Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2000 Nr. 62 vom 25.10.2000 Seite 1249 bis 1258

Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 18.3.2000
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Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 18.3.2000

21220

Änderung der Berufsordnung
für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte
vom 18.3.2000

Artikel I

Die Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14.11.1998 (MBl. NRW. 1999 S. 350 / SMBl. NRW 21220) wird wie folgt geändert:

1.
In § 13 Abs. 1 wird

das Wort "beschlossen" durch das Wort "festgelegt" ersetzt.

2.
Kapitel D IV Nr. 15 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden nach den Worten "der genetischen Mutter" die Worte "sowie die intrauterine Insemination nach Stimulation" neu eingefügt.

b) Absatz 2 erhält folgende Fassung:

"(2) Eine Verpflichtung zur Mitwirkung an einer In-vitro-Fertilisation oder einem Embryotransfer besteht nicht."

3.
Die Bezeichnung "Richtlinie zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer und des intratubaren Gameten- und Embryotransfers als Behandlungsmethoden der menschlichen Sterilität gemäß § 13 und Kapitel D IV Nr. 15 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte" wird ersetzt durch die Bezeichnung "Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion gemäß § 13 und Kapitel D IV Nr. 15 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte". Diese wird wie folgt geändert:

4.
Nr. 1 wird wie folgt gefasst:

"Unter In-vitro-Fertilisation (IVF), auch als "extrakorporale Befruchtung" bezeichnet, versteht man die Vereinigung einer Eizelle mit einer Samenzelle außerhalb des Körpers. Die Einführung des Embryos in die Gebärmutterhöhle wird als Embryotransfer (ET) bezeichnet. Variationen sind die Einführung von Embryonen bzw. Zygoten in die Eileiter (Embryo-Intrafallopian-Transfer = intratubarer Embryotransfer = EIFT bzw. Gamete-Intrafallopian-Transfer = intratubarer Gametentransfer = GIFT). Unter der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) versteht man ein Verfahren, bei dem eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle injiziert wird mit dem Ziel, eine Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Die dazu verwandten männlichen Keimzellen können aus dem Ejakulat, aus dem Nebenhoden (MESA) oder aus dem Hoden (TESE) gewonnen werden (s. 3.2.1.3)."

5.
Nr. 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 werden nach dem Wort "(GIFT)" die Worte ", die intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion (ICSI) und verwandte Methoden" eingefügt und das Wort "Substitutionstherapien" durch das Wort "Therapien" sowie das Wort "Sterilität" durch das Wort "Unfruchtbarkeit" ersetzt.

b) Satz 2 wird wie folgt gefasst:

"Sie sind in geeigneten Fällen medizinisch und ethisch vertretbar, wenn bestimmte Zulassungs- und Durchführungsbedingungen eingehalten werden (s. hierzu 3. und 4.)."

6.
Nr. 3 wird wie folgt geändert:

a) In der Überschrift von Nr. 3 werden nach dem Wort "Zulassungsbedingungen" die Worte "für die assistierte Reproduktion" angefügt.

b) Nr. 3.1 wird wie folgt geändert:

ba) Die Sätze 1 und 2 erhalten folgende Fassung:

"Bei der assistierten Reproduktion handelt es sich um ein besonderes medizinisches Verfahren gem. § 13 Berufsordnung. Ärztinnen und Ärzte haben bei der Anwendung dieser Verfahren diese Richtlinien und das Embryonenschutzgesetz zu beachten."

bb) Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden Sätze 3 und 4.

bc) Der bisherige Satz 4 wird Satz 5 und erhält folgende Fassung:

"Keine Ärztin und kein Arzt kann gegen das eigene Gewissen verpflichtet werden, an einer assistierten Reproduktion mitzuwirken."

c) Nr. 3.2 wird wie folgt geändert:

ca) Nr. 3.2.1 wird wie folgt geändert:

Nach der Überschrift von Nr. 3.2.1 wird folgender Satz neu eingefügt:

"Alle Verfahren der assistierten Reproduktion sind als ultima ratio in der Sterilitätsbehandlung anzusehen und nur dann anzuwenden, wenn alle nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen diagnostischen Maßnahmen und alle sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung erschöpft sind."

