Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2024 Nr. 44 vom 20.12.2024 Seite 1259 bis 1274

Runderlass zu den Regelungen der bundeseinheitlichen Jugendleiterinnen- und Jugendleiter-Card in Nordrhein-Westfalen
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Runderlass zu den Regelungen der bundeseinheitlichen Jugendleiterinnen- und Jugendleiter-Card in Nordrhein-Westfalen

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Runderlass zu den Regelungen
der bundeseinheitlichen Jugendleiterinnen- und Jugendleiter-Card

in Nordrhein-Westfalen

Runderlass
des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration

Vom 10. Dezember 2024

Jugendleitungen üben ihre Aufgabe ehrenamtlich aus. Um ihnen eine amtliche Legitimation zu geben, wurde eine bundeseinheitliche Jugendleiterin- beziehungsweise Jugendleiter-Card (Juleica) im Format einer Scheckkarte eingeführt.

Mit diesem Runderlass werden die Voraussetzungen für die Ausstellung des amtlichen Ausweises für Jugendleitungen beschrieben und das Verfahren in Nordrhein-Westfalen geregelt.

Grundlage sind die Vereinbarung der Obersten Landesjugendbehörden zur Einführung einer Juleica für Jugendleiterinnen und Jugendleiter vom 12. und 13. November 1998 sowie die im Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) vom 4. und 5. Juni 2009 festgelegten bundeseinheitlichen Qualitätsstandards. Weiterführende Informationen zur bundeseinheitlichen Jugendleiterinnen- und Jugendleiter-Card stehen online unter www.juleica.de zur Verfügung.

1
Zweck der amtlichen Juleica für Jugendleitungen

Die Juleica dient

a) zur Legitimation gegenüber Erziehungsberechtigten von minderjährigen Teilnehmenden in der Kinder- und Jugendarbeit,

b) zur Legitimation gegenüber staatlichen und nichtstaatlichen Stellen von denen Beratung und Unterstützung erwartet wird und

c) als Berechtigungsnachweis für die Rechte und Vergünstigungen, die an die Eigenschaft als ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit tätige Person oder ausdrücklich an das Vorhandensein einer Juleica anknüpfen, zum Beispiel Freistellung von Ehrenamtlichen in der Kinder- und Jugendarbeit, Erstattung von Verdienstausfall, Fahrpreisermäßigungen, vergünstigter Zugang zu geeigneten Bildungs- beziehungsweise Übernachtungsstätten, vergünstigte Besuche von Kulturveranstaltungen und Freizeiteinrichtungen, Unterstützung bei der Planung und Finanzierung von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, Gebührenfreiheit oder -ermäßigung für das Entleihen von Medien und Geräten, Materialbeschaffung oder Dienstleistungen.

Kommunen, die eine Ehrenamtskarte ausstellen, wird empfohlen, Inhabenden einer Juleica eine Ehrenamtskarte ohne zusätzliche Anforderungen auszustellen.

Darüber hinaus kann die Juleica der Trägerin oder dem Träger als Nachweis der fachlichen Eignung von Personen für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Kinder- und Jugendarbeit unter anderem im Sinne von § 74 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch und im Sinne von § 831 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches dienen.

2
Voraussetzungen für die Ausstellung der Juleica

2.1
Die Juleica ist für Mitarbeitende in der Jugendarbeit bestimmt, die ehrenamtlich als Jugendleitungen tätig sind.

2.2
Die Jugendleitungen im Sinne des § 73 des Achten Buches Sozialgesetzbuch müssen für einen Träger der freien oder der öffentlichen Jugendhilfe tätig sein. In Ausnahmefällen kann der Ausweis auch für Jugendleitungen eines noch nicht anerkannten Trägers ausgestellt werden, sofern ein Antrag auf Anerkennung gestellt und bereits förderungswürdige Arbeit geleistet wurde. Die Juleica kann auch für Mitarbeitende von Trägern, die keine Anerkennung nach § 75 SGB des Achten Buches Sozialgesetzbuch besitzen, ausgestellt werden, wenn diese Träger in Kooperation mit einem Träger der freien oder öffentlichen Jugendhilfe eine Juleica-Schulung durchführen und die weiteren Voraussetzungen zum Erhalt der Juleica erfüllt werden.

2.3
Die Jugendleitungen müssen eine ausreichende praktische und theoretische Qualifizierung für ihre Aufgabe erhalten haben und in der Lage sein, verantwortlich Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen zu gestalten, zum Beispiel eine Gruppe zu leiten. Für die Qualifizierung gelten die folgenden Mindeststandards, welche die bundeseinheitlichen Vorgaben berücksichtigen:

2.3.1
Die Qualifizierung zum Erwerb der Juleica umfasst mindestens 35 Zeitstunden.

Grundsätzlich sind im Rahmen der Qualifizierung Ausbildungsgänge in Präsenz oder gemischte Ausbildungsgänge möglich, die teilweise in Präsenz und teilweise unter Nutzung von webbasierten Elementen stattfinden. Dabei müssen mindestens 18 Zeitstunden in Präsenz stattfinden. Auch bei der Nutzung von webbasierten Elementen muss die Qualifizierung in einem Gruppensetting und mit fachlicher Begleitung stattfinden.

2.3.2
Zusätzlich ist der Nachweis einer Erste-Hilfe-Ausbildung entsprechend der „Gemeinsamen Grundsätze für die Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe (BAGEH) vom 13. Dezember 2014 (https://www.bildungsinstitut-rlp.drk.de/fileadmin/downloads/Breitenausbildung/Ordnungen_u_Leitlinien_u_Grundsaetze/GGHO-EH-2015.pdf) zu erbringen. Ausnahmen regeln sich nach der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der jeweils geltenden Fassung.

