Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 22 vom 11.9.2018 Seite 479 bis 502

Vergabegrundsätze für Gemeinden nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW (Kommunale Vergabegrundsätze) Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung 304-48.07.01/01-169/18
Normkopf
Norm
Normfuß
 

Vergabegrundsätze für Gemeinden nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW (Kommunale Vergabegrundsätze) Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung 304-48.07.01/01-169/18

6300

Vergabegrundsätze für Gemeinden
nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung NRW
(Kommunale Vergabegrundsätze)

Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
304-48.07.01/01-169/18

Vom 28. August 2018

Gemäß § 25 Absatz 2 der Gemeindehaushaltsverordnung NRW vom 16. November 2004 (GV. NRW. S. 644, ber. 2005 S. 15), der zuletzt durch Verordnung vom 27. April 2018 (GV. NRW. S. 239) geändert worden ist, lege ich die nachfolgenden Grundsätze fest, die von den Gemeinden bei der Vergabe von Aufträgen unterhalb der durch die Europäische Union vorgegebenen Schwellenwerte anzuwenden sind:

1

Geltungsbereich

1.1

Öffentliche Auftraggeber, die diese Vergabegrundsätze anzuwenden haben, sind Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Einrichtungen nach § 107 Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 66), die zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90) geändert worden ist, die wie Eigenbetriebe geführt werden (eigenbetriebsähnliche Einrichtungen).

1.2

Keine Anwendung finden diese Vergabegrundsätze auf:

a) Eigenbetriebe,

b) kommunal beherrschte Unternehmen,

c) Einrichtungen in einer Rechtsform des privaten Rechts und

d) Zweckverbände, deren Hauptzweck der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens ist.

Für Anstalten des öffentlichen Rechts im Sinne des § 114 a der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Kommunalunternehmen) und gemeinsame Kommunalunternehmen gemäß § 27 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1979 (GV. NRW. S. 621), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90) geändert worden ist, gilt hinsichtlich der Vergabegrundsätze die Regelung des § 8 der Kommunalunternehmensverordnung vom 24. Oktober 2001 (GV. NRW.S. 773) in der jeweils geltenden Fassung.

1.3

Die Vergabegrundsätze gelten ausschließlich bei öffentlichen Aufträgen, deren geschätzte Auftragswerte die EU-Schwellenwerte (vergleiche Nummer 2) ohne Umsatzsteuer nicht erreichen. Zur Bestimmung des geschätzten Auftragswertes wird auf § 3 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) in der jeweils geltenden Fassung verwiesen.

2

Bundes- und landesgesetzliche Vorschriften

2.1

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten die Regelungen der §§ 97 bis 184 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der jeweils geltenden Fassung, sofern im Einzelfall die EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer erreicht oder überstiegen werden. Diese ergeben sich aus § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der jeweils geltenden Fassung.

2.2

Öffentliche Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen im Sinne von § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen den Bestimmungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2018 (GV. NRW. S. 172) in der jeweils geltenden Fassung.

3

Allgemeine Vergabeprinzipien

3.1

Auch unterhalb der EU-Schwellenwerte sind die europarechtlichen Grundprinzipien der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten. Die Auftragsvergabe muss im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfolgen.

Wenn für den Auftrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse im Sinne einer Binnenmarktrelevanz besteht, ist eine angemessene Veröffentlichung der Auftragsvergabe sowie der gleichberechtigte Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten sicherzustellen.

3.2

Mittelständische Interessen sind vornehmlich zu berücksichtigen. Kleinere und mittlere Unternehmen sind angemessen bei der Angebotsaufforderung einzubeziehen. Auf einen Wechsel der Bieter bei den nicht förmlichen Verfahren ist zu achten.

3.3

Der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, des Ministeriums für Inneres und Kommunales und des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr „Präqualifikationsrichtlinie“ vom 28. Mai 2014 (MBl. NRW. S. 389), der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales und des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung „Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen und von Inklusionsbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“ vom 29. Dezember 2017 (MBl. NRW. 2018 S. 22) und der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Energie Bauen, Wohnen und Verkehr und des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Anwendung einer Schutzklausel zur Abwehr von Einflüssen der Scientology-Organisation und deren Unternehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Beratungs- und Schulungsleistungen“ vom 18. Oktober 2011 (MBl. NRW. S. 402) sind in der jeweils geltenden Fassung zu beachten.

