Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2001 Nr. 48 vom 6.8.2001 Seite 1015 bis 1026

Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft (§ 57 AuslG)
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Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft (§ 57 AuslG)

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Richtlinien
zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft
(§ 57 AuslG)

RdErl. d. Innenministeriums v. 8.5.2001 - I B 1 /VI.4.1.1

Mein RdErl. v. 25.4.1996 (MBl. NW. 1996 S. 942) wird wie folgt geändert:

1
In Ziffer 1.1 wird folgender neuer Absatz vorangestellt:

"Der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit erfordert in Verbindung mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen für eine Anordnung von Abschiebungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Dieses Verfassungsgebot zwingt dazu, das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung und den Freiheitsanspruch des Betroffenen als wechselseitige Korrektive zu sehen und gegeneinander abzuwägen; dabei ist auch zu bedenken, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften mit zunehmender Dauer der Haft regelmäßig vergrößern wird. Insoweit erweist sich bereits bei der ersten Beantragung von Abschiebungshaft § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG als einfachgesetzliche Ausprägung des in diesem Sinne verstandenen Verhältmäßigkeitsgrundsatzes für den Fall der Ungewissheit darüber, ob die Haft tatsächlich erforderlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 15.12.2000 - 2 BVR 347/00). "

2
Ziffer 1.2 wird um folgende Sätze ergänzt:

"Das Unterlassen notwendiger Mitwirkungshandlungen für die Ausstellung von Passersatzpapieren ist für sich allein weder beim Erstantrag auf Abschiebungshaft noch beim Verlängerungsantrag ein Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 AuslG.

Die Weigerung der Unterzeichnung einer sogenannten Freiwilligkeitserklärung stellt keinen Verstoß gegen die der Ausländerin / dem Ausländer obliegende Mitwirkungspflicht dar (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.2.2001 - 19 W 20/01)."

3
Ziffer 2.2.2. wird um folgenden Satz ergänzt:

"Bei der Inhaftierung von Personen unter 18 Jahren ist das nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) zuständige Jugendamt, mit Blick auf § 86d KJHG jedenfalls auch das Jugendamt am Haftort, unverzüglich zu benachrichtigen und ggf. über die für die Ausländerbehörde maßgebenden Fakten zur Altersbestimmung zu unterrichten. "

4
Als neue Ziffer 3.2.1.4 wird eingefügt:

"Befindet sich die Ausländerin / der Ausländer in Untersuchungshaft, Strafhaft, Vorbereitungshaft oder Sicherungshaft (bei Vorliegen des Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nur, wenn sie/er sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat), steht die Asylantragstellung der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Die Abschiebungshaft endet erst mit der Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, der Asylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt (§ 14 Abs. 4 AsylVfG)."

5
Die bisherige Ziffer 3.2.1.4 wird Ziffer 3.2.1.5

6
Ziffer 3.2.3 wird um folgenden Absatz ergänzt:

"Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, regelmäßig und insbesondere bei Bekanntweden neuer Tatsachen unabhängig von Haftverlängerungsanträgen stets zu prüfen, ob einer der Haftgründe gem. § 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG, auf die sich der Abschiebungshaftbeschluss stützt, für die Fortsetzung der Abschiebungshaft noch vorliegt. Sollte ein solcher Haftgrund nicht mehr vorliegen und auch kein anderer Haftgrund bestehen, aufgrund dessen ein neuer Abschiebungshaftbeschluss des zuständigen Amtsgerichts erwirkt werden muss, ist unverzüglich die Entlassung der Ausländerin /des Ausländers aus der Abschiebungshaft zu veranlassen."

7
Ziffer 3.2.3.5 Satz 4 wird durch folgende Sätze 4 und 5 ersetzt:

"So muss sich etwa aus Erklärungen oder dem Verhalten der Ausländerin / des Ausländers oder aus sonstigen konkreten Umständen (z.B. Mehrfachantragsteller/in, bereits frühere Entziehung von der Abschiebung , bereits frühere Vereitelung der Abschiebung durch gewaltbereites Verhalten) ergeben, dass sie / er ihre / seine Abschiebung in einer Weise behindern werde, die nicht durch einfachen Zwang überwunden werden kann. Insgesamt muss also der Verdacht bestehen, dass die Abschiebung ohne Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen nicht durchgeführt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.6.1997 - 3 Wx 276/97)."

8
In Ziffer 3.3 Zeilen 1 und 17 werden jeweils
die Worte "eine Woche" durch die Worte "zwei Wochen" ersetzt.

9
In Ziffer 4.2.1 Absatz 2 wird

der Klammerzusatz "z.B. Stellung eines Asylantrages" gestrichen.

10
In Ziffer 4.3.1 wird

das erste Wort "Siehe" durch das Wort "Seine" ersetzt.

11
Ziffer 4.3.1 wird um folgenden Absatz ergänzt:

"Das Tatbestandsmerkmal "Verhindern der Abschiebung" liegt nicht vor, wenn die Ausländerin / der Ausländer allen ihren / seinen Mitwirkungspflichten, die für den Vollzug der Abschiebung erforderlich sind (insbesondere Angabe der richtigen Staatsangehörigkeit und Identität sowie Ausfüllen und Unterschreiben der Passersatzpapiere), nachgekommen ist und sich lediglich weigert, eine ausdrückliche Erklärung, freiwillig auszureisen, zu unterschreiben. "

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Ziffer 5.1.3 Satz 2 erhält folgende Fassung:

"In diesem Bericht ist insbesondere darzulegen,

- ob der Inhalt der Haftanträge den Vorgaben der Ziffer 2.1 entspricht,

- warum die Abschiebung bislang nicht durchgeführt werde konnte,

- warum ein Absehen von (Ziffer 2.2) oder eine Vermeidung (Ziffer 2.3) der Abschiebungshaft nicht möglich ist,

- warum eine Aufhebung der Abschiebungshaft (Ziffer 4.2.2) nicht in Betracht kommt,

- welche Haftgründe vorliegen und warum die Abschiebung nur durch die Abschiebungshaft gesichert werden kann,

- ob die Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft - besonders mit Blick auf die Erfolgsaussicht der Erlangung von Passersatzpapieren - noch zweckmäßig ist."

MBl. NRW. 2001 S. 1021