Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2024 Nr. 33 vom 24.10.2024 Seite 981 bis 998
Runderlass über die Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung im Ermittlungsverfahren („Onlinevernehmung“) |
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Runderlass über die Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung im Ermittlungsverfahren („Onlinevernehmung“)
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Runderlass über die Vernehmung im Wege der
Bild- und Tonübertragung im Ermittlungsverfahren
(„Onlinevernehmung“)
Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums des Innern und
des Ministeriums der Justiz
Vom 12. September 2024
1
Vorbemerkung
In der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis besteht zunehmender Bedarf an digitalisierten Arbeitsprozessen. Ein Beitrag zu mehr digitalem Verwaltungshandeln ist die Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung (Videokonferenz) nach § 58b der Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 255) geändert worden ist, im Strafverfahren.
Der Gesetzgeber hatte im Wesentlichen folgende Aspekte vor Augen, die für einen Gebrauch der Videokonferenztechnik sprechen. Diese Anwendungsfelder können sich untereinander überschneiden (näher dazu: MüKo-StPO/Maier, 2. Aufl. 2023, StPO § 58b Rn. 13-17).
a) Eine Vernehmung im Wege einer Videokonferenz kann im Interesse von Verfahrensbeteiligten liegen, die wegen Krankheit, körperlicher Einschränkungen oder anderer, nicht zu beseitigender Hindernisse an einem persönlichen Erscheinen gehindert sind oder bei denen eine Anreise infolge großer Entfernung unzumutbar erscheint. Diese können an ihrem Aufenthaltsort vernommen werden, was im Einzelfall auch dazu beitragen kann, die Aussagebereitschaft der zu vernehmenden Person zu fördern.
b) Der Einsatz der Videokonferenztechnik kann zum Schutz gefährdeter Zeuginnen und Zeugen beitragen, für die eine Reisetätigkeit mit Risiken oder zusätzlichen psychischen Belastungen verbunden wäre.
c) Die Vernehmung im Wege der Videokonferenz ist zeitsparend, denn sie vermeidet den Versand von Verfahrensakten an andere Polizeidienststellen und erleichtert die Terminierung. So kann sie (gegebenenfalls unterhalb des Anwendungsbereichs des § 58a der Strafprozeßordnung) auch die Risiken eines Beweismittelverlusts durch frühzeitige Sicherung der Aussage reduzieren.
d) Sie trägt damit zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit bei und dient der Verbesserung der Vernehmungsqualität, weil die Vernehmung durch die mit dem Verfahrensinhalt vertrauten Ermittlungsbeamtinnen und Ermittlungsbeamten erfolgen kann.
e) Die Vermeidung zeitaufwändiger Reisetätigkeit ist auch unter Kosten- und ökologischen Aspekten vorteilhaft, da die Reduzierung von Fahrtzeiten zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes und anderen umweltbezogenen Belastungen beiträgt.
Dem können im Einzelfall Erwägungen entgegenstehen, die gegen einen Einsatz der Videokonferenztechnik sprechen. Vielfach wird es im Ermittlungsverfahren auf den persönlichen Eindruck von der zu vernehmenden Person ankommen, zu dem auch die Körpersprache beiträgt, die im Wege der Bild-Ton-Übertragung nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden kann. Anders als bei einer Vernehmung in Präsenz kann bei einer Videokonferenz eine störungsfreie, opfersensible und vertrauensvolle Vernehmungssituation nicht in gleicher Weise sichergestellt werden. Und schließlich ist zu bedenken, dass mehrfache Vernehmungen Einfluss auf das Erinnerungsbild von Zeuginnen und Zeugen haben können, weshalb eine „Anvernehmung“ per Videokonferenz nicht wünschenswert ist, wenn die Gefahr besteht, dass sie später wegen der Bedeutung der Aussage in Präsenz fortgeführt werden muss.
