Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2001 Nr. 48 vom 6.8.2001 Seite 1015 bis 1026

Richtlinien der Landesregierung für den Härtefonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Unterstützung von Opfern des Nationalsozialismus aus Billigkeitsgründen (Härterichtlinien NRW)
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Richtlinien der Landesregierung für den Härtefonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Unterstützung von Opfern des Nationalsozialismus aus Billigkeitsgründen (Härterichtlinien NRW)

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Richtlinien
der Landesregierung für den Härtefonds
des Landes Nordrhein-Westfalen
zur Unterstützung von Opfern
des Nationalsozialismus aus Billigkeitsgründen
(Härterichtlinien NRW)

Bek. d. Innenministeriums v. 8.5.2001 -
II B 3-000 (1) Beiheft 3 a

Im Benehmen mit dem zuständigen Fachausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen erlässt die Landesregierung folgende Richtlinien:

§ 1

(1) Personen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 aus rassischen oder religiösen Gründen oder wegen ihres politischen oder ethisch begründeten Verhaltens oder aus anderen Gründen der nationalsozialistischen Ideologie verfolgt oder durch Willkürmaßnahmen nachhaltig betroffen worden sind, können aus dem Härtefonds des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel nach Maßgabe dieser Richtlinien Unterstützungen erhalten.

(2) Ein Rechtsanspruch auf die Unterstützungen besteht nicht.

(3) Leistungen nach Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsregelungen des Bundes müssen vorrangig geltend gemacht werden. Ein Antrag nach diesen Härterichtlinien kann bereits gestellt werden, bevor über Ansprüche nach den Vorschriften des Satzes 1 abschließend entschieden worden ist.

§ 2

(1) Antragsberechtigt sind von NS-Verfolgungs- oder -Willkürmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 1 unmittelbar betroffene Opfer, die bisher keine oder nur eine geringe Entschädigung erhalten haben und diese auch nicht anderweitig erhalten können.

(2) Antragsberechtigt sind ferner überlebende Ehegatten, Lebensgefährten, Kinder und Eltern, wenn diese von den gegen den Verstorbenen oder die Verstorbene gerichteten Maßnahmen oder deren Auswirkungen erheblich mitbetroffen waren. Die Zuwendungen für die einzelnen Hinterbliebenen dürfen zusammen den Betrag nicht übersteigen, der dem oder der Betroffenen zugestanden hätte.

(3) Erben werden nicht berücksichtigt.

§ 3

(1) Unterstützungen erhalten Personen, die mindestens ein Jahr vor der Antragstellung ihren Hauptwohnsitz im Land Nordrhein-Westfalen hatten und im Zeitpunkt der Leistungsgewährung noch haben. Dies gilt auch für Spätaussiedler, Asylberechtigte und sonstige nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigte Personen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Unterstützungen auch gewährt werden, wenn die berechtigte Person nach Antragstellung aus zwingenden, insbesondere gesundheitlichen oder pflegerischen Gründen ihren Hauptwohnsitz von Nordrhein-Westfalen in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland verlegt.

§ 4

(1) Die Unterstützung besteht in der Regel aus einer einmaligen Kapitalzahlung.

(2) In besonderen Ausnahmefällen kann die Unterstützung ab Antragstellung als laufende Beihilfe monatlich gewährt werden. Ein besonderer Ausnahmefall liegt insbesondere vor bei

a) einer durch NS-Unrecht im Sinne des § 1 verursachten nachhaltigen gesundheitlichen oder körperlichen Schädigung, wenn diese aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bereits behördlich anerkannt worden ist,

b) Haft in einem Konzentrationslager im Sinne des § 42 Abs. 2 BEG von mehrmonatiger Dauer,

c) Freiheitsentziehung in einer anderen Haftstätte im Sinne des § 43 Abs. 2 und 3 BEG von mindestens neun Monaten Dauer und

d) Haft unter Todesdrohung nach einem militärgerichtlichen oder standrechtlichen Verfahren oder Bewährung in einer Strafkompanie von insgesamt mindestens sechs Monaten Dauer.

(3) Die Höhe der Unterstützung ist unter Berücksichtigung von Art und Schwere der nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen und der gegenwärtigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des oder der Betroffenen zu bemessen.

(4) Wegen der Schädigung durch die NS-Gewaltherrschaft anderweitig gewährte Leistungen sind zu berücksichtigen.

