Ministerialblatt (MBl. NRW.) Ausgabe 2002 Nr. 59 vom 29.11.2002 Seite 1197 bis 1222
Kriminalitätsvorbeugung Gem. RdErl. d. Innenministeriums – 42.1 – 2750 -, d. Justizministeriums – 4201 – III A. 10 -, d. Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie – 324 – 4370.8.1 -, d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung – III B 4 -, d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport – I A 3 – 4291 -, u. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit - IV 2 – 6304.4.1 - v. 5.11.2002
Kriminalitätsvorbeugung Gem. RdErl. d. Innenministeriums – 42.1 – 2750 -, d. Justizministeriums – 4201 – III A. 10 -, d. Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie – 324 – 4370.8.1 -, d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung – III B 4 -, d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport – I A 3 – 4291 -, u. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit - IV 2 – 6304.4.1 - v. 5.11.2002
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Kriminalitätsvorbeugung
Gem. RdErl. d.
Innenministeriums – 42.1 – 2750 -,
d. Justizministeriums – 4201 – III A. 10 -,
d. Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie – 324 –
4370.8.1 -,
d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung– III B 4 -,
d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport– I A 3 – 4291 -,
u. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit- IV 2 – 6304.4.1 -
v. 5.11.2002
Inhaltsübersicht
1Kriminalitätsvorbeugung
als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
3Zuständige
Behörden, staatliche Einrichtungen und ihre Aufgaben
3.1Polizei
3.2Justiz
3.3Schule
3.4Jugendamt
3.5Kommunen
4Besondere
Präventionsaufgaben
4.1Förderung von Kindern und
Jugendlichen
4.2Gewalt-
und Suchtprävention
5Opferschutz
/ Opferhilfe
6Fortbildung
7Geltungsdauer
1
Kriminalitätsvorbeugung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Kriminalitätsvorbeugung
ist eine Aufgabe der Gesellschaft. Sie erfordert Partnerschaften auf vielen Ebenen
und die intensive Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Gruppen sowie
staatlichen und privaten Institutionen und Einrichtungen.
Die Ursachen
von Kriminalität liegen sowohl in der Persönlichkeit des Täters, in den
sozialen Lebensbedingungen als auch in den vorhandenen
Tatgelegenheitsstrukturen begründet.
Kriminalprävention
zielt insofern auf die Verhinderung von Straftaten durch
Persönlichkeitsentwicklung, auf den Abbau sozialer Benachteiligungen und auf
die Reduzierung von Tatgelegenheiten.
Kriminalitätsängste
von Menschen müssen dabei ernst genommen und in Präventionsüberlegungen
einbezogen werden.
Kriminalitätsvorbeugung
muss ursachenorientiert ausgerichtet sein. Dies erfordert frühzeitig
einsetzende, langfristig und kontinuierlich durchgeführte integrative Konzepte,
in denen nicht nur die Polizei, sondern auch die Justiz und deren soziale
Dienste, die Träger der Kinder- und Jugendhilfe, die Schulen, die Kirchen,
Vereine und Verbände, die Wirtschaft, die Medien sowie weitere gesellschaftlich
relevante Gruppen und letztlich die Bevölkerung selbst Verantwortung tragen und
ihre spezifischen Beiträge leisten müssen.
So
verstandene Kriminalitätsvorbeugung umfasst die Gesamtheit aller staatlichen
und privaten Bemühungen, Programme und Maßnahmen, die Kriminalität als
gesellschaftliches Phänomen oder als individuelles Ereignis verhüten, mindern
oder in ihren Folgen gering halten sollen.
Dieser
Erlass lässt als Orientierungshilfe die gesetzlichen Aufgaben, Zuständigkeiten
sowie die Eigenverantwortung der beteiligten Behörden und Stellen unberührt.
Verpflichtungen für Kommunen werden mit dem Erlass weder begründet noch
verstärkt.
Vielmehr
soll im Sinne gesamtgesellschaftlicher Präventionsverantwortung die
Zusammenarbeit der damit befassten Behörden und Stellen mit den freien Trägern
und Verbänden angeregt, gefördert und gestärkt werden.
2
Präventionsnetzwerk
2.1
Kriminalprävention auf Ortsebene
DerKriminalität muss dort begegnet
werden, wo sie entsteht, begünstigt und gefördert wird. Dies ist überwiegend
örtlich, so wie auch Kriminalität vorrangig im sozialen Nahraum erlebt wird.
