Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2023 Nr. 20 vom 6.6.2023 Seite 509 bis 546

Fachpraktische Studienzeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes
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Fachpraktische Studienzeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes

203014

Fachpraktische Studienzeit im Rahmen
der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II
des Polizeivollzugsdienstes

Runderlass
des Ministeriums des Innern

Vom 17. Mai 2023

Vorbemerkungen
Die Ausbildung gliedert sich in die fachwissenschaftliche Studienzeit an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV NRW) und die fachpraktische Studienzeit beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) und in den Kreispolizeibehörden.

Die Durchführung der fachpraktischen Studienzeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes wird für die Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter (KA) wie folgt geregelt:

1.
Durchführung der fachpraktischen Studienzeiten

1.1
Ausbildungsbehörden

Einstellungs- und Ausbildungsbehörden sind die Kreispolizeibehörden Aachen, Bielefeld, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Hagen, Köln und Münster. Die ihnen zugeordneten Kreispolizeibehörden sind Kooperationsbehörden.

1.2
Studienverlauf

Folge und Dauer der Studienabschnitte der fachpraktischen Studienzeit sind dem Studienverlaufsplan als Anlage zur Studienordnung Teil A und Teil B des Studiengangs Polizeivollzugsdienst an der HSPV NRW in der jeweils geltenden Fassung zu entnehmen.

1.3
Training

Beim LAFP NRW sind die Module

a) Berufspraktisches Training,

b) Grundstudium 7 Training (Block 1 und 2), Hauptstudium 1.5 Training, Hauptstudium 2.5 Training und Hauptstudium 2.6 Training

abzuleisten.

Das Training erfolgt an den Standorten Brühl, Selm und Schloß Holte-Stukenbrock des LAFP NRW.

Das LAFP NRW fertigt zu jedem Trainingsmodul für alle KA "Hinweise für den weiteren Lernprozess", die auf der Grundlage der Kompetenzziele der Trainingsmodule die Tutorinnen und Tutoren in die Lage versetzen, die KA gezielt und individuell im weiteren Lernprozess zu fördern. Die Hinweise werden den KA am Ende des Trainingsmoduls ausgehändigt, wenn sich danach unmittelbar ein Praxismodul anschließt (Grundstudium 7 vor Grundstudium 8, für den Halbstudiengang A nach dem Hauptstudium 2.5 und nach dem Hauptstudium 2.6, sowie für den Halbstudiengang B nach dem Hauptstudium 2.6). Die KA haben die Inhalte mit ihrer Prüferin und Tutorin oder ihrem Prüfer und Tutor im jeweils folgenden Praxismodul zu erörtern. Nach der Erörterung und dokumentierter Kenntnisnahme durch die Prüferin und Tutorin oder den Prüfer und Tutor wird das Formblatt durch die KA zum Praxisberichtsheft genommen. Das LAFP NRW übersendet zusätzlich nach jedem Trainingsmodul der für die KA zuständigen Einstellungs- und Ausbildungsbehörde die "Hinweise für den weiteren Lernprozess" in elektronischer Form.

1.4
Praxis

Bei den Einstellungs- und Ausbildungsbehörden und ihren Kooperationsbehörden sind die Module

a) Orientierungswoche

b) Grundstudium 8 Praxis, Hauptstudium 2.7 Praxis, Hauptstudium 2.8 Praxis, Hauptstudium 3.3 Praxis und

c) Abschlusspraktikum

abzuleisten.

Abweichend hiervon kann das Abschlusspraktikum auch

a) bei anderen Stellen des Landes oder des Bundes,

b) in anderen Bundesländern,

c) in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union

d) bei sonstigen polizeinahen Organisationen (z.B. Hilfsorganisationen wie Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter, Malteser etc.  und Opferschutzorganisationen)

durchgeführt werden.

