Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2021 Nr. 26 vom 8.9.2021 Seite 685 bis 714
Richtlinien für die Förderung der Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt - Täterarbeit - |
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Richtlinien für die Förderung der Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt - Täterarbeit -
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Richtlinien
für die Förderung der Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt
- Täterarbeit -
Runderlass
des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
Vom 16. Juli 2021
1
Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage
1.1
Das Land gewährt Zuwendungen zur Förderung von Projekten Freier
Träger, die mit Tätern in Fällen von häuslicher Gewalt arbeiten, nach Maßgabe
dieser Richtlinie, den §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung in der Fassung
der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GV. NRW. S. 158) in der jeweils
geltenden Fassung und des Runderlasses des Ministeriums der Finanzen
„Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung“ vom 10. Juni 2020 (MBl. NRW. S. 309) in der jeweils geltenden Fassung.
1.2
Ein Anspruch der Antragstellenden
auf Gewährung der Zuwendung besteht nicht, vielmehr entscheidet die
Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der
verfügbaren Haushaltsmittel.
2
Gegenstand der Förderung
Beratungsstellen für Täterarbeit erhalten für die Wahrnehmung der unter Nummer 4.1 beschriebenen Aufgaben eine Zuwendung zu den Personal- und Sachausgaben.
Ziel der Förderung
ist ein flächendeckendes Angebot von Maßnahmen der Täterarbeit nach den
Standards und Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche
Gewalt e.V., im Folgenden BAG TäHG genannt,
sicherzustellen. Hierzu sollen grundsätzlich in Anlehnung an die
Landgerichtsbezirke in Nordrhein-Westfalen Beratungsangebote für Täter im
Bereich häusliche Gewalt vorgehalten werden, die den Bedarf in den Bezirken
decken.
3
Zuwendungsempfängerin oder
Zuwendungsempfänger
Zuwendungen empfangen können gemeinnützige juristische Personen, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben und eine in Nordrhein-Westfalen stattfindende Maßnahme für Täter in Fällen von häuslicher Gewalt anbieten sowie einem der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen angehören.
4
Zuwendungsvoraussetzungen
4.1
Die Arbeit der
Beratungsstellen für Täterarbeit muss sich an folgenden Rahmenbedingungen
orientieren:
a) Gefördert werden auf Gewalt zentrierte und konfrontative Unterstützungs- und Beratungsangebote zur Verhaltensänderung für gewalttätige Männer (Täterprojekte), deren Kernziel die Vermeidung weiterer Gewaltausübung ist,
b) Die Angebote richten sich an in Deutschland lebende erwachsene Täter, die gegenüber ihren (ehemaligen) Partnerinnen oder Partnern gewalttätig geworden sind,
c) Geförderte Einrichtungen müssen ihre Beratungsarbeit nach den Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit e.V. „Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt“ (Standards der BAG TäHG in der Fassung vom März 2018, zu finden unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/arbeit-mit-taetern-in-faellen-haeuslicher-gewalt-80734) ausrichten,
d) Die Einrichtungen müssen den Zugang zu ihren Angeboten sowohl für Selbstmelder als auch für Klienten sicherstellen, die durch Polizei, Justiz, Gerichtshilfe, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Jugendämter et cetera vermittelt werden,
e) Zur Sicherstellung einer effektiven und umfassenden Ausrichtung der Beratungstätigkeit muss die Einrichtung insbesondere mit anderen Hilfesystemen im jeweiligen Landgerichtsbezirk zusammenarbeiten, in örtliche Kooperationsbündnisse eingebunden sein und sich sowohl fallübergreifend als auch einzelfallbezogen insbesondere mit Unterstützungseinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen und Männer, kommunalen Ämtern und anderen staatlichen Stellen (Justiz, Polizei, Jugendämtern, Ausländerbehörden, Gleichstellungsbeauftragten et cetera) vernetzen und
f) Die Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfänger finden sich zu regelmäßig tagenden Arbeitskreisen zusammen und kooperieren mit einer oder einem aus ihrer Mitte gewählten Sprecherin oder Sprecher.
