Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2020 Nr. 30 vom 17.11.2020 Seite 687 bis 740

Orientierungsdaten 2021 – 2024 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen
Normkopf
Norm
Normfuß
 

Orientierungsdaten 2021 – 2024 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

II.

Orientierungsdaten 2021 – 2024
für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung
der Gemeinden und Gemeindeverbände
des Landes Nordrhein-Westfalen

Runderlass

des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
304-46.05.01-264/20

Vom 30. Oktober 2020

Nachfolgend gebe ich gemäß § 6 der Kommunalhaushaltsverordnung (KomHVO NRW) in Verbindung mit § 84 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen die Orientierungsdaten 2021 bis 2024 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt.

I.        Allgemeine Erläuterungen

1.         Grundlagen der Orientierungsdaten 2021 - 2024

Die Orientierungsdaten stützen sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom September 2020. Zudem berücksichtigen sie die Entwicklungen des Landeshaushaltes und des kommunalen Finanzausgleichs.

Da der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nur die tatsächlichen Zuflüsse für das jeweilige Haushaltsjahr betrachtet, sind seine Ergebnisse vom September 2020 an den Einnahmen ausgerichtet. Die Orientierungsdaten zu den Steuern und Abgaben sind deshalb Einzahlungsgrößen. Eine periodengerechte Zuordnung erfolgt nicht und kann nur von den Kommunen individuell mit Rücksicht auf die jeweilige örtliche Situation vorgenommen werden.

2.         Gewerbesteuerumlage

Die Entwicklung der einzelnen Komponenten des Vervielfältigers der Gewerbesteuerumlage wird in der nachfolgenden Tabelle angegeben:

Jahr

„Normal“-Vervielfältiger

§ 6 Abs. 3 GemFinRefG

Gesamt-Vervielfältiger

Bund

Länder

2020

14,5

20,5

35

2021*

14,5

20,5

35

2022

14,5

20,5

35

2023

14,5

20,5

35

2024

14,5

20,5

35

*   Nachlaufend erfolgt noch die Abrechnungen der Einheitslasten des Jahres 2019 in 2021.

3.       Wirkung der Orientierungsdaten – Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten

Gemäß § 16 Abs. 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und § 75 Abs. 1 und 84 GO NRW sollen sich die Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Aufstellung des Haushaltes 2021 und bei der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung für die Jahre 2022 bis 2024 an den unter II.1. aufgeführten Daten zu Einzahlungen und Erträgen ausrichten. Die Orientierungsdaten liefern allerdings nur Durchschnittswerte für die Gemeinden und Gemeindeverbände und sind deshalb lediglich Anhaltspunkte für die individuelle Finanzplanung. Jede Kommune ist verpflichtet, unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten die für ihre Planung zutreffenden Einzelwerte zu ermitteln. Es ist von den Orientierungsdaten abzuweichen, wenn die individuellen Gegebenheiten vor Ort dies erfordern.

Auch bei den weiter in die Zukunft gerichteten Planungen der HSK- und HSP-Kommunen dürfen die Berechnungsempfehlungen des sogenannten Ausführungserlasses des für Kommunales zuständigen Ministeriums vom 7. März 2013 zur Haushaltskonsolidierung nur zugrunde gelegt werden, wenn eine eingehende Einzelfallprüfung ihre Vereinbarkeit mit den individuellen Verhältnissen vor Ort und deren voraussichtlichen Entwicklungen bestätigt hat. Die der Haushaltsplanung tatsächlich zugrunde gelegten Einzelwerte sind den Aufsichtsbehörden zu erläutern.

Generell sollten die Kommunen ihrer Haushaltsplanung eine eher vorsichtige Prognose zugrunde legen. Für Kommunen, die ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen haben, besteht die Pflicht, den Haushalt zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder auszugleichen (§ 76 Abs. 1 GO NRW). Für die Kommunen, die am Stärkungspakt Stadtfinanzen teilnehmen, gelten die Regelungen des Stärkungspaktgesetzes. Der Ausführungserlass regelt die Einzelheiten der Anwendung sowohl des § 76 GO als auch der Vorgaben zur Haushaltssanierung nach dem Stärkungspaktgesetz.

4.       Empfehlungen für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung

Im Interesse der kommunalen Selbstverwaltung muss es oberstes Ziel sein, den Haushaltsausgleich zu erreichen oder zumindest ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept bzw. einen genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplan nach dem Stärkungspaktgesetz aufzustellen.

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung verbindet mit der Bereitstellung der Orientierungsdaten 2021 bis 2024 auch die Erwartung, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände die Aufstellung, Beratung und Beschlussfassung über ihren Haushalt an der Vorgabe des § 80 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GO NRW in Verbindung mit § 4 Absatz 6 des Gesetzes zur Isolierung der aus der COVID-19-Pandemie folgenden Belastungen der kommunalen Haushalte im Land Nordrhein-Westfalen (NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz – NKF-CIG) ausrichten.

