Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 17 vom 11.7.2018 Seite 381 bis 402
Erlass zur Konkretisierung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen –Wohnen, Gewerbe und Industrie Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie |
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Erlass zur Konkretisierung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen –Wohnen, Gewerbe und Industrie Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie
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Erlass
zur Konkretisierung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen –Wohnen,
Gewerbe und Industrie
Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie
Vom 17. April 2018
Inhaltsübersicht
1 Allgemeines
1.1 Zweck des Erlasses
1.2 Begriffsdefinitionen
1.2.1 Siedlungsentwicklung
1.2.2 Ortsteile
2 Spielräume bei der Anwendung von Ziel 6.1-1
2.1 Adressaten und Anwendungsbereich
2.2 Planungszeitraum Siedlungsentwicklung in der Regionalplanung
2.3 Konkrete vorhabenbezogene Regionalplanänderungen für Betriebserweiterungen
3 Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten in Ortsteilen unter 2 000 Einwohnern
3.1 Adressaten und Anwendungsbereich
3.2 Vorgaben des Landesentwicklungsplans
3.3 Eigenentwicklung in kleineren Ortsteilen
3.4 Entwicklung eines kleineren Ortsteils zu einem Allgemeinen Siedlungsbereich
4 Verortung von Gewerbegebieten
4.1 Adressaten und Anwendungsbereich
4.2 Anwendung der Ausnahmevoraussetzung „andere entgegenstehende Schutz- oder Nutzungsbindungen“
5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1 Allgemeines
1.1 Zweck des Erlasses
Der vorliegende Erlass soll Anreize zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und für den Erhalt von Wertschöpfungsketten schaffen. Standortsicherung und Standortentwicklung von Betrieben sollen durch die Bereitstellung und Bevorratung von Flächen zur gewerblichen und industriellen Nutzung erleichtert werden. Gleichzeitig leistet der Erlass einen Beitrag dazu, bezahlbaren Wohnraum dort zu schaffen, wo er benötigt wird. Dabei wird nicht nur den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Bevölkerungsgruppen Rechnung getragen. Durch die Begünstigung langfristig bezahlbarer Infrastrukturen werden auch die nachfolgenden Generationen bedacht.
In Ergänzung zu diesem Erlass hat die Landesregierung mit Kabinettbeschluss vom 19. Dezember 2017 das Scopingverfahren zur Änderung des Landesentwicklungsplans von Februar 2017 eingeleitet. Eine der beabsichtigten Änderungen betrifft die Entwicklung von Ortsteilen unter 2 000 Einwohnern und zielt darauf ab, diesen kleineren Ortsteilen weitergehende Spielräume zu ermöglichen. Der Erlass ist daher nach In-Kraft-Treten des geänderten Landesentwicklungsplans in diesem Bereich anzupassen.
Der vorliegende Erlass verdeutlicht die vorhandenen Spielräume, die der aktuelle Landesentwicklungsplan dazu bietet und konkretisiert diese wo möglich und erforderlich im Sinne einer Erhöhung kommunaler und regionaler Entscheidungsspielräume. Dabei werden ländliche Regionen und Ballungsräume gleichsam in den Blick genommen. Ziel ist es, in allen Regionen ausreichend geeignete Flächen für Wohnungsbau, Gewerbe- und Industriebetriebe aber auch Freizeiteinrichtungen bereitzustellen, dabei jedoch das Gleichgewicht zwischen sozialem Zusammenhalt, Ökonomie und Ökologie zu bewahren.
1.2 Begriffsdefinitionen
1.2.1 Siedlungsentwicklung
Gemäß der Erläuterung zu Ziel 2-3 sind unter „Siedlungsentwicklung“ im Sinne des Satz 2 insbesondere die bauleitplanerische Ausweisung von Bauflächen und Baugebieten durch die kommunale Bauleitplanung sowie Entwicklungen gemäß § 34 des Baugesetzbuches, in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), insbesondere § 34 Absatz 5, zu verstehen.
