Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 1998 Nr. 62 vom 4.11.1998 Seite 1109 bis 1130

Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergieerlass - WEAErl. -)
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Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergieerlass - WEAErl. -)

2310

Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen
(Windenergieerlass - WEAErl. -)

Gem. RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Wohnen - II A 1 - 901.3/202 -,
d. Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport - 413 - 16.21 -,
d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - VI A 6 - 30.04.04 -
und d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr - 521-00-19 -

v. 28.9.1998

Der Gem. RdErl. v. 29.11.1996 erfährt folgende Änderungen:

1
Abschnitt I. Nummer 1.2 wird wie folgt geändert:
1.1
Der erste Satz erhält folgende Fassung:
"Windenergieanlagen sind gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiert."
1.2
In Satz 2 erhält der Klammerzusatz die Fassung "(§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB)".

2
Abschnitt III. wird wie folgt geändert:
2.1
Nummer 2.1 erhält folgende Fassung:
"2.1Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dementsprechend sind Ziele der Raumordnung für die Bauleitplanung unmittelbar bindende Vorgaben und nicht Gegenstand der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB."

2.2
In Nummer 2.2.1 werden in Satz 1 und in Satz 4 die Angaben "§ 35 Abs. 3 Satz 4" ersetzt durch die Angaben "§ 35 Abs. 3 Satz 3"; in Satz 3 wird nach den Wörtern "im Sinne des § 1 Abs. 5 und 6" die Angabe "und des § 1 a" ergänzt. Der letzte Satz erhält folgende Fassung: "Soweit erforderlich, sind Flächen für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB) sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB) darzustellen."

2.3
In Nummer 2.2.2 wird im letzten Satz die Angabe "§ 35 Abs. 3 Satz 4" ersetzt durch "§ 35 Abs. 3 Satz 3".

2.4
In Nummer 2.4 erhalten die Überschrift und der erste Satz folgende Fassung:

"Vorhabenbezogener Bebauungsplan
Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gemäß § 12 BauGB die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, soweit ein Vorhabenträger auf der Grundlage eines von ihm vorgelegten und mit der Gemeinde abgestimmten Planes zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Übernahme der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise verpflichtet."

3
Abschnitt IV. wird wie folgt geändert:

3.1
In den Nummern 2.3 und 2.3.2 wird die Angabe "§ 35 Abs. 1 Nr. 7" ersetzt durch die Angabe "§ 35 Abs. 1 Nr. 6".
3.2
In Nummer 2.3.3 werden im 2. Spiegelstrich in den Sätzen 1, 3 und 4 jeweils die Angaben
"§ 35 Abs. 3 Satz 4" ersetzt durch die Angabe "§ 35 Abs. 3 Satz 3".
3.3
Nummer 2.4 Absätze 2, 3 und 4 erhalten folgende Fassung, der 4. Absatz erhält die neuen Unterpunkte 2.4.1 bis 2.4.4, die Fußnote wird gestrichen:

"Die Notwendigkeit für Abstände von Windenergieanlagen untereinander kann nur im Einzelfall aufgrund des Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme festgelegt werden. Wer sein Grundstück in zulässiger Weise baulich durch Errichtung einer Windenergieanlage nutzen will, muss berechtigte Interessen nicht schon deshalb zurückstellen, um gleichwertige fremde Interessen zu schonen. Die Windhöffigkeit gehört zum Risikobereich des Betreibers. Das BVerwG (Beschluss vom 06.12.1996 in NVwZ-RR 1997, 516) hat ausgeführt, ein Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, habe es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schaffe keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks nicht voll ausschöpfe. Um den wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage auf Dauer zu gewährleisten, wird daher eine zivilrechtliche Vereinbarung mit den Eigentümern der in Hauptwindrichtung gelegenen Grundstücke empfohlen.

Im Hinblick auf die effektive Nutzung der Gesamtfläche einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszone sind - soweit nach dem jeweiligen Sachstand möglich - dort auch noch nicht beantragte oder geplante Windenergieanlagen bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Bei jedem Einzelfall sind Gesichtspunkte des Landesinteresses (vgl. Abschnitt II dieses Erlasses), der Außenbereichsschonung (Konzentration auf engem Raum) sowie der Investitionssicherheit (Funktionsfähigkeit jeder Anlage auf Dauer) in die Abwägung einzubeziehen. Zur optimalen Ausnutzung des hereinkommenden Windes wird empfohlen, die Abstände der Windenergieanlagen untereinander als ein Vielfaches des Rotordurchmessers der jeweils geplanten Windenergieanlage zu bestimmen; Bezugspunkt ist jeweils die Mitte des Windenergieanlagenturmes: Die Windenergieanlagen sollen in einem Winkelbereich von +/- 30° zur Achse der Hauptwindrichtung vor den benachbarten Windenergieanlagen das 8fache ihres Rotordurchmessers als Abstand haben; in allen übrigen Windrichtungen das 4fache des Rotordurchmessers. Im Bereich des Übergangs von Haupt- und Nebenwindrichtung soll der Abstand mindestens das 4fache des Rotordurchmessers zur Achse der Hauptwindrichtung betragen. Die Hauptwindrichtung ist aus meteorologischen Daten oder speziellen Standortgutachten zu bestimmen. Die empfohlenen Abstände können unterschritten werden, wenn die Beteiligten sich entsprechend vertraglich einigen.