Deshalb sollten alle örtlichen Präventionsträger - insbesondere
Kommunalbehörden, Polizei, Justiz sowie deren soziale Dienste, Medien,
Schulen,Kirchen, Vereine, Verbände,
Träger der Kinder- und Jugendhilfe und die Bevölkerung - in die Analyse der
Entstehungsbedingungen und die daraus abzuleitenden Maßnahmen einbezogen werden.
Sinnvoll ist
die Bündelung fachlicher Kompetenz in Kriminalpräventiven Gremien vor Ort.
Deren Aufgabe sollte darin bestehen, auf der Basis problemorientierter
Kriminalitätslagebilder durch Einsetzen von Projektgruppen Problemlösungen zu
initiieren und die Ergebnisse zu kontrollieren. Durch Koordinierung und
Kooperation sollten gleichgelagerte Bemühungen gebündelt, Schwerpunkte gesetzt
und wirksame Projekte ermöglicht werden. Lokale Vernetzungen erleichtern dabei
den effektiven Einsatz von verfügbaren Finanz- und Personalressourcen.
2.2
Bezirksregierung
Die Bezirksregierungen nutzen ihre
Bündelungsfunktion als Landesmittelbehörden, um die Kriminalitätsvorbeugung auf
eine möglichst breite Basis zu stellen. Sie koordinieren die
präventionsbezogenen Haushaltsmittel und behördenübergreifenden Projekte der
Kreispolizeibehörden. Sie gewährleisten den Informationsaustausch auf
Bezirksebene.
Die IAK
behandelt unter Federführung des Innenministeriums auf Landesebene fach- und
ressortübergreifend die verschiedenen Aspekte der Kriminalitätsvorbeugung. Sie
fördert die Zusammenarbeit von staatlichen Behörden und Kommunen mit den
vielfältigen gesellschaftlichen Institutionen. Sie macht deutlich, dass die
Kriminalitätsvorbeugung Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger und aller
gesellschaftlichen Einrichtungen ist.
2.4
Landespräventionsrat Nordrhein-Westfalen
Der
Landespräventionsrat dient der Förderung und Optimierung
gesamtgesellschaftlicher Kriminalprävention in Nordrhein-Westfalen.
Seine wesentlichen
Aufgaben sind der Austausch von Informationen zwischen den Präventionsträgern,
die Erarbeitung von Erkenntnissen und Hilfen zu aktuellen Themen,
Veröffentlichung von Ergebnissen und Erfolgen der Prävention und die
Unterhaltung und Pflege einer Wissensdatenbank. Sein Ziel ist dabei die
Einbindung relevanter gesellschaftlicher Gruppen und Verbände in die
Präventionsarbeit.
Der Landespräventionsrat
ist Bindeglied zwischen den kommunalen Präventionsgremien und dem Deutschen
Forum für Kriminalprävention. Er berät die Landesregierung in
kriminalpräventiven Fragen unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse
und praktischer Erfahrungen.
2.5
Deutsches Forum für Kriminalprävention
Das als
Stiftung des Bundes und der Länder gegründete Deutsche Forum für
Kriminalprävention ist die nationale Service- und Informationsstelle für
Kriminalitätsvorbeugung. Zweck der Stiftung ist insbesondere die Gewährleistung
des Informationsaustausches auf nationaler und internationaler Ebene.
3
Zuständige Behörden, staatliche Einrichtungen und ihre Aufgaben
3.1
Polizei
Polizeiliche
Kriminalitätsvorbeugung umfasst die im Rahmen gesamtgesellschaftlicher
Kriminalitätsvorbeugung eigenständig durch die Polizei wahrzunehmenden Aufgaben
sowie die Mitwirkung an Präventionsmaßnahmen anderer Verantwortungsträger.
Für die
Kriminalitätsvorbeugung sind im Bereich der Polizei die Polizeibehörden örtlich
und sachlich zuständig. In jeder Kreispolizeibehörde ist ein Kommissariat
Vorbeugung mit den Arbeitsschwerpunkten Verhaltensprävention, Jugendschutz,
Opferschutz und Opferhilfe sowie technische Prävention eingerichtet.
Das Landeskriminalamt
unterstützt die Polizeibehörden durch sachbezogene Informationen und wertet
dazu Erkenntnisse und Erfahrungen der Praxis, der Wissenschaft und die
Ergebnisse länderübergreifender Gremien aus. Es initiiert, koordiniert und
unterstützt Projekte auf Landesebene und führt eigene Projekte durch.