cb) Nr. 3.2.1.1 erhält folgende Fassung:

"3.2.1.1
In-vitro-Fertilisation mit intrauterinem Embryotransfer (IVF und ET)

- Uneingeschränkte Indikation:

Nicht therapierbarer Tubenfunktionsverlust , höhergradige männliche Fertilitätsstörung,

- Eingeschränkte Indikation:

Formen männlicher Subfertilitätsstörungen, immunologisch bedingte Sterilität sowie tubare Funktionseinschränkungen bei Endometriose."

cc) In der Überschrift von Nr. 3.2.1.2 werden nach dem Wort "(GIFT)"die Worte "/Zygotentransfer (ZIFT), intrauterine Insemination (IUI) nach Stimulation" eingefügt.

cd) Es wird folgende Nr. 3.2.1.3 neu eingefügt:

"3.2.1.3
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion

Vor einer ICSI-Therapie muss eine genaue Anamnese, insbesondere eine Stammbaumanalyse beider Partner durchgeführt werden. Ergeben sich Hinweise auf Erkrankungen, die genetisch bedingt sein könnten, so muss eine genetische Beratung sowie evtl. eine weiterführende Diagnostik veranlasst werden.

- Indikationen:

Eine Indikation zur ICSI ist gegeben, wenn bei männlicher Subfertilität oder aufgrund anderer Gegebenheiten ( z.B. erfolglose Befruchtungsversuche) die Herbeiführung einer Schwangerschaft höchst unwahrscheinlich ist.

- Eingeschränkte Indikation:

Medikamentös oder chirurgisch nicht behebbare leichtere Grade männlicher Subfertilität."

ce) In Nr. 3.2.2 werden die Worte ", psychogene Sterilität" und die Worte "- Eingeschränkte Kontraindikation:" gestrichen. Vor dem Wort "Durch" wird ein Gedankenstrich eingefügt.

cf) Nr. 3.2.3 wird wie folgt gefasst:

"3.2.3
Elterliche Voraussetzungen

Im Rahmen einer Unfruchtbarkeitsbehandlung soll ärztlicherseits darauf hingewirkt werden, dass dem Paar eine kompetente Beratung über dessen mögliche psychische Belastung und die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Voraussetzungen zuteil wird.

Beim Einsatz der genannten Methoden dürfen nur die Eizellen der Frau befruchtet werden, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll.

Grundsätzlich darf nur Samen des Ehepartners Verwendung finden (homologes System). Die Anwendung dieser Methoden bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft darf nur nach vorheriger Beratung durch die bei der Ärztekammer eingerichtete Kommission durchgeführt werden. Die Anwendung der Methoden bei alleinstehenden Frauen und in gleichgeschlechtlichen Beziehungen ist nicht zulässig. Sollen bei der Anwendung dieser Methoden fremde Samenzellen verwendet werden, bedarf dies eines zustimmenden Votums der bei der Ärztekammer eingerichteten Kommission. Die Leiterin oder der Leiter der Arbeitsgruppe hat die notarielle Dokumentation sicherzustellen. Die Verwendung von Mischsperma ist nicht zulässig.

Die Anwendung der Methoden ist unzulässig, wenn erkennbar ist, dass die Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, ihr Kind nach der Geburt auf Dauer Dritten überlassen will (Ersatzmutterschaft)."

d) In Nr. 3.3 wird das Wort "Ehepartnern" durch das Wort "Partnern" ersetzt.

e) Nr. 3.4 wird wie folgt geändert:

ea) In Satz 3 werden die Worte "Der Inhalt des Gespräches" durch die Worte "Die erfolgte Aufklärung" und die Worte "Ehepartner" bzw. "Ehepartnern" durch die Worte "Partner" bzw. "Partnern" ersetzt.

eb) Es wird folgender Absatz neu angefügt:

"Vor Durchführung einer assistierten Reproduktion sollte die Aufklärung des Ehepaares die relevanten medizinischen, juristischen und sozialen Gesichtspunkte berücksichtigen."

f) Nr. 3.5 erhält folgende Fassung:

"3.5
Fachliche, personelle und technische Voraussetzungen als Zulassungsbedingungen

Die Zulassung zur Durchführung dieser Methoden als Therapieverfahren setzt die Erfüllung der nachstehend festgelegten fachlichen, personellen und technischen Mindestanforderungen voraus.

