Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2023 Nr. 35 vom 5.9.2023 Seite 927 bis 980

Erstellung von Verbissgutachten
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Erstellung von Verbissgutachten

7920

Erstellung von Verbissgutachten

Runderlass
des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz
III.4 63.08.03.11-001007

Vom 15. August 2023

1
Allgemeines

Gemäß § 22 Absatz 5 des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995 S. 2) das zuletzt durch Artikel 36 des Gesetzes vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122) geändert worden ist, hat die Forstbehörde zur Wahrung der berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden, in regelmäßigem Turnus von 3 bis 5 Jahren, ein Gutachten zum Einfluss des Schalenwildes auf die Verjüngung der Wälder (Verbissgutachten) zu erstellen. Der Schutz gegen Wildschäden dient zudem vornehmlich dem langfristigen, nachhaltigen Aufbau von klimaresilienten Waldbeständen. Die natürliche Verjüngung stellt aufgrund der besseren Standortangepasstheit und der Kostenfreiheit eine besondere Bedeutung dar.

Die Verbissgutachten bilden hierbei eine standardisierte Bewertungsgrundlage über den Einfluss des Schalenwildes auf die Verjüngung der Wälder. Dies erfolgt auf der Ebene des amtlichen Jagdbezirks. Die Ergebnisse dienen der regionalen Abstimmung zwischen Waldbesitzenden, Jagdausübungsberechtigten, Hegegemeinschaften, Jagdbehörden und Jagdbeiräten. Sie sind bei der Aufstellung von Abschussplänen zu berücksichtigen, aber auch auf Waldflächen zu erstellen, in denen Schalenwild ohne Abschussplan bejagt wird, um Waldbesitzenden zeitgemäße und fachlich fundierte Grundlagen für die Steuerung der Jagd zur Verfügung zu stellen.

2
Verfahren, Flächen

Der Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen (Wald und Holz NRW) nutzt für die Durchführung der Verbissgutachten das hierfür entwickelte, automatisierte sowie softwaregestützte, Aufnahmeverfahren, welches einer stetigen Evaluation und Anpassung unterliegt. Wald und Holz NRW stellt die notwendigen Geräte zur Verfügung und bietet fortlaufend Schulungen für die mit den Verbissgutachten vertrauten Mitarbeitenden an. Zur Unterstützung bestellt Wald und Holz NRW für jedes seiner Forstämter eine zentrale Ansprechperson und Vertretung, welche auch dem Projektteam Wildmonitoring zugehörig ist. Der aktuelle Stand der Arbeitsanweisungen ist auf der Internetseite von Wald und Holz NRW verfügbar. Die Erstellung von Verbissgutachten stellt eine auf Dauer ausgelegte Arbeit für Wald und Holz NRW dar. Ziel ist es, in den Forstämtern jährlich auf rund ein Drittel der aufnahmerelevanten Jagdbezirke Verbissgutachten zu erstellen. Befinden sich die amtlichen Jagdbezirke in größeren Waldkulissen, haben aber selbst nur einen geringen Waldanteil, können die Ergebnisse übertragen und zusammengefasst werden.

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Beteiligung von Forstpersonal und Jagdausübungsberechtigen

Die Erhebungen sollen grundsätzlich unter Einbeziehung des forstlichen Personals der Privat- und Körperschaftswaldbetriebe erfolgen soweit sie von der Erhebung betroffen sind. Zur Demonstration der Verbisssituation und zur Erläuterung des Aufnahmeverfahrens sollen die betroffenen Jagdausübungsberechtigten in die Erhebungen einbezogen werden.

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Aufgaben der unteren Jagdbehörden

Die zuständigen unteren Jagdbehörden stellen den Forstämtern die zur Vorbereitung der Verbissgutachten und späteren Versand die notwendigen Unterlagen in elektronischer Form zur Verfügung. Gemäß Artikel 6 Absatz 1c der Datenschutz-Grundverordnung in Verbindung mit § 22 Absatz 5 des Landesjagdgesetzes ist die Forstbehörde befugt das Gutachten zu erstellen und die dafür notwendigen personenbezogenen Daten zu verarbeiten.

Im Idealfall sind die Daten durch ein gängiges Geoinformationssystem lesbar und bearbeitbar. Nachfolgende Informationen müssen mindestens enthalten sein:

a) eine kartenmäßige Übersicht der Eigenjagdbezirke und der gemeinschaftlichen Jagdbezirke, aus der die Jagdbezirksgrenzen hervorgehen,
b) deren amtliche Bezeichnung, die Art des Jagdbezirks (staatlicher / kommunaler / privater Eigenjagdbezirk / gemeinschaftlicher Jagdbezirk),
c) Namen und Kontaktdaten der Pachtenden, Genossenschaftsvorstehenden sowie Eigentümer und
d) Kontaktdaten der Vorsitzenden der jeweiligen Hegegemeinschaften.

Hierbei folgen die unteren Jagdbehörden und Wald und Holz NRW strikt den Vorgaben der jeweils geltenden Fassung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018; L 74 vom 4.3.2021, S. 35), im Speziellen den Artikeln 6 Absatz 1c und 6 Absatz 1e sowie dem Erwägungsrund 45 zur Datenschutz-Grundverordnung. Die übermittelten personenbezogenen Daten werden nur so lange aufbewahrt, wie sie für den Verarbeitungszweck erforderlich sind und werden nach Abschluss des Verbissgutachtens gelöscht. Die erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nicht an unbeteiligte Dritte, beispielsweise im Zug der Anwendung des Umweltinformationsgesetzes weitergegeben werden.

