Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2023 Nr. 36 vom 7.9.2023 Seite 981 bis 1006

Orientierungsdaten 2024 – 2027 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen
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Orientierungsdaten 2024 – 2027 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

II.

Orientierungsdaten 2024 – 2027
für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung
der Gemeinden und Gemeindeverbände
des Landes Nordrhein-Westfalen

Runderlass
des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung
304-46.05.01-264/23

Vom 16. August 2023

Nachfolgend gebe ich gemäß § 6 der Kommunalhaushaltsverordnung (KomHVO NRW) in Verbindung mit § 84 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen die Orientierungsdaten 2024 bis 2027 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt.

I. Allgemeine Erläuterungen

1. Grundlagen der Orientierungsdaten 2024 - 2027

Die Orientierungsdaten stützen sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom Mai 2023. Zudem berücksichtigen sie die Entwicklungen des Landeshaushaltes und des kommunalen Finanzausgleichs. Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ schätzt die Steuereinnahmen auf Basis des geltenden Steuerrechts. Die finanziellen Auswirkungen geplanter Gesetzesvorhaben wie der Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen, der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness oder der Entwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union und die Umsetzung weiterer Begleitmaßnahmen sind in der Steuerschätzung Mai 2023 nicht einbezogen worden. Die finanziellen Auswirkungen von geplanten Steuerrechtsänderungen sind in der Haushalts- und Finanzplanung daher ergänzend zu berücksichtigen.

Da der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nur die tatsächlichen Zuflüsse für das jeweilige Haushaltsjahr betrachtet, sind seine Ergebnisse vom Mai 2023 an den Einnahmen ausgerichtet. Die Orientierungsdaten zu den Steuern und Abgaben sind deshalb Einzahlungsgrößen. Eine periodengerechte Zuordnung erfolgt nicht und kann nur von den Kommunen individuell mit Rücksicht auf die jeweilige örtliche Situation vorgenommen werden.

2. Gewerbesteuerumlage

Die Entwicklung der einzelnen Komponenten des Vervielfältigers der Gewerbesteuerumlage wird in der nachfolgenden Tabelle angegeben. Im Zeitraum bis 2027 wird es nach geltender Rechtslage keine Veränderungen geben.

Jahr

Vervielfältiger

§ 6 Absatz 3 GemFinRefG

Gesamt-Vervielfältiger

Bund

Länder

2023

14,5

20,5

35

2024

14,5

20,5

35

2025

14,5

20,5

35

2026

14,5

20,5

35

2027

14,5

20,5

35

3. Wirkung der Orientierungsdaten – Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten

Gemäß § 16 Absatz 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sowie § 75 Absatz 1 und 84 GO NRW sollen sich die Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Aufstellung des Haushaltes 2024 und bei der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung für die Jahre 2025 bis 2027 an den unter II.1. aufgeführten Daten zu Einzahlungen und Erträgen ausrichten.

Die Orientierungsdaten liefern allerdings nur Durchschnittswerte für die Gemeinden und Gemeindeverbände und sind deshalb lediglich Anhaltspunkte für die individuelle Finanzplanung. Jede Kommune ist verpflichtet, unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten die für ihre Planung zutreffenden Einzelwerte zu ermitteln. Es ist von den Orientierungsdaten abzuweichen, wenn die individuellen Gegebenheiten vor Ort dies erfordern.

Aufgrund der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Risiken sollten die Kommunen ihrer Haushaltsplanung eine eher vorsichtige Prognose zugrunde legen.

4. Empfehlungen für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung

Im Interesse der kommunalen Selbstverwaltung muss es oberstes Ziel sein, den Haushaltsausgleich zu erreichen oder zumindest ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Für Kommunen, die ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen haben, besteht die Pflicht, den Haushalt zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder auszugleichen (§ 76 Absatz 1 GO NRW).

II. Orientierungsdaten und Erläuterungen

1.Orientierungsdaten 2024 - 2027 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

Absolut

Orientierungsdaten

2023

2024

2025

2026

2027

in Mio. €

in Prozent

Einzahlungen / Erträge

Summe der Einzahlungen aus
Steuern (brutto)

31.858

+3,9

+5,9

+4,4

+3,2

davon:

Gemeindeanteil an der
Einkommensteuer

9.931

+5,5

+6,9

+5,5

+4,4

Gemeindeanteil an der
Umsatzsteuer

1.922

+4,8

+2,9

+1,9

+1,9

Gewerbesteuer
(brutto)

15.947

+3,4

+6,7

+4,8

+3,1

Grundsteuer
A und B

4.058

+1,2

+1,2

+1,2

+1,1

Kompensation
Familienleistungsausgleich (Erträge)

1.050

-3,8

+5,9

+2,8

+2,3

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes (Erträge)

15.203

-1,6

+2,5

+5,8

+4,3

davon:

Schlüsselzuweisungen an Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände

12.793

-1,1

+3,5

+5,7

+4,3

2.                  Erläuterungen

Steuern und ähnliche Abgaben

Die Entwicklung der Steuereinnahmen sind absolut gesehen zwar weiter hoch, doch die jüngste Mai-Steuerschätzung 2023 ist niedriger ausgefallen als in der Herbststeuerschätzung 2022 prognostiziert. Gegenüber der Herbststeuerschätzung 2022 liegen die Gesamtsteuereinnahmen 2023 bis 2027 jährlich im Durchschnitt rund 30 Mrd. Euro niedriger. Die Differenz zum Ergebnis der Herbststeuerschätzung 2022 resultiert maßgeblich aus den Auswirkungen der Ende 2022 auf Bundesebene beschlossenen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen.