Die Verweildauer der KA in den Organisationseinheiten (OE) der Praxisdienststellen orientiert sich an den folgenden Vorgaben:

a) Grundstudium 8 – Wachdienst (Direktionen Gefahrenabwehr/Einsatz oder Verkehr (Autobahnpolizeiwachen) und Ermittlungsdienst (Direktionen Kriminalität oder Verkehr) insgesamt acht Wochen. Es gilt eine Mindestverwendungszeit von jeweils zwei Wochen.

b) Hauptstudium 2.7 – Wachdienst (in den Direktionen Gefahrenabwehr/Einsatz und Verkehr (Autobahnpolizeiwachen) sieben Wochen

c) Hauptstudium 2.8 – Kriminalpolizei sieben Wochen

d) Hauptstudium 3.3 – Wachdienst (in den Direktionen Gefahrenabwehr/Einsatz und Verkehr (Autobahnpolizeiwachen) sechs Wochen

e) Abschlusspraktikum drei Wochen

Im Grundstudium 8 ist auch die kurzzeitige Einbeziehung wachdienstnaher Funktionen/OE während des einsatzbezogenen Teils möglich, soweit der überwiegende Schwerpunkt des Praktikums weiterhin im Wachdienst im engeren Sinne liegt. Die Verwendung in wachdienstnahen Funktionen/OE soll insgesamt eine Woche nicht überschreiten. Insbesondere sind folgende Verwendungen möglich:

1. Bezirks- und Schwerpunktdienst/Bezirksdienst

2. Einsatztrupp

3. Verkehrsdienst

4. Leitstelle

5. Zentralgewahrsam

Auch ein kurzzeitiger Einsatz (insgesamt nicht mehr als eine Woche) im Bereich der Anzeigenaufnahme/Publikumsverkehr ist möglich, soweit auch hier eine tutorielle Betreuung sichergestellt ist.

1.4.1
Betreuung

Die KA sind von Tutorinnen und Tutoren in die polizeiliche Arbeit einzuweisen, zu betreuen und zu begleiten.

In den Modulen Grundstudium 8, Hauptstudium 2.7, Hauptstudium 2.8 und Hauptstudium 3.3 ist eine tutorielle Begleitung obligatorisch.

Im Hauptstudium 3.3 bei der Verwendung als „Zweite Frau“ oder „Zweiter Mann“ sowie im Abschlusspraktikum ist eine geeignete Tutorenbetreuung sicherzustellen.

Die Ausbildung ist grundlegender Bestandteil der Aufgabe von Führungskräften der Basisorganisationseinheiten (BOE), daher sollen diese grundsätzlich als Prüferinnen und Prüfer eingesetzt werden. Bei der Abnahme von Wiederholungsprüfungen können als Zweitprüferinnen und -prüfer auch Tutorinnen und Tutoren eingesetzt werden, die eine durch Prüfung erworbene Befähigung für den Laufbahnabschnitt II besitzen und zusätzlich eine gesonderte Prüferbeschulung absolviert haben.

1.4.2
Verwendung im Praktikum

Im Modul Grundstudium 8 erhalten die KA durch die wachdienst- und ermittlungsdienstorientierte Verwendung einen praktischen Einblick in die Belange des Polizeivollzugsdienstes einer Kreispolizeibehörde.

Während der Module Grundstudium 8 und Hauptstudium 2.7 sind die KA in der wachdienstorientierten Verwendung als „Dritte Frau“ oder „Dritter Mann“ einzusetzen.

Im Modul Hauptstudium 3.3 ist die Verwendung von KA frühestens zwei Wochen nach Beginn des Praktikums als „Zweite Frau" oder „Zweiter Mann" möglich, wenn

- die vorgesehene Prüfung bestanden worden ist und

- die verantwortliche Prüferin oder der verantwortliche Prüfer im Einvernehmen

mit der Tutorin oder dem Tutor den selbstständigen Einsatz der KA befürworten. Die Entscheidung über die Eignung trifft die zuständige BOE-Leitung. Sie ist aktenkundig zu machen.

Die entsprechend dokumentierte Eignung gilt grundsätzlich auch für das anschließende Modul Abschlusspraktikum. Eine situative tutorielle Betreuung bleibt hiervon unberührt.

