Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 10 vom 30.4.2018 Seite 191 bis 246

Erledigung der Antrags-/Widerspruchsverfahren wegen einer altersdiskriminierenden Besoldung, insbesondere Umfang und Modalitäten der Auszahlung von Entschädigungsleistungen Runderlass des Ministeriums der Finanzen - B 2100-121 b.1-IV C 4 -
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Norm
Normfuß
 
zugehörige Anlagen :
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
 

Erledigung der Antrags-/Widerspruchsverfahren wegen einer altersdiskriminierenden Besoldung, insbesondere Umfang und Modalitäten der Auszahlung von Entschädigungsleistungen Runderlass des Ministeriums der Finanzen - B 2100-121 b.1-IV C 4 -

20320

Erledigung der Antrags-/Widerspruchsverfahren wegen einer altersdiskriminierenden
Besoldung, insbesondere Umfang und Modalitäten der Auszahlung von
Entschädigungsleistungen

Runderlass des Ministeriums der Finanzen
- B 2100-121 b.1-IV C 4 -

Vom 13. April 2018

Inhaltsübersicht

1 Maßgebliche Rechtsgrundsätze aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG

2 Anspruchsberechtigung, Höhe der Entschädigung, Anspruchszeitraum unter individuellen Voraussetzungen im Einzelfall

2.1 Antrag/ Widerspruch erstmalig bis zum Ablauf des 8. November 2011

2.2 Antrag/ Widerspruch erstmalig ab dem 9. November 2011

2.3 Antrag/ Widerspruch erstmalig nach dem 30. Juni 2013

3 Keine Zahlung für „alle“, keine Zahlungspflicht bei bestandskräftigem Widerspruchsbescheid und pro Person nur ein Zahlungsanspruch

4 Keine Lohnsteuerpflicht und keine Verzinsung

5 Versorgungsberechtigte Personen

6 Ansprüche und Zahlungspflicht bei Dienstherrenwechsel

6.1 Materielle Folgen eines Dienstherrenwechsels

6.2 Verfahrensrechtliche Folgen eines Dienstherrenwechsels

7 Pfändbarkeit und Vererbbarkeit der Entschädigungsansprüche

8 Verfahrensrechtliche Abwicklung der anhängigen Antrags- / Widerspruchsverfahren

8.1 Behandlung aller Verfahren als Widerspruchsverfahren

8.2 Berücksichtigung des § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes

9 Zusatzinformation: Behandlung noch anhängiger Klageverfahren

Anlagen 1 bis 7

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die maßgeblichen Rechtsfragen zu der Thematik einer altersdiskriminierenden Besoldung höchstrichterlich entschieden haben (vgl. Urteile des EuGH vom 19. Juni 2014 (C-501/12 u.a.) und 9. September 2015 (C-20/13) und des BVerwG vom 30. Oktober 2014 (2 C 6.13 u.a.), vom 6. April 2017 (2 C 11.16 und 2 C 12.16), vom 16. November 2017 (2 C 11.17) und vom 14. Dezember 2017 (2 C 15.17)), sind die hierzu anhängigen Antrags- und Widerspruchsverfahren aufzugreifen und einer Entscheidung zuzuführen.

1
Maßgebliche Rechtsgrundsätze aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG

Die in Nordrhein-Westfalen bis zum 31. Mai 2013 geltende Anknüpfung der Besoldung in der Besoldungsordnung A an das Besoldungsdienstalter beziehungsweise in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 der Besoldungsordnung R an das Lebensalter (§§ 27 und 28 beziehungsweise §§ 37 und 38 des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung beziehungsweise des Übergeleiteten Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen) hat gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen. Die Überleitungsregelungen der §§ 1 bis 3 des Gesetzes zur Überleitung der vorhandenen Beamtinnen, Beamten, Richterinnen, Richter, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen sowie das in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Juni 2013 geltende Erfahrungsstufensystem aufgrund des Dienstrechtsanpassungsgesetzes vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 234), sind unionsrechtskonform.

Die bis zum 31. Mai 2013 erfolgte Altersdiskriminierung kann nach der Rechtsprechung nicht durch eine Einstufung in eine höhere oder gar die höchste Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe des früheren Besoldungssystems ausgeglichen werden. Da die unzulässige Anknüpfung an das Alter sämtliche Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter mit gestuftem Grundgehalt betraf, bestand bis Ende Mai 2013 kein gültiges Bezugssystem, an dem sich eine diskriminierungsfreie Besoldung orientieren könnte.

Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richtern steht als Ausgleich für die frühere, an das Lebensalter anknüpfende Bemessung ihrer Dienstbezüge unter individuell zu prüfenden Voraussetzungen allerdings gegebenenfalls ein Zahlungsanspruch in Höhe von 100 Euro je Monat zu, wenn sie im Einzelfall durch das System diskriminiert wurden und dies entsprechend beanstandet haben.

Das Bundesverwaltungsgericht stützt den Anspruch parallel auf § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gemäß Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Abl. EG L 303/16 vom 2.12.2000). Der Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz besteht gegen den jeweils Bezüge zahlenden Dienstherrn als Arbeitgeber (zum Beispiel Land Nordrhein-Westfalen, Kommunen, sonstige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts), der unionsrechtliche Haftungsanspruch besteht (ausschließlich) gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Besoldungsgesetzgeber. Da der Anspruch nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einen weitergehenden, nämlich grundsätzlich auch zwei Monate in die Vergangenheit wirkenden, Anspruchszeitraum umfasst und somit zu einem höheren Zahlungsanspruch führt als der unionsrechtliche Haftungsanspruch, der einen Zahlungsanspruch stets erst für den auf die Geltendmachung folgenden Monat einer altersdiskriminierenden Besoldung begründet, erlangt letzterer im Ergebnis keine praktische Bedeutung. Denn es besteht für die Betroffenen kein Anspruch auf doppelte Zahlung; der Verstoß ist nur einmal finanziell auszugleichen.

Der unionsrechtliche Haftungsanspruch hätte nur Bedeutung, wenn seinerzeit eine Beamtin oder ein Beamter der Kommunen oder sonstiger Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts Ansprüche gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Gesetzgeber erhoben hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Nachträglich erhobene diesbezügliche Forderungen wahrten unter dem Gesichtspunkt der haushaltsnahen Geltendmachung nicht die Frist und wären abzulehnen.

2
Anspruchsberechtigung, Höhe der Entschädigung, Anspruchszeitraum unter individuellen Voraussetzungen im Einzelfall

Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in Höhe von 100 Euro für jeden Anspruchsmonat besteht,

1. wenn Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter ihre an das Besoldungsdienstalter beziehungsweise Lebensalter anknüpfenden Dienstbezüge individuell und schriftlich als altersdiskriminierend beanstandet haben,

2. die Dienstbezüge ihre Rechtsgrundlage in altersgestuften Systemen der Besoldungsordnung A sowie in der Besoldungsordnung R in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 hatten,

3. für Monate oder Teile von Monaten, in denen tatsächlich Dienstbezüge zugeflossen sind,

4. für Zeiträume, in denen das Grundgehalt (noch) nicht aus der höchsten Besoldungsdienstalters- beziehungsweise Lebensaltersstufe gezahlt worden ist und

5. längstens bis zum 31. Mai 2013.

Eine Kürzung des Anspruchs bei Teilzeit erfolgt nicht.

Ein Anspruch besteht hingegen nicht

1. für volle Monate ohne Anspruch auf Dienstbezüge wie Zeiten von Beurlaubung ohne Bezüge, Elternzeit und andere,

2. für Monate, in denen Dienstbezüge aus der Endstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe der Grundgehaltstabelle gezahlt wurden,

3. für Anwärterinnen und Anwärter und

4. ab dem Monat Juni 2013.

Bei der Berechnung des Entschädigungsanspruchs ist die materielle Ausschlussfrist nach § 15 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes maßgeblich. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, ab dem die oder der einzelne Betroffene von der diskriminierenden Handlung Kenntnis hatte, frühestens jedoch mit der Entscheidung des EuGH vom 8. September 2011 „Hennings und Mai“ (C- 297/10 und C- 298/10) und beträgt zwei Monate. Maßgeblich für die Berechnung der Frist sind die §§ 187 bis 193 des BGB.

