Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2017 Nr. 37 vom 22.12.2017 Seite 1023 bis 1034

Rechtsbehelfsbelehrung bei elektronischer Widerspruchs- oder Klageerhebung Runderlass des Ministeriums des Innern - 14 -36 05.07 -
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Rechtsbehelfsbelehrung bei elektronischer Widerspruchs- oder Klageerhebung Runderlass des Ministeriums des Innern - 14 -36 05.07 -

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Rechtsbehelfsbelehrung
bei elektronischer Widerspruchs- oder Klageerhebung

Runderlass des Ministeriums des Innern
- 14 -36 05.07 -

Vom 12. Dezember 2017

1
Elektronische Widerspruchserhebung

1.1
Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur

Mit Erlassen des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 31. März 2014 (n.v.) - 56 - 36.05.07 - und vom 6. August 2014 (n.v.) - 56 - 36.05.07 - wurden Formulierungsempfehlungen für den Fall gegeben, dass in Rechtsbehelfsbelehrungen über die Mindestanforderungen des § 58 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hinausgehend auch auf die Form des Rechtsbehelfs hingewiesen werden soll. Die Formulierungsempfehlungen bezogen sich auf die elektronische Form, und zwar auf die Möglichkeit, Rechtsbehelfe unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz - SigG) vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) auch elektronisch einzulegen.

Das Signaturgesetz ist am 29. Juli 2017 außer Kraft getreten (Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG vom 18. Juli 2017 (eIDAS-Durchführungsgesetz, BGBl. I S. 2745)). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, meine oben genannten Formulierungsempfehlungen anzupassen.

Der Rechtsrahmen für elektronische Signaturen ergibt sich nunmehr aus der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-Verordnung). Die eIDAS-Verordnung ist seit dem 1. Juli 2016 unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie enthält ähnliche Vorgaben für elektronische Signaturen wie das Signaturgesetz, soll aber den Rechtsrahmen für elektronische Signaturen weiterentwickeln. Zu diesem Zweck enthält sie Anforderungen an Vertrauensdiensteanbieter sowie Regelungen zu einzelnen Vertrauensdiensten (elektronische Signatur, elektronisches Siegel, elektronische Zeitstempel, elektronische Zustelldienste und Zertifizierungsdienste für Webseiten-Authentifizierung) einschließlich ihrer Rechtswirkungen.

Gemäß Artikel 3 Nummer 12 eIDAS-Verordnung ist eine „qualifizierte elektronische Signatur“ eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“ ist nach Artikel 3 Nummer 11 eIDAS-Verordnung eine elektronische Signatur, die die Anforderungen des Artikels 26 erfüllt. Sie muss dafür eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet sein, die Identifizierung des Unterzeichners ermöglichen und wird unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann. Des Weiteren muss sie so mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten verbunden sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.

Die Voraussetzungen für eine qualifizierte elektronische Signatur sind damit mit den bisherigen Anforderungen nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes identisch. Auch bei der qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz handelte es sich um eine fortgeschrittene elektronische Signatur. Deren Voraussetzungen nach § 2 Nummer 2 des Signaturgesetzes sind ebenfalls mit denen der eIDAS-Verordnung identisch.

Um die Voraussetzungen für einen effektiven Vollzug der eIDAS-Verordnung in Deutschland zu schaffen, wurde das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene eIDAS-Durchführungsgesetz erlassen. Artikel 1 dieses Gesetzes enthält das Vertrauensdienstegesetz (VDG), das an die Stelle des Signaturgesetzes getreten ist. Als Folgeänderung wurde in Artikel 11 Absatz 2 des eIDAS-Durchführungsgesetzes die Bezugnahme auf das Signaturgesetz in § 3a Absatz 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) ersatzlos gestrichen. Es ist beabsichtigt, den gleich lautenden § 3a Absatz 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in Kürze ebenfalls entsprechend zu ändern. Hierdurch wird klargestellt, dass für den rechtlichen Rahmen der qualifizierten elektronischen Signatur immer das jeweils aktuell geltende Recht (zurzeit die eIDAS-Verordnung, gegebenenfalls ergänzt durch Bundesrecht) maßgeblich ist.

1.1.1
Rechtsbehelfsbelehrungen zur elektronischen Widerspruchserhebung mittels E-Mail, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur verbunden ist, sind entsprechend anzupassen. Hierfür empfehle ich folgende Formulierung:

„Der Widerspruch kann auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur an die elektronische Poststelle der Behörde erhoben werden. Die E-Mail-Adresse lautet: (E-Mail-Adresse der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat).“

1.1.2
Nach § 3 Absatz 1, § 26 Absatz 2 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen (EGovG NRW) vom 8. Juli 2016 (GV. NRW. S. 551) sind die Behörden ab dem 1. Januar 2018 verpflichtet, einen Zugang für die Übermittlung von Dokumenten auf elektronischem Weg nach § 3a Absatz 1 VwVfG NRW zu eröffnen, auch soweit sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Für den Zugang müssen die Behörden ein Verschlüsselungsverfahren anbieten. In der unter Nummer 1.1.1 empfohlenen Formulierung sollte als E-Mail-Adresse die Adresse dieses Zugangs angegeben werden.

Die Behörden der Landesverwaltung werden gebeten, in der Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich die E-Mail-Adresse poststelle@<behördenkürzel>.sec.nrw.de anzugeben. Der nur für Landesbehörden, nicht aber für Gemeinden und Gemeindeverbände geltende Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Verwaltungsvorschrift zum elektronischen Zugang zur Verwaltung nach dem E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen“ vom 1. Februar 2017 (MBl. NRW. S. 72) wird voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2018 durch das nunmehr zuständige Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie um Vorgaben für die Nutzung dieser E-Mail-Adresse ergänzt.

1.2
Verwendung einer De-Mail oder eines elektronischen Formulars in Verbindung mit dem sicheren Identitätsnachweis

Nach § 3a Absatz 2 Satz 4 VwVfG NRW kann eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform grundsätzlich auch durch

a) De-Mail in der Sendevariante „bestätigte sichere Anmeldung“ nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes (§ 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 2 VwVfG NRW) sowie durch

b) Eingabe in ein von der Behörde zur Verfügung gestelltes elektronisches Formular in Verbindung mit dem sicheren Identitätsnachweis (§ 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 5 VwVfG NRW)

ersetzt werden.

1.2.1
Nach § 3 Absatz 2, § 26 Absatz 2 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen sind die Behörden ab dem 1. Januar 2018 verpflichtet, Zugänge zum Empfang von De-Mails nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes einzurichten. Dies eröffnet Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, auf diesem Weg auch Widersprüche gegen Verwaltungsakte zu erheben. Daher muss in einer Rechtsbehelfsbelehrung, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen des § 58 Absatz 1 VwGO hinausgehen soll, auch auf diese Möglichkeit hingewiesen werden.

Hierfür empfehle ich folgende Formulierung:

„Der Widerspruch kann auch durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem De-Mail-Gesetz erhoben werden. Die De-Mail-Adresse lautet: (De-Mail-Adresse der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat).“

1.2.2
Nach § 3 Absatz 3, § 26 Absatz 2 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen sind die Behörden ab dem 1. Januar 2018 außerdem verpflichtet, in Verwaltungsverfahren, in denen sie die Identität einer Person aufgrund einer Rechtsvorschrift festzustellen haben oder aus anderen Gründen eine Identifizierung für notwendig erachten und die Identitätsfeststellung zulässig ist, einen elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1346), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juni 2015 (BGBl. I S. 970 ) geändert worden ist, oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 128 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474 ) geändert worden ist, anzubieten.

Dies eröffnet die Möglichkeit, einen Widerspruch mit sicherem Identitätsnachweis auch durch direkte Eingabe in ein elektronisches Formular einzulegen, sofern die Behörde ein solches Formular zur Verfügung stellt. Sollte dies der Fall sein, muss in einer Rechtsbehelfsbelehrung, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen des § 58 Absatz 1 VwGO hinausgehen soll, auch auf diese Möglichkeit hingewiesen werden.

Hierfür empfehle ich folgende Formulierung:

„Der Widerspruch kann mit sicherem Identitätsnachweis auch durch direkte Eingabe in das elektronische Formular eingelegt werden: (Bezeichnung des von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, zur Verfügung gestellten elektronischen Formulars und Angabe der Internetseite/des Links).“

1.2.3
Darüber hinaus weise ich erneut darauf hin, dass die Behörden bei Eröffnung eines Zugangs zur Übermittlung elektronischer Dokumente im Wege der beiden zuletzt genannten Verfahren zusätzliche Vorkehrungen treffen müssen, damit diese Verfahren alle zum Schriftformersatz erforderlichen Funktionalitäten erfüllen. Hierfür gelten weiterhin die Vorgaben meines Erlasses vom 24. Oktober 2014 (n.v.) - 56 - 36.05.07.

2
Elektronische Klageerhebung

2.1
Bislang war eine elektronische Klageerhebung nur in der Weise möglich, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und an die elektronische Poststelle des Gerichts übermittelt wurde.

Durch Artikel 5 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) erhält § 55a VwGO ab dem 1. Januar 2018 eine neue Fassung. Danach muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

2.2
In § 55a Absatz 4 VwGO sind sichere Übertragungswege aufgeführt, mit denen elektronische Dokumente dem Gericht übersandt werden können, ohne dass die Verbindung mit einer qualifizieren elektronischen Signatur erforderlich ist.

Ab dem 1. Januar 2018 werden folgende sichere Übermittlungswege im Sinne von § 55a Absatz 4 VwGO für die elektronische Übermittlung von Dokumenten an die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen tatsächlich genutzt werden können:

a) der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,

b) der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,

c) der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts; das Nähere regelt die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24 November 2017 (BGBl. I S. 3803).

2.3
Für eine Rechtsbehelfsbelehrung zur elektronischen Klageerhebung empfehle ich folgende Formulierung:

„Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55a Absatz 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803).“

Von der eigentlichen Rechtsbehelfsbelehrung drucktechnisch abgesetzt sollte folgender Passus eingefügt werden:

„Hinweis:

Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.“

2.4
Mit Erlass vom 6. August 2014 (n.v.) - 56 - 36.05.07 - hatte ich außerdem empfohlen, von der eigentlichen Rechtsbehelfsbelehrung drucktechnisch abgesetzt folgenden Passus einzufügen:

„Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere technische Rahmenbedingungen zu beachten. Die besonderen technischen Voraussetzungen sind unter www.egvp.de aufgeführt.“

Aufgrund eines Hinweises des Bundesministeriums des Innern gegenüber der Konferenz der Verwaltungsverfahrensrechtsreferentinnen und -referenten von Bund und Ländern bitte ich, zukünftig auf diesen Passus zu verzichten, da nicht gewährleistet ist, dass die auf der genannten Homepage aufgeführten technischen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen immer dem aktuellen Stand entsprechen.

3
Eigenverantwortliche Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsbehelfsbelehrungen

Meine Empfehlungen zur Formulierung von Rechtsbehelfsbelehrungen zur elektronischen Widerspruchs- und Klageerhebung entbinden die Behörden nicht von der Pflicht, jeweils in eigener Verantwortung die Rechtmäßigkeit ihrer Rechtsbehelfsbelehrungen zu prüfen und die Entwicklung der einschlägigen Rechtsprechung im Blick zu halten.

4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

4.1
Dieser Runderlass tritt am 1. Januar 2018 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

4.2
Gleichzeitig mit Inkrafttreten dieses Runderlasses tritt der Runderlass des Ministeriums des Innern „Rechtsbehelfsbelehrungen - Elektronische Widerspruchserhebung“ vom 23. August 2017 (n.v.) - 36.05.07 - außer Kraft.

- MBl. NRW. 2017 S. 1024