierung sowie die Erreichbarkeit der Stabsmitglieder und die räumliche Unterbringung sowie das Vorhalten bzw. Sicherstellen der erforderlichen Kommunikationsmittel regelt.

2.3.4
Gliederung des Krisenstabes

Der Krisenstab setzt sich zusammen aus

- dem Leiter des Stabes,

- der Koordinierungsgruppe des Stabes (KGS)

- dem Zuständigen für die Bevölkerungsinformation und Medienarbeit (BuMA)

- den ständigen Mitgliedern des Stabes (SMS)

- den ereignisspezifischen Mitgliedern des Stabes (EMS)

2.3.4.1
Leitung des Stabes

Der politisch Verantwortliche sollte eine fachlich und persönlich geeignete Person mit der Leitung des Krisenstabes beauftragen.

Dem Leiter des Stabes obliegen die Leitung und die Koordinierung des Krisenstabes. Er veranlasst aufgrund vorliegender Informationen die zu treffenden Maßnahmen, legt Ziele fest, koordiniert die Arbeit der Stabsmitglieder und stellt die Zusammenarbeit mit der Einsatzleitung sicher. Er entscheidet über die Einberufung weiterer ereignisspezifischer Mitglieder in den Stab. Ihm obliegt die Koordination aller sich ergebenden Informations- und Meldepflichten.

Dem Leiter des Stabes obliegt die Verantwortung und die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen der Krisenstab selbst veranlasst und welche Maßnahmen er dem politischen Gesamtverantwortlichen zur Entscheidung vorträgt.

2.3.4.2
Koordinierungsgruppe Krisenstab - KGS

Die Koordinierungsgruppe Krisenstab (KGS) ist gegliedert in die Bereiche

-  Innerer Dienst sowie

-  Lage und Dokumentation.

Zur Unterstützung des Leiters des Stabes kann die Funktion eines Leiters der Koordinierungsgruppe Krisenstab vorgesehen werden.

2.3.4.2.1
KGS- Bereich „Innerer Dienst"

Aufgabe des KGS-Bereiches „Innerer Dienst" ist die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit des Krisenstabes.

Der KGS-Bereich „Innerer Dienst" koordiniert mit Aktivierung des Krisenstabes alle administrativen Tätigkeiten des Krisenstabes (geschäftsführende Stelle). Er sorgt dafür, dass die personelle Besetzung und die Personalverfügbarkeit gegeben sind, beispielsweise für 

-  Sicherstellen der Alarmierung der Stabsmitglieder nach Maßgabe der Dienstordnung bzw. des Leiters des Stabes,

-  Betrieb und Sicherung der benötigten Räume,

-  Bereitstellen von Stabshilfspersonal,

-  Regeln der Organisation im Stab,

-  Vorbereiten von Stabs-Besprechungen,

-  Sicherstellen der Information und Kommunikation sowie

-  Versorgen des Stabes.

2.3.4.2.2
KGS-Bereich „Lage und Dokumentation"

Aufgabe des KGS-Bereiches „Lage und Dokumentation" ist die frühzeitige und ständige Feststellung, Dokumentation und Darstellung der Lage im Krisenstab, die gerichtsfeste Dokumentation der getroffenen Entscheidungen und der veranlassten Maßnahmen sowie deren Auswirkung auf die Schadenslage. Aufgabe des KGS-Bereiches „Lage und Dokumentation" ist insbesondere auch die Darstellung von Prognosen zur voraussichtlichen Lageentwicklung auf der Basis der erarbeiteten und eingebrachten Erkenntnisse.

2.3.4.3
Bevölkerungsinformation und Medienarbeit - BuMA

Hauptaufgabe des Zuständigen für die Bevölkerungsinformation und Medienarbeit (BuMA) ist insbesondere aktive Pressearbeit. BuMA ist des Weiteren verantwortlich für die Koordination, Betreuung und Information der Presse und anderer Medien wie auch für die Auswertung der aus der Presse und aus anderen Medien verfügbaren Informationen und die Weitergabe der ausgewerteten Erkenntnisse an den KGS-Bereich „Lage und Dokumentation".

