Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 51 vom 30.9.2002 Seite 1001 bis 1018
Zulässigkeit von Biogasanlagen, Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren |
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Zulässigkeit von Biogasanlagen, Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren
I.
7129
Zulässigkeit von Biogasanlagen,
Immissionsschutzrechtliches und Bau- Genehmigungsverfahren
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
– II-5 –2289.64.10 / V-7 – 8851.1.6/4
u. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport
- II A 1.901.34 –
v. 23.1.2002
Die Prüfung, ob
eine Biogasanlage insbesondere den immissionsschutzrechtlichen,
abfallrechtlichen, baurechtlichen u.a. Bestimmungen
entspricht, erfolgt in einem Baugenehmigungsverfahren oder - soweit die Anlagen
bestimmte Kriterien erfüllen - in einem immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Die Genehmigung nach
dem BImSchG schließt die Baugenehmigung ein (§ 13 BImSchG, § 63 Abs. 2 BauO NRW);
bei der Baugenehmigung hat die Bauaufsichtsbehörde sicherzustellen, dass von
baulichen Anlagen keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen ausgehen (§ 16
BauO NRW).
1
Immissionsschutzrechtliches Verfahren
Im Rahmen des
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist im Einzelfall zu
entscheiden, ob die Anlagen im förmlichen Verfahren mit
Öffentlichkeitsbeteiligung oder im vereinfachten Verfahren zu genehmigen sind.
Biogasanlagen
sind gem. Nr. 8.6 des Anhangs zur 4.BImschV nach deren Novellierung durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz
vom 27. Juli 2001 in einem immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren zu genehmigen, wenn die Durchsatzleistung von 10 Tonnen
je Tag nicht besonders überwachungsbedürftiger Abfälle bzw. 1 Tonne je Tag
besonders überwachungsbedürftiger Abfälle, auf die die Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)
Anwendung finden, überschritten wird.
Biogasanlagen
sind, auch bei Unterschreitung der vorgenannten Durchsatzleistungen, in einem
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu genehmigen, wenn sie als
Nebeneinrichtung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4.BImSchV
im Zusammenhang mit einer nach dem BImSchG
genehmigungsbedürftigen Anlage betrieben werden. In diesen Fällen ist im
Einzelnen zu prüfen, ob ein förmliches oder ein vereinfachtes
Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Dies kann u.a.
im Zusammenhang mit nachstehenden Anlagenarten möglich sein:
-
genehmigungsbedürftige Tierhaltungsbetriebe (Nr. 7.1 des Anhangs der 4.BImSchV)
oder
- genehmigungsbedürftige Anlagen zur Lagerung von Gülle mit einem Fassungsvermögen von 2500 Kubikmetern oder mehr (Nr. 9.36 des Anhangs der 4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige
Verbrennungsmotoranlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt oder
mehr (Nr. 1.4 des Anhangs der 4.BImSchV) oder
- genehmigungsbedürftige Gasturbinenanlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt oder mehr (Nr. 1.5 des Anhangs der 4.BImSchV) oder
-
genehmigungsbedürftige Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von besonders
überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die die Vorschriften des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)
Anwendung finden, mit einer Aufnahmekapazität von 1 Tonne oder mehr je Tag oder
einer Gesamtlagerkapazität von 30 Tonnen oder mehr bzw. zur zeitweiligen
Lagerung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die die
Vorschriften des KrW-/AbfG Anwendung finden, mit
einer Aufnahmekapazität von 10 Tonnen oder mehr je Tag oder einer
Gesamtlagerkapazität von 100 Tonnen oder mehr (Nr. 8.12 des Anhangs der
4.BImSchV).
Auf Nr. 9 der Verwaltungsvorschriften zum
Bundes-Immissionsschutzgesetz (Gem. RdErl. v.
01.09.2000, MBl. NRW. S. 1180 / SMBl. NRW. 7129) wird verwiesen.
Bei der Genehmigung sind die abfall- und düngerechtlichen
Vorschriften zu beachten. Hierzu erfolgt gesonderte Regelung.
Baugenehmigungsverfahren
Soweit die beantragte
Biogasanlage keine selbständig immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige
Anlage darstellt und die Anlage auch nicht als Nebeneinrichtung zu einer
genehmigungsbedürftigen Anlage zu qualifizieren ist, ist ein
Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
Auf Nr. 54.35 der Verwaltungsvorschriften zur Landesbauordnung (RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und
Sport v. 12.10.2000, MBl. NRW. S. 1432 / SMBl. NRW. 23210) wird verwiesen.