2
Rechtsgrundlagen
§ 58b der Strafprozeßordnung wurde bereits mit dem Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom 25. April2013 (BGBl. I 2013, 935), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17.8.2017 (BGBl. I S. 3202) geändert worden ist, in die Strafprozeßordnung eingeführt und beschränkt sich auf die Regelung des Einsatzes von Videokonferenztechnik für den Fall, dass die Vernehmungsperson und eine zu hörende verfahrensbeteiligte Person sich nicht an demselben Ort befinden. Dabei kommt es nicht auf Entfernungen an (MüKoStPO/Maier (Fn 1), StPO § 58b Rn. 12).
Die zu vernehmende Person muss weder einverstanden sein noch hat sie einen Anspruch auf eine Vernehmung per Bild-Ton-Übertragung (Bertheau/Ignor in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2017, § 58b Rn. 5). Zur Förderung der Aussagebereitschaft ist es jedoch ratsam, das Einverständnis zu erlangen (HK-GS/Trüg, 5. Aufl. 2022, StPO § 58b Rn. 8).
Die Übertragungen werden grundsätzlich nicht aufgezeichnet. Hält man eine Aufzeichnung für ratsam, um dem Verlust des Beweismittels vorzubeugen oder um die Aussage zuverlässiger zu dokumentieren, was etwa bei Erstaussagen von Opferzeugen der Fall sein kann, richtet sich das Verfahren nach § 58a der Strafprozeßordnung. Auch die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten nach § 136 Absatz 4 der Strafprozeßordnung oder § 70c des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Artikel 21 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) geändert worden ist, bleiben unberührt (Bertheau/Ignor in: Löwe-Rosenberg (Fn 4), § 58b Rn. 1 f.).
Vernehmungen im Wege der Bild- und Tonübertragung von Personen, die sich im Ausland aufhalten, bedürfen eines ordentlichen Rechtshilfeersuchens.
Ansonsten gelten auch bei einer Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung die allgemeinen Vorschriften für Vernehmungen im Ermittlungsverfahren. Polizei und Staatsanwaltschaft können demnach
a) Zeugen nach § 163 Absatz 3 Satz 2 beziehungsweise § 161a Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 58b der Strafprozeßordnung,
b) Beschuldigte nach § 163a Absatz 3 Satz 2 beziehungsweise Absatz 4 Satz 2, 136 Absatz 5 in Verbindung mit § 58b der Strafprozeßordnung und
c) Sachverständige nach § 72 in Verbindung mit § 58b der Strafprozeßordnung
online vernehmen, wenn diese sich im Inland aufhalten.
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Anwendungsbereich
Ob eine Vernehmung im Wege der Videokonferenz durchgeführt werden kann, entscheidet die Vernehmungsperson nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Regelungszwecks, des Gebots der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der gesetzlichen Aufklärungspflicht (KK-StPO/Bader, 9. Aufl. 2023, StPO § 58b Rn. 2).
In die Abwägung sind unter anderem einzubeziehen
a) das Erfordernis, sich einen persönlichen Eindruck von einer Zeugin beziehungsweise einem Zeugen zu verschaffen,
b) ob es auf einen unmittelbaren persönlichen Eindruck weniger ankommt, etwa weil sich die Angaben nur auf bereits schriftlich festgehaltene beziehungsweise objektiv nachvollziehbare Vorgänge beziehen, wie etwa auf Zahlungen, Rechnungsstellungen oder Vertragsunterlagen,
c) die Bedeutung der Aussage, zum Beispiel zu Kern- oder Randaspekten des Sachverhalts,
d) die klare Abgrenzbarkeit des Vernehmungsgegenstandes,
e) die Schwere des Tatvorwurfs,
f) etwaige Gefahren einer Beeinflussung des Aussageverhaltens durch Dritte oder äußere Umstände,
g) die Belange des Zeugenschutzes und der opfersensiblen Kommunikation und
h) das Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung.
In Fällen
a) der Organisierten Kriminalität,
b) von Tötungsdelikten, einschließlich fahrlässiger Tötung,
c) schwerwiegender Häuslicher Gewalt,
d) schwerwiegender Staatsschutzdelikte,
e) der schweren Rauschgiftkriminalität,
f) schwerer Sexualstraftaten oder
g) von Straftaten gegen das Völkerstrafgesetzbuch
erfolgt eine Onlinevernehmung nur in Ausnahmefällen und nur in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft.
Ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft können im Wege der Videokonferenz in der Regel erfolgen:
a) Informatorische Befragungen,
b) Vernehmungen in Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Ausnahme von Verfahren nach den §§ 30, 130des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 12. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 234) geändert worden ist,
c) Vernehmungen in Fällen der leichten Kriminalität,
d) Vernehmungen in Fällen der mittelschweren Kriminalität, insbesondere, wenn noch keine beschuldigte Person ermittelt werden konnte und
e) Vernehmungen in Fällen der Eigentums- und Vermögenskriminalität, die lediglich der Ermittlung materieller Schäden dienen.
In Zweifelsfällen stellt die Vernehmungsperson das Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft her.
Die Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft ist möglichst effizient zu gestalten. Die Versendung von Papierakten erfolgt nur im Ausnahmefall auf Ersuchen der zuständigen Staatsanwaltschaft.
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Zeugenvernehmung, Zeugenrechte und Zeugenpflichten
§ 58b der Strafprozeßordnung schafft die Möglichkeit, Zeuginnen und Zeugen im Ermittlungsverfahren in einer Videokonferenz zu vernehmen, ohne dass die zu vernehmende Person selbst persönlich im Vernehmungszimmer anwesend sein muss. Ob bei einer Zeugenvernehmung die Videokonferenztechnik gemäß § 58b der Strafprozeßordnung zum Einsatz kommt, hat die Vernehmungsperson von Amts wegen zu prüfen. Anlass hierzu können vor allem bestimmte Verfahrens- oder Beweiskonstellationen sein; denkbar ist auch ein entsprechender Antrag eines Zeugen oder die Anregung eines Verfahrensbeteiligten.
Die Anordnung zur Durchführung einer Vernehmung mittels Videokonferenztechnik ist nicht anfechtbar (BT-Drs. 17/1224, Seite 11). Zeuginnen und Zeugen sind allerdings nicht verpflichtet, selbst aktiv zur technischen Realisierung der Videokonferenz beizutragen und dazu private technische Mittel einzusetzen. Verpflichtet sind sie nach § 163 Absatz 3 Satz 1 der Strafprozeßordnung nur, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Person und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (KK-StPO/Weingarten, 9. Aufl. 2023, StPO § 163 Rn. 15). Dies schließt die Möglichkeit der Ladung auf eine andere Polizeidienststelle ein, von der aus die Onlinevernehmung mit polizeilicher Technik durchgeführt wird.
Die weiteren Rechte und Pflichten der Zeuginnen und Zeugen richten sich nach den allgemeinen Vorschriften. Dies gilt auch für die Anwesenheit von Vertrauenspersonen nach § 406f Absatz 2 der Strafprozeßordnung, Rechtsbeiständen nach § 68b der Strafprozeßordnung, Verletztenbeiständen nach § 406f Absatz 1 der Strafprozeßordnung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung nach § 406g der Strafprozeßordnung. Diese können ebenso wie Dolmetscherinnen und Dolmetscher nach § 185 Absatz 1a des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 30. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 255) geändert worden ist im Bedarfsfall zugeschaltet werden oder die Zeuginnen und Zeugen bei der Vernehmung unmittelbar begleiten.
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Beschuldigtenvernehmung
§ 136 Absatz 5 der Strafprozeßordnung verweist auf § 58b der Strafprozeßordnung. Durch diesen Verweis ist es möglich, auch Beschuldigte im Ermittlungsverfahren im Wege der Bild- und Tonübertragung zu vernehmen.
5.1
Beschuldigtenrechte und Pflichten
Anders als Zeuginnen und Zeugen sind Beschuldigte nach den §§ 133 Absatz 1 und 163a Absatz 3 Satz 1 der Strafprozeßordnung nur verpflichtet, zur Vernehmung auf ordnungsgemäße Ladung vor dem Richter oder dem Staatsanwalt zu erscheinen. Ein Erscheinen vor der Polizei kann, abgesehen von den Fällen der vorläufigen Festnahme nach § 127 der Strafprozeßordnung und der Identitätsfeststellung nach § 163b der Strafprozeßordnung, nicht erzwungen werden. Staatsanwaltschaftliche Vernehmungen sind nur solche, die tatsächlich unter der verantwortlichen Leitung eines Beamten oder einer Beamtin der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden (BGH, Beschl. v. 4.1.1993, StB 27/92, 1 BJs 193/84 – 5 – StB 27/92, BeckRS 1993, 08332, beck-online).