4.2
Um die Qualität von
Täterarbeitseinrichtungen abzusichern, haben die Zuwendungsempfängerinnen und
Zuwendungsempfänger folgende Grundlagen zu gewährleisten:
a) mindestens zwei Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter mit einer der Aufgabenstellung entsprechenden Qualifikation, für den Einsatz von Fachkräften gelten die unter Nummer 4.3 genannten Bestimmungen,
b) geeignete Räume und Ausstattung (zum Beispiel Beratungsraum, Gruppenraum),
c) Supervision und
d) Verwaltungsstrukturen.
Die Grundlagen sind der Bewilligungsbehörde mit Einreichen des Antrags auf Gewährung einer Zuwendung nach dem Muster der Anlage 1 nachzuweisen.
4.3
Bestimmungen für den Einsatz
von Fachkräften in Täterberatungseinrichtungen
4.3.1
Täterarbeitseinrichtungen müssen für die unmittelbare Beratung der Ratsuchenden
über jeweils mindestens eine dreiviertel hauptberufliche Fachkraft mit einer
der Aufgabenstellung entsprechenden Qualifikation verfügen.
Fachkräfte der Täterarbeit müssen über einen Hochschulabschluss (Diplom, Bachelor beziehungsweise Master) in Sozialer Arbeit, Pädagogik, Psychologie oder einen vergleichbaren Abschluss oder eine im Einzelfall gleichwertige Berufs- und Beratungserfahrung sowie über die weiteren Qualifikationen nach Maßgabe von Nummer 5 der Standards der BAG TäHG in der Fassung von März 2018 verfügen. Hierzu gehört insbesondere eine gewaltspezifische Weiterbildung der BAG TäHG oder eine vergleichbare gewaltspezifische Zusatzausbildung.
Des Weiteren müssen Fachkräfte der Täterarbeit über Erfahrung in der genderspezifischen Beratung und der Leitung von Gruppen verfügen.
4.3.2
Stattdessen ist es auch möglich, die Einrichtung mit einer halben Fachkraft und
einer Fachkraft mit Stundenvergütung für maximal 250 Stunden jährlich auszustatten,
wobei auch die Fachkraft mit Stundenvergütung jeweils über die oben genannten
Qualifikationen verfügen muss. Ausnahmsweise ist es nach Ermessen des
Fördergebers möglich, dass Beratungsstellen über lediglich eine viertel
Fachkraft oder weniger mit den oben genannten Qualifikationen verfügen.
4.3.3
Haben vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Stichtag 1. Dezember 2018
über mehrjährige Berufserfahrung in der Täterarbeit verfügt, so wird dies als
gleichwertige Weiterbildung im Sinne von Buchstabe a) anerkannt. Neue
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Täterarbeit müssen die erforderliche
Qualifikation im Sinne von Buchstabe a) innerhalb eines Zeitraums von vier
Jahren ab Einstellungsbeginn erwerben und nachweisen.
4.3.4
Fachkräfte mit Stundenvergütung, die bislang nicht über eine gewaltspezifische
Zusatzausbildung im Sinne der Standards der BAG TäHG
verfügen, müssen eine solche noch im laufenden ersten Förderjahr beginnen oder
fortführen.
Die Qualifikationen sind der Bewilligungsbehörde mit Antragstellung (Anlage 1) nachzuweisen.
4.3.5
Die Gesamtarbeitszeit der
hauptberuflichen Fachkräfte muss - vorbehaltlich einer abweichenden
tarifvertraglichen Bindung der Zuwendungsempfängerin oder des
Zuwendungsempfängers - der für vergleichbare Bedienstete des Landes geltenden
tariflichen Arbeitszeit, jeweils im Umfang der in Buchstabe a) genannten
Vollzeitäquivalente, entsprechen.
4.3.6
Die Standards der BAG TäHG zu Setting und Umfang der
Täterarbeit sind zu beachten. Insbesondere soll Täterarbeit grundsätzlich im
Gruppensetting unter Leitung mindestens zweier Mitarbeiterinnen oder
Mitarbeiter – davon mindestens einer Fachkraft der Täterarbeit – stattfinden.
In begründeten Einzelfällen kann Einzelberatung durch eine Fachkraft der
Täterarbeit durchgeführt werden.
4.3.7
In begründeten Ausnahmefällen kann die Beratung auch in telefonischer und
beziehungsweise oder digitaler Form erfolgen.
5
Art, Umfang, Höhe der
Zuwendung
5.1
Die Zuwendung erfolgt in Form
der Projektförderung.
5.2
Die Zuwendung wird als
Festbetragsfinanzierung für den zu erfüllenden Zweck gewährt.
5.3
Die Zuwendung erfolgt als
Zuschuss.
5.4
Bemessungsgrundlage
5.4.1
Personalausgabenförderung
Von dem für Gleichstellungspolitik zuständigen Ministerium wird ein Pauschalbetrag für die unter Nummer 4.3 genannten Fachkräfte festgesetzt.
Der Pauschalbetrag für die in Nummer 4.3 Buchstabe a genannten Fachkräfte soll 85 Prozent der tatsächlichen Personalausgaben nicht überschreiten. Beschränkt sich die Förderung auf eine halbe Stelle oder viertel Stelle, ist der Pauschalbetrag entsprechend anzugleichen. Bei denjenigen Einrichtungen, bei denen 85 Prozent der tatsächlichen Personalausgaben den festgesetzten Pauschalbetrag unterschreiten, ist die Pauschale in der Regel um diesen Betrag zu kürzen.
Der Personalausgabenzuschuss vermindert sich anteilig bei einer nicht ganzjährigen Anstellung einer Kraft beziehungsweise bei einem Wegfall des Anspruchs auf Vergütung für jeden vollen Kalendermonat, sofern nicht innerhalb von drei Monaten der Dienst wiederaufgenommen wird beziehungsweise eine förderfähige Ersatzkraft eingestellt wird (sogenannter förderungsunschädlicher Vakanzzeitraum).
Als Stundensatz pro geleisteter Stunde der in Nummer 4.3 genannten Fachkraft mit Stundenvergütung wird jährlich vom für Gleichstellungspolitik zuständigen Ministerium ein Pauschalbetrag festgesetzt.
5.4.2
Sachausgabenförderung
Von dem für Gleichstellungspolitik zuständigen Ministerium wird für den Bewilligungszeitraum ein Pauschalbetrag für die Sachausgaben der Einrichtungen festgesetzt.
6
Verfahren
6.1
Antragsverfahren
6.1.1
Antragstellung
Der Antrag auf Gewährung einer Zuwendung ist nach dem Muster der Anlage 1 bei der zuständigen Bezirksregierung (Bewilligungsbehörde) zu stellen. Der Antrag ist bis zum 1.Oktober für den im kommenden Kalenderjahr beginnenden Bewilligungs- und Durchführungszeitraum bei der Bewilligungsbehörde einzureichen.
6.1.2
Antragsweg
Der Antrag ist schriftlich unter Verwendung des Antragsmusters (Anlage 1) bei der Bewilligungsbehörde einzureichen.
6.1.3
Antragsunterlagen
Dem Antrag sind folgende Anlagen beizufügen:
a) Vereinssatzung, Gesellschaftsvertrag oder entsprechende Verträge (bei Erstantrag oder Änderungen),
b) Projektbeschreibung beziehungsweise Konzept gemäß der Nummer 4.1,
c) Finanzierungsplan (aufgegliederte Berechnung pro Kalenderjahr), aus dem alle mit der Einrichtung zusammenhängenden voraussichtlichen Ausgaben und Einnahmen für den beantragten Durchführungs- und Bewilligungszeitraum hervorgehen,
d) Übersicht zum Personal mit einer Beschreibung der jeweiligen Tätigkeit und Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit, Qualifikation, zum Bildungsabschluss, zur Eingruppierung und zur Höhe der voraussichtlichen Personalausgaben und
e) Qualifikationsnachweise (Zeugnisse und Bescheinigungen) für die in Frage kommenden Fachkräfte.
6.2
Bewilligungsverfahren
Mit einem Antrag kann ein Bewilligungszeitraum von maximal vier Haushaltsjahren beantragt werden.
Die Landeszuwendung ist nach dem Muster der Anlage 2 zu bewilligen.