3.2
im Außenbereich nach § 35 BauGB
Im Außenbereich kann eine Biogasanlage gemäß
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als untergeordnete Nebenanlage oder als durch die
Hauptanlage mitgezogene privilegierte Anlage zulässig sein; sie muss der
Hauptanlage (dem landwirtschaftlichen Betrieb) räumlich und funktional
zugeordnet sein und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche
einnehmen.
Eine
Biogasanlage kann im Einzelfall als untergeordnete Nebenanlage mehreren
landwirtschaftlichen Betrieben dienen, wenn die räumlichen Voraussetzungen
vorliegen. An einer räumlichen Zuordnung fehlt es nicht, wenn die mit
dem Vorhaben zu bebauende Fläche an die Hoffläche angrenzt (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 26.03.1998 – 10 A 6263/96); in der Regel wird es
ausreichen, wenn die beteiligten Betriebe eine gemeinsame Grenze haben.
Die funktionale Zuordnung ist ggf. durch eine
Nebenbestimmung zur Baugenehmigung nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG NRW) auf Dauer sicherzustellen.
Eine
Biogasanlage kann auch untergeordnete Nebenanlage sonstiger im Außenbereich
zulässigerweise gemäß § 35 Abs. 1 BauGB errichteter Betriebe sein, z.B.
- eines
Gartenbaubetriebes nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB,
-
eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausnahmsweise im Außenbereich privilegiert
zulässigen Betriebes (z.B. Landgasthof).
Die Biogasanlage kann im
Einzelfall gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB als selbständige Anlage oder gemäß §
35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB im Wege der begünstigten Nutzungsänderung
landwirtschaftlicher Gebäudeteile zulässig sein.
Biogasanlagen sind im Außenbereich
nur zulässig, wenn ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine
ausreichende Erschließung gesichert ist.
3.2.1
Untergeordnete Nebenanlage
Eine dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Funktion einer
Biogasanlage im Sinne von § 35 Absatz 1 Nr. 1 BauGB ist gegeben, wenn weniger
als 50% der erzeugten Energie in das öffentliche Netz eingespeist wird. In die
Berechnung der erzeugten Energie sind Strom- und Wärmeerzeugung einzubeziehen,
jedoch nur mit den tatsächlich genutzten Anteilen. Nicht verbrauchte
Energieanteile (insbesondere der Wärmeanteile) bleiben unberücksichtigt. Der Betrieb des Antragstellers muss insgesamt noch als
landwirtschaftlicher Betrieb angesehen werden können; das Vorhaben muss durch
die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt sein (BVerwG, Urt. v. 03.11.1972 BauR
1973,101). Die Energiegewinnung muss gegenüber der Landwirtschaft
bodenrechtliche Nebensache bleiben (vgl. BVerwG BauR 1985, 545; DÖV 1999,32).
3.2.2
Mitgezogene Privilegierung bei landwirtschaftseigenen Einsatzstoffen
Eine sog. "mitgezogene Privilegierung" setzt voraus, dass das zur
Vergärung eingesetzte Material überwiegend (mindestens 51%) betriebseigenen
Ursprungs ist. Der Einsatz nicht-betriebseigener Stoffe landwirtschaftlichen
Ursprungs (z.B. Gülle, Rübenschnitzel, Kartoffelschlempe,
sog. Ausputzgetreide) bis zu einem Anteil von 49% steht einer Privilegierung
nicht entgegen. Die dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Funktion folgt
aus dem Umstand, dass die Gärrückstände im Sinne eines weitgehend geschlossenen
Nährstoffkreislaufes auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen als
Düngemittel verwertet werden. Durch die Vorgänge wird der Düngewert erheblich
verbessert (bessere Fließfähigkeit, Reduzierung von Geruchs- und
Ammoniakemissionen).
Die Zugabe nicht-betriebseigener Kofermente
ohne landwirtschaftlichen Ursprung (z.B. Speiseabfälle, Inhalte von
Fettabscheidern und Flotate) steht
einer mitgezogenen Privilegierung dann nicht entgegen, wenn
- sie in einer unbedeutenden Menge
erfolgt (vgl. VG Arnsberg, Beschl. vom 04.12.1998 - 4
L 1898/98 - NVwZ-RR 2000, 12 ff),
- ein vernünftiger Landwirt unter
Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses
Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden
Betrieb errichten würde (vgl. BVerwG, DVBl. 1973, 643) und
- die aus der Vergärung dieses Anteils resultierenden Einkünfte nicht überwiegend zum Einkommen des Landwirtes beitragen.