Neben der Bauordnung NW und den in Abschnitt V genannten Spezialgesetzen gibt es keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben, nach denen Windenergieanlagen bestimmte Abstände einzuhalten haben. Um gegenseitig negative Einflüsse zu vermeiden, wird jedoch empfohlen, Abstände zwischen Windenergieanlagen einerseits und Wohnsiedlungen, Freileitungen, anderen technischen Anlagen oder naturschutzrechtlich bedeutsamen Gebieten andererseits einzuhalten:

2.4.1
Abstände zu Siedlungsgebieten sind jeweils im Einzelfall zu berechnen. Es ist sicherzustellen, dass in den angrenzenden Baugebieten die jeweils maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten werden ( auf Abschnitt V Nr. 2 dieses Erlasses wird verwiesen).

Z. B. können vier Windenergieanlagen mit jeweils 1,5 Megawatt Leistung, die mit jeweils vierfachem Rotordurchmesser Entfernung nebeneinander in Hauptwindrichtung stehen, an dem in 500m Entfernung in Windrichtung gelegenen Immissionsort (Wohngebäude oder Siedlungsrand) einen Schalldruckpegel von 44 dB(A) erzeugen - ein Lärmwert, der nachts für den Außenbereich oder ein Mischgebiet noch zulässig wäre (Immissionsrichtwert nach der TA-Lärm für gemischt genutzte Gebiete 45 dB(A)). Drei vergleichbar zueinander angeordnete Windenergieanlagen mit jeweils 600 kW Leistung können am 90° zur Hauptwindrichtung gelegenen und 500 m zur nächsten Anlage entfernten Immissionsort einen Schalldruckpegel von 39 dB(A) hervorrufen, der nachts im allgemeinen Wohngebiet (40 dB(A)) noch zulässig wäre, nicht jedoch in einem reinen Wohngebiet (35 dB(A)).

2.4.2
Abstand zwischen dem äußersten ruhenden Leiter einer Freileitung und dem nächstgelegenen Punkt der Rotorfläche (Rotorblattspitze) einer Windenergieanlage:

- Freileitungen mit Nennspannungen ab 30 kV (110 kV-Gestänge)

ohne Schwingungsschutzmaßnahmen Þ dreifacher Rotordurchmesser
mit Schwingungsschutzmaßnahmen Þ einfacher Rotordurchmesser.
Aufwendungen für Schwingungsschutzmaßnahmen (Dämpfungseinrichtungen) sind nach dem Verursacherprinzip zu
tragen.

- Für Freileitungen mit Nennspannungen unter 30 kV (Mittelspannungsgestänge) können geringere Abstände vereinbart
werden, wenn sichergestellt ist, dass die Freileitung außerhalb der Nachlaufströmung der Windenergieanlage liegt.

- Für Freileitungen mit Nennspannungen von 30 kV ist der Abstand abhängig von der Bauart der Freileitung, einem typischen 110 kV- oder Mittelspannungsgestänge.

Für Freileitungen aller Spannungsebenen gilt, dass bei ungünstiger Stellung des Rotors die Blattspitze nicht in den Schutzstreifen der Freileitung ragen darf.

2.4.3
Abstände zwischen anderen technischen Anlagen und dem nächstgelegenen Punkt der Rotorflächen (Rotorblattspitze) der Windenergieanlage (WEA):

-Sendeanlagen Þ Höhe der höheren Anlage

(bei WEA einschließlich
Rotorradius)

-Richtfunkstrecken Þ beidseitig 35 m

2.4.4
Abstände zwischen naturschutzrechtlich bedeutsamen Gebieten und dem nächstgelegenen Punkt der Rotorflächen (Rotorblattspitze) der Windenergieanlage:

-Wald Þ 35 m
-Naturschutzgebiete,
Feuchtgebiete gemäß RAMSAR-Konvention,
Vogelschutzgebiete, die gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie
an die EU gemeldet sind oder gemeldet werden müssen,
Gebiete nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie,
Biotope gemäß § 62 LG/§ 20 c BNatSchG, Þ 200 m

-sofern sie insbesondere dem Schutz
bedrohter Vogelarten dienen Þ 500 m."

