Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2024 Nr. 9 vom 21.3.2024 Seite 393 bis 442

Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen zur Milderung von durch Naturkatastrophen erlittene Schäden (Richtlinie Naturkatastrophen)
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zugehörige Anlagen :
Anlage 1
Anlage 2
 

Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen zur Milderung von durch Naturkatastrophen erlittene Schäden (Richtlinie Naturkatastrophen)

631

Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen
zur Milderung von durch Naturkatastrophen erlittene Schäden
(Richtlinie Naturkatastrophen)

Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums der Finanzen,
des Ministeriums des Innern,
des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung,
des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr sowie
des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Vom 27. Februar 2024

1
Ziel der Richtlinie

Das Land Nordrhein-Westfalen gewährt auf Antrag nach Maßgabe des § 53 der Landeshaushaltsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GV. NRW. S. 158) in der jeweils geltenden Fassung und dieser Richtlinie Soforthilfen als finanzielle Hilfen bei durch Naturkatastrophen hervorgerufenen Notständen. Die Soforthilfe wird durch das Land Nordrhein-Westfalen in Form einer Billigkeitsleistung gewährt. Ein Anspruch der Antragstellerin oder des Antragstellers auf Gewährung der Soforthilfe besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Ziel dieser Soforthilfe ist es, nach Naturkatastrophen die ersten finanziellen Belastungen, die durch die entstandenen Schäden bei Privathaushalten und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verursacht wurden, zu mildern. Umfasst werden auch Schäden, die zu einem späteren Zeitraum entstanden sind, aber in einem kausalen Zusammenhang zu dem Ereignis stehen.

2
Soforthilfen zur Milderung von durch Naturkatastrophen erlittenen Schäden

2.1
Zweck

2.1.1
Privathaushalte

Die Soforthilfe wird als Starthilfe gewährt, um bei akuten Notlagen nach Naturkatastrophen wie der Zerstörung von Hab und Gut eine erste finanzielle Überbrückung zu ermöglichen. Den betroffenen Privathaushalten soll die Möglichkeit gegeben werden, eine vorübergehende akute Notlage bei der Unterkunft oder in der Lebensführung durch notwendige Beschaffungen von Gegenständen des Haushalts oder durch andere Maßnahmen finanziell zu bewältigen. Hierzu leistet die Soforthilfe einen ersten Beitrag.

2.1.2
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Die Soforthilfe dient land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zur Abmilderung von finanziellen Belastungen durch:

a) die Räumung und Reinigung der von einer Naturkatastrophe betroffenen Betriebsstätten,

b) den kurzfristigen und/oder provisorischen Wiederaufbau von Betriebs- und Geschäftseinrichtungen inklusive Warenbestand und Inventar und sonstige Wiederanlaufausgaben sowie

c) sonstige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Schadensabwehr und Schadensbeseitigung nach einer Naturkatastrophe.

Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Betrieben werden nur insoweit umfasst, als sie sich auf Betriebsstätten beziehen.

2.1.3
Ein Anspruch der Antragstellerin oder des Antragstellers auf Gewährung einer Soforthilfe besteht nicht. Die Bewilligungsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

2.2
Gegenstand der Soforthilfen

Die Soforthilfe dient der ersten Milderung von Schäden an Eigentum, Hausrat, Betriebsstätten, Betriebsmitteln und weiteren Sachschäden. Unter die Schäden im Sinne dieser Richtlinie fallen Schäden durch Naturkatastrophen wie Hochwasser, Starkregen, Hagel, Sturm, Erdbeben, Erdrutsch, Wald- und Vegetationsbrand und dergleichen sowie Schäden, die damit in einem kausalen Zusammenhang stehen.

2.3
Verfahren

2.3.1
Sind nach einer Naturkatastrophe Anhaltspunkte für schwere Schäden in größerer Zahl entstanden, fordert das für Inneres zuständige Ministerium die Bezirksregierungen auf, Art und Umfang der Schäden zu melden und eine Beurteilung der Lage vorzunehmen. Die Schadensmeldung erfolgt nach den Vorgaben des für Inneres zuständigen Ministeriums für Meldungen an die Aufsichts- und Ordnungsbehörden über außergewöhnliche Ereignisse im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr und kann insbesondere auf Grundlage von Berichten der betroffenen Gebietskörperschaften sowie aufgrund von Schätzungen erfolgen.

Das für Inneres zuständige Ministerium nimmt im Benehmen mit dem für Land- und Forstwirtschaft zuständigen Ministerium auf Grundlage der Berichte eine Bewertung vor, ob eine Naturkatastrophe im Sinne dieser Richtlinie vorliegt und eine Soforthilfe in Betracht kommt.

2.3.2
Eine Soforthilfe kommt in Betracht, wenn sämtliche nachfolgenden Voraussetzungen vorliegen:

a) vor Eintritt des Ereignisses ist eine amtliche Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes erfolgt,

b) erhebliche Schäden sind an einer Vielzahl von Gebäuden in einer Gebietskörperschaft oder Teilgebietskörperschaft eingetreten

und

c) in Relation zur betroffenen Bevölkerung ein überdurchschnittliches hohes Einsatzgeschehen zur Bewältigung der Lage stattgefunden hat.

Ferner kommt eine Soforthilfe in Betracht, in Folge eines Erdbebens mit der Stärke 5,5 oder höher auf der Richterskala oder eines Erdrutsches erhebliche Schäden an Gebäuden in einer

Gebietskörperschaft oder Teilgebietskörperschaft vorliegen, die eine bestimmungsgemäße Nutzung ausschließen oder erheblich einschränken. Über die Anerkennung vergleichbarer Naturkatastrophen wird durch das Kabinett entschieden.

2.3.3
Einleitung der Soforthilfe

Anhand der Bewertung des für Inneres zuständigen Ministeriums stellt das Kabinett fest, ob es das eingetretene Ereignis förmlich als Naturkatastrophe gemäß Nummer 1 anerkennt.

2.3.4
Empfängerinnen und Empfänger der Soforthilfe

Empfängerinnen und Empfänger der Soforthilfe sind natürliche oder juristische Personen, die ihren Hauptwohnsitz oder ihren land- beziehungsweise forstwirtschaftlichen Betrieb in einer durch eine Naturkatastrophe betroffenen Region in Nordrhein-Westfalen haben und durch diese Naturkatastrophe Schäden erlitten haben.

2.4
Voraussetzungen für die Gewährung der Soforthilfe

Soforthilfen können nur unter den folgenden Voraussetzungen der Nummern 2.4.1 und 2.4.2 gewährt werden:

2.4.1
Privathaushalte

Antragstellerin oder Antragsteller müssen folgende Antragsvoraussetzungen erfüllen:

a) eine Eigenerklärung über den Hauptwohnsitz in einem durch eine Naturkatastrophe im Sinne von Nummer 2.3 betroffenen Gebiet,

b) eine plausible Eigenerklärung darüber, dass nach Selbsteinschätzung im eigenen Haushalt ein Schaden in Höhe von mindestens 5 000 Euro oder ein Totalverlust des Hausstandes von geringerem Wert entstanden ist und

c) eine Eigenerklärung, dass der durch das Schadensereignis eingetretene Mindestschaden beziehungsweise der Totalverlust nicht durch Versicherungsleistungen ersetzt wird oder mit einer diesbezüglichen Versicherungsleistung nicht oder nicht zeitnah zu rechnen ist.

2.4.2
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Antragsvoraussetzung ist der glaubhafte Nachweis über einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im betroffenen Gebiet und eine plausible Eigenerklärung darüber, dass der geschädigten Person ein Schaden in Höhe von voraussichtlich mindestens 5 000 Euro an dieser Betriebsstätte auch nach Abzug der zu erwartenden Versicherungsleistungen entstanden ist. Die Betriebsstätte muss räumlich getrennt von Wohnbereichen sein.

2.5
Umfang und Höhe der Soforthilfe

2.5.1
Privathaushalte

Es wird eine einmalige Soforthilfe in Höhe von 2 000 Euro bei Ein-Personen-Haushalten und für jede weitere dort mit Hauptwohnsitz gemeldete Person in Höhe von 1 000 Euro gewährt.

2.5.2
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Die Leistung der Soforthilfe erfolgt als Festbetrag in Höhe von grundsätzlich 5 000 Euro je Betriebsstätte.

2.6
Verfahren

2.6.1
Antragsverfahren

Der Antragszeitraum auf Gewährung der Billigkeitsleistung wird durch das für Inneres zuständige Ministerium festgelegt. Er soll mindestens zwei Monate betragen und sechs Monate nicht überschreiten. Der Antrag kann ausschließlich bei der Bewilligungsbehörde schriftlich oder elektronisch nach Maßgabe der Bewilligungsbehörde mittels Vordruck gemäß Anlage 1 für Privathaushalte oder Anlage 2 für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gestellt werden. In diesem Antrag sind die für die Entscheidung notwendigen Informationen einzutragen und die entsprechenden Erklärungen abzugeben.

2.6.2
Bewilligungsverfahren

Bewilligungsbehörde ist die Gemeinde, in deren Gebiet die geschädigte Person ihren Hauptwohnsitz hat beziehungsweise die betroffene Betriebsstätte liegt. Die Bewilligungsbehörde überprüft die Angaben in dem Antrag auf Plausibilität.

2.6.3
Auszahlungsverfahren

Die Auszahlung der Soforthilfe erfolgt durch die Bewilligungsbehörde nach Prüfung der Antragsunterlagen und Entscheidung über die Bewilligung mit Erteilung des Bescheides.

2.6.4
Nachweis

Mit der Auszahlung gilt die Soforthilfe grundsätzlich als durch die Empfängerinnen und Empfänger zweckentsprechend verwendet. Es wird kein gesonderter Nachweis gefordert.

3
Ausschluss von Überkompensation

3.1
Eine Kumulierung mit anderen öffentlichen Hilfen ist zulässig, soweit dadurch keine Überkompensation eintritt. Bei einer späteren Beantragung anderer öffentlicher Hilfen sind die im Rahmen dieses Programms erhaltenen Soforthilfen von der Antragstellerin oder dem Antragsteller anzugeben. Sie können in Abhängigkeit anderer öffentlicher Hilfen bei weiteren Förderungen angerechnet werden.

3.2
Versicherungsleistungen, die aufgrund desselben Schadensereignisses geleistet werden, sind dem Grund und der Höhe nach, auch bei nachträglichem Hinzutritt, vorrangig zu Soforthilfen nach dieser Richtlinie. Sie sind auf den Anspruch anzurechnen, soweit sich ohne ihre Anrechnung eine Überkompensation des eingetretenen Schadens ergeben würde.

4.
Mitteilungspflicht

Die Empfängerin oder der Empfänger der Soforthilfe ist verpflichtet, der Bewilligungsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn nach Antragstellung oder Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides Versicherungsleistungen, auch nachträglich, erhalten wurden und eine Überkompensation eingetreten ist.

5.
Erstattung der Soforthilfe

Die Soforthilfe ist zu erstatten, soweit ein Bewilligungsbescheid nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) in der jeweils geltenden Fassung oder nach anderen Vorschriften mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird oder nichtig ist. Der Erstattungsanspruch wird insbesondere festgestellt und geltend gemacht, wenn die Förderung durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist oder sich der Schaden nach Nummer 3 nachträglich ermäßigt oder eine Überkompensation eintritt.

6
Steuerrechtliche Hinweise

6.1
Die als Soforthilfe unter den vorstehenden Voraussetzungen bezogenen Leistungen können steuerbar sein. Es gelten die allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen, so dass die Soforthilfe im Rahmen der Ermittlung des Überschusses oder des Gewinns zu berücksichtigen sind.

6.2
Nach Maßgabe der Regelungen der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 411) geändert worden ist, erfolgt eine Information der Finanzbehörden.

7
Datenschutz

Verantwortlich für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist die zuständige Bewilligungsbehörde. Die Empfängerinnen und Empfänger erklären sich mit der Antragstellung mit der Aufnahme ihrer Daten in eine Datenbank zum Zweck der Prüfung einer Überkompensation einverstanden.

8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft und am 31. März 2029 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2024 S. 429