Werden die KA als „Zweite Frau“ oder „Zweiter Mann“ eingesetzt, können sie im Dezentralen Schichtdienstmanagment als funktionale Besetzungsstärke gezählt werden.

Bei erkennbaren AMOK-TE-Lagen sind KA vor dem Hintergrund der fehlenden Kenntnisse über die Bewertung und Bewältigung solcher Lagen nicht im unmittelbaren Gefahrenbereich einzusetzen. Hiernach ist zu verfahren, sofern die Einsatzlage von der Tatortbehörde als „AMOK“ oder „Anschlag“ eingeordnet wurde.

2.
Berechtigungsnachweise für die Nutzung von Führungs- und Einsatzmitteln (FEM)

2.1
Ausstattung mit FEM

Die Ausstattung der KA mit den FEM der persönlichen Ausstattung - ausgenommen Dienstpistole mit Einsatzmunition und Reizstoffsprühgerät (RSG) - erfolgt bereits bei der Einkleidung zum Beginn des Studiums durch das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW.

Für die Schießausbildung im Rahmen des Studiums hält das LAFP NRW Dienstpistolen in einem Pool vor. Die Ausstattung der KA während der Praktikumszeiten mit Dienstpistolen, RSG und Einsatzmunition sind von den Einstellungs- und Ausbildungsbehörden sowie den Kooperationsbehörden aus den dort vorhandenen Poolbeständen zu gewährleisten.

Die Ausgabe der Dienstpistole, der Einsatzmunition und des RSG an die KA erfolgt vor Ort für die Dauer der jeweiligen Dienstzeiten.

Die persönliche Zuweisung und dauerhafte Aushändigung der Dienstwaffe zusammen mit der Einsatzmunition und RSG erfolgt nach erfolgreichem Abschluss des Studiums durch die Erstverwendungsbehörde. Hierzu werden Waffen aus den dort vorhandenen Poolbeständen genutzt.

2.2
Führen der Dienstwaffen

Die KA haben vor dem Modul Grundstudium 8 Praxis die Berechtigung zum Führen der Dienstwaffe P 99 nachzuweisen. Der Nachweis wird durch das erfolgreiche Ablegen der Landeseinheitlichen Überprüfung der Handhabungs- und Treffsicherheit (LÜHT 2) im Berufspraktischen Training begleitend zum Modul Grundstudium 7 Training im LAFP NRW erworben.

Die KA sollen vor dem Modul Hauptstudium 2.7 Praxis die Berechtigung zum Führen der Maschinenpistole MP 5 nachweisen. Der Nachweis wird durch das erfolgreiche Ablegen der Landeseinheitlichen Überprüfung der Handhabungs- und Treffsicherheit (LÜHT MP 5) im Berufspraktischen Training begleitend zum Modul Hauptstudium 2.6 Training im LAFP NRW erworben.

Wird der erforderliche Nachweis nicht erbracht, informiert das LAFP NRW die zuständige Einstellungs- und Ausbildungsbehörde. Die KA dürfen die Dienstwaffe P 99 / MP 5 bis zum erfolgreichen Ablegen der LÜHT  2 / LÜHT MP 5 nicht führen und sind entsprechend im Dienst zu verwenden.

Die Berechtigung soll schnellstmöglich im Rahmen der örtlichen Fortbildung nachträglich erworben werden. Dies gilt auch für den weiteren Nachweis der LÜHT 2 im Modul Hauptstudium 2.5 Training, wenn er nicht im LAFP NRW erbracht worden ist.

2.3
Führen des Einsatzmehrzweckstocks–Ausziehbar (EMS-A)

Die EMS-A-Überprüfung wird im Berufspraktischen Training begleitend zum Modul Grundstudium 7 (Block 2) Training durchgeführt.

Mit erfolgreichem Ablegen der EMS-A-Überprüfung entsprechend dem landeseinheitlichen Überprüfungsbogen erwerben die KA die Berechtigung zum Führen des EMS-A.

Wird die Berechtigung zum Führen des EMS-A nicht erworben, informiert das LAFP NRW die zuständige Einstellungs- und Ausbildungsbehörde. Die KA dürfen den EMS-A bis zum erfolgreichen Ablegen der EMS-A-Überprüfung nicht führen.