Der Stabsbereich BuMA kann die Einrichtung und den Betrieb eines „Bürgertelefons" nach vorheriger Abstimmung mit dem Leiter des Krisenstabes veranlassen.

Soweit Krisenstab und Einsatzleitung als selbständige Komponenten aktiviert sind, untersteht die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Person der Einsatzleitung der für BuMA zuständigen Stelle des Krisenstabes. 

2.3.4.4
Ständige Mitglieder des Stabes - SMS

Ständige Mitglieder des Stabes sind entscheidungsbefugte Vertreter der für die Aufgabenerledigung notwendigen Organisationseinheiten, Behörden oder Dritte. Ihnen gehören in der Regel die Verantwortlichen folgender Bereiche an:

-  Sicherheit und Ordnung,

-  Einsatzleitung (Verbindungsperson),

-  Feuer- und Katastrophenschutz,

-  Gesundheit,

-  Umwelt,

-  Soziales und

-  Polizei (Verbindungsperson).

Die konkrete Zusammensetzung des Krisenstabes ist vom Schadensereignis abhängig.

Aufgabe der Ständigen Mitglieder des Stabes ist die Vorbereitung von Entscheidungen, das Veranlassen von Maßnahmen zur Ereignisbewältigung oder Schadensbegrenzung sowie Prognosen für die vom ihnen zu verantwortenden Bereich zu erstellen.

Die SMS-Vertreter müssen nicht ständig im Krisenstab anwesend sein, vielmehr können sie ihre Aufgabe teilweise auch innerhalb ihres normalen Arbeitsbereiches erledigen.

Die SMS sind gleichzeitig Verbindungspersonen zu ihren entsendenden Stellen, Behörden oder Institutionen.

2.3.4.5
Ereignisspezifische Mitglieder des Stabes - EMS

Ereignisspezifische Mitglieder des Stabes sind entscheidungsbefugte Vertreter derjenigen

-  Organisationseinheiten der eigenen Verwaltung,

-  Behörden (zum Beispiel Forst),

-  kreisangehörigen Kommunen

oder fachkundige Dritte (zum Beispiel Energieversorger oder Personennahverkehrsunternehmen), die durch ihre spezifischen Kenntnisse zur Ereignisbewältigung beitragen können.

Die Aufgabe der EMS besteht insbesondere darin, aufgrund der im Stab erhaltenen Informationen für den eigenen Arbeitsbereich erkennbare Probleme und Gefährdungen darzustellen sowie entsprechende Möglichkeiten und Vorschläge zur Schadensbegrenzung und Ereignisbewältigung zu erarbeiten sowie vorzutragen.

Die EMS-Vertreter müssen nicht ständig im Krisenstab anwesend sein, vielmehr können sie ihre Aufgabe teilweise auch innerhalb ihres normalen Arbeitsbereiches erledigen.

Die EMS-Vertreter sind gleichzeitig Verbindungspersonen zu ihren entsendenden Stellen, Behörden oder Institutionen.

2.4
Mitwirkung kreisangehöriger Gemeinden

Unbeschadet der gesetzlichen Zuständigkeit der Kreise sind für unvorhergesehene Ereignisse Arbeits-, Informations-  und Kommunikationsstrukturen zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden abzustimmen.

Für unvorhergesehene Ereignisse bei kreisangehörigen Kommunen empfiehlt sich dort die Einrichtung von funktionsfähigen Stäben für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) zwecks Zusammenarbeit mit dem Krisenstab des zuständigen Kreises im Schadensfall.   

3
Krisenstäbe bei den Bezirksregierungen und bei der Landesregierung

Auf den Ebenen Bezirksregierungen und Landesregierung ist zur Unterstützung des politisch Gesamtverantwortlichen lediglich die administrativ-organisatorische Komponente  als Krisenstab vorzusehen. 