2.3.3
Die praktische und theoretische Qualifizierung zum Erwerb der Juleica ist geprägt von aktuellen Themen junger Menschen und der Kinder- und Jugendarbeit wie Partizipation, Beteiligung und Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen, Diversität, Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit. Sie umfasst mindestens folgende Inhalte:

a) Rolle einer Jugendleitung, beispielswiese Aufgaben, Funktionen oder Grenzen,

b) Befähigung zur Leitung von Gruppen,

c) Ziele, Methoden und Aufgaben der Kinder- und Jugendarbeit,

d) rechtliche und organisatorische Themen der Kinder- und Jugendarbeit,

e) psychologische und pädagogische Grundlagen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen,

f) Gefährdungstatbestände des Jugendalters und Fragen des Kinder- und Jugendschutzes sowie

g) Prävention vor sexualisierter Gewalt und Umgang mit sexuellen Grenzverletzungen in der Kinder- und Jugendarbeit.

Darüber hinaus wird empfohlen, auch verbandsspezifische Themen zum Bestandteil von Ausbildungsstandards zu machen.

2.3.4
Die in Nummer 2.3.3 genannten Ausbildungen beziehungsweise Schulungen dürfen nur von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe und von öffentlichen Trägern der Jugendhilfe im Sinne des Achten Buches Sozialgesetzbuch durchgeführt werden.

2.4
Jugendleitungen sollen in der Regel das 16. Lebensjahr vollendet haben. In besonders vom Träger zu begründenden Fällen kann die Juleica auch für Jugendleitungen, die erst 15 Jahre alt sind, ausgestellt werden. Bei Minderjährigen ist das Einverständnis der Personensorgeberechtigten erforderlich.

2.5
Kann eine Person eine anerkannte pädagogische Berufsausbildung oder ein entsprechendes (Fach)Hochschulstudium nachweisen, bei der beziehungsweise dem ein deutlicher Bezug zur Kinder- und Jugendarbeit besteht und in dem die Inhalte der Qualifizierung zum Erwerb der Juleica umfassend behandelt wurden, kann im Einzelfall vom Träger die Möglichkeit geprüft werden, von der Voraussetzung einer spezifischen Qualifizierung zum Erwerb der Juleica ganz oder teilweise abzusehen.

2.6
Führungszeugnisse sind von der beantragenden Person für den Erhalt der Juleica nicht vorzulegen.

3
Gültigkeitsdauer und Antragsverfahren

3.1
Die Gültigkeitsdauer der Juleica beträgt drei Jahre. Wenn die Voraussetzungen für die Ausstellung entfallen, verliert die Karte ihre Gültigkeit und ist zurückzugeben. Liegen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer die Voraussetzungen für die Erteilung weiterhin vor, kann auf Antrag eine neue Juleica ausgestellt werden. Für die Neu-Ausstellung der Juleica ist die Teilnahme an einer oder mehreren Fortbildungsveranstaltungen im Gesamtumfang von mindestens acht Zeitstunden nachzuweisen. Fortbildungsveranstaltungen können vollständig webbasiert durchgeführt werden. Die Fortbildung muss in jedem Fall in einem Gruppensetting und mit fachlicher Begleitung erfolgen. Der Antrag auf Verlängerung beziehungsweise Neu-Ausstellung soll in der Regel spätestens 18 Monate nach Ablauf der aktuellen Juleica gestellt werden. Zusätzlich ist für die Neu-Ausstellung der Nachweis einer Auffrischung der Erste-Hilfe-Ausbildung zu erbringen.

3.2
Die Juleica kann ausschließlich online unter www.juleica.de beantragt werden.

3.3
Für die Bearbeitung der Juleica-Anträge sind die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig. Bei Antragsstellenden, die für freie Träger tätig sind, ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, in dessen Bereich der freie Träger seinen Sitz hat. Die ausstellende Behörde übernimmt für die Befähigung der Juleica-Inhabenden keine Haftung. Der Träger, der die Juleica final genehmigt hat, bleibt Eigentümer dieser individuellen Karte. Er kann diese zurückfordern, sollten die Voraussetzungen für die Ausstellung der Juleica entfallen.

3.4
Soweit Jugendleitungen für freie Träger tätig sind, prüfen die freien Träger, ob die Jugendleitungen die unter Nummer 2.1 bis 2.6 genannten Voraussetzungen zum Erhalt einer Juleica erfüllen. Werden die Kriterien erfüllt, soll der freie Träger dem Antrag der Jugendleitung zustimmen. Die Qualifikation, Befähigung und die Tätigkeit als Jugendleiterin oder Jugendleiter gelten durch die Online-Zustimmung des Antrags durch den freien Träger als bestätigt.

3.5
Die Juleica unterstützt das ehrenamtliche Engagement in Nordrhein-Westfalen und dient somit dem öffentlichen Interesse. Die Kosten der Juleicas trägt der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Für die Ausstellung der Juleica ist keine Gebühr zu erheben.

4
Gegenseitige Anerkennung und Umsetzung

4.1
Die Juleica für Jugendleitungen wird in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland anerkannt.

4.2
Die Oberste Landesjugendbehörde ist bemüht, der Juleica auch über den staatlichen Bereich hinaus Geltung und Anerkennung zu verschaffen.

5
Datenschutz

Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Juleica sind die einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2; L 74 vom 4.3.2021, S. 35) sowie das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 244, ber. S. 278 und S. 404) jeweils in der jeweils geltenden Fassung zu beachten.

6
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Runderlass tritt am 1. Januar 2025 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2029 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2024 S. 1260