Mit dieser Definition des Begriffs „Siedlungsentwicklung“, der auch die Entwicklungen gemäß § 34 des Baugesetzbuches umfassen soll, wird keine Zuständigkeit der Landesplanung für Vorhaben im Geltungsbereich des § 34 des Baugesetzbuches begründet. Ist ein Vorhaben nach § 34 des Baugesetzbuches zulässig, können diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung entgegengehalten werden. Bei der Aufstellung von Innenbereichssatzungen nach § 34 Absatz 4 Nummer 2 und 3 des Baugesetzbuches ist gleichwohl hinsichtlich der Vereinbarkeit der Satzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Sinne des § 34 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 des Baugesetzbuches indirekt auch die Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Absatz 4 des Baugesetzbuches zu beachten (vergleiche Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum Baugesetzbuch: § 34 Randnummern 107 und 120 sowie Schrödter, Kommentar zum Baugesetzbuch, 8. Auflage: § 34 Randnummer 109).
1.2.2 Ortsteile
Der Begriff des Ortsteils, zum Beispiel im Sinne des Ziels 2-3 Satz 3, wurde aus § 20 Absatz 2 Satz 2 des Landesentwicklungsprogramms NRW vom 5. Oktober 1989 (GV. NRW. S. 485, ber. S. 648), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 874) geändert worden und mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft getreten ist, und dem Landesentwicklungsplan NRW vom 11. Mai 1995 (GV. NRW. S. 532), das durch Artikel 9 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934) geändert worden ist, fortgeführt und ist durch Auslegung zu konkretisieren.
In Anlehnung an den in § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches verwendeten Begriff des Ortsteils ist auch hier eine organische Siedlungsstruktur im Gegensatz zur Splittersiedlung erforderlich, die „ein gewisses Gewicht besitzt“ (vergleiche auch OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2006 – 7 A 1862/06).
Entscheidend für den Ortsteilbegriff des § 34 des Baugesetzbuches ist eine Bebauung mit Bauwerken, die „für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind (...) und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen“ (vergleiche BVerwG, Beschluss vom 2. August 2001 4 – B 26/01). Daher kann nicht jede bauliche Anlage unter den Ortsteilbegriff subsumiert werden. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Bauwerke, die nur vorübergehend genutzt werden dürfen oder Freizeitzwecken dienen, wie zum Beispiel kleine Wochenendhäuser oder Gartenhäuser, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vergleiche BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2002 – 4 B 30.02).
Der Begriff des Ortsteils, zum Beispiel im Sinne des Ziels 2-3 Satz 3, entspricht damit dem Begriff des Wohnplatzes im Sinne von § 35 Absatz 5 der Verordnung zur Durchführung des Landesplanungsgesetzes vom 3. Mai 2005 (GV. NRW. S. 430), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Oktober 2016 (GV. NRW. S. 868) geändert worden ist: „Wohnplätze mit einer Aufnahmefähigkeit von weniger als 2 000 Einwohnern sind nicht als Siedlungsbereiche darzustellen; sie werden von Planzeichen 2.a) der Anlage 3 erfasst“. Wohnplätze sind auf dauerhaftes Wohnen ausgerichtet.
Die räumliche Abgrenzung eines im regionalplanerischen Freiraum gelegenen Ortsteils im Sinne des Ziels 2-3 kann ebenfalls in Anlehnung an die aus der Rechtsprechung zu § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches abgeleiteten Merkmale eines Ortsteils wie folgt vorgenommen werden: Die Umgrenzung soll sich dann an dem vorhandenen, erkennbar geschlossenen Bebauungszusammenhang des Ortsteils orientieren. Innerhalb des ansonsten geschlossenen Bebauungszusammenhangs gelegene Freiflächen sollen hier allerdings in der Regel in den Ortsteil miteinbezogen werden.
Nicht zum Ortsteil im Sinne des Ziels 2-3 soll hingegen die an den äußeren Bebauungszusammenhang des Ortsteils angrenzende oder sonstige, separat im Freiraum gelegene Streu- oder Splitterbebauung zählen. Dies schließt jedoch die in Kapitel 3.3 des Erlasses thematisierte Ortsteilentwicklung in bereits baulich vorgeprägte Bereiche, wie zum Beispiel angrenzende Streu- oder Splitterbebauung, nicht aus.
Insbesondere bei der Beurteilung, ob es sich um einen Ortsteil oder eine Splittersiedlung handelt, sollen die Merkmale regionstypischer Siedlungsformen und Siedlungsstrukturen mitberücksichtigt werden.