Auf diesen Ebenen werden die administrativ-organisatorischen sowie die operativ-taktischen Aufgabenbereiche in einem Krisenstab gebündelt. Es wird keine Einsatzleitung sondern vielmehr eine operativ-taktische Einsatzunterstützung als Modul des Krisenstabes gebildet. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Einsatzkräfte grundsätzlich auf der kommunalen Ebene geführt werden. Die Aufgaben der Einsatzunterstützung nehmen auf der Ebene der Bezirksregierungen in der Regel die feuerwehrtechnischen Beamten oder vergleichbar qualifiziertes Personal wahr, ggf. unterstützt durch Personal der Einsatzunterstützung Land oder durch Feuerwehrführungskräfte aus dem Regierungsbezirk. Aufgabe der operativ-taktischen Einsatzunterstützung als Modul des Krisenstabes ist in erster Linie die Beschaffung und Bewertung eines Lagebildes, die Schwerpunktdefinition sowie der Überblick über die vor Ort operierenden Einsatzkräfte und das Heranführen von überörtlichen Einsatzkräften, ebenso die Beurteilung der voraussichtlichen Lageentwicklung auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse aus operativer Sicht.  

Auf der obersten Landesebene gelten die Strukturen entsprechend mit der Maßgabe, dass auf der obersten Ebene nach Maßgabe des Ressortprinzips die fachlich betroffenen Ressorts der Landesregierung an die Stelle des politisch Gesamtverantwortlichen treten. Der Krisenstab der Landesregierung ist organisatorisch dem für Inneres zuständigen Ministerium angegliedert. Das Ministerium schafft die organisatorischen Voraussetzungen für die Tätigkeit des Krisenstabes und hält eine Koordinierungsgruppe für den Krisenstab vor.

Auf der Grundlage des § 33 FSHG können die Krisenstäbe der Bezirksregierungen und der Landesregierung im Falle eines Großschadensereignisses beziehungsweise einer sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophe zentrale Aufgaben wahrnehmen und Einzelweisungen erteilen, eine der vom Schadensereignis betroffenen kreisfreien Stadt oder einen Kreis mit der Leitung der Abwehrmaßnahmen beauftragen oder die Leitung der Abwehrmaßnahmen an sich ziehen.

Im Einzelfall kann das für Inneres zuständige Ministerium oder die zuständige Bezirksregierung die Aktivierung von Krisenstäben und Einsatzleitungen anordnen.

Fachaufgaben, die den Bezirksregierungen oder anderen Behörden originär zugewiesen sind, werden nicht berührt.    

4.
Information (einschließlich Warnung)

Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 FSHG haben die kreisfreien Städte und Kreise bei Großschadensereignissen beziehungsweise sich anbahnenden oder bereits eingetretenen Katastrophen die Aufsichtsbehörde (§ 32 FSHG) unverzüglich über Art und Umfang des Ereignisses sowie die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Auf der Grundlage des § 33 Abs. 3 FSHG ergeht hierzu folgende allgemeine Weisung:

4.1
Allgemeines

Meldungen und Lageberichte an die Aufsichtsbehörden über außergewöhnliche Ereignisse bis hin zum Großschadensereignis im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr haben den vornehmlichen Zweck, die Bezirksregierungen und das für Inneres zuständige Ministerium in die Lage zu versetzen, auf das jeweilige (Schadens-)Ereignis angemessen reagieren und notwendige Maßnahmen unverzüglich veranlassen zu können.

Mit RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales NW vom 20.09.2010 - 73 - 52.03.04 / 73 - 52.08 - wurde das Meldeverfahren an die Aufsichts- und Ordnungsbehörden über außergewöhnliche Ereignisse im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr sowie Warnung und Information der Bevölkerung geregelt. Dieses Verfahren gilt nur, sofern kein Krisenstab des Kreises / der kreisfreien Stadt aktiviert ist (vgl. Ziffer 1 Abs. 5 des RdErl.). Wird der Krisenstab aktiviert, gehen die Melde- und Berichtspflichten wie auch die Entscheidung über Information oder Warnung der Bevölkerung für das zu Grunde liegende Ereignis mit der Arbeitsaufnahme des Krisenstabes auf den Krisenstab des zuständigen Hauptverwaltungsbeamten über. Ab diesem Zeitpunkt sind eigenständige Folge- oder Schlussmeldungen der Einsatzleitung/ Leitstelle grundsätzlich zu unterlassen. Sofern sonstige Meldungen (z.B. ein zusätzliches meldepflichtiges Ereignisse) erfolgen, ist der Krisenstab zu unterrichten.   