3.2
Justiz
Die
Strafrechtspflege dient der Prävention in zweifacher Hinsicht:
Die
konsequente und schnelle Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen
Strafvorschriften ist geeignet, das Rechtsbewusstsein in der Gemeinschaft zu
stärken und der Begehung von Straftaten vorzubeugen (Generalprävention).
Außerdem
trägt die Justiz durch die Auswahl und Zumessung der vom Gesetz bereitgestellten
Maßnahmen, mit auf den Einzelfall abgestellten Sanktionen, bei denen auch
Opferinteressen berücksichtigt werden können, und dem Einsatz ihrer sozialen
Dienste (Bewährungshilfe, Führungsaufsichtsstellen und Gerichtshilfe) auch nach
Abschluss des formellen Strafverfahrens dazu bei, straffällig gewordene
Personen nach Möglichkeit von der Begehung weiterer Taten abzuhalten und sie in
dem Bemühen um eine verantwortliche Lebensführung zu unterstützen
(Spezialprävention).
3.3
Schule
Die
Einwirkungsmöglichkeiten der Schule im Bereich der Prävention liegen in
geeigneten Formen der Aufklärung und der Erziehung.
Gemeinsam
mit dem Elternhaus kann die Schule dafür Sorge tragen, dass Kinder und
Jugendliche lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Sie sollen
befähigt werden, sozialverantwortlich zu entscheiden und zu handeln und die
Möglichkeiten zur Entfaltung einer gefestigten Persönlichkeit erhalten, die
zugleich Schutz vor möglichen Versuchungen und Gefährdungen bietet.
Bei dieser Erziehungsaufgabe
sollen die Schulen u.a. mit den Eltern und dem Schulträger zusammenarbeiten.
Insbesondere zur
Minderung von Jugendkriminalität empfiehlt sich auch dieörtliche Zusammenarbeit zwischen den Schulen
und nicht-schulischen Behörden und Einrichtungen. Der schulpsychologische
Dienst kann wertvolle Hilfestellungen leisten.
3.4
Jugendamt
Es ist
Aufgabe der Jugendhilfe, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu
schützen. Zur Erfüllung dieser vor allem der Prävention gewidmeten Aufgabe, die
durch freie und öffentliche Träger der Jugendhilfe wahrgenommenwird, steht den Jugendämtern als den
örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe das Gesamtinstrumentarium des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes zur Verfügung. Dabei sind die speziellen
Förderleistungen: Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des
erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes sowie die Hilfen zur Erziehung. Die
Erfahrungen des Jugendamtes aus der Arbeit mit delinquenten Kindern und
Jugendlichen in Verbindung mit den Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz
sollen eingebracht werden.
Nach der
vorgeschriebenen Jugendhilfeplanung sollen die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe gemeinsam mit den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe im
Rahmen ihrer Planungsverantwortung die notwendigen Angebote bedarfsbezogen
anbieten. Dazu gehört auch, junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens-
und Wohnbereichen besonders zu fördern.
Der Träger der
öffentlichen Jugendhilfe hat wiederum im Rahmen seiner Gesamtverantwortung die
erforderlichen und geeigneten Angebote bedarfsgerecht sicherzustellen.
Die
Jugendbehörden sind zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden, Stellen und
Trägern auf dem Gebiet der Jugendhilfeplanung bereits gesetzlich verpflichtet.
3.5
Kommunen
Die
Entstehungs- und Bedingungszusammenhänge von Kriminalität einerseits sowie die
Auswirkung von Kriminalität andererseits werden besonders aufkommunaler Ebene sichtbar.
Daraus erwächst –
unbeschadet der vorrangigen Zuständigkeit des Staates für die repressive und
präventive Kriminalitätsbekämpfung - die Bedeutung der kommunalen
Handlungskompetenz, in Kooperation mit anderen örtlichen Präventionsträgern auf
kriminalitätsbegünstigende und kriminalitätshemmende Faktoren Einfluss zu
nehmen.
4
Besondere Präventionsaufgaben
4.1
Förderung von Kindern und Jugendlichen
Das
Ausprobieren von Normen, Experimentierneigung und Identitätsfindung zählen zu
den Verhaltensweisen in der Kinder- und Jugendphase. Unter Berücksichtigung
soziokultureller Faktoren und tiefgreifender struktureller gesellschaftlicher
Veränderungen sind die Risiken für ein ungefährdetes Aufwachsen junger Menschen
vielfältiger und größer geworden.
Junge Menschen bedürfen
deshalb einer intensiven Förderungdurch
Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Vor allem benötigen sie in Risiko- und
Gefährdungssituationen deutliche prophylaktