Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2024 Nr. 32 vom 10.10.2024 Seite 963 bis 980

Orientierungsdaten 2025 - 2028 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen
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Orientierungsdaten 2025 - 2028 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

II.

Orientierungsdaten 2025 - 2028 für die
mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung

der Gemeinden und Gemeindeverbände
des Landes Nordrhein-Westfalen

Runderlass
 des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung
Az. 304-55.40.05.01-10168

Vom 19. September 2024

Nachfolgend gebe ich gemäß § 6 der Kommunalhaushaltsverordnung (KomHVO NRW) in Verbindung mit § 84 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen die Orientierungsdaten 2025 bis 2028 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt.

I. Allgemeine Erläuterungen

1. Grundlagen der Orientierungsdaten 2025 - 2028

Die Orientierungsdaten stützen sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom Mai 2024. Zudem berücksichtigen sie die Entwicklungen des Landeshaushaltes und des kommunalen Finanzausgleichs.

Da der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nur die tatsächlichen Zuflüsse für das jeweilige Haushaltsjahr betrachtet, sind seine Ergebnisse vom Mai 2024 an den Einnahmen ausgerichtet. Die Orientierungsdaten zu den Steuern und Abgaben sind deshalb Einzahlungsgrößen. Eine periodengerechte Zuordnung erfolgt nicht und kann nur von den Kommunen individuell mit Rücksicht auf die jeweilige örtliche Situation vorgenommen werden.

2. Gewerbesteuerumlage

Die Entwicklung der einzelnen Komponenten des Vervielfältigers der Gewerbesteuerumlage wird in der nachfolgenden Tabelle angegeben. Im Zeitraum bis 2028 wird es nach geltender Rechtslage keine Veränderungen geben.

Jahr

Vervielfältiger

§ 6 Abs. 3 GemFinRefG

Gesamt-

Vervielfältiger

Bund

Länder

2024

14,5

20,5

35

2025

14,5

20,5

35

2026

14,5

20,5

35

2027

14,5

20,5

35

2028

14,5

20,5

35

3. Wirkung der Orientierungsdaten – Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten

Gemäß § 16 Abs. 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sowie § 75 Absatz 1 und 84 GO NRW sollen sich die Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Aufstellung des Haushaltes 2025 und bei der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung für die Jahre 2026 bis 2028 an den unter II.1. aufgeführten Daten zu Einzahlungen und Erträgen ausrichten.

Die Orientierungsdaten liefern allerdings nur Durchschnittswerte für die Gemeinden und Gemeindeverbände und sind deshalb lediglich Anhaltspunkte für die individuelle Finanzplanung. Jede Kommune ist verpflichtet, unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten die für ihre Planung zutreffenden Einzelwerte zu ermitteln. Es ist von den Orientierungsdaten abzuweichen, wenn die individuellen Gegebenheiten vor Ort dies erfordern.

Aufgrund der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Risiken sollten die Kommunen ihrer Haushaltsplanung eine eher vorsichtige Prognose zugrunde legen.

4. Empfehlungen für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung

Im Interesse der kommunalen Selbstverwaltung muss es oberstes Ziel sein, den Haushaltsausgleich zu erreichen oder zumindest einen gesetzmäßigen Haushalt beziehungsweise ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Für Kommunen, die ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen haben, besteht die Pflicht, den Haushalt zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder auszugleichen (§ 76 Absatz 1 GO NRW).

II. Orientierungsdaten und Erläuterungen

1. Orientierungsdaten 2025 - 2028 für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen

Einzahlungen / Erträge

Absolut

Orientierungsdaten

2024

2025

2026

2027

2028

in Mio. € €Mio.Euro

in Prozent

Summe der Einzahlungen aus
Steuern (brutto)

33.238

4,4

4,4

3,9

3,5

davon:

Gemeindeanteil an der
Einkommensteuer

10.335

+8,1

+5,7

+5,6

+4,8

Gemeindeanteil an der
Umsatzsteuer

1.990

+2,5

+2,0

+2,1

+2,2

Gewerbesteuer
(brutto)

16.644

+3,2

+4,6

+3,6

+3,3

Grundsteuer
A und B

4.269

+1,3

+1,3

+1,3

+1,3

Kompensation
Familienleistungsausgleich (Erträge)

1.013

+3,2

+3,5

+2,8

+2,8

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes (Erträge)

15.320

+2,7

+4,7

+4,7

+4,1

davon:

Schlüsselzuweisungen an Gemeinden,
Kreise und Landschaftsverbände

12.892

+2,7

+4,7

+4,7

+4,1

2. Erläuterungen

Steuern und ähnliche Abgaben

Die Krisen der vergangenen Jahre haben zwar unmittelbar an konjunktureller Bedeutung verloren, gleichwohl sind die Nachwirkungen noch deutlich spürbar. Die hohen Preissteigerungen der letzten Jahre, insbesondere bei Energie und Nahrungsmitteln, haben die Kaufkraft der privaten Haushalte stark eingeschränkt. Das von der Bundesregierung und den Wirtschaftsforschungsinstituten noch im Herbst 2023 bereits für das Winterhalbjahr 2023/2024 erwartete Anziehen der Wirtschaftsleistung ist ausgeblieben. Das liegt vor allem daran, dass sich der private Konsum trotz nachlassenden Drucks auf die Verbraucherpreise und steigenden real verfügbaren Einkommen nicht wie prognostiziert entwickelt hat. Stattdessen ist die Konsumstimmung weiter zögerlich und die privaten Haushalte sparen vorsorglich das mehr an Geld aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung. Auch auf der Investitionsnachfrageseite existieren kaum Impulse aufgrund bestehender wirtschaftspolitischer Unsicherheiten. Hier wirken zudem die erheblich gestiegenen Finanzierungskosten dämpfend auf die Investitionsbereitschaft. Diese Entwicklung hatte eine kräftige Prognosekorrektur der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten zur Folge: Während die Herbstprojektion 2023 der Bundesregierung noch von einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts für 2024 von 1,3 Prozent und für 2025 von 1,5 Prozent ausging, wurde diese Prognose mit der Frühjahrsprojektion aus dem März 2024 spürbar nach unten revidiert. Für das Jahr 2024 wurde die Prognose um 1,0 Prozentpunkte auf 0,3 Prozent und für das Jahr 2025 um 0,5 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent abgesenkt. Auch beim nominalen, nicht inflationsbereinigten Bruttoinlandsprodukt, welches vor allem für die Schätzung der gewinn- und umsatzabhängigen Steuern ausschlaggebend ist, erfolgte eine kräftige Abwärtsrevision um 1,4 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent für das Jahr 2024 sowie um 0,7 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent für das Jahr 2025.

Die Korrektur der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten spiegelt sich in einer entsprechend schwächeren Entwicklung der Steuereinnahmen wider. Die Entwicklung der Steuereinnahmen ist zwar weiterhin in allen Schätzjahren aufwachsend, doch entsprechend der verschlechterten konjunkturellen Entwicklung ist die jüngste Mai-Steuerschätzung 2024 deutlich niedriger ausgefallen als noch die Oktober-Steuerschätzung 2023. Die finanziellen Auswirkungen der gegenüber der Schätzung vom Oktober 2023 neu einbezogenen Steuerrechtsänderungen (zum Beispiel Wachstumschancengesetz, Zukunftsfinanzierungsgesetz) wirken sich ebenfalls einnahmenmindernd aus. Gegenüber der Oktober-Steuerschätzung 2023 liegen die Steuereinnahmen 2024 bis 2028 auf gesamtstaatlicher Ebene jährlich im Durchschnitt rund 16 Mrd. Euro niedriger.

Die Einnahmen aus der Lohnsteuer sind angesichts der hohen Tarifabschlüsse des vergangenen Jahres sowie des stabilen Arbeitsmarktumfeldes stark aufwärtsgerichtet. Dennoch ergibt sich vor allem im Jahr 2024 eine deutlich geringere Steigerungsrate als noch im Herbst 2023 erwartet worden war. Dies ist insbesondere auf die stärker als erwartete Inanspruchnahme der steuerfreien Inflationsausgleichsprämie im Jahr 2024 zurückzuführen. Ab dem Jahr 2025 entfällt die Möglichkeit für die Arbeitgeber, die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Anspruch zu nehmen, vollständig. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass sich die steuerlichen Entlastungen durch das Jahressteuergesetz 2022 sowie dem Inflationsausgleichsgesetz weiterhin strukturell einnahmemindernd auf die Entwicklung des Aufkommens aus der Lohnsteuer auswirken.

Bei der veranlagten Einkommensteuer als gewinnabhängiger Steuer wird in den kommenden Jahren zwar ebenfalls eine positive Entwicklung erwartet, dennoch hat auch die veranlagte Einkommensteuer eine deutliche Abwärtskorrektur gegenüber dem Oktober-Schätzergebnis erfahren. Der prognostizierte Aufkommensrückgang ist maßgeblich der gegenüber der Herbstprojektion angenommenen Verschlechterung der Entwicklung des nominalen Bruttoinlandsprodukts und der Vermögens- und Unternehmenseinkommen geschuldet. Hinzu kommen die strukturellen Belastungen aus den im Jahr 2022 initiierten steuerlichen Entlastungsmaßnahmen.

Auch das Aufkommen aus der Gewerbesteuer als wichtigste Gemeindesteuer soll sich nach der Prognose der Steuerschätzer weiter positiv entwickeln, wenngleich nicht so positiv wie noch in der Oktober-Steuerschätzung prognostiziert worden war. Dies dürfte maßgeblich auf die verschlechterte gesamtwirtschaftliche Situation zurückzuführen sein, die die Unternehmen belastet.