Erst recht besteht für beschuldigte Personen keine Rechtspflicht zur Aussage, § 136 Absatz 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung. Daher können sich Ermittlungstaktik und Interessenlage bei einer Beschuldigtenvernehmung deutlich von der einer Zeugenvernehmung unterscheiden.
5.2
Anwendungsbereich
Grundsätzlich ist bei einer Beschuldigtenvernehmung der persönlichen Interaktion mit der beschuldigten Person ein hohes Gewicht beizumessen. Erklärt sich der oder die Beschuldigte allerdings bereit, zwar Angaben zur Sache zu machen, weigert sich jedoch, dazu auf der Dienststelle oder sonst vor der vernehmenden Person zu erscheinen, kann die Vernehmung im Wege der Videokonferenz im Interesse der Sachaufklärung ratsam sein, wenn ansonsten die Einlassung der beschuldigten Person gar nicht, deutlich später oder mit nachträglich beeinflusstem Inhalt zu den Akten gelangen würde. Dies entscheidet die Vernehmungsperson nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Regelungszwecks, des Gebots der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der gesetzlichen Aufklärungspflicht.
Dabei ist mit Blick auf die spätere Verwertbarkeit der Vernehmungsinhalte zu bedenken, dass bei einer Videokonferenz
a) eine persönliche Interaktion und gegebenenfalls erzieherische Einwirkung auf die beschuldigte Person nicht möglich ist,
b) die Genehmigung des Protokolls durch eigenhändige Unterschrift, gegebenenfalls auf jeder Seite der Niederschrift, nicht erfolgen kann und
c) spätere Behauptungen die Vernehmungssituation betreffend nicht ohne weiteres nachvollzogen oder widerlegt werden können.
Von einer Onlinevernehmung Beschuldigter sollte daher im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz schon mit Blick auf die umfangreichen Unterrichtungs- und Belehrungspflichten gegenüber den Beschuldigten und ihren Erziehungsberechtigten nach den §§ 67a, 70a und 70b des Jugendgerichtsgesetzes und den Erziehungszweck des Jugendverfahrens nach Möglichkeit abgesehen werden.
Im Zweifel stellt die Vernehmungsperson das Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft her und klärt, ob statt einer Onlinevernehmung eine staatsanwaltschaftliche Vernehmung in Präsenz vorzugswürdig ist, die notfalls durch eine Vorführung erzwungen werden kann.
6
Sachverständige
§ 72 der Strafprozeßordnung erklärt die für Zeugen geltenden Vorschriften bei Vernehmungen von Sachverständigen für entsprechend anwendbar. Die Onlinevernehmung von Sachverständigen dient der Minimierung abrechenbarer Zeiten für Reisetätigkeiten zum beziehungsweise vom Vernehmungsort und damit der Kostenvermeidung, zumal es in vielen Fällen nicht maßgeblich auf den unmittelbaren Eindruck von der oder dem Sachverständigen ankommen wird. Beispielsweise können Rückfragen zu einem schriftlich erstatteten Gutachten im Wege der Onlinevernehmung geklärt werden.
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Protokollierung
§ 168a der Strafprozeßordnung regelt die Formen der Dokumentation einer richterlichen Untersuchungshandlung und über den Verweis in § 168b Absatz 2 Satz 1 der Strafprozeßordnung auch einer staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Vernehmung. § 168a Absatz 6 der Strafprozeßordnung regelt die weiteren Einzelheiten zur Art der Protokollierung, die Genehmigung, Einwendungen und den Verzicht auf die Vorlage zur Genehmigung.