Demnach ist zur Anwendung der Ausschlussfrist nach § 15 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wie folgt zu differenzieren:

2.1
Antrag/Widerspruch erstmalig bis zum Ablauf des 8. November 2011

Haben Betroffene Ansprüche wegen Altersdiskriminierung erstmalig bereits vor der Verkündung des Urteils des EuGH am 8. September 2011 „Hennings und Mai“ oder bis zum Ablauf des 8. November 2011, also innerhalb von zwei Monaten nach dieser Entscheidung, geltend gemacht, hat die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für sie noch nicht begonnen beziehungsweise haben sie sie eingehalten. Ihnen steht ein Entschädigungsanspruch binnen der Verjährungsfrist des § 195 des BGB rückwirkend für drei Jahre zu, jedoch frühestens ab dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006. Der Anspruchszeitraum endet spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2013, dem Tag vor dem Inkrafttreten des neuen Erfahrungsstufensystems in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Dienstrechtsanpassungsgesetzes.

2.2
Antrag/ Widerspruch erstmalig ab dem 9. November 2011

Haben Betroffene ihre Ansprüche erstmalig ab dem 9. November 2011 geltend gemacht – und damit später als zwei Monate nach der Entscheidung des EuGH in Sachen „Hennings und Mai“– ist für die Höhe des Anspruchs auf Entschädigung nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes maßgebend, wann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Absatz 4 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes jeweils begonnen und geendet hat. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, ab dem die oder der einzelne Betroffene von der diskriminierenden Handlung Kenntnis hatte. Diskriminierende Handlung ist die monatliche Berechnung und Auszahlung der Dienstbezüge auf der Basis des diskriminierenden Besoldungssystems. Insoweit kommt es für die Kenntniserlangung auf den Eingang der jeweiligen monatlichen Bezügezahlung auf dem Konto der Empfängerin beziehungsweise des Empfängers an. Im Hinblick darauf, dass die Bezüge monatlich im Voraus zustehen, werden sie regelmäßig bereits am letzten Bankarbeitstag des Vormonats auf dem Konto gutgeschrieben. Dementsprechend besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes grundsätzlich nur ab dem Monat, der der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs direkt vorausgeht. Beispiel: Der (erstmalige) Antrag/ Widerspruch einer Landesbeamtin gegen die altersdiskriminierende Besoldung ist am 17. November 2012 beim Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen eingegangen. Da die Dienstbezüge für den Monat September 2012 bereits am 30. August 2012 ausgezahlt wurden – und am 17. November 2012 die Frist von zwei Monaten bezüglich der Besoldung für den Monat September 2012 bereits abgelaufen war –, kommt ein Anspruch nach § 15 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erst ab dem Monat Oktober 2012 in Betracht.

Ansprüche auch für den Vorvormonat vor der schriftlichen Geltendmachung sind ausnahmsweise nur dann denkbar, wenn die Besoldung im Vorvormonat an einem Tag gezahlt wurde, bei dem der für das Fristende eigentlich maßgebliche Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt und die Beamtin beziehungsweise der Beamte die Ansprüche am darauffolgenden Werktag bei dem Dienstherrn erhoben hat. Nach § 193 des BGB endet in diesen Fällen die Zweimonatsfrist nicht am Samstag, Sonntag oder Feiertag, sondern erst am folgenden Werktag. Die Geltendmachung der Ansprüche am folgenden Werktag ist somit fristgerecht erfolgt. Praktische Bedeutung könnte dies etwa für Ansprüche haben, die am 2. April 2013, dem Dienstag nach Ostern 2013, geltend gemacht wurden. Wenn die Besoldung für Februar 2013 in der Zeit vom 29. bis 31. Januar 2013 gezahlt worden ist, lief die Ausschlussfrist erst mit Ablauf des 2. April 2013 ab. Der 29. März 2013 war ein Feiertag (Karfreitag), der 30. März 2013 ein Samstag, und der 31. März 2013 fiel auf den Ostersonntag. Das Fristende verschiebt sich in allen diesen Fällen auf den nächsten Werktag, also auf Dienstag, den 2. April 2013.