Die Anzeigepflicht umfasst den Nachweis, dass die sachgerechte Durchführung der erforderlichen Leistungen sowohl fachlich (Ausbildungs- und Qualifikationsnachweis) als auch personell und sachlich (räumliche und apparative Ausstattung) auf den nachstehend genannten Teilgebieten gewährleistet ist.

Dies schließt ein die Gewährleistung einer regelmäßigen Vertretungsmöglichkeit in den unter 3.5.2 genannten Teilbereichen.

3.5.1
Qualifikation der Arbeitsgruppenleiterin bzw. des Arbeitsgruppenleiters

Die Arbeitsgruppe muss von einer Frauenärztin bzw. einem Frauenarzt mit der fakultativen Weiterbildung "gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin" geleitet werden. Über die Gleichwertigkeit anderer Qualifikationen entscheidet die Ärztekammer. Der Leitung der Arbeitsgruppe obliegt die verantwortliche Überwachung der in diesen Richtlinien festgeschriebenen Maßnahmen. Die Leiterin oder der Leiter der Arbeitsgruppe müssen eine Vertretung mit gleicher Qualifikation benennen.

3.5.2
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe müssen über folgende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen:

- Endokrinologie der Reproduktion

- Gynäkologische Sonographie

- Operative Gynäkologie

- Reproduktionsbiologie mit dem Schwerpunkt der In-vitro-Kultur

- Andrologie

- psychosomatische / psychotherapeutische Versorgung

Von diesen sechs Bereichen können jeweils nur zwei Bereiche gleichzeitig von einer Ärztin bzw. einem Arzt oder einer Wissenschaftlerin bzw. einem Wissenschaftler der Arbeitsgruppe verantwortlich geführt werden. Grundsätzlich müssen andrologisch qualifizierte Ärztinnen und Ärzte (Urologen, Dermatologen, Internisten mit Schwerpunkt Endokrinologie) in Diagnostik und Therapie im Rahmen der assistierten Reproduktion integriert sein. Die regelmäßige Kooperation mit einer Humangenetikerin bzw. einem Humangenetiker muss gewährleistet sein.

3.5.3
Sachliche Voraussetzungen

Folgende Einrichtungen müssen ständig und ohne Zeitverzug verfügbar bzw. einsatzbereit sein:

- Hormonlabor

- Ultraschalldiagnostik

- Operationsbereitschaft mit Anästhesie-Team

- Labor für Spermiendiagnostik und -präparation

- Labor für In-vitro-Fertilisation, In-vitro-Kultur und ggf. Mikroinjektion,

- EDV-gestützte Datenerfassung."

7.
Nr. 4 wird wie folgt geändert:

a) Nr. 4.1 erhält folgende Fassung:

"4.1
Gewinnung von Gameten und Transfer von Gameten und Embryonen

Für die Unfruchtbarkeitsbehandlung mit den genannten Methoden dürfen maximal drei Eizellen befruchtet und drei Embryonen einzeitig auf die Mutter übertragen werden (§ 1 Abs. 1, Nr. 3 ESchG). An den zum Transfer vorgesehenen Embryonen dürfen keine Maßnahmen vorgenommen werden, die nicht unmittelbar dem Wohle des Kindes dienen.

Höhergradige Mehrlinge (mehr als Zwillinge) sollten verhindert werden, da hierbei sowohl das Leben der Mutter gefährdet, als auch die Morbidität und Mortalität der meist frühgeborenen Kinder deutlich erhöht ist. Daher sollen Schwangere mit höhergradigen Mehrlingen immer frühzeitig hospitalisiert werden.

Das Risiko, besonders für höhergradige Mehrlinge, mit allen gesundheitlichen und sozialen Problemen für Kinder und Eltern, wiegt so schwer, dass ihm das alleinige Ziel des Schwangerschaftserfolges untergeordnet werden muss. Zur Senkung des Mehrlingsrisikos müssen folglich die wesentlichen Parameter wie Alter der Mutter und Indikation zur Therapie abgewogen werden.