3.4
Nummer 3.1.1 erhält folgende Fassung:

"3.1.1 Bei der Ermittlung der Tiefe der Abstandfläche einer Windenergieanlage gilt nach der Rechtsprechung des OVG NW (Urteil vom 29.08.1997 – 7 A 629/95 – BauR 1998, 110) als "Wandhöhe" i. S. d. § 6 Abs. 4 Satz 2 BauO NW das Maß von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche. Das sich ergebende Maß ist "H". Die Abstandfläche ist eine Kreisfläche um die vertikale Achse des Mastes. Der Radius dieses Kreises und somit die Tiefe der Abstandfläche ergibt sich aus dem Maß H, multipliziert mit dem sich für das jeweilige Gebiet aus § 6 Abs. 5 BauO NW ergebenden Abminderungsfaktor (0,8/ 0,5/ 0,25). Dabei ist nicht vom Mast, sondern von dem der Nachbargrenze nächstgelegenen Punkt der Rotorfläche (OVG NW, Urteil vom 29.08.1997 a.a.O) auszugehen, d.h. grundsätzlich von der Rotorblattspitze, da das Schmalseitenprivileg des § 6 Abs. 6 BauO NW wegen der variablen Ausrichtung und der Kreisförmigkeit der Abstandfläche auf Windenergieanlagen keine Anwendung findet (OVG NW, Beschluss vom 06.07.1992, NVwZ 1993, 1007).
In Sondergebieten kann eine geringere Tiefe als 0,8 H gestattet werden, wenn die Nutzung des Sondergebietes dies rechtfertigt (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauO NW).

Die sich aus § 6 Abs. 5 Satz 4 BauO NW ergebenden Mindestgrenzabstände von 3 m gelten auch für Windenergieanlagen."

4
Abschnitt V. wird wie folgt geändert

4.1
Nummer 1.1 erhält folgende Fassung:

"1.1 Windenergieanlagen sind so zu planen und zu errichten, dass vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterlassen werden. Wird eine Anlage genehmigt, ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch hinsichtlich der Kompensationspflichten (Ausgleich/Ersatz) zu beachten. Auf § 1 a BauGB, die §§ 8 und 8 a des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), §§ 4 bis 6 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (LG) sowie auf die Nummern. 3 und 4 des Einführungserlasses zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 vom 03.03.1998 (SMBl. 2311) wird verwiesen. Der Beitrag der Windenergieanlage zur ressourcenschonenden Energieerzeugung und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist hierbei zu berücksichtigen."

4.2
In Nummer 2 wird nach dem ersten Absatz folgender neuer Absatz eingefügt:

"Nach der Rechtsprechung des OVG NW (Urteil vom 29.08.1997 - 7 A 629/95 - BauR 1998, 110) sind bei der Bewertung des Lärms tieffrequente Geräuschimmissionen zu berücksichtigen, die entstehen, wenn das Rotorblatt das durch den Mast der Windenergieanlage gestörte Windfeld durchquert. Auch lassen nach Auffassung des OVG (Beschluss vom 23.01.1998 - 7 B 2984/97 - BauR 1998, 407) die auf bloßen abstrakten Berechnungen beruhenden Herstellerangaben zum Referenzschallpegel keine verlässliche Prognose des gesamten Ausmaßes der Geräuschimmissionen zu. Bauwillige sollten den Baugenehmigungsbehörden daher gesicherte Datenblätter vorlegen, in denen unabhängige Institute das Geräuschverhalten der Anlage in allen regulären Betriebszuständen wenigstens bis zum Erreichen der Nennleistung belegen. Den Bauaufsichtsbehörden wird empfohlen, das örtlich zuständige Staatliche Umweltamt zu beteiligen, das später die Anlagen immissionsschutzrechtlich zu überwachen hat."

4.3
In Nummer 2 erhält der neue vierte (bisher dritte) Absatz folgende Fassung:

"Schädliche Umwelteinwirkungen lassen sich durch die Einhaltung erforderlicher Abstände, ggf. in Verbindung mit Standortverschiebungen oder Auflagen (Drehzahlbegrenzung, Nachtabschaltung) vermeiden (vgl. OVG NW, Beschluss vom 13.07.1998 - 7 B 956/98 - NVwZ 1998, 980), wobei unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die am wenigsten belastende Einschränkung bevorzugt werden sollte."

4.4
In Nummer 4 erhält der letzte Satz folgende Fassung:

"Hinsichtlich des Verfahrens wird auf den Gem. RdErl. des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr und des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 04.02.1997 (SMBl. NW. 911) über die Zusammenarbeit der Straßenbaubehörden und der Bauaufsichtsbehörden bei Anbauvorhaben an Straßen des überörtlichen Verkehrs (Anbauerlass) verwiesen."
Die Fußnote wird gestrichen.

4.5
Nummer 5 erhält folgende Fassung:

"5. Luftverkehrsrecht

Baubeschränkungen ergeben sich gemäß den §§ 12 bis 18 a Luftverkehrsgesetz - LuftVG -, d.h. nicht nur in der näheren Umgebung zu Flugplätzen (Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände), insbesondere bedürfen Großanlagen mit einer Bauhöhe von mehr als 100 m über Grund gemäß § 14 LuftVG der vorherigen Zustimmung der Luftfahrtbehörden."

- MBl. NW. 1998 S. 1110 -