6.3
Anforderungs- und
Auszahlungsverfahren
Die Auszahlung der Zuschüsse zu den Personal- und Sachausgaben der Einrichtung erfolgt nach den Festlegungen im Zuwendungsbescheid grundsätzlich in gleichen Teilbeträgen zum 20. Januar, 15. März, 15. Mai, 15. Juli, 15. September und 15. November ohne Anforderung durch den Träger. Sofern die Förderung im Lauf eines Haushaltsjahres aufgenommen wird, ist der fällige erste Teilbetrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt auszuzahlen.
6.4
Verwendungsnachweisverfahren
6.4.1
Verwendungsnachweis und Controllingangaben
Der Verwendungsnachweis beziehungsweise der Zwischennachweis ist unter Verwendung der bei der zuständigen Bezirksregierung erhältlichen Vordrucke nach dem Muster der Anlagen 3 und 4 zu erstellen. Vorlagetermin für den Verwendungsnachweis bei der Bezirksregierung ist der 31. März des auf den Bewilligungszeitraum folgenden Jahres. Für den mehrjährigen Bewilligungszeitraum ist nach Ablauf eines Kalenderjahres zum 31. März des folgenden Jahres der Zwischennachweis nach dem Muster der Anlagen 3 und 4 vorzulegen.
Daneben ist ein Statistikbogen mit konkreten Angaben zu
a) den zu gewährleistenden Grundlagen (Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Räumlichkeiten und deren Ausstattung, Supervision, Verwaltungsstrukturen),
b) der Qualifikation des eingesetzten Personals nach Funktionen,
c) dem Personaleinsatz je Aufgabengebiet (Zahl und zeitlicher Umfang),
d) der Anzahl der Teilnehmer an Täterprogrammen im laufenden Jahr, die ein solches begonnen, abgebrochen oder abgeschlossen haben,
e) der Anzahl der Teilnehmer an Täterprogrammen nach dem Anlass für die Teilnahme,
f) der Anzahl der Teilnehmer an Täterprogrammen nach Art der geleisteten Sitzungen (Gruppensitzung oder Einzelberatung) und
g) der Zahl der Unterstützungs- und Beratungsangebote nach deren Art (Gruppen oder Einzelberatung)
vorzulegen.
6.4.2
Aus der dem Zwischennachweis und dem abschließenden Verwendungsnachweis
beizufügenden Finanzierungsübersicht pro Kalenderjahr müssen alle mit dem geförderten
Projekt zusammenhängenden Ausgaben und Einnahmen hervorgehen.
6.4.3
Auf Verlangen der Bewilligungsbehörde sind Bücher, Belege und sonstige
Geschäftsunterlagen vorzulegen.
6.4.4
Der Sachbericht für ein Kalenderjahr ist jeweils bis zum 31. März des
Folgejahres zu erstellen. Als Anlagen zum Sachbericht sind vorzulegen:
a) eine knappe Darstellung der Ausgangssituation vor der Förderung,
b) eine knappe Darlegung der fachlichen Gründe (Zieldefinition) für die Täterprogramme und
c) eine knappe Darstellung mit konkreten Angaben zur Effizienz (Zielerreichung) der Täterprogramme.
6.5
Zu beachtende Vorschriften
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung und die sie ergänzenden Verwaltungsvorschriften nebst Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung, soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen worden sind.
6.6
Die Anlagen sind hier nicht
abgedruckt. Sie können auf den Internetseiten der jeweiligen Bezirksregierung
als Bewilligungsbehörde heruntergeladen werden.
7
Inkrafttreten,
Außerkrafttreten
Dieser Runderlass
tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und am 31. Dezember 2024 außer
Kraft. Dieser Runderlass ist ab Inkrafttreten allen Bewilligungen für die
Förderung der unter Nummer 3 genannten Einrichtungen zugrunde zu legen.
Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Runderlasses treten die
Bewirtschaftungsgrundsätze des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und
Gleichstellung für die Förderung der Arbeit mit männlichen Tätern im Rahmen von
interinstitutionellen Kooperationsbündnissen gegen Häusliche Gewalt -
Täterarbeit - (n.v., AZ: 95.33) außer Kraft.
- MBl. NRW. 2021 S. 689