II.        Orientierungsdaten und Erläuterungen

1.                  Orientierungsdaten 2021 - 2024 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

Absolut

Orientierungsdaten

2020

2021

2022

2023

2024

in Mio. Euro

in %

Einzahlungen / Erträge

Summe der Einzahlungen aus Steuern (brutto)

24.223

8,2

2,2

4,1

5,1

davon:

Gemeindeanteil an der
Einkommensteuer

8.261

4,4

3,5

6,0

6,3

Gemeindeanteil an der
Umsatzsteuer

2.145

-5,6

-11,2

2,3

2,2

Gewerbesteuer
(brutto)

9.535

17,9

4,1

4,2

6,1

Grundsteuer
A und B

3.855

0,9

0,9

0,9

0,9

Kompensation Familienleistungs-ausgleich (Erträge)

855

-16,4

24,5

3,4

2,7

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes (Erträge)

12.784

5,9

-6,5

5,1

5,8

davon:

Schlüsselzuweisungen an Gemeinden,
Kreise und Landschaftsverbände

10.784

5,9

-6,5

5,1

5,8

2. Erläuterungen

Steuern und ähnliche Abgaben

Die Entwicklung der Steuern und steuerähnlichen Abgaben ist aktuell stark durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt. Im Jahr 2020 sind die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden aus wirtschaftlichen Gründen (Gewinneinbußen, Umsatzrückgang und Kurzarbeit) sowie aufgrund finanzpolitischer Entscheidungen (steuerrechtliche Erleichterung, großzügigere Regelungen im Hinblick auf Steuerstundungen und Kürzungen von Steuervorauszahlungen) teils erheblich gesunken. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Steuerentwicklung der Kommunen werden voraussichtlich auch in den kommenden Jahren spürbar sein. Dies zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Prognose des Gewerbesteueraufkommens im Jahr 2021, die durch Nachholeffekte nach dem drastischen Aufkommensrückgang im Jahr 2020 geprägt ist.

Die geplanten, hälftig von Bund und Land getragenen Zuweisungen zum Ausgleich der im Jahr 2020 entstehenden Gewerbesteuerausfälle (LT-Drs. 17/11195) sind in den dargestellten Entwicklungsraten der Gewerbesteuer nicht enthalten. Die hierfür bereitstehenden Mittel in Höhe von insgesamt 2,72 Mrd. Euro sollen noch im Jahr 2020 in Form allgemeiner Zuweisungen an die leistungsberechtigten Gemeinden ausgezahlt werden.

In Anbetracht der weltweit noch immer sehr dynamischen Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist die Einschätzung über die Entwicklung der Steuereinnahmen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, die noch keine Berücksichtigung in den Orientierungsdaten gefunden haben. Hinzu kommen weitere Risiken für die deutsche Konjunktur wie z.B. internationale Handelskonflikte.

Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer

In den vergangenen Jahren ist der über den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer fließende Teil der seit 2018 vom Bund gewährten Entlastungsmittel in Höhe von bundesweit 5 Mrd. Euro wiederholt über das ursprünglich vereinbarte Niveau hinaus aufgestockt worden, um die – wegen der im SGB II festgelegten Beteiligungsobergrenze des Bundes an den KdU-Ausgaben – erforderlich gewordene Kürzung der Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung zu kompensieren. Ab dem Jahr 2022 wird die Verteilung der Entlastungsmittel aus dem 5-Milliarden-Paket des Bundes voraussichtlich erstmals auf der Grundlage des im Jahr 2016 zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossenen Schlüssels erfolgen (Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer: 2,4 Mrd. Euro; Bundesbeteiligung an den KdU: 1,6 Mrd. Euro; Länderanteil an der Umsatzsteuer: 1 Mrd. Euro). Der für das Jahr 2022 prognostizierte Rückgang des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer spiegelt diese Entwicklung wider.

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Einnah­men des Landes aus den Verbundsteuern im Haushaltsjahr 2020 deutlich hinter die Erwartungen der letzten Finanzplanung zurückfallen lassen. Um die Folge­wirkungen für den kommunalen Finanzausgleich 2021 aufzufangen, wird die verteilbare Finanzausgleichsmasse gemäß § 33b Haushaltsgesetz 2021 aufgestockt und damit auf dem Niveau der vorherigen Finanzplanung in Höhe von insgesamt 13.573,0 Mio. Euro festgelegt. Auf diese Weise werden die ohnehin umfangreichen Belastungen der kommunalen Haushalte durch die Corona-Pandemie abgemildert. Der Differenzbetrag zu der aus dem Ist-Aufkommen der relevanten Verbundsteuern im Zeitraum 01.10.2019 bis 30.09.2020 abgeleiteten Verbundmasse in Höhe von 943,1 Mio. Euro wird kreditiert. Dieser Betrag soll in späteren Haus­haltsjahren in Abhängigkeit von der Entwicklung der Verbundsteuern aus dem Aufwuchs der kommunalen Finanzausgleichsmasse wieder dem Landeshaus­halt zufließen.

Aufwendungen allgemein

Aufgrund der Corona-Pandemie und der hiermit verbundenen außergewöhnlichen Umstände für die Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden und Gemeindeverbände wird in diesem Jahr darauf verzichtet, den Kommunen Orientierungs- bzw. Zielwerte für die Aufwendungen vorzugeben. Gleichwohl wird weiterhin auf die Notwendigkeit einer ressourcenschonenden kommunalen Finanzwirtschaft hingewiesen. Dies gilt insbesondere für haushaltssicherungspflichtige Kommunen. In Anbetracht der negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf die kommunalen Haushalte und trotz der zwischenzeitlich von Bund und Land beschlossenen umfassenden Entlastungsmaßnahmen, stehen zahlreiche Kommunen unter einem erheblichen Konsolidierungsdruck. Um den Haushalt dauerhaft aus eigener Kraft ausgleichen zu können, ist es erforderlich, bei den Aufwendungen nur geringe Zuwachsraten zuzulassen. Dies gilt insbesondere auch für die Personal- und Sachaufwendungen der Kommunen.

gez. Dr. von Kraack

MBl. NRW. 2020 S. 736