Die Berechtigung zum Führen des EMS-A kann im Rahmen der örtlichen Fortbildung nachträglich erworben werden. Dies gilt auch für den weiteren Nachweis im Modul Hauptstudium 2.6 Training, wenn er nicht im LAFP NRW erbracht worden ist.

2.4
Führen des Dienstkraftfahrzeugs

Der Nachweis der Fahrerlaubnis Klasse B ist Voraussetzung für die Teilnahme am Fahr- und Sicherheitstraining.

Am Fahr- und Sicherheitstraining im Modul Grundstudium 7 (Block 1) dürfen auch KA mit der Fahrerlaubnis Klasse B und der Auflage „Begleitetes Fahren ab 17 Jahre“ teilnehmen, wenn das Training in den Liegenschaften des LAFP NRW stattfindet.

Im Modul Grundstudium 7 Training (Block 1) erwerben die KA im Berufspraktischen Training (BPT) Teilmodul 3 (Fahr- und Sicherheitstraining) die Berechtigung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen in den Liegenschaften des LAFP NRW.

Mit erfolgreichem Abschluss des Fahr- und Sicherheitstrainings im BPT begleitend zum Modul Hauptstudium 2.5 Training erwerben die KA die Berechtigung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen für Module Hauptstudium 2.7 und Hauptstudium 2.8 mit Ausnahme von Einsatzfahrten unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten. 

Mit erfolgreichem Abschluss des Fahr- und Sicherheitstrainings im Berufspraktischen Training begleitend zum Modul Hauptstudium 2.6 Training wird den KA die Berechtigung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen auch unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten durch die personalführende Behörde erteilt.

Wird eine der in den Modulen Hauptstudium 2.5 Training und Hauptstudium 2.6 Training zu erwerbenden Berechtigung nicht erworben, wird die zuständige Einstellungs- und Ausbildungsbehörde durch das LAFP NRW informiert.

3.
Feststellung von Studienleistungen gemäß §§ 11 und 12 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Laufbahnabschnitt II Bachelor

Zuständige Stelle für die Feststellung von Studienleistungen der unter Nummer 1.3 genannten Studienabschnitte ist das LAFP NRW. 

Zuständige Stellen für die Feststellung der Studienleistungen bzw. die anstelle einer oder neben eine Studienleistung tretenden dienstlichen Bewertungen der unter Nummer 1.4 genannten Studienabschnitte sind die Einstellungs- und Ausbildungsbehörden und ihre Kooperationsbehörden.

Die Ergebnisse werden dem Prüfungsamt der HSPV NRW übermittelt.

4.
Erholungsurlaub

Die zeitliche Zuordnung des Erholungsurlaubs ist der Studienordnung (Studienverlaufsplan) zu entnehmen.

Die Einstellungs- und Ausbildungsbehörden genehmigen als personalführende Dienststellen den Erholungsurlaub im Einzelfall.

5.
Zusammenarbeit von Fachpraxis und HSPV NRW

Im Rahmen einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der HSPV NRW, dem LAFP NRW und den Einstellungs- und Ausbildungsbehörden unterrichten sich diese zeitnah über Erfahrungen, Entwicklungen oder Probleme im Rahmen der Ausbildung beziehungsweise des Studiums und stimmen sich hinsichtlich des weiteren Vorgehens intensiv ab.

6.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsregelung

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft und gilt für die KA, die nach der ab dem Einstellungsjahrgang 2022 geltenden Studienordnung studieren. Gleichzeitig treten der Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Fachpraktische Ausbildungszeit im Rahmen der Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes“ vom 2. Juni 2017 (MBl. NRW. S. 622) sowie der Erlass des Ministeriums des Innern „Fachpraktische Ausbildung“ vom 29. Oktober 2017 außer Kraft.

Für KA, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Erlasses nach einer früheren Studienordnung studieren, gelten weiter die Regelungen des zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Fachpraxiserlasses.

- MBl. NRW. 2023 S. 510