§ 5

(1) Eine einmalige Kapitalzahlung kann nur gewährt werden, wenn die Nettoeinkünfte die jeweils maßgebenden Freibeträge des § 34 Abs. 3 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes (3. DV-BEG) vom 28. April 1966 (BGBl. I S. 300) in der jeweils geltenden Fassung bei Alleinstehenden um nicht mehr als 300,- DM (ab 01.01.2002 155,00 Euro), als Familieneinkommen um nicht mehr als 500,- DM (ab 01.01.2002 260,00 Euro) übersteigen. Sie beträgt höchstens 7000,- DM (ab 01.01 2002 3.600,00 Euro). Ehegatten, die beide die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 erfüllen, kann die Kapitalzahlung bis zum Höchstbetrag insgesamt einmal auch dann gewährt werden, wenn die Gesamtnettoeinkünfte zwar den maßgebenden Freibetrag für Familieneinkommen, nicht jedoch das Zweifache des Freibetrages für Alleinstehende nach Satz 1 übersteigen.

(2) Eine laufende Beihilfe kann nur gewährt werden, wenn und solange die Nettoeinkünfte die jeweils maßgebenden Freibeträge des § 34 Abs. 3 der 3. DV-BEG bei Alleinstehenden um nicht mehr als 300,00 DM (ab 01.01.2002 155,00 Euro), als Familieneinkommen um nicht mehr als 500,00 DM ( ab 01.01.2002 260,00 Euro) übersteigen. Sie kann bis zu 500,00 DM (ab 01.01.2002 260,00 Euro) monatlich betragen.

§ 6

Bei außergewöhnlichen Umständen können Unterstützungen abweichend von den in § 5 genannten Voraussetzungen gewährt werden.

§ 7

(1) Die Unterstützungen sind höchstpersönlicher Natur und daher nicht übertragbar. Sie werden dem oder der Berechtigten unmittelbar gezahlt und sind als laufende Beihilfen jederzeit widerruflich. Im Falle des Todes des Berechtigten nach Antragstellung können einmalige Kapitalzahlungen dem hinterbliebenen Ehegatten oder dem in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebensgefährten, ersatzweise den Kindern des oder der Verstorbenen ausgezahlt werden.

(2) Das Land Nordrhein-Westfalen gewährt die Unterstützungen in Ansehung des durch den Nationalsozialismus begangenen unermesslichen Unrechts aus sozialen Erwägungen. Sie sollen nicht zur Minderung der Einkünfte führen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht.

§ 8

(1) Die Unterstützungen werden nur auf Antrag gewährt.

(2) Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung sind unter Beifügung von geeigneten Unterlagen glaubhaft zu machen.

(3) Der Antrag ist bei der Bezirksregierung Düsseldorf schriftlich zu stellen. Antragsvordrucke und Abdrucke dieser Richtlinien werden den Antragstellern von dort zur Verfügung gestellt.

(4) Die Bezirksregierung Düsseldorf hat vor der Entscheidung über den Antrag den Beirat zu hören und dessen Votum zu beachten.

(5) Die Bezirksregierung Düsseldorf entscheidet durch Verwaltungsakt, der dem Sinn und Zweck der Härterichtlinien und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu entsprechen hat. Die Entscheidung ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

§ 9

(1) Es wird ein Beirat gebildet.

(2) Der Beirat besteht aus sechs Mitgliedern, die zu Beginn einer jeden Legislaturperiode des Landtags vom zuständigen Fachausschuss des Landtags benannt werden. Sie üben ihre Tätigkeit bis zur Benennung neuer Mitglieder aus.

(3) An den Beratungen des Beirats nimmt ein Vertreter der Bezirksregierung Düsseldorf teil.

(4) Der Beirat kann sich eine Geschäftsordnung geben.

(5) Die Mitglieder des Beirats werden ehrenamtlich tätig. Sie erhalten ausschließlich Fahrkostenersatz in entsprechender Anwendung des Landesreisekostengesetzes.

§ 10

Die bei der Durchführung dieser Richtlinien entstehenden Sach- und Personalkosten werden aus dem Kapitel 03 310 des Landeshaushalts bestritten.

Diese Richtlinien treten mit Wirkung vom 1. Januar 2001 in Kraft. Mit gleicher Wirkung werden die mit Bekanntmachung des Innenministeriums vom 11.6.1996 (SMBl. NRW. 25) veröffentlichten Richtlinien aufgehoben.

- MBl. NRW. 2001 S. 1019