2.3
Antrag/ Widerspruch erstmalig nach dem 30. Juni 2013

Erstmalige Anträge/ Widersprüche nach dem 30. Juni 2013 begründen für keinen Monat einen Entschädigungsanspruch. Die Zweimonatsfrist des § 15 Absatz 4 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist im Hinblick auf den Monat Mai 2013, den letzten Monat mit einer diskriminierenden Besoldung, nicht gewahrt und erst recht nicht im Hinblick auf vorangegangene Monate. Für den Monat Mai 2013 begann die Frist nach § 15 Absatz 4 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit Auszahlung der Bezüge am 30. April 2013 und endete mit Ablauf des 30. Juni 2013. Für vorangegangene Monate war die Zweimonatsfrist bei Geltendmachung einer Altersdiskriminierung mit einem Antrag ab dem 1. Juli 2013 ebenfalls bereits abgelaufen. Für Monate ab Juni 2013 können entsprechende Anträge keinen Erfolg haben, weil ab dem 1. Juni 2013 keine unionsrechtswidrige Besoldung mehr vorlag.

Alle Anträge/ Widersprüche oder Schreiben, mit denen an das Besoldungsdienstalter beziehungsweise Lebensalter anknüpfende Dienstbezüge individuell und schriftlich als altersdiskriminierend beanstandet worden sind, sind - auch soweit sie nicht ausdrücklich so bezeichnet sind - als Widersprüche anzusehen (siehe unten Nummer 8.1) und als solche verjährungshemmend. Zudem hat das Land bei der Ruhendstellung der Verfahren auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

3
Keine Zahlung für „alle“, keine Zahlungspflicht bei bestandskräftigem Widerspruchsbescheid und pro Person nur ein Zahlungsanspruch

Personen, die keinen Antrag gestellt beziehungsweise keinen Widerspruch eingelegt haben, haben keinen Zahlungsanspruch.

Anträge/ Widersprüche, die in der Vergangenheit bereits bestandskräftig beschieden worden sind, bleiben für die Entschädigung ebenfalls außer Betracht. Soweit eine Person nicht weitere Anträge gestellt/ Widersprüche erhoben hat, die noch offen sind, bestehen keine Ansprüche. Bei Personen mit noch nicht beschiedenen weiteren Anträgen/Widersprüchen sind nur diese und deren Eingangsdaten relevant.

Bei mehreren (offenen) Anträgen einer Person, zum Beispiel Anträge in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014, wird der Zahlungsanspruch nur einmal ausgelöst. Es ist sicherzustellen, dass für dieselbe Person keine Mehrfachzahlung für denselben Anspruchszeitraum erfolgt.

4
Keine Lohnsteuerpflicht und keine Verzinsung

Bei Entschädigungen handelt es sich nicht um Besoldungsleistungen, sondern um Ersatz eines immateriellen Schadens.

Die Entschädigungsbeträge sind nicht steuerpflichtig und unterliegen daher nicht dem Lohnsteuerabzug.

Sie werden nicht verzinst. Lediglich Prozesszinsen stehen ab Rechtshängigkeit zu, also ab Klageerhebung. Ein Anspruch auf Verzinsung ab Antragstellung oder Widerspruchserhebung besteht daher nicht.

5
Versorgungsberechtigte Personen

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich aufgrund der vorliegenden Sachverhalte nicht zu möglichen Entschädigungsansprüchen für Zeiträume, in denen nach Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand Versorgungsbezüge gewährt werden, äußern müssen, so dass sich aus den Urteilen dementsprechend keine Ansprüche ableiten lassen.

Aus materiell-rechtlicher Sicht endete in den Fällen, in denen der Versorgungsfall unter Geltung des früheren Besoldungsdienstalters- beziehungsweise Lebensalterssystems eintrat, die ersatzpflichtige Diskriminierung nicht bereits mit dem Eintritt des Versorgungsfalls, sondern erst mit der Umstellung des Besoldungssystems auf Erfahrungsstufen und der Überleitung der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen zum 1. Juni 2013. Bis zum 31. Mai 2013 setzte sich die Altersdiskriminierung aus der aktiven Besoldungszeit fort, da das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, zu denen das Grundgehalt und die Erfahrungsstufe unter Geltung des früheren Besoldungsdienstalters- beziehungsweise Lebensalterssystem gehören, berechnet wird. Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung sind bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen versorgungsberechtigten Personen daher nicht nur für Zeiträume ihrer aktiven Dienstzeit, sondern auch nach ihrem Eintritt oder ihrer Versetzung in den Ruhestand zu gewähren, längstens bis zum 31. Mai 2013. Der Entschädigungsbetrag in Höhe von 100 Euro monatlich unterliegt keiner Kürzung dahingehend, dass der Ruhegehaltsatz auf ihn angewendet wird.