2 Spielräume bei der Anwendung von Ziel 6.1-1
2.1 Adressaten und Anwendungsbereich
Dieses Kapitel des vorliegenden Erlasses richtet sich an die Träger der Regionalplanung, die Regionalplanungsbehörden und die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung. Neben den Erläuterungen zu Ziel 6.1-1 zeigt es die vorhandenen Spielräume bei der Anwendung von Ziel 6.1-1 des Landesentwicklungsplans NRW auf beziehungsweise konkretisiert diese.
2.2 Planungszeitraum Siedlungsentwicklung in der Regionalplanung
Der insbesondere in den Erläuterungen zu Ziel 6.1-1 verwendete Begriff des „Planungszeitraums“ ist einer der Faktoren, die den Umfang der mit dem Regionalplan ermöglichten Siedlungsentwicklung bestimmen. Die mit dem Regionalplan ermöglichte Siedlungsentwicklung wiederum stellt den Rahmen für die kommunale Ausweisung von Wohnbau- und Wirtschaftsflächen dar.
Angesichts der aktuellen Laufzeiten von Regionalplänen und der Tatsache, dass die Berechnungen zum Umfang der mit dem Regionalplan ermöglichten Siedlungsentwicklung in der Regel zu Beginn einer Regionalplanfortschreibung erfolgen, wird empfohlen, bei der anstehenden Fortschreibung der Regionalpläne einen Planungszeitraum von 20 bis maximal 25 Jahren anzusetzen. Damit wird den Kommunen Flexibilität und Entscheidungskompetenz bei der Flächenausweisung zurückgegeben, in dem sie bei der bauleitplanerischen Umsetzung eine größere Auswahl an Potentialflächen haben. Sie können damit auf Hemmnisse bei der Umsetzung des regionalplanerisch gesicherten Siedlungsraums reagieren, ohne insgesamt mehr Fläche ausweisen zu müssen. Somit können im Rahmen der Verortung auf der kommunalen Ebene auch die Belange der Landwirtschaft und weitere örtlich relevante Belange Eingang finden.
Im Zusammenhang mit dem maßgeblichen Planungszeitraum sei auch darauf hingewiesen, dass Flächenrücknahmen bei einer Einzeländerung des Regionalplans in aller Regel nicht erforderlich sein dürften, da in den Erläuterungen zu Ziel 6.1-1 festgelegt ist, dass eine solche Rücknahme − im Benehmen mit den betroffenen Kommunen − nur dann erforderlich ist, wenn die Summe aus neu festgelegten Flächen und Reserven den voraussichtlichen Bedarf bis zum Ende des Planungszeitraums überschreitet.
Gerade bei Regionalplanfortschreibungen wird es in der Regel sinnvoll sein, einen Planungs- beziehungsweise Flexibilitätszuschlag von 20 Prozent anzusetzen. Dies gilt in besonderem Maße für die Festlegung von Bereichen für gewerbliche und industrielle Nutzungen.
2.3 Konkrete vorhabenbezogene Regionalplanänderungen für Betriebserweiterungen
Vorhabenbezogene Regionalplanänderungen zur Ermöglichung von kurzfristig anstehenden Betriebserweiterungen sind von Regionalplanänderungen oder -fortschreibungen zu unterscheiden, die eine Angebotsplanung darstellen. Bei derartigen vorhabenbezogenen Regionalplanänderungen für die kurzfristig anstehende Erweiterung eines bestehenden Betriebs am Standort ist eine Einzelfallbetrachtung angezeigt. Da in diesen Fällen davon auszugehen ist, dass die entsprechenden Flächen zügig bebaut werden, ist in solchen Fällen ein Flächentausch – selbst bei einem ansonsten bedarfsgerechten Angebot in der Gemeinde beziehungsweise der Region – in der Regel nicht erforderlich. Damit wird vermieden, dass nach Bebauung der Fläche die gegebenenfalls zurückgenommenen Flächen wieder in den Regionalplan aufgenommen werden müssen, um in der Gemeinde oder der Region wieder ein im Sinne von Ziel 6.1-1 erforderliches Flächenangebot bereitzuhalten.
3 Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten in Ortsteilen unter 2 000 Einwohnern
3.1 Adressaten und Anwendungsbereich
Dieses Kapitel des vorliegenden Erlasses richtet sich an die Träger der Regionalplanung, die Regionalplanungsbehörden und die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung und zeigt die vorhandenen Spielräume bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten in Ortsteilen unter 2 000 Einwohnern − im Folgenden auch kleinere Ortsteile genannt − auf beziehungsweise konkretisiert diese. Überdies werden die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von kleineren Ortsteilen über den Eigenbedarf hinaus erläutert.
3.2 Vorgaben des Landesentwicklungsplans
Die landesplanerischen Vorgaben zur Siedlungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen zielen auf eine räumliche Konzentration der Siedlungstätigkeiten ab. Dies geschieht vorrangig durch die Festlegung von Siedlungsraum in den Regionalplänen (siehe Landesentwicklungsplan, Ziel 2-3, insbesondere Satz 2). Ortsteile mit weniger als 2 000 Einwohnern sind in der Regel regionalplanerisch dem Freiraum zuzuordnen. In diesen kleineren Ortsteilen ist die Siedlungsentwicklung am Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung und der dort vorhandenen Betriebe auszurichten (siehe Landesentwicklungsplan, Ziel 2-3, Satz 3). Neue Siedlungsflächen für zuziehende Einwohner sowie für Betriebsverlagerungen und -neuansiedlungen von außerhalb sind vorrangig im regionalplanerisch festgelegten Siedlungsraum vorzusehen.
Gemäß Grundsatz 6.2-1 des Landesentwicklungsplans ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Siedlungsentwicklung überwiegend auf zentralörtlich bedeutsame Allgemeine Siedlungsbereiche ausgerichtet werden soll. Dies sind diejenigen Allgemeinen Siedlungsbereiche, die über ein räumlich gebündeltes Angebot an öffentlichen und privaten Dienstleistungs- und Versorgungseinrichtungen verfügen.
Aus dem Landesentwicklungsplan ergibt sich somit für die regionalplanerische Konzentration der Siedlungsentwicklung grundsätzlich ein dreigliedriges System in Form von zentralörtlich bedeutsamen Allgemeinen Siedlungsbereichen, Allgemeinen Siedlungsbereichen und Ortsteilen mit weniger als 2 000 Einwohnern.
In jeder Gemeinde ist durch die Regionalplanung mindestens ein Allgemeiner Siedlungsbereich festzulegen. Dies ergibt sich schon aus der Vorgabe, dass es in jeder Gemeinde mindestens einen zentralörtlich bedeutsamen Allgemeinen Siedlungsbereich geben muss. Dies gilt auch, wenn eine Gemeinde ausschließlich über Ortsteile mit weniger als 2 000 Einwohnern verfügt. Grundlage ist hierzu die Erläuterung zu Grundsatz 6.2-1: „Zur überörtlich-flächendeckenden Grundversorgung ist in jeder Gemeinde regionalplanerisch mindestens ein zentralörtlich bedeutsamer Allgemeiner Siedlungsbereich festzulegen, an dem langfristig mindestens die Tragfähigkeit für Einrichtungen der Grundversorgung gewährleistet sein sollte“.
3.3 Eigenentwicklung in kleineren Ortsteilen
Satz 3 des Landesentwicklungsplan-Ziels 2-3 regelt, dass sich in den im regionalplanerisch festgelegten Freiraum gelegenen Ortsteilen Siedlungsentwicklung vollziehen kann. Dies ist im Rahmen der Eigenentwicklung, das heißt entsprechend des Bedarfs der ansässigen Bevölkerung und der vorhandenen Betriebe möglich.
Zur Deckung des Eigenbedarfs in kleineren Ortsteilen kann es erforderlich werden, Bauflächen und Baugebiete bauleitplanerisch darzustellen beziehungsweise festzusetzen. Dies kann gegebenenfalls auch als flächenmäßige Erweiterung des Ortsteils in den umgebenden Freiraum erfolgen.
Gemäß Ziel 6.1-4 ist durch die Regional- und Bauleitplanung auch im Zuge der Eigenentwicklung von kleineren Ortsteilen darauf zu achten, dass Splittersiedlungen sowie bandartigen Siedlungsentwicklungen entlang von Straßen vermieden werden.
Für die ortsansässige Bevölkerung kann sich Wohnraumbedarf im Allgemeinen unter anderem ergeben durch (vergleiche auch Domhardt in ARL 2005, Handwörterbuch der Raumordnung: 195):
a) die natürliche Bevölkerungsentwicklung im Ortsteil,
b) abnehmende Belegungsdichten von Wohnungen, etwa durch die Zunahme von Einpersonenhaushalten oder durch neue Haushaltsgründungen der ortsansässigen Einwohner,
c) steigende Wohnflächenansprüche der Einwohner,
d) Sanierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen im Baubestand, insbesondere zur Beseitigung städtebaulicher Missstände.
Der Rahmen des Eigenbedarfs im Sinne von Ziel 2-3 kann auch Angebotsplanungen von Bauflächen und Baugebieten für die ansässige Bevölkerung für einen mittel- bis langfristigen Planungshorizont abdecken.
Zur bestehenden Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer am Bedarf der ansässigen Bevölkerung orientierten Eigenentwicklung wird insbesondere auf die Urteile des OVG NRW vom 4. Dezember 2006 (7 A 1862/06) und vom 18. Oktober 2013 (10 D 4/11.NE) verwiesen. Mit Urteil vom 18. Oktober 2013 hat das OVG NRW den Begriff der „ansässigen Bevölkerung“ allerdings vergleichsweise eng ausgelegt. So zählen zum Beispiel Personen, die wegen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im entsprechenden Ortsteil oder dessen Umgebung in den Ortsteil zuziehen, nicht zur ansässigen Bevölkerung. Selbst Personen, die nach vorübergehender Wohnsitznahme außerhalb des Ortsteils wieder zurückkehren, zählen nach diesem Urteil nicht mehr zur ansässigen Bevölkerung.
Zur sachgerechten Feststellung des Eigenbedarfs führt das Oberverwaltungsgericht NRW aus, dass für eine an das Ziel der Raumordnung angepasste Planung ein Beleg der Gemeinde zum Bedarf der ansässigen Bevölkerung erforderlich ist. Ein entsprechender Beleg ist danach möglich über
a) konkrete Anfragen in entsprechender Zahl,
b) ansonsten zumindest eine belastbare Prognose zur Bevölkerungsentwicklung beziehungsweise zu einem aus anderen Gründen gestiegenen Bedarf an Wohnbauflächen für die ortsansässige Bevölkerung.
Es wird allerdings ebenfalls darauf verwiesen, dass von Seiten des Gerichts nicht abstrakt beantwortet werden könne, welche konkreten inhaltlichen Anforderungen an eine Bedarfsprognose zu stellen seien. Eine Prognose, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten soll, müsse grundsätzlich zumindest methodisch unbedenklich und insgesamt plausibel sein.
Für den dem Urteil zu Grunde liegenden Fall einer Gemeinde mit insgesamt prognostizierten Bevölkerungsrückgängen wird ausgeführt, dass eine pauschale Begründung des Mehrbedarfs für den Ortsteil aus sich ändernder Altersstruktur und kleiner werdenden Haushalten nicht ausreiche. Als mögliche Beurteilungskriterien werden vom Oberverwaltungsgericht NRW für diesen konkreten Fall insbesondere aufgezählt:
a) Auswertung vorliegender Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung,
b) Gegenüberstellen des erfolgten Wachstums im Ortsteil und den bebauten Grundstücken, die von nicht Ortsansässigen bezogen wurden,
c) Prüfung, ob und in welchem Umfang gebrauchte Immobilien zur Deckung des etwaigen Bedarfs bereitgestanden haben beziehungsweise bereitstehen werden,
d) Überprüfung, ob vor einer Ausdehnung in den Freiraum den ortsansässigen Einwohnern Nachverdichtungsflächen angeboten werden können oder ob eine bauliche Abrundung des Bestands möglich ist.
Grundsätzlich ähnlich wurde vom Oberverwaltungsgericht NRW mit Urteil vom 4. Dezember 2006 im Fall einer Gemeinde entschieden, für die ebenfalls von einem Bevölkerungsrückgang ausgegangen wurde. Unter diesen Rahmenbedingungen sei zumindest ein Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu prognostizieren, der die Entwicklung einer Baufläche in diesem kleineren Ortsteil fordere. Ergänzend wird im Urteil unterstrichen, dass hierzu die Verwendung von mathematisch-statistischen Aussagen zur Bevölkerungsentwicklung sachgerecht sei. Pauschale Behauptungen zu Bedarfsüberhängen aus vergangenen Zeiten des Bevölkerungswachstums seien demgegenüber ebenso unsubstantiiert wie der Hinweis auf einen allgemeinen Bedarf für Einfamilienhausgebiete.
Für die in kleinen Ortsteilen ansässigen Betriebe, zum Beispiel der Land- und Forstwirtschaft, des Handwerks sowie für Gewerbe kann ein Flächenbedarf im Allgemeinen vor allem resultieren aus (vergleiche auch Domhardt in ARL 2005, Handwörterbuch der Raumordnung: 195):
a) Erweiterungen bestehender Betriebe am Standort oder
b) Betriebsverlagerungen innerhalb des Ortsteils, zum Beispiel aus der Ortsmitte an den Ortsrand.
Der örtliche Eigenbedarf im Sinne von Ziel 2-3 wird für vorhandene Betriebe insbesondere konkrete Erweiterungs- oder Umsiedlungsvorhaben sowie entsprechende mittel- bis längerfristige Planungen, zum Beispiel auf der Grundlage von Betriebskonzepten, umfassen. Hierzu wird in kleineren Ortsteilen für die dort ansässigen Betriebe auch eine Vorhaltung von betriebsgebundenen Erweiterungsflächen zählen.
In den Erläuterungen zu Ziel 2-3 ist ausgeführt, dass die Eigenentwicklung in kleineren Ortsteilen auf die Tragfähigkeit der vorhandenen Infrastruktur beschränkt werden soll. Insbesondere bei größeren Betriebserweiterungen oder -verlagerungen kann daher eine Verlegung des Betriebs in den Siedlungsraum erforderlich sein, wenn ein unverhältnismäßig aufwendiger Ausbau der vorhandenen Infrastrukturen, wie zum Beispiel des Straßen- oder Kanalnetzes, notwendig würde.
Gemäß Erläuterung zu Ziel 2-3 ist im Übrigen sicherzustellen, dass das Wachstum kleinerer Ortsteile für sich betrachtet und in der Summe hinsichtlich der Inanspruchnahme von Freiflächen erheblich unter der Entwicklung der im Regionalplan dargestellten Allgemeinen Siedlungsbereiche bleibt.
3.4 Entwicklung eines kleineren Ortsteils zu einem Allgemeinen Siedlungsbereich
Der Landesentwicklungsplan eröffnet die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen kleinere Ortsteile bewusst über den Eigenbedarf hinaus zu entwickeln. Konkret ist in der Erläuterung zu Ziel 2-3 klargestellt, dass bei „bestehendem Siedlungsflächenbedarf und fehlenden Möglichkeiten der Weiterentwicklung bereits regionalplanerisch festgelegter Siedlungsbereiche die Entwicklung eines kleineren Ortsteils vorgesehen werden kann, der dann regionalplanerisch als Siedlungsbereich festzulegen ist. Dies ist mit der Formulierung ‚erfüllen oder erfüllen werden‘ im Ziel 2-3 zum Ausdruck gebracht (…)“.
Die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bestehender Siedlungsbereiche können unter anderem eingeschränkt sein durch
a) entgegenstehende regionalplanerische Freiraumfestlegungen wie Regionale Grünzüge, Bereiche für den Schutz der Natur, gegebenenfalls Wald oder Ähnliches,
b) sonstige entgegenstehende fachrechtliche Vorgaben wie zum Beispiel Wasserschutzgebiete oder Überschwemmungsgebiete,
c) entgegenstehende topografische oder naturräumliche Gegebenheiten,
d) nicht realisierbare oder mit hohen Kosten verbundene Ausbauten der Erschließungen oder der notwendigen technischen Infrastrukturen wie zum Beispiel der Ausbau des gesamten Kanalnetzes in einem Allgemeinen Siedlungsbereich, nur um einzelne weitere Wohngebiete realisieren zu können.
