Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2018 Nr. 31 vom 18.12.2018 Seite 703 bis 738

Zusammenarbeit zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums des Innern, des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums der Finanzen
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Norm
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zugehörige Anlagen :
Muster 1
Muster 2
Muster 3
 

Zusammenarbeit zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums des Innern, des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums der Finanzen

2051

Zusammenarbeit zwischen
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise
Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei


Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums des Innern,
des Ministeriums der Justiz und
des Ministeriums der Finanzen

Vom 4. Dezember 2018

1

Vorbemerkung

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, im Folgenden GV genannt, sowie Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamte, im Folgenden VB genannt, sehen sich vermehrt der Problematik gegenüber, dass sich Vollstreckungsschuldnerinnen und Vollstreckungsschuldnern, im Folgenden VS genannt, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen widersetzen. Insbesondere schwerwiegende Eingriffe, wie zum Beispiel Räumungen, Verhaftungen, Vorführungen, Vollzug von Durchsuchungsanordnungen, Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz und Entscheidungen auf Herausgabe von Personen und bei Aufträgen zur Vollstreckung wegen einer Duldung beziehungsweise eines Unterlassens können heftigen Widerstand auslösen.

Zur Vermeidung von Gefährdungssituationen und im Interesse einer sachgerechten und reibungslosen Vollstreckung vereinbaren das Ministerium des Innern, das Ministerium der Justiz und das Ministerium der Finanzen daher folgende Vorgehensweise:

2

Anfrage des GV oder VB

Zum Zwecke der Eigensicherung können GV und VB die örtlich zuständige Polizeibehörde über eine bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahme informieren und damit die Bitte um Auskunft verbinden, ob der Polizei in Bezug auf die VS folgende personenbezogene Hinweise vorliegen:

a. Bewaffnet (BEWA),

b. Gewalttätig (GEWA),

c. Ausbrecher (AUSB),

d. Ansteckungsgefahr (ANST),

e. Psychische und Verhaltensstörung (PSYV),

f. Betäubungsmittelkonsument (BTMK),

g. Freitodgefahr (FREI),

h. Explosivstoffgefahr (EXPL),

oder weitere gefährdungsrelevante Aspekte, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Zugehörigkeit zur Reichsbürger- und Selbstverwalterszene, bekannt sind.

Voraussetzung hierfür ist, dass den GV oder den VB tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass es zu einem gewalttätigen Übergriff oder Widerstand gegenüber den GV oder den VB kommen könnte. Bei gefahrgeneigten Vollstreckungshandlungen, wie zum Beispiel Kindeswegnahmen, Räumungen und Verhaftungen, sind besonders geringe Anforderungen an die Prognose zu stellen. Im Übrigen aber reicht die bloße Vermutung nicht aus, dass eine Gefahr bestehen könnte, weil der VS unbekannt ist.

2.1

Die Anhaltspunkte, wie beispielsweise entsprechende Äußerungen oder Drohungen, Informationen Dritter, Hausverbote, sind von den GV oder den VB unter Verwendung des Musters 1 „Anfrage“ kurz darzustellen. In der Anfrage sind möglichst viele Angaben zur Person des VS, wie Name, Anschrift, Geburtsname und soweit bekannt Geburtsdatum sowie Geburtsort aufzuführen, damit dieser von der Polizei zweifelsfrei identifiziert werden kann.

2.2

Die Anfrage soll rechtzeitig, aber mindestens drei Wochen vor dem Termin erfolgen. In Eilfällen ist die Anfrage an keine Frist gebunden. Eilfälle ergeben sich typischerweise bei Kindeswegnahmen, Räumungen und Verhaftungen, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist.

3

Antwort der Polizei

Die zuständige Polizeibehörde überprüft daraufhin mithilfe polizeilicher Informationssysteme, ob in Bezug auf den VS personenbezogene Hinweise vorliegen oder weitere gefährdungsrelevante Aspekte bekannt sind. Sie stellt anhand des Nationalen Waffenregisters fest, ob der VS legal im Besitz von Waffen ist. Soweit sich staatsschutzrelevante Hinweise ergeben, erfolgt eine weitere Abfrage bei den Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes.

3.1

Über das Ergebnis der Überprüfung unterrichtet die zuständige Polizeibehörde den GV oder den VB unter Verwendung des Musters 2 „Antwort“. Die erteilten Auskünfte sind nur zu dienstlichen Zwecken zu verwenden und dürfen Dritten nicht zugänglich gemacht werden.

3.2

Liegen keine personenbezogenen Hinweise oder Informationen zu weiteren gefährdungsrelevanten Aspekten vor, wird dies ebenfalls mitgeteilt.

4

Ersuchen des GV oder VB

GV und VB können ein Ersuchen um Vollzugs- oder Amtshilfe stellen, wenn

a. personenbezogene Hinweise oder polizeiliche Informationen zu weiteren gefährdungsrelevanten Aspekten vorliegen oder

b. die GV oder VB eigene Erkenntnisse in Bezug auf ein Gefährdungspotenzial haben.

Dies gilt unabhängig davon, ob zuvor eine Anfrage nach Nummer 2 gestellt oder eine Antwort nach Nummer 3 gegeben wurde.

4.1

Für das Ersuchen um Vollzugs- oder Amtshilfe ist das Muster 3 „Vollzugs-/Amtshilfeersuchen“ zu verwenden. Haben GV oder VB eigene Erkenntnisse in Bezug auf ein Gefährdungspotenzial des VS, sind diese in dem Ersuchen kurz zu beschreiben. Ferner sind in dem Ersuchen möglichst viele Angaben zur Person des VS, wie Name, Anschrift, Geburtsname und soweit bekannt Geburtsdatum sowie Geburtsort aufzuführen, damit dieser von der Polizei zweifelsfrei identifiziert werden kann (vergleiche Nummer 2.1).

4.2

Da ein möglichst frühzeitiges Ersuchen die Vorplanung und Koordinierung der Einsatzkräfte auf Seiten der Polizei erleichtert, ist ein Ersuchen grundsätzlich mindestens eine Woche vor dem Termin zu stellen. In Eilfällen ist das Ersuchen an keine Frist gebunden.

5

Kommunikationsweg

Die Anfrage nach Nummer 2, deren Beantwortung nach Nummer 3 und ein etwaiges Vollzugs- oder Amtshilfeersuchen nach Nummer 4 erfolgen

a. auf dem elektronischen Informationsweg, soweit dieser eingerichtet und verwendbar ist,

b. ansonsten schriftlich per Post oder Fax oder

c. in Eilfällen auch telefonisch oder persönlich.

6

Transport in Justizvollzugsanstalt

Ein im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erforderlich werdender Transport des VS in eine Justizvollzugsanstalt erfolgt durch die Polizei und zwar regelmäßig in die nächstgelegene Justizvollzugsanstalt. Ein gegebenenfalls erforderlich werdender Weitertransport, beispielsweise zur Vorführung bei Gericht oder aufgrund einer Verlegung, obliegt den Justizvollzugsanstalten.

7

Inkrafttreten

Dieser Gemeinsame Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt der Gemeinsame Runderlass des Justizministeriums, des Finanzministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Zusammenarbeit zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei“ vom 12. Mai 2014 (MBl. NRW. S. 300) außer Kraft.

- MBl. NRW. 2018 S. 704