Die Entwicklung der Einnahmen aus der Lohnsteuer steht einerseits unter dem Eindruck der einnahmemindernden Wirkungen des Jahressteuergesetzes 2022 und des Inflationsausgleichsgesetzes. Andererseits wird in der Frühjahrsprojektion 2023 der Bundesregierung, die der Mai-Steuerschätzung 2023 zugrunde liegt, angesichts der Tarifabschlüsse und der stabilen Entwicklung am Arbeitsmarkt mit einem spürbaren Anstieg der Bruttolohn- und -gehaltssumme gerechnet. In der Gesamtbetrachtung führt dies zu einer aufwärts gerichteten Entwicklung bei der Lohnsteuer. Bei der veranlagten Einkommensteuer als gewinnabhängiger Steuer wird in der Tendenz ebenfalls eine positive Entwicklung erwartet. Zwar dämpfen auch hier die zuvor genannten Steuerrechtsänderungen das Aufkommen, die Unternehmensgewinne profitieren jedoch von den nachlassenden Lieferengpässen und den inflationsbedingt gestiegenen Verkaufspreisen, die größtenteils an die Kunden weitergegeben werden können.

Auch das Gewerbesteueraufkommen soll sich nach der Prognose der Steuerschätzer weiterhin solide entwickeln, wenngleich gegenüber der Herbststeuerschätzung 2022 eher moderate Zuwachsraten erwartet werden.

Die aktuell gedämpfte Einnahmeentwicklung bei der Umsatzsteuer ist auf die steuerliche Entlastung durch die temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas und Fernwärme zurückzuführen. Umgekehrt wird für 2024 dann mit einem kräftigeren Anstieg der Steuern vom Umsatz gerechnet, was sich maßgeblich mit Basiseffekten durch das Auslaufen der temporären Senkung der Umsatzsteuersätze auf Gas und Fernwärme sowie für die Gastronomie begründet. Ein weiterer Einflussfaktor für die Entwicklung der Umsatzsteuer ist das Preisniveau. Einerseits wirken sich inflationsbedingt hohe Preise im Allgemeinen positiv auf das Aufkommen aus, andererseits geht mit hohen Inflationsraten zugleich auch ein Kaufkraftverlust der privaten und öffentlichen Haushalte einher, der auf das Aufkommen drückt. Beginnend mit dem Jahr 2025 dürfte es zu einer weitgehenden Normalisierung des Preisniveaus mit der Folge der Rückkehr zu den langjährigen durchschnittlichen Wachstumsraten kommen.

Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die aktuelle Situation weiterhin von vielen Unwägbarkeiten gekennzeichnet ist, wodurch vor allem in der mittleren Frist nicht unerheblicher Prognosekorrekturbedarf entstehen könnte. Dies insbesondere deshalb, weil der aktuellen Steuerschätzung die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion 2023 der Bundesregierung zugrunde liegen, die für 2023 von einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent und für 2024 von 1,6 Prozent ausgehen. Das Bruttoinlandsprodukt bestätigt im 1. Quartal 2023 das prognostizierte Wachstum noch nicht. Gegenüber dem 4. Quartal 2022 ist das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2023 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,3 Prozent gesunken. Auch die jüngsten Prognosen der Deutschen Bundesbank, des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. und des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e. V. deuten auf ein gegenüber der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung verschlechtertes Wirtschaftswachstum hin. Die Deutsche Bundesbank prognostiziert in ihrem Monatsbericht aus Juni 2023 für Deutschland im Jahresmittel kalenderbereinigt einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent für 2023. Im Jahr 2024 soll die deutsche Wirtschaft dann gemäß der Prognose der Deutschen Bundesbank um 1,2 Prozent und 2025 um 1,3 Prozent wachsen. Laut aktueller Prognose des ifo Instituts soll die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen und im Jahr 2024 um 1,5 Prozent zunehmen. Der NRW-Konjunkturbericht aus Juni 2023 geht für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen von einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2023 von 0,3 Prozent aus. Hinzu kommt, dass sich die Straffung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank ihrerseits dämpfend auf die konjunkturelle Entwicklung auswirkt, da sich kreditfinanzierte Investitionen aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten verteuern.

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes

Die Höhe der Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes und damit auch die Schlüsselzuweisungen hängen maßgeblich von den Landessteuereinnahmen (obligatorischer und fakultativer Steuerverbund) der jeweiligen Verbundzeiträume ab. Die vorgenannten Unwägbarkeiten und mögliche Prognosekorrekturbedarfe bestehen damit grundsätzlich auch im Hinblick auf die Zuweisungen an Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände.

Aufwendungen allgemein

Aufgrund der anhaltend hohen Inflation und der hiermit verbundenen außergewöhnlichen Umstände für die kommunale Aufgabenwahrnehmung, wird auch in diesem Jahr darauf verzichtet, den Kommunen Orientierungs- bzw. Zielwerte für die Aufwendungen vorzugeben. Gleichwohl wird weiterhin auf die Notwendigkeit einer ressourcenschonenden kommunalen Finanzwirtschaft hingewiesen. Dies gilt insbesondere für haushaltssicherungspflichtige Kommunen, die angesichts der ökonomischen Herausforderungen unter einem anhaltend hohen Konsolidierungsdruck stehen. Um den Haushalt dauerhaft aus eigener Kraft ausgleichen zu können, ist es erforderlich, bei den Aufwendungen nur geringe Zuwachsraten zuzulassen.

- MBl. NRW. 2023 S: 1003