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Vorbereitung

Das Forstamt informiert vor Beginn der Außenaufnahmen schriftlich oder in Form eines Vorbereitungsgespräches über die anstehendende Verbissaufnahme.

a) Mindestens die nachfolgenden betroffenen Stellen und Personen sind zu informieren beziehungsweise zu laden: Die oder der Vorsitzende der Hegegemeinschaft, der Jagdgenossenschaften, der Forstbetriebsgemeinschaften oder sonstiger forstlicher Zusammenschlüsse und die Eigenjagdbesitzenden.

b) Mindestens nachfolgende Themen sind zu behandeln: Vorstellung des Aufnahmeverfahrens, Umfang der geplanten Aufnahmen, Zeitplan, Einbindung der betroffenen Eigenjagdbesitzenden, Jagdausübungsberechtigten sowie Jagdgenossenschaften und forstlichen Zusammenschlüsse.

c) Ausschließlich schriftlich werden die zuständige untere Jagdbehörde, die Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung und, sofern bestellt, eine Rotwildsachverständige oder ein Rotwildsachverständiger über den Umfang der anstehenden Arbeiten informiert.

Gemäß Artikel 6 Absatz 1c der Datenschutz-Grundverordnung in Verbindung mit § 22 Absatz 5 des Landesjagdgesetzes ist die Forstbehörde befugt das Gutachten zu erstellen und die dafür notwendigen personenbezogenen Daten zu verarbeiten.

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Verbissgutachten

Ein Verbissgutachten besteht mindestens aus den Ergebnissen des in einem festgelegten Raster (0,5 x 0,5 Kilometer) aufgenommen Wildverbisses, einer standardisierten forstlichen Stellungnahme inklusive Handlungsempfehlungen zur Unterstützung der Erreichung der waldbaulichen Ziele sowie einer kartografischen Darstellung der Ergebnisse. Nach Fertigstellung der Verbissgutachten werden die Ergebnisse wie folgt verwendet:

a) Die zusammengefassten Ergebnisse (Verbissgutachten) werden dem unter Nummer 5 Buchstabe a genannten Teilnehmerkreis zugesandt und gegebenenfalls in einem Abschlussgespräch vorgestellt. Über das Gespräch wird durch Wald und Holz NRW ein Protokoll erstellt und im Anschluss dem Teilnehmerkreis übersandt.

b) Die Einzelergebnisse (Aufnahmeergebnisse für den Rasterpunkt) der Jagdbezirke werden vertraulich behandelt und ausschließlich den jeweiligen Waldbesitzenden, den Jagdausübungsberechtigten und der zuständigen unteren Jagdbehörde zugänglich gemacht.

c) Im Internetportal WaldInfo. NRW unter www.waldinfo.nrw.de werden der Bestand an Verbissgutachten (ohne Gefährdungsgrad) inklusive Erstellungsjahr dargestellt und jährlich (1. Februar) aktualisiert.

d) Aufgrund der Relevanz für die Abschussplanung oder Gründen der Wildhege dürfen die Verbissgutachten dem unter Nummer 5 Buchstabe a genannten Personenkreis auf Anfrage bei Wald und Holz NRW zugänglich gemacht werden.

Über das Gesamtergebnis der vorstehenden Gespräche ist jeweils vom Forstamt ein Bericht zu fertigen und der Zentrale von Wald und Holz NRW vorzulegen. Diese erstellt nach Abschluss der Arbeiten, jährlich zum 1. Februar, einen Ergebnisbericht zur Vorlage bei der Obersten Jagdbehörde.

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Weiserflächen

Weiserflächen dienen der Demonstration des Einflusses von Wildverbiss auf Forstpflanzen und Bodenvegetation. Eine Weiserfläche besteht jeweils aus einer gegatterten und einer nicht gegatterten Waldfläche. Weiserflächen sollen nur dort eingerichtet werden, wo eine dauerhafte fachliche Betreuung und regelmäßige Vegetationsaufnahmen durch den Waldbesitzenden sichergestellt sind. Wald und Holz NRW hat eine Anweisung für die Einrichtung von Weiserflächen erstellt, die auch bei einer Förderung von Weisergattern angewendet wird. Im Landeseigenen Forstbetrieb werden diesbezüglich verwaltungsinterne Vorgaben zur Beurteilung der Entwicklung der Weiserflächenpaare angewandt. Die Ergebnisse aus den Vegetationsaufnahmen fließen in die Verbissgutachten ein.

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Schälschadensanalyse

Wald und Holz NRW nutzt das für die Schälschadensinventur entwickelte systemgestützte, automatisierte Verfahren, welches einer stetigen Evaluation und Anpassung unterliegt. Im Landeseigenen Forstbetrieb sind im Turnus von 3 bis 5 Jahren Schälschadensanalysen durchzuführen. Außerhalb des Staatswaldes können die Forstämter auf Wunsch von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern Schälschadensanalysen gegen Kostenerstattung durchführen. Ergebnisse aus den Schälschadensanalysen sollen ebenfalls in die Verbissgutachten einfließen.

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Evaluation / Berichterstattung

Nachdem alle relevanten Jagdbezirkseinheiten mindestens einmal aufgenommen wurden, wird das Verfahren evaluiert und gegebenenfalls angepasst. Anschließend wird ein Bericht seitens Wald und Holz NRW an die Oberste Jagdbehörde erstellt.

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Schlussbestimmungen

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

- MBl. NRW. 2023 S. 959