Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2001 Nr. 83 vom 21.12.2001 Seite 1609 bis 1620

Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder
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Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder

I.

216

Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder

Bek. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit
v. 12.7.2001 - IV A 2 - 6001.20.4/StG

Die nachstehende Vereinbarung wird hiermit bekanntgemacht:

Vereinbarung
zur Ausgestaltung des § 9 Abs. 4 GTK
- Budgetvereinbarung - BV

Präambel

Zur Erfüllung des Auftrages, ein verlässliches, am Wohl des Kindes und den Wünschen der Erziehungsberechtigten orientiertes Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot in den Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen zu schaffen, und in Umsetzung des Auftrages, der sich aus § 9 Abs. 4 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) ergibt, schließen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die kommunalen Spitzenverbände als Zentralstellen der Trägerzusammenschlüsse von Tageseinrichtungen für Kinder mit dem Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit als Oberster Landesjugendbehörde die nachfolgende Rahmenvereinbarung.

Nach § 9 Abs. 4 GTK soll sich ab dem 1. August 2001 die Öffnungszeit der Tageseinrichtungen für Kinder als wöchentliches Budget bestimmen, dem einrichtungs- und gruppenspezifisch Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden zugeordnet werden. Hierdurch soll ermöglicht werden, die Angebotsstruktur der Tageseinrichtungen zu flexibilisieren. Voraussetzung hierfür ist eine Vereinbarung der Zentralstellen der Trägerzusammenschlüsse der Freien und Öffentlichen Jugendhilfe und der Obersten Landesjugendbehörde unter Mitwirkung der überörtlichen Träger der Öffentlichen Jugendhilfe über die Ausgestaltung des § 9 Abs. 4 GTK.

Die Vertragspartner sind sich bewusst, dass eine abschließende Evaluation der Erprobungsmaßnahmen gem. § 21 Abs. 1 GTK noch aussteht. Sie gehen jedoch davon aus, dass die vereinbarten Rahmenbedingungen eine Vielzahl von Erprobungen berücksichtigen und eine Weiterführung ermöglichen. Sofern sich aus der anstehenden Evaluation ergibt, dass eine Ergänzung sinnvoll und notwendig ist, so streben die Vertragspartner eine Ergänzungsvereinbarung an.

§ 1
Budget

(1) Ab dem 1. August 2001 bestimmt sich die wöchentliche Öffnungszeit der Tageseinrichtungen für Kinder als Budget, dem einrichtungs- und gruppenspezifisch Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden zugeordnet sind (Budget).

(2) Das Budget soll dem Träger der Einrichtung (Träger) ermöglichen, insbesondere zur Berücksichtigung des Kindeswohls und der Elternwünsche bei der bedarfsgerechten Ausgestaltung des Angebots in eigener Verantwortung flexibel auf veränderte Bedarfssituationen zu reagieren.

§ 2
Zeitlicher Umfang des Budgets

Die dem Budget der Einrichtung zu Grunde liegende wöchentliche Öffnungszeit beträgt 35 Stunden. Bei Einrichtungen mit Tagesstättenbetrieb oder mit Betreuung einzelner Kindergartenkinder über Mittag beträgt sie 42,5 Stunden. Abweichungen auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 bis 3 GTK sind zulässig; sie sind dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) mitzuteilen. Kostenwirksame Überschreitungen bedürfen der Zustimmung des zuständigen überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (Landesjugendamt).

§ 3
Zuordnung von Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden

(1) Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden werden dem Budget einrichtungsbezogen auf der Basis der Verordnung zur Regelung der Gruppenstärken und über die Betriebskosten nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (Betriebskostenverordnung – BKVO) vom 11. März 1994 (GV. NRW. S. 144), geändert durch Verordnung vom 17. Dezember 1998 (GV. NRW. S. 706), sowie der Vereinbarung über die Eignungsvoraussetzungen der in Tageseinrichtungen für Kinder tätigen Kräfte vom 17. Februar 1992 (Personalvereinbarung) zugeordnet. Für die Tageseinrichtungen für Kinder in öffentlicher Trägerschaft gilt die Personalvereinbarung nur insoweit, als die die Betriebserlaubnis erteilenden Stellen die Personalvereinbarung aus Gründen der Gleichbehandlung auf alle Einrichtungen anwenden müssen.