Die Drillingsrate nach In-vitro-Fertilisation liegt nach weltweiten Erhebungen der letzten 5 Jahre bei 4 % bis 5 % und für die intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion bei 6 % bis 7 % aller Schwangerschaften. Hierbei handelt es sich meist um Patientinnen, die jünger als 35 Jahre alt sind. Es ist deshalb anzuraten, bei Patientinnen unter 35 Jahren nur zwei Eizellen zu befruchten und zwei Embryonen zu transferieren. Wenn von dem Paar der Transfer von drei Embryonen gewünscht wird, sollte dies nach entsprechender Aufklärung über das Drillingsrisiko und die genannten damit verbundenen Gefahren dokumentiert werden.

Auch bei den übrigen verwandten Methoden dürfen ebenfalls maximal drei Pronukleusstadien oder Embryonen intratubar übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 ESchG).

Die IUI nach Stimulation ist nur zulässig, wenn im Ultraschall weniger als 3 Follikel von weniger als 15 mm und der Östrogenwert 700 pg nicht unterschreitet."

b) Nr. 4.2 wird wie folgt gefasst:

"4.2
Kryokonservierung

Die Kryokonservierung von Embryonen ist der Ärztekammer anzuzeigen. Zum Wohle des Kindes ist eine zeitlich begrenzte Kryokonservierung von Embryonen statthaft, wenn sie der Verbesserung der Implantationsbedingungen oder zur Überbrückung der Zeit bis zu einem anderen Transfer dient."

c) Nr. 4.3 wird wie folgt geändert:

In der Überschrift werden die Worte "nicht transferierten" durch das Wort "kryokonservierten" ersetzt und nach dem Wort "Embryonen" die Worte "und Vorkernen" angefügt.

d) Nr. 4.4 wird wie folgt gefasst:

"4.4
Kryokonservierung imprägnierter Eizellen

Die Kryokonservierung von Vorkernstadien ist zulässig. Die weitere Kultivierung von Eizellen im Vorkernstadium sowie die weitere Verwendung von Embryonen darf nur zum Zwecke des Transfers und nur mit schriftlicher Einwilligung der Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und des Mannes, dessen Samenzelle verwendet wird, vorgenommen werden. Es sind Vereinbarungen zu treffen, nach denen Eizellen im Vorkernstadium weder kryokonserviert noch weiter kultiviert werden dürfen, wenn dies von einem Elternteil verlangt wird oder wenn ein Elternteil verstorben ist. Die Kryokonservierung von ejakulierten, epididymalen und testikulären Spermatozoen bzw. von Hodengewebe kann durchgeführt werden. Die Ärztin / der Arzt hat eine ordnungsgemäße Dokumentation sicherzustellen."

e) In Nr. 4.5 wird die Zahl "1" vor dem Wort "Quartals" durch die Zahl "3" ersetzt und folgender neuer Satz angefügt:

"Die Ärztin / der Arzt kann hierzu die EDV-gestützte Dokumentation des DIR übersenden."

f) Nr. 4.6 wird wie folgt gefasst:

"4.6
Kommerzielle Nutzung

Es ist unzulässig, einen extrakorporal erzeugten oder einer Frau vor Abschluss einer Einnistung in die Gebärmutter entnommenen Embryo zu veräußern oder zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck abzugeben, zu erwerben oder zu verwenden. Ebenso ist es unzulässig, die Entwicklung eines Embryos zu einem andern Zweck als zu der Herbeiführung einer Schwangerschaft zu bewirken ( § 2 ESchG)."

Artikel II

Diese Änderung tritt am Tage ihrer Veröffentlichung im Rheinischen Ärzteblatt in Kraft.

Ausfertigung:

Düsseldorf, den 10. April 2000

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe
Präsident

Genehmigt:

Düsseldorf, den 21. Juli 2000

Ministerium für Frauen, Jugend,
Familie und Gesundheit
des Landes Nordrhein-Westfalen
Az: III B 3 - 0810.43 -
Im Auftrag

(Dr. Weber)

Die vorstehende Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und

Ärzte vom 18.3.2000 wird im Rheinischen Ärzteblatt bekannt gemacht.

Düsseldorf, den 01. August 2000

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe
Präsident

MBl. NRW. 2000 S. 1254