6
Ansprüche und Zahlungspflicht bei Dienstherrenwechsel

6.1
Materielle Folgen eines Dienstherrenwechsels

In Abkehr von der früheren Rechtsauffassung, dass der aufnehmende Dienstherr in Fällen einer dienstherrnübergreifenden Versetzung gleich einem Gesamtrechtsnachfolger in sämtliche Rechte und Pflichten des abgebenden Dienstherrn einrücke, mithin auch zur Zahlung rückwirkender Besoldungsanpassungen verpflichtet sei (so seinerzeit VG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. 4 K 3024/12; VG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2011, Az. 13 K 3619/10; OVG Münster, Beschluss vom 20. März 2012, Az. 6 A 2125/11), ist infolge der neuesten Rechtsprechung des OVG Münster (Urteil vom 16. März 2016, Az. 6 A 190/14) grundsätzlich der jeweils bezügezahlende Dienstherr zahlungspflichtig. Der Entschädigungsanspruch ist also grundsätzlich von dem Arbeitgeber (Dienstherrn) zu verwirklichen, der in dem betreffenden Zeitabschnitt jeweils die diskriminierende Handlung, das heißt die Bezügezahlung, ausgeführt hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass diesem auch die Dienstleistung der Beamtin oder des Beamten zu Gute gekommen ist. Bei Dienstherrenwechseln sind der abgebende und der aufnehmende Dienstherr somit in der Regel für jeweils den Zeitabschnitt, in dem sie die Bezüge nach den altersdiskriminierend wirkenden Vorschriften gezahlt haben, ausgleichspflichtig. Die Haftung oder Ausgleichspflicht des abgebenden Dienstherrn endet in der Regel mit dem Monat, für den er letztmalig Bezüge gezahlt hat. Die Haftung oder Ausgleichspflicht des aufnehmenden Dienstherrn beginnt mit dem Monat, in dem er die Bezüge zu zahlen hat.

Hat ein früherer Dienstherr allerdings einen Widerspruchsbescheid erlassen, der bestandskräftig geworden ist, besteht auch bei dem neuen Dienstherrn kein Anspruch auf Entschädigung (mehr), wenn die Beamtin oder der Beamte dort nicht erneut einen Antrag gestellt beziehungsweise Widerspruch erhoben hat, der noch nicht bestandskräftig beschieden ist.

Stand die Beamtin oder der Beamte im maßgeblichen Zeitraum zwar noch im Dienst des abgebenden Dienstherrn, war aufgrund einer Abordnung zum aufnehmenden Dienstherrn aber bereits für diesen tätig, ist ausnahmsweise der aufnehmende Dienstherr (zumindest im Innenverhältnis gegenüber dem abgebenden Dienstherrn) zur Nachzahlung verpflichtet, da ihm allein die Tätigkeit zu Gute gekommen ist.

Auch bei Dienstherrenwechseln wird bei mehreren Anträgen/ Widersprüchen pro Person der Entschädigungsanspruch nur einmal ausgelöst (siehe oben Nummer 3.1 am Ende).

6.2
Verfahrensrechtliche Folgen eines Dienstherrenwechsels

Wird eine Beamtin oder ein Beamter nach Erhebung eines Widerspruchs zu einem anderen Dienstherrn versetzt, endet mit Wirksamwerden der Versetzung grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit des abgebenden Dienstherrn und dieser kann nicht mehr über den Widerspruch entscheiden. Aus Gründen der Verfahrensökonomie kann die bisher zuständige Behörde ein bei ihr anhängiges Verwaltungsverfahren (wozu auch das Widerspruchsverfahren zählt) aber nach § 3 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) in der jeweils geltenden Fassung fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde der Fortführung durch die ursprünglich zuständige Behörde zustimmt.

Im Außenverhältnis sind etwaige Besoldungsnachzahlungen von dem Dienstherrn zu leisten, der über den Widerspruch entscheidet. Umfasst die Nachzahlung jedoch Beträge, die nach den vorstehenden Ausführungen von dem jeweils anderen Dienstherrn zu zahlen wären, kann der die Nachzahlung leistende Dienstherr die entsprechenden Beträge im Innenverhältnis von dem anderen Dienstherrn auf Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ersetzt verlangen.