(2) Die Zuordnung erfolgt - ausgehend von der am 1. August 2001 nach der BKVO möglichen Personalbesetzung - auf der Grundlage einer Angebotsbeschreibung des Trägers und der zum Beginn des Kindergartenjahres aufgenommenen oder bis zum 1. November des Jahres aufzunehmenden Kinder zwischen dem Träger und dem Jugendamt für ein Kindergartenjahr im Voraus. Bei Bedarf ist eine Anpassung auf Antrag des Trägers möglich.

§ 4
Berücksichtigung der vom Träger geschaffenen Angebotsstruktur

(1) Dem Budget liegt die Zahl der Plätze für die unterschiedlichen Altersgruppen sowie Zahl und Art der Gruppen zu Grunde, die sich aus der geltenden Betriebserlaubnis ergeben.

(2) Es können abweichend von der geltenden Betriebserlaubnis 10 % der Plätze der Einrichtung von Kindern einer anderen Altersgruppe belegt werden; der Träger teilt dem Landesjugendamt die Veränderungen des Angebotes mit. Im Einzelfall, insbesondere wenn freie Plätze in anderen Einrichtungen in zumutbarer Entfernung von der Wohnung der Kinder nicht zur Verfügung stehen, können mit Zustimmung des Landesjugendamtes auch mehr als 10 % der Plätze der Einrichtung abweichend von der geltenden Betriebserlaubnis von Kindern anderer Altersgruppen vorübergehend belegt werden. Die Aufnahme von Kindern im Alter von über zwei Jahren bedarf keiner Zustimmung, die Aufnahme von Kindern im Alter von einem Jahr bis unter zwei Jahren bedarf der Zustimmung des Landesjugendamtes. Für Kinder im Alter von unter einem Jahr findet diese Vereinbarung keine Anwendung.

(3) Voraussetzung für die Aufnahme von Kindern nach Absatz 2 ist, dass das bestehende Raumprogramm die Veränderung zulässt. Kindergartenplätze dürfen von Kindern anderer Altersgruppen nur belegt werden, wenn der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz in dem vom Jugendamt festgelegten Versorgungsbereich gewährleistet ist. Die Maßnahme muss mit der örtlichen Jugendhilfeplanung im Einklang stehen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen in den Sätzen 2 und 3 muss der Träger eine Bestätigung des Jugendamtes beifügen.

(4) Eine Veränderung der Zuordnung von Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden erfolgt in den Fällen des Absatz 2 nicht. Vor der Aufnahme von Kindern anderer Altersgruppen ist eine sorgfältige Prüfung erforderlich, die sich am Wohl des Kindes und dem Bedarf der Familien orientiert. Dadurch sollen Rahmenbedingungen gewährleistet werden, die vorgenannten Zielen dienen.

Insbesondere bei der Aufnahme von Kindern im Alter von einem Jahr bis unter zwei Jahren in Kindergartengruppen soll vom Landesjugendamt geprüft werden:

  1. die Konzeption für die pädagogische Arbeit mit den Kindern in dieser Gruppe,
  2. das Verhältnis der Kinderzahl zu der Zahl der pädagogisch tätigen Kräfte,
  3. die räumliche Situation in der Einrichtung auf Rückzugsmöglichkeiten,
  4. die Absicherung des pflegerischen Aufwandes für die Versorgung der Kinder und
  5. die altersgemäße Ausstattung mit Mobiliar und Spielmaterial.

(5) Die Aufnahme eines Kindes im Alter von einem Jahr bis unter zwei Jahren an Stelle eines Kindergartenkindes zählt wie die Aufnahme von drei, die Aufnahme eines Kindes von zwei bis unter drei Jahren wie die Aufnahme von 2,5 Kindergartenkinder. In allen anderen Fällen ist der Umrechnungsfaktor 1. Die sich aus der Multiplikation ergebende Zahl ist nach oben aufzurunden.

(6) Ergibt sich auf Grund der nach Absatz 2 aufzunehmenden Kinder anderer Altersgruppen eine neue Art der Gruppe gemäß § 3 BKVO, dann kann dem nur durch eine Umwandlung Rechnung getragen werden, die der Zustimmung des Landesjugendamtes bedarf.

§ 5
Berücksichtigung von Elternwünschen

(1) Gemäß § 24 i.V.m. § 5 SGB VIII sowie § 10 i.V.m. § 9 Abs. 4 GTK sind die Wünsche der Eltern und anderer Erziehungsberechtigter (Elternwünsche) zu berücksichtigen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen, insbesondere die Verpflichtung, Kinder vor Gefahren für ihr Wohl nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII zu schützen, bleiben hiervon unberührt. Für die Berücksichtigung von Elternwünschen zur Öffnungszeit gilt § 9 Abs. 2 und 3 GTK, wenn die Kinder bereits in der Einrichtung aufgenommen sind.