Eine fehlende Erweiterungsmöglichkeit kann ebenfalls gegeben sein, wenn die Ausweisung von neuen Allgemeinen Siedlungsbereichen für Wohnnutzungen nur an bestehenden Allgemeinen Siedlungsbereichen für Gewerbenutzungen möglich ist.
Das in den Erläuterungen zu Ziel 2-3 als Voraussetzung zur Weiterentwicklung kleinerer Ortsteile benannte Kriterium der fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten bestehender regionalplanerisch festgelegter Siedlungsbereiche soll im Übrigen auch im Sinne einer sinnvollen raumordnerischen Konzentration der Siedlungsentwicklung beurteilt werden. Unzureichende Erweiterungsmöglichkeiten können bereits gegeben sein, wenn die Vorteile einer weiteren Siedlungsentwicklung in einem kleineren Ortsteil gegenüber den ansonsten vorhandenen Erweiterungsoptionen bestehender Allgemeiner Siedlungsbereiche deutlich überwiegen. So kann zum Beispiel die Fortentwicklung eines bisher regionalplanerisch als Freiraum festgelegten Ortsteils mit kurzen Wegen zum Ortszentrum als Allgemeiner Siedlungsbereich gegebenenfalls einen effizienteren Beitrag zur Grundversorgung der Bevölkerung leisten als Erweiterungen bestehender Allgemeiner Siedlungsbereiche in zentrumsfernen Lagen.
Für eine mögliche Weiterentwicklung beziehungsweise für die Festlegung als Allgemeiner Siedlungsbereich kommen insbesondere solche kleineren Ortsteile in Frage, die über ein hinreichend vielfältiges Angebot von Infrastruktureinrichtungen der Grundversorgung verfügen. Das Kriterium der vorhandenen Infrastrukturausstattung ist von besonderem Gewicht, da die gemäß Ziel 2-3 vorgesehene Konzentration der Siedlungsentwicklung auf der Annahme beruht, dass in kleineren Ortsteilen in der Regel „keine zentralörtlich bedeutsamen Versorgungsfunktionen ausgebildet werden können“ (siehe Erläuterung zu Ziel 2-3).
Unter welchen konkreten Voraussetzungen eine angemessene Infrastrukturausstattung unterstellt werden kann, ist angesichts der Heterogenität der Teilräume in Nordrhein-Westfalen im Einzelfall zu beurteilen. Ein Abgleich mit anderen Allgemeinen Siedlungsbereichen und anderen kleineren Ortsteilen in der (Teil-)Region erscheint auf der Ebene der Regionalplanung allerdings angemessen.
Für die Neufestlegung eines kleineren Ortsteils als Allgemeiner Siedlungsbereich können darüber hinaus weitere Faktoren sprechen, wie
a) ein vorhandener SPNV-Anschluss (vergleiche auch Grundsatz 6.2-2). Sinnvollerweise ist für eine Festlegung als Allgemeiner Siedlungsbereich ansonsten zumindest eine vorhandene oder fest eingeplante leistungsfähige ÖPNV-Anbindung, das heißt regelmäßiger Linienverkehr, vorauszusetzen.
b) die räumliche Lage und der Einzugsbereich des Ortsteils. Sofern ein Ortsteil – insbesondere in ländlicheren Teilräumen – über eine gute Infrastrukturausstattung verfügt und weiter entfernt von bestehenden, als Allgemeine Siedlungsbereiche festgelegten Ortsteilen liegt, kann eine bewusste Weiterentwicklung über den Eigenbedarf sinnvoll sein.
Die ebenfalls in der Erläuterung zu Ziel 2-3 benannte Voraussetzung für die Weiterentwicklung eines kleineren Ortsteils ist ein bestehender Siedlungsflächenbedarf. Dies bedeutet, dass die neu festgelegten Siedlungsbereiche bedarfsgerecht im Sinne von Ziel 6.1-1 sein müssen.
Unter den gegebenen Voraussetzungen kann die zur Weiterentwicklung eines kleineren Ortsteils erforderliche Festlegung als Allgemeiner Siedlungsbereich im Zuge einer Regionalplanfortschreibung oder durch Änderung eines Regionalplans erfolgen.
Bei einer Regionalplanfortschreibung können im Rahmen der Erarbeitung der regionalplanerischen Gesamtkonzeption für die künftige Siedlungsentwicklung auch kleinere Ortsteile bewusst für eine künftige Weiterentwicklung über den Eigenbedarf hinaus vorgesehen werden. Hierbei sind die kommunalen Entwicklungsabsichten zu berücksichtigen.
Während der Regionalplanlaufzeit können über Regionalplanänderungen kleinere Ortsteile einzelfallbezogen neu als Allgemeiner Siedlungsbereich festgelegt und so geänderten Entwicklungsabsichten der Kommunen Rechnung getragen werden. Erforderlich ist hierzu eine schlüssige Begründung der Gemeinde, zum Beispiel auf der Grundlage eines nachvollziehbaren gesamtgemeindlichen Konzeptes zur angestrebten Siedlungsentwicklung, etwa bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans.
4 Verortung von Gewerbegebieten
4.1 Adressaten und Anwendungsbereich
Dieses Kapitel des vorliegenden Erlasses richtet sich an die Träger der Regionalplanung und die Regionalplanungsbehörden und zeigt die vorhandenen Spielräume bei der Anwendung von Ziel 6.3-3 des Landesentwicklungsplans auf beziehungsweise konkretisiert diese.
Ziel 6.3-3 enthält die Regel, dass neue Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen im Regionalplan angrenzend an den bestehenden Siedlungsraum darzustellen sind. Das Ziel selbst enthält darüber hinaus aber auch Ausnahmen. Bei der Anwendung der Ausnahmen können auch nur Teile des gesamten Planungsraums in den Blick genommen werden. Dies ergibt sich schon aus den Erläuterungen zu Ziel 6.3-3, in denen es heißt: „Weiterhin darf eine Festlegung eines isoliert im Freiraum liegenden Bereichs für gewerbliche und industrielle Nutzungen ausnahmsweise erfolgen, wenn die Gemeinde gegenüber der Regionalplanung nachweist, dass der Festlegung eines neuen Bereichs für gewerbliche und industrielle Nutzungen unmittelbar anschließend an die vorhandenen Allgemeinen Siedlungsbereiche oder Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen die in Absatz 3 des Ziels genannten Gründe entgegenstehen". Gemäß Ziel 6.3-1 setzt die Darstellung neuer Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen eine regionale Abstimmung voraus, so dass mindestens eine teilregionale Betrachtung, das heißt für die Gemeinde und umliegende Gemeinden beziehungsweise den Kreis, angezeigt ist.
4.2 Anwendung der Ausnahmevoraussetzung „andere entgegenstehende Schutz- oder Nutzungsbindungen“
In vielen Fällen werden sich Konflikte mit benachbarten Nutzungen schon deshalb nicht ergeben, weil neue Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen dort festgelegt werden, wo schon Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen bestehen.
Sofern ein neuer Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzungen nur angrenzend an einen bestehenden Allgemeinen Siedlungsbereich festgelegt werden kann, wird es in vielen Fällen möglich sein, Konflikte mit benachbarten Nutzungen durch eine geeignete bauleitplanerische Umsetzung von aneinander angrenzenden Allgemeinen Siedlungsbereichen und Bereichen für gewerbliche und industrielle Nutzungen zu vermeiden.
In den Fällen, in denen es jedoch nachweislich nicht möglich ist, durch eine solche zonierende Bauleitplanung den Schutzansprüchen des angrenzenden bestehenden Siedlungsraums − vor zum Beispiel Lärm − gerecht zu werden, kommt die Ausnahmevoraussetzung „andere entgegenstehende Schutz- oder Nutzungsbindungen“ zum Tragen und ermöglicht damit die Festlegung eines isoliert im Freiraum liegenden Bereichs für gewerbliche und industrielle Nutzungen.
Neben der oben beschriebenen Fallgestaltung wird es weitere Fallgestaltungen geben, in denen eine Festlegung eines neuen Bereichs für gewerbliche und industrielle Nutzungen unmittelbar anschließend an die vorhandenen Allgemeinen Siedlungsbereiche oder Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen aufgrund „entgegenstehender Schutz- oder Nutzungsbindungen“ nicht möglich ist.
5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieser Erlass tritt am 17. April 2018 in Kraft und am 31. Dezember 2022 außer Kraft.
- MBl. NRW. 2018 S. 383