Der Nachweis der Eignung für Bauleistungen kann mit der Eintragung in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen. Unternehmen, die entsprechend § 6a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 2016 (BAnz AT 01.07.2016 B4) registriert sind, gelten hinsichtlich der erfassten Kriterien als geeignet. Dies gilt auch für Verfahren nach den §§ 8 bis 48 der Unterschwellenvergabeordnung vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1)..

Die Eintragung eines Unternehmens in das Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen gilt zum grundsätzlichen Nachweis der Eignung des Bewerbers oder Bieters und zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen unabhängig von einem konkreten Einzelauftrag. Das nach Eintragung ins amtliche Verzeichnis erstellte Zertifikat ist als Eignungsnachweis anzuerkennen. Unternehmen, die im Amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen registriert sind, gelten hinsichtlich der erfassten Kriterien auch in Bauverfahren als geeignet.

4

Vergabe von Bauleistungen

4.1

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken bei Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes sollen die Teile A (Abschnitt 1), B und C der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der jeweils geltenden Fassung angewendet werden.

4.2

Bauleistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 5 000 Euro ohne Umsatzsteuer können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag). Der Auftraggeber soll zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.

5

Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen

5.1

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte soll die Unterschwellenvergabeordnung in der jeweils geltenden Fassung angewendet werden.

5.2

Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 5 000 Euro ohne Umsatzsteuer können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag). Der Auftraggeber soll zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.

6

Wahl der Vergabeart

Gemäß § 25 der Gemeindehaushaltsverordnung NRW vom 16. November 2004 (GV. NRW. S. 644, ber. 2005 S. 15) in der jeweils geltenden Fassung muss der Vergabe von Aufträgen eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der kommunalen Praxis halte ich nachfolgende, vereinfachte Möglichkeit zur Wahl der Vergabeart für vertretbar. Die allgemeinen Vergabeprinzipien nach Nummer 3, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfallen bleiben dabei unberührt.

6.1

Bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen kann der öffentliche Auftraggeber bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 100 000 Euro ohne Umsatzsteuer wahlweise eine Verhandlungsvergabe oder eine Beschränkte Ausschreibung (jeweils auch ohne Teilnahmewettbewerb) durchführen.

6.2

Bei Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne von § 130 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen steht dem Auftraggeber bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 250 000 Euro ohne Umsatzsteuer abweichend von § 49 der Unterschwellenvergabeordnung neben der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb stets auch die Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und die Verhandlungsvergabe mit und ohne Teilnahmewettbewerb nach seiner Wahl zur Verfügung.

6.3

Bei Bauleistungen können die Vergabestellen bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 100 000 Euro ohne Umsatzsteuer eine Freihändige Vergabe (auch ohne Teilnahmewettbewerb) durchführen. Bis zu einem vorab geschätzten Auftragswert in Höhe von 1 000 000 Euro ohne Umsatzsteuer können sie bei Bauleistungen eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb durchführen.

6.4

Die Ausnahmetatbestände für eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder einer Verhandlungsvergabe/Freihändigen Vergabe (mit und ohne Teilnahmewettbewerb) im Sinne von § 3a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A sowie § 8 Absatz 3 und 4 der Unterschwellenvergabeordnung oberhalb der in Nummer 6.1 bis 6.3 genannten Wertgrenzen bleiben hiervon unberührt.

7

Elektronische Vergabe

In den Fällen des § 38 Absatz 4 der Unterschwellenvergabeordnung können Vergabeverfahren mittels E-Mail abgewickelt werden. In diesen Fällen kommen § 7 Absatz 4, §§ 39 und 40 der Unterschwellenvergabeordnung und §§ 11a und 14 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A nicht zur Anwendung.

8

Korruptionsverhütung

8.1

Bei öffentlichen Aufträgen sind die Vorschriften des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 16. Dezember 2004 (GV. NRW. 2005 S. 8) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Zur Vermeidung von Manipulationen sind entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.

8.2

Auf die zwischen dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Erläuterungen zum Korruptionsbekämpfungsgesetz mit Stand 20. Juni 2005, in denen die Anwendung des Runderlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales, zugleich im Namen des Ministerpräsidenten und aller Landesministerien, „Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung“ vom 20. August 2014 (MBl. NRW. S. 486) empfohlen wird, weise ich besonders hin.

9

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Der Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Kommunale Vergabegrundsätze“ vom 6. Dezember 2012 (MBl. NRW. S. 725), der durch Runderlass vom 25. November 2013 (MBl. NRW. S. 552) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Dieser Runderlass tritt am 15. September 2018 in Kraft und am 31. Dezember 2024 außer Kraft.

- MBI. NRW.2018. S. 497