Die Protokollierung ist in zwei Varianten möglich:
7.1
Das
Protokoll kann während der Videokonferenz als Wortprotokoll oder
zusammenfassendes Inhaltsprotokoll hergestellt werden. Das Protokoll ist nach §
168b Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 168a Absatz 3 der Strafprozeßordnung
den bei der Verhandlung beteiligten Personen anschließend zur Genehmigung
vorzulesen, zur Durchsicht vorzulegen oder auf einem Bildschirm anzuzeigen. Das
polizeiliche Vernehmungsprotokoll muss durch die zu vernehmende Person nicht
mehr unterschrieben werden. Die erteilte Genehmigung ist zu vermerken.
7.2
Das
Protokoll kann nach § 168a Absatz 2 der Strafprozeßordnung auch nachträglich
auf Grund einer Aufzeichnung hergestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass der
Gesprächsfluss nicht durch die laufende Niederschrift unterbrochen und die
Vernehmungsperson in Stand gesetzt wird, Fragen, Vorhalte und Widersprüche
unmittelbar anzubringen. Dies führt zwar erfahrungsgemäß zu einer erheblichen
Beschleunigung der Vernehmung selbst, hat aber den Nachteil, dass die oder der
Beschuldigte beziehungsweise die Zeugin oder der Zeuge die Niederschrift nicht
unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung genehmigen kann, sondern
nachträglich nochmals kontaktiert werden muss.
8
Arbeitsprozess
8.1
Allgemeines
Die Vernehmung findet in einem virtuellen Vernehmungsraum statt, zu welchem die Vernehmungsbeamtin beziehungsweise der Vernehmungsbeamte und die zu vernehmende Person Zutritt erhalten. Weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie Rechtsbeistände oder Dolmetscherinnen und Dolmetscher können im Bedarfsfall ebenfalls zugeschaltet werden.
Zur Vermeidung von Missbrauch identifizieren sich die Vernehmungsbeamtin oder der Vernehmungsbeamte auf geeignete Weise.
Auf die besondere Art der Vernehmung ist im Vernehmungsprotokoll hinzuweisen.
Die Identität der zu vernehmenden Person ist in geeigneter Weise festzustellen, die Art und Weise der Identitätsfeststellung ist zu protokollieren.
Die Vernehmungsbeamtin oder der Vernehmungsbeamte hat sich zu vergewissern, dass sich während der Videokonferenz keine Personen in Gegenwart der zu vernehmenden Person befinden, deren Anwesenheit nach § 58 Absatz 1 der Strafprozeßordnung untersagt ist oder deren Anwesenheit sonst geeignet sein könnte, den Untersuchungszweck zu gefährden.
Die Vernehmungsbeamtin oder der Vernehmungsbeamte hat darauf hinzuweisen, dass das unberechtigte Aufzeichnen der Vernehmung in Bild oder Ton strafbar ist und im Falle eines festgestellten Verstoßes zur Anzeige gebracht wird. Die Belehrung ist im Protokoll zu vermerken.
Nach Abschluss der Vernehmung ist das Vernehmungsprotokoll grundsätzlich für die zu vernehmende Person zur Ansicht freizugeben, sodass es überprüft werden kann. Die Möglichkeit der Einsichtnahme sowie die inhaltliche Zustimmung der vernommenen Person sind im Protokoll zu vermerken. Vorgenommene Änderungen und Anmerkungen sind im Protokoll hervorzuheben.
Es besteht kein Unterschriftserfordernis.
8.2
Besonderheiten bei der Vernehmung inhaftierter Personen
Bei inhaftierten Personen soll die Vernehmung in der Regel in der Justizvollzugseinrichtung erfolgen.
Über die Ladung zur Vernehmung ist die Justizvollzugseinrichtung, in welcher sich die zu vernehmende Person aufhält, vorab in Kenntnis zu setzen.
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Datenschutz und IT-Sicherheit
Die für die Vernehmung genutzten IT-Systeme entsprechen den einschlägigen Vorgaben des Datenschutzes und der Informationssicherheit.
Inhalte, die der Geheimhaltungsstufe „Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch“ oder höher unterliegen, dürfen nicht Bestandteil der Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung sein. Besonders bei der Gewichtung dieses allgemeinen Aspekts dürfen die Anforderungen der Aufklärungspflicht und des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sowie die Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht aus dem Blick verloren werden.
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Inkrafttreten
Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft.
- MBl. NRW. 2024 S. 985