(2) Zur Berücksichtigung von Elternwünschen neu aufzunehmender Kinder wird Folgendes vereinbart:

- Der Träger erhebt und dokumentiert die Elternwünsche bei der Anmeldung der Kinder.

- Der Träger klärt, inwieweit er den Wünschen im Rahmen oder durch Anpassung seines Angebotes gerecht werden kann.

- Elternwünsche, denen der Träger nicht entsprechen kann, werden in Absprache mit den Erziehungsberechtigten an das zuständige Jugendamt weitergegeben mit dem Ziel, sie in einer anderen Einrichtung zu erfüllen.

(3) Das Verfahren zur Behandlung von Elternwünschen, denen der Träger nicht entsprechen kann, legt das Jugendamt in Abstimmung mit den Einrichtungsträgern fest. Insbesondere sammelt es die Elternwünsche, die in dem in Absatz 2 beschriebenen Verfahren nicht erfüllt werden können, dokumentiert sie und wertet sie aus.

§ 6
Geltungsbereich

Die Vereinbarung gilt für alle Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen, deren Träger den nachgenannten Zentralstellen der Trägerzusammenschlüsse angehören.

§ 7
Übergangsvorschriften

Das Budget gilt zum 1. August 2001 ohne Antrag des Trägers auf der Grundlage der gültigen Betriebserlaubnis und der bisherigen Öffnungszeiten der Einrichtung als eingeführt.

§ 8
Geltungsdauer

Die Vereinbarung gilt bis zum 31. Juli 2005. Nach Ablauf dieser Zeit verlängert sich ihre Geltungsdauer jeweils um ein Jahr, sofern nicht von einem der beteiligten Spitzenverbände der Freien und Öffentlichen Jugendhilfe oder der Obersten Landesjugendbehörde mindestens sechs Monate vor Ablauf der Frist allen Beteiligten schriftlich mitgeteilt wird, dass die Geltungsdauer der Vereinbarung sich nicht verlängern soll.

Düsseldorf, den 29. Juni 2001

Die Ministerin für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit
Birgit Fischer

Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.
Burkard Schröders

Caritasverband für das Bistum Essen e.V.
Andreas Meiwes

Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.
Dr. Winfried Risse

Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.
Volker Odenbach

Caritasverband für die Diözese Münster e.V.
HeinzJosef Kessmann

Diakonisches Werk der Ev. Kirche im Rheinland
Dr. Reinhard Witschke
Dr. Moritz Linzbach

Diakonisches Werk der Ev. Kirche von Westfalen
Günther Barenhoff

Diakonisches Werk der Lippischen Landeskirche
Jürgen Dittrich
Dr. Arno Schillberg

Der Paritätische Landesverband e.V. NW
Günter Czytrich
Helga Hege

Arbeiterwohlfahrt – Bezirksverband Niederrhein e.V.
Erwin Knebel

Arbeiterwohlfahrt – Bezirksverband Mittelrhein e.V.
Erich Hartlich

Arbeiterwohlfahrt – Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe e.V.
Wolfgang Stadler

Arbeiterwohlfahrt – Bezirksverband westliches Westfalen e.V.
Wolfgang Altenbernd

Deutsches Rotes Kreuz – Landesverband Nordrhein
Detlef Schmidt

Deutsches Rotes Kreuz – Landesverband Westfalen-Lippe
Anne Fritz

Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein KdöR
Michael Szentei-Heise

Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen KdöR
Michael Szentei-Heise

Städtetag Nordrhein-Westfalen
Dr. Stephan Articus

Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen
Friedrich Wilhelm Heinrichs

Landkreistag Nordrhein-Westfalen
Dr. Alexander Schink

Protokollnotizen

- Die Vertragspartner sind sich einig in der Bewertung, dass Umwandlungen von Kindergartengruppen in altersgemischte Gruppen weiterhin möglich bleiben.

- Die Vertreter der LAG freie Wohlfahrtspflege erklären: Durch die hier beschriebene Flexibilisierungsmöglichkeit werden zusätzliche Altersgruppen versorgt. Damit werden keine zusätzlichen Einsparungen erwirtschaftet, sondern dem drängenden Bedarf an Betreuungsangeboten anderer Altersstufen wird kostenneutral entsprochen. Dies kann einer möglichen weiteren Absenkung der Trägeranteile nach § 18 a GTK nicht entgegengerechnet werden.

MBl. NRW. 2001 S. 1610