Obwohl auch eine länderübergreifende Versetzung zu einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit führt, ist in diesen Fällen eine Weiterleitung anhängiger Widersprüche an den neuen Dienstherrn ausgeschlossen. Andernfalls würde eine Behörde eines anderen Landes über fremdes Landesrecht befinden. In den Fällen der länderübergreifenden Versetzung ist Anspruchsverpflichteter für Zeiträume vor dem Wechsel zudem immer der abgebende Dienstherr, da auf die beamten- und besoldungsrechtliche Stellung der Beamtin/des Beamten nach § 25 Absatz 5 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642) in der jeweils geltenden Fassung ab dem Zeitpunkt der Versetzung die im Bereich des neuen Dienstherrn geltenden Vorschriften Anwendung finden und eine Besoldungsnachzahlung aufgrund landesrechtlicher Vorschriften des abgebenden Dienstherrn für die Zeit nach der Versetzung mithin ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt auch bei einer Versetzung zum Bund.

7
Pfändbarkeit und Vererbbarkeit der Entschädigungsansprüche

Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist pfändbar und vererbbar.

8
Verfahrensrechtliche Abwicklung der anhängigen Antrags- / Widerspruchsverfahren

8.1
Behandlung aller Verfahren als Widerspruchsverfahren

Zur Abkürzung der Verfahren sind alle Schreiben, mit denen bei weiter Auslegung eine unionsrechtswidrige Altersdiskriminierung gerügt wird, unabhängig von ihrer Bezeichnung (als Antrag oder als Widerspruch) als Widerspruch im Sinne des erforderlichen beamtenrechtlichen Vorverfahrens gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) geändert worden ist, § 103 Absatz 1 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes zu behandeln und direkt durch Widerspruchsbescheid zu bescheiden. Dies gilt zum Beispiel sowohl für Fälle, in denen Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen einer Altersdiskriminierung geltend gemacht wurden, aber auch für Fälle, in denen mit Verweis auf das altersdiskriminierende Besoldungssystem die Besoldung aus der höchsten Besoldungsdienstalters- beziehungsweise Lebensaltersstufe beantragt wurde oder eine Besoldung nach Erfahrungsstufen statt Besoldungsdienstalters- beziehungsweise Lebensaltersstufen begehrt wurde.

Auf die als Anlagen beigefügten Mustertexte wird hingewiesen. Bei den Anlagen 1 bis 3 handelt es sich um Musterwiderspruchsbescheide für Personen, die im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids Besoldungsempfängerin oder Besoldungsempfänger sind, bei den Anlagen 4 bis 6 handelt es sich um Musterwiderspruchsbescheide für Personen, die zu diesem Zeitpunkt versorgungsberechtigt sind.

8.2
Berücksichtigung des § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes

Mit Inkrafttreten des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes vom 14. Juni 2016 ist § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 94) geändert worden ist, eingeführt worden, nach dem auf Antrag eine Neuberechnung der Erfahrungsstufe auf Grundlage der § 91 Absatz 13 in Verbindung mit §§ 29 bis 31 und 41 des Landesbesoldungsgesetzes anstelle der Stufenzuordnung durch die §§ 1 bis 3 des Gesetzes zur Überleitung der vorhandenen Beamtinnen, Beamten, Richterinnen, Richter, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 234) erfolgt.

Noch offene Anträge/Widersprüche wegen Altersdiskriminierung mit einem Eingangsdatum bis zum 30. Juni 2017, also innerhalb der gesetzlichen Frist zur Antragstellung nach § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes, können über Nummer 7.2 des Runderlasses des Ministeriums der Finanzen - Änderungen im Besoldungsrecht durch das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz vom 14. Juni 2016 Durchführungshinweise zu § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes - vom 19. Dezember 2016 (MBl. NRW. S. 868) hinausgehend aufgrund einer weiten Auslegung der Anträge/Widersprüche und der gesetzlichen Regelung gleichzeitig auch als Anträge nach § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes gedeutet werden. Auch hier ist der oben unter Nummer 8.1 genannte (weite) Auslegungsmaßstab anzulegen. Das heißt, unabhängig von der Bezeichnung als Antrag oder Widerspruch und insbesondere unabhängig davon, ob in dem Schreiben eine Entschädigung/ ein Schadenersatz oder eine höhere oder die höchste Besoldungsdienstalters-, Lebensalters- oder Erfahrungsstufe begehrt wurde, ist eine Umdeutung (auch bei Eingangsdatum des Antrags bereits vor dem 1. Juni 2013) in einen Antrag nach § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes möglich. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen die Umdeutung wünschen. Sie sind deshalb auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Die Information sollte im Rahmen des Erlasses der Widerspruchsbescheide – rechtlich außerhalb der Entscheidung über den Widerspruch – erfolgen (siehe Anlagen 1 bis 6 am Ende).

Bei entsprechendem Wunsch der Betroffenen (Musterschreiben Anlage 7) ist in einem neuen Verwaltungsverfahren zu überprüfen, ob sich bei einer Neuberechnung der Erfahrungsstufe auf Grundlage der § 91 Absatz 13 in Verbindung mit §§ 29 bis 31 und 41 des Landesbesoldungsgesetzes möglicherweise eine höhere Erfahrungsstufe ergibt. Für die Neuberechnung und Neufestsetzung der Erfahrungsstufe ist für den Landesbereich die jeweilige personalaktenführende Dienststelle, für die Zahlbarmachung einer höheren Erfahrungsstufe anschließend das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig.

Die Festsetzung einer höheren Erfahrungsstufe kommt abhängig vom Zeitpunkt des Eingangs des (zeitlich ältesten) Schreibens (Antrags/ Widerspruchs) zahlungswirksam jeweils ab Beginn des Jahres der Einlegung des (zeitlich ältesten) Antrags/ Widerspruchs in Betracht, also zum Beispiel bei Eingang des Schreibens im Jahr 2014 ab dem 1. Januar 2014, im Jahr 2015 ab dem 1. Januar 2015, im Jahr 2013 allerdings frühestens ab dem 1. Juni 2013, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Erfahrungsstufensystems. Bei Eingang des Schreibens im Jahr 2012 oder in Vorjahren kann eine höhere Erfahrungsstufe ebenfalls erst frühestens ab dem 1. Juni 2013 zahlungswirksam festgesetzt werden.

Die zahlungswirksame Festsetzung einer höheren Erfahrungsstufe für Zeiträume vor dem 1. Juni 2013 ist nicht möglich. Die Zeiträume, für die nach den vorstehenden Ausführungen ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 Nummer 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bestehen kann, und die Zeiträume, für die sich eine höhere Erfahrungsstufenfestsetzung ergeben kann, können sich somit in keinem Fall überschneiden. Sie schließen sich gegenseitig aus.

Für Zeiträume ab dem 1. Juni 2013 ist eine zahlungswirksame Festsetzung einer höheren Erfahrungsstufe bei einem noch offenen Antrag/ Widerspruch wegen Altersdiskriminierung auch dann möglich, wenn bereits aufgrund eines im Jahr 2016 oder 2017 gestellten Antrages nach § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes eine höhere Erfahrungsstufenfestsetzung für das Jahr 2016 oder 2017 (jeweils frühestens mit Wirkung ab dem 1. Januar) erfolgt ist.

Zahlungen aufgrund einer höheren Erfahrungsstufe sind steuerpflichtiger Arbeitslohn im Kalenderjahr des Zuflusses. Soweit die Nachzahlung einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, liegen außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Absatz 2 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist, vor, die gemäß dieser Vorschrift nach der sogenannten Fünftelregelung zu besteuern sind, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Anträge, die erst nach dem 30. Juni 2017 eingegangen sind, können ausnahmslos nicht berücksichtigt werden. Das Antragsrecht ist endgültig mit Ablauf des 30. Juni 2017 erloschen (§ 91 Absatz 13 Satz 3 des Landesbesoldungsgesetzes). Das gilt gleichermaßen für nach dem Inkrafttreten des § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes gestellte Anträge, die sich ausdrücklich auf § 91 Absatz 13 des Landesbesoldungsgesetzes beziehen, wie auch für sonstige Anträge/ Widersprüche, mit denen eine Altersdiskriminierung gerügt wird.

9
Zusatzinformation: Behandlung noch anhängiger Klageverfahren

Soweit gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und über die Klage noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, ist im Klageverfahren nach Maßgabe dieses Runderlasses abzuhelfen, soweit die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.

Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.

-MBl. NRW. 2018 S. 194