Die Einnahmeentwicklung bei den Steuern vom Umsatz ist dagegen zweigeteilt. Während sich die Einfuhrumsatzsteuer aufgrund der prognostizierten rückläufigen Warenimporte und wegen gefallener Importpreise weiter schwach entwickelt und gegenüber der Oktober-Steuerschätzung stark rückläufig ist, wird für die Binnenumsatzsteuer ein kräftiger Anstieg in den kommenden Jahren prognostiziert. Das Schätzergebnis spiegelt die Erwartung wider, dass sich die Binnenkonjunktur aufgrund des nachlassenden Preisauftriebs und des Anstiegs beim real verfügbaren Einkommen spürbar erholen und der private Konsum im Jahresverlauf und in den Folgejahren deutlich anziehen wird. Weiterhin war aufkommenserhöhend zu berücksichtigen, dass die temporäre Umsatzsteuersenkung auf Gas und Fernwärme und in der Gastronomie in 2024 ausgelaufen ist. Darüber hinaus trägt die Verringerung des Vorsteuerabzugs aus gezahlter Einfuhrumsatzsteuer aufgrund deren rückläufiger Entwicklung zu einem Anstieg der Umsatzsteuer bei.

Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die aktuelle Situation weiterhin von vielen Unwägbarkeiten gekennzeichnet ist, wodurch vor allem in der mittleren Frist nicht unerhebliche Prognoseunsicherheiten bestehen. Insbesondere ist die weitere konjunkturelle Entwicklung entscheidend. Sollte die Binnenkonjunktur nicht wie erwartet anspringen, weil private Haushalte das Mehr an real verfügbarem Einkommen nicht konsumieren, sondern die inflationsbedingten Einkommenseinbußen der letzten Jahre durch eine vermehrte Spartätigkeit kompensieren, könnte dies die konjunkturelle Erholung weiter verzögern. Zudem könnte die Inflation durch deutlichere Zuwächse der Nominallöhne (Lohn-Preis-Spirale) oder durch sich verstärkende geopolitische Spannungen, die die Rohstoff- und insbesondere Energiepreise wieder in die Höhe treiben, zunehmen. Die weitere Inflationsentwicklung beeinflusst auch den geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank, von dem wiederum Impulse für die Investitionstätigkeit ausgehen.

Daneben können sich insbesondere aus geplanten Steuerrechtsänderungen, die im Schätzzeitpunkt Mai gesetzlich noch nicht umgesetzt waren, nicht unerhebliche Unwägbarkeiten ergeben, die zu zusätzlichen Steuermindereinnahmen führen. Insbesondere die aus der Wachstumsinitiative der Bundesregierung hervorgegangenen Regierungsentwürfe enthalten erhebliche steuerliche Entlastungsmaßnahmen, die von den Ländern und Kommunen über Steuermindereinnahmen mitzufinanzieren wären. Die darin beabsichtigten steuerlichen Entlastungsmaßnahmen umfassen unter anderem steuerliche Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen, eine Erhöhung der Forschungszulage, die Erhöhung von Grund- und Kinderfreibeträgen sowie den Abbau der kalten Progression. Nach den vorliegenden Regierungsentwürfen für ein Gesetz zur Steuerfortentwicklung sowie für ein Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 lägen die Mindereinnahmen allein für die Gemeinden auf gesamtstaatlicher Ebene ab 2025 bei rund 1,6 Mrd. Euro, die in den Folgejahren mit Steuermindereinnahmen von rund 3,7 Mrd. Euro in 2026, 6,0 Mrd. Euro in 2027 bis auf 7,4 Mrd. Euro in 2028 anstiegen. Diese Maßnahmen dürften die ohnehin bereits angespannten Haushalte von Ländern und Kommunen weiter erheblich unter Druck setzen.

Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes

Die Höhe der Zuweisungen des Landes im Rahmen des Steuerverbundes und damit auch die Schlüsselzuweisungen hängen maßgeblich von den Landessteuereinnahmen (obligatorischer und fakultativer Steuerverbund) der jeweiligen Verbundzeiträume ab. Die vorgenannten Unwägbarkeiten und mögliche Prognosekorrekturbedarfe bestehen damit grundsätzlich auch im Hinblick auf die Zuweisungen an Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände.

Aufwendungen allgemein

Die kommunale Aufgabenwahrnehmung steht unter dem Einfluss der hohen Inflation der vergangenen Jahre. Dieser spiegelt sich unter anderem in überdurchschnittlich hohen Tarifabschlüssen und daraus resultierenden Personalaufwandssteigerungen wider. Vor diesem Hintergrund wird weiterhin darauf verzichtet, den Kommunen quantitative Orientierungs- beziehungsweise Zielwerte für die Aufwendungen vorzugeben. Es wird jedoch auf die Notwendigkeit einer ressourcenschonenden kommunalen Finanzwirtschaft hingewiesen. Dies gilt insbesondere für haushaltssicherungspflichtige Kommunen, die angesichts der ökonomischen Herausforderungen unter einem anhaltend hohen Konsolidierungsdruck stehen. Um den Haushalt dauerhaft aus eigener Kraft ausgleichen zu können, ist es erforderlich, bei den Aufwendungen nur geringe Zuwachsraten zuzulassen.

- MBl. NRW. 2024 S. 977