Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 1998 Nr. 73 vom 22.12.1998 Seite 1353 bis 1366

Sprachdokumentation in Leitstellen und Befehlsstellen der Polizei
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Sprachdokumentation in Leitstellen und Befehlsstellen der Polizei

2053

Sprachdokumentation
in Leitstellen und Befehlsstellen der Polizei

RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Justiz
v. 26.11.1998 - IV C 2/D 4/A 5-6010/8435/8451

Für die Sprachdokumentation in Leitstellen und Befehlsstellen der Polizei gelten folgende Grundsätze:

1
Dokumentation von Anrufen über die Kurzrufnummern 110 und 112

Die Kurzrufnummern 110 (Polizei) und 112 (Feuerwehr/Rettungsdienst, zugleich europaweiter Notruf) sind dazu bestimmt, auf einen Notfall und damit auf das Bedürfnis nach fremder Hilfe oder auf eine erhebliche Gefahr aufmerksam zu machen (Notruf). Notfälle sind konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die den Einsatz der Polizei und/oder ggf. anderer hilfeleistender Stellen (Feuerwehr, Rettungsdienst) notwendig machen.

Darüber hinaus werden über die Kurzrufnummern 110 und 112 erfahrungsgemäß auch andere Mitteilungen der Bürger an die Polizei bzw. Feuerwehr gemacht, die inhaltlich keine Notrufe sind.

Inhalte der Anrufe,

- die bei den Leitstellen der Kreispolizeibehörden über 110 direkt eingehen,

- die über 112 bei den Rettungsleitstellen der Feuerwehren eingehen und von dort an die Polizeileitstellen weitervermittelt werden,

sind in Leitstellen der Kreispolizeibehörden auf Tonträgern aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung hat automatisch/zwangsweise mit Entgegennahme durch den Einsatzbearbeiter an der Abfrageeinrichtung zu erfolgen; die manuelle Abschaltung der zwangsweisen Aufschaltung ist technisch auszuschließen.

2
Dokumentation von Automatischen Notrufen

Der Automatische Notruf ist eine besondere Form der Auslösung und Übermittlung von Notrufen. Es handelt sich um die in Notfällen automatisch oder manuell ausgelöste Übertragung von Daten einschließlich der Standortkennung und der anschließend bereitgestellten Sprachverbindung aus Mobilfunknetzen, die nur in Verbindung mit einer eingelegten Mobilfunknetzkarte im Mobilfunkgerät aktiviert werden kann.

Die Auslösung des Automatischen Notrufs ist möglich

- automatisch (über Sensoren),

- manuell (über Tastendruck).

In beiden Fällen wird nach Auslösen eine automatische (zwangsweise) Sprachaufschaltung des Hilfesuchenden zur Notrufabfragestelle (Leitstelle der Kreispolizeibehörde oder Rettungsleitstelle der Feuerwehr) hergestellt, deren Freigabe erst dann wieder erfolgt, wenn die Notrufabfragestelle den Notruf angenommen hat.

Sprachaufschaltung sowie sprachliche Übermittlung von Zusatzdaten durch die "Servicezentrale" des Diensteanbieters werden zu den von den Kreispolizeibehörden den Diensteanbietern benannten Rufnummern der Leitstellen geroutet.

Soweit die jeweils benannte Endstelle exklusiv für den Automatischen Notruf betrieben wird, hat eine zwangsweise Aufzeichnung nach Nummer 1 zu erfolgen, in allen anderen Fällen ist nach Nummer 4 zu verfahren.

3
Dokumentation von Telefongesprächen über "Exklusivleitungen/-anschlüsse"

Soweit in Leitstellen Rufnummern betrieben werden, über die ein bestimmter Dritter (z.B. Servicezentrale eines Bewachungsunternehmens, Taxirufzentrale) Notfallmeldungen an die Polizei weitergibt, hat die Aufzeichnung nach Nummer 1 zu erfolgen.

4
Dokumentation sonstiger Telefongespräche

Für alle Telefonanschlüsse in Leitstellen von Polizeibehörden, die nicht von den Nummern 1 bis 3 erfaßt sind, ist die technische Möglichkeit für eine im Einzelfall erfolgende manuelle Aufschaltung auf Tonträger einzurichten.

Eine Aufzeichnung ist nur zulässig, soweit diese im Einzelfall zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist.

Die Aufzeichnung soll vorher angekündigt werden bzw. mit Einverständnis des Anrufers erfolgen; Ankündigung bzw. Einverständniserklärung sind sprachlich zu dokumentieren.

Telefongespräche können auch ohne Ankündigung bzw. Einverständniserklärung aufgezeichnet werden, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die anrufende Person zukünftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen und den in § 8 Abs. 3 PolG NW aufgeführten Vergehen erforderlich ist.

5
Dokumentation von Telefongesprächen in Befehlsstellen

Soweit Polizeibehörden Einsätze aus besonderem Anlaß aus den dafür vorgesehenen Räumen (Befehlsstellen oder anderen geeigneten Räumlichkeiten gem. Landesteil NRW zur PDV 100, Teil A) führen, entscheidet der Polizeiführer, welche einsatzbezogenen Telefongespräche, an denen der Führungsstab/die Führungsgruppe teilnimmt, aufzuzeichnen sind.

6
Dokumentation des Sprechfunkverkehrs

6.1
Die Polizeibehörden haben den Funkverkehr der Funkverkehrskreise automatisch/zwangsweise aufzuzeichnen, an denen die Leitstelle teilnimmt oder teilnehmen kann; die manuelle Abschaltung der zwangsweisen Aufschaltung ist technisch auszuschließen.

6.2
Soweit Polizeibehörden Einsätze aus besonderem Anlaß aus den dafür vorgesehenen Räumen (Befehlsstellen oder anderen geeigneten Räumlichkeiten gem. Landesteil NRW zur PDV 100, Teil A) führen, sind die einsatzbezogenen Funkverkehrskreise, an denen der Führungsstab/die Führungsgruppe teilnimmt oder teilnehmen kann, automatisch/ zwangsweise aufzuzeichnen; die manuelle Abschaltung der zwangsweisen Aufschaltung ist technisch auszuschließen.

7
Datenschutz

7.1
Aufbewahrung/Zugriff auf Aufzeichnungen

Aufzeichnungen sind zu katalogisieren und sicher aufzubewahren.

Der Personenkreis, der Zugriffsmöglichkeiten auf die Aufzeichnungen hat, ist eng zu begrenzen und namentlich zu bestimmen. Jeder Zugriff ist nachvollziehbar zu dokumentieren.

7.2
Löschung

Aufzeichnungen von Telefongesprächen nach Nummern 1 bis 4 sind spätestens nach einem Monat zu löschen.

Dies gilt nicht, wenn die Aufzeichnung zur Verfolgung von Straftaten benötigt wird oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die anrufende Person künftig Straftaten begehen wird und die Aufzeichnung zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen oder den in § 8 Abs. 3 PolG NW aufgeführten Vergehen erforderlich ist. Spätestens sechs Monate nach der Speicherung ist deren weitere Erforderlichkeit zu überprüfen. § 24 Abs. 5 und 6 sowie § 32 Abs. 5 und 6 PolG NW bleiben unberührt.

Aufzeichnungen von Telefongesprächen nach Nummer 5 und des Funkverkehrs (Nummer 6) sind nach einem Monat zu löschen; dies gilt nicht, wenn

- dem ein besonderes dienstliches Interesse entge- gensteht

oder

- die Aufzeichnung zur Verfolgung von Straftaten benötigt wird oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die anrufende Person künftig Straftaten begehen wird und die Aufzeichnung zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen oder den in § 8 Abs. 3 PolG NW aufgeführten Vergehen erforderlich ist. Spätestens sechs Monate nach der Speicherung ist deren weitere Erforderlichkeit zu überprüfen. § 24 Abs. 5 und 6 sowie § 32 Abs. 5 und 6 PolG NW bleiben unberührt.

Löschung bzw. dieser entgegenstehende Gründe sind zu dokumentieren.

MBl. NRW.1998 S. 1354