Sonstige Meldepflichten auf Grund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

4.2
Meldung der Aktivierung des Krisenstabes

Die Aktivierung des Krisenstabes ist den Aufsichtsbehörden und anderen ggf. betroffenen Behörden zu melden.

Wird der Krisenstab des Kreises beziehungsweise der kreisfreien Stadt aktiviert, erfolgt unverzüglich und gleichzeitig von der jeweiligen Leitstelle eine Meldung (auch als elektronische Post) an die zuständige Bezirksregierung (Meldekopf) und an das für Inneres zuständige Ministerium (Lagezentrum). Bei großflächigen (Schadens-) Lagen ist die Meldung auch an die vom (Schadens-) Ereignis ebenfalls betroffenen (Nachbar-)Leitstellen und gegebenenfalls betroffene andere Behörden zu richten.

Wird der Krisenstab der Bezirksregierung aktiviert, erfolgt unverzüglich und gleichzeitig eine Meldung als elektronische Post an die Leitstellen im Bezirk sowie an das für Inneres zuständige Ministerium.

Wird der Krisenstab der Landesregierung aktiviert, erfolgt unverzüglich und gleichzeitig eine Meldung als elektronische Post an die Mailadressen der Krisenstäbe der Bezirksregierungen sowie der Kreise und kreisfreien Städte im Lande.

Der jeweilige Absender hat die vollständige und fehlerfreie Absendung der Meldung sicherzustellen. Bei Ausfall der elektronischen Post muss die Meldung über ein alternatives Kommunikationsmittel übertragen werden.

4.3
Berichtswege des Krisenstabes

Die Meldung über die tatsächliche Arbeitsaufnahme des Krisenstabes, die nachfolgenden Lageberichte sowie die Meldung über die Arbeitsbeendigung des Krisenstabes erfolgen durch den Krisenstab (gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Leitstelle) unverzüglich und gleichzeitig als elektronische Post an die zuständige Bezirksregierung (Meldekopf) und an das für Inneres zuständige Ministerium (Lagezentrum/Krisenstab Land) sowie bei großflächigen (Schadens-)Lagen auch an die vom (Schadens-)Ereignis ebenfalls betroffenen (Nachbar-)Leitstellen.

Sind bei der zuständigen Bezirksregierung, im für Inneres zuständigen Ministerium und/oder in ebenfalls betroffenen Nachbarkommunen Krisenstäbe aktiv, sind die Lageberichte  unmittelbar an die anderen Krisenstäbe per elektronische Post zu übermitteln. Von dem Kreis sind auch die betroffenen Kommunen und gegebenenfalls betroffene andere Behörden zu unterrichten.

Ist der Krisenstab der Bezirksregierung aktiv, erstellt dieser eigene Lageberichte über die Situation im Bezirk und übermittelt die Lageberichte per elektronische Post an das für Inneres zuständige Ministerium (Lagezentrum / Krisenstab Land) sowie die im Bezirk aktiven Krisenstäbe und nachrichtlich an die Leitstellen der nicht betroffenen Gebietskörperschaften des Bezirks.   

Ist der Krisenstab der Landesregierung aktiv, erstellt dieser eigene Lageberichte über die Situation im Land und übermittelt die Lageberichte per elektronische Post an die im Land aktiven Krisenstäbe auf kommunaler und Bezirksebene sowie an betroffene andere Länder und das gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ).

Um eine schnelle und reibungslose Kommunikation auf dem elektronischen Wege sicherzustellen, ist für den Krisenstab eine gesonderte E-Mail-Adresse einzurichten. Die E-Mail-Adresse muss hinsichtlich der Syntax wie folgt einheitlich konfiguriert sein:

krisenstab-Bezeichnung (Bezirk, Kreis, Stadt).Name@Domäne.

Beispiele für die entsprechenden Mailadressen der Krisenstäbe:

krisenstab-bezirk.koeln@bezreg-koeln.nrw.de

krisenstab-kreis.wesel@kreis-wesel.de

krisenstab-stadt.remscheid@str.de

krisenstab-land.nrw@mik.nrw.de

Bei nicht aktiviertem Krisenstab ist das Mailpostfach "Krisenstab" auf eine ständig besetzte Stelle umzuleiten.

Bei Ausfall der elektronischen Post erfolgt die Übermittlung auf einem alternativen Kommunikationsweg.

Der Absender hat die vollständige und fehlerfreie Absendung der Meldung bzw. der Lageberichte sicherzustellen.

Bei Nutzung von STABOS gilt der an die anderen Krisenstäbe gesteuerte Lagebericht als übermittelt.

4.4
Lageberichte

Um eine qualifizierte und zeitnahe Information der Aufsichtsbehörden und der anderen ggf. betroffenen Behörden sicherzustellen, erstellt der Krisenstab umgehend einen Lagebericht (Schnelligkeit hat Vorrang vor Vollständigkeit) und übermittelt diesen an die Aufsichtsbehörden und andere ggf. betroffene Behörden. Die Einsatzleitung hat dem Krisenstab zu diesem Zweck alle vorliegenden Informationen, insbesondere die bisherigen Sofort- und Folgemeldungen zu übermitteln. 

Lageberichte sind grundsätzlich formgebunden zu erstellen (Anlage).

Bei wesentlichen Lageänderungen, bei Durchführung wesentlicher Maßnahmen oder auf Anforderung der Aufsichtsbehörde(n) erstellt der Krisenstab in der Folge weitere Lageberichte.

Um die Lesbarkeit der elektronischen Lageberichte - auch auf mobilen Kommunikationsmitteln - sicher zu stellen, sind nur gängige Formate zu verwenden.

4.5
Warnung und vorsorgliche Information der Bevölkerung

Mit der Arbeitsaufnahme des Krisenstabes bei außergewöhnlichen Ereignissen geht auch die Zuständigkeit für Warnung und vorsorgliche Information der Bevölkerung über die Medien auf den Krisenstab des zuständigen Hauptverwaltungsbeamten über. Ansonsten gilt der RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales NW vom 20.9.2010 - 73 - 52.03.04 / 73 - 52.08 -  entsprechend.

4.6
Melde- und Berichtswesen bei besonderen Anlässen

Bei besonderen Anlässen, wie

-  (Groß‑)Schadensereignissen, Krisen und Katastrophen,

-  Großveranstaltungen

und

-  Katastrophenschutz‑/Krisenmanagementübungen

kann das für Inneres zuständige Ministerium besondere Regelungen im Melde- und Berichtswesen für Krisenstäbe verbindlich festlegen.

4.7
Weitere rechtliche Verpflichtungen

Sonstige Verpflichtungen zur Meldung, Information und Warnung, die sich aufgrund anderer Rechtsvorschriften ergeben, bleiben unberührt.

5
Aus- und Fortbildung

Die Aus- und Fortbildung ist eine wesentliche Aufgabe des Krisenmanagements und stellt für das Institut der Feuerwehr NRW (IdF NRW) einen zusätzlichen Aufgabenschwerpunkt dar. Das IdF bildet neben den operativ-taktischen Einsatzleitungen auch die Krisenstäbe für die Kreise und kreisfreien Städte sowie für den Landesbereich aus und fort. Das IdF kann dabei Dritte (z.B. Verwaltungsmitarbeiter) als nebenamtliche Dozenten in die Aus- und Fortbildung im Krisenmanagement einbeziehen.    

Die Finanzierung dieser Aus- und Fortbildungsveranstaltungen aller Verwaltungsebenen wird durch das Land Nordrhein-Westfalen sichergestellt.

6
Inkrafttreten/Geltungsdauer

Dieser Runderlass tritt am Tage nach seiner Verkündung in und mit Ablauf des 31.12.2017 außer Kraft.

Gleichzeitig tritt der RdErl. des Innenministeriums vom 14.12.2004 (MBl. NRW. 2005, S. 62/SMBl. NRW. 20020) außer Kraft.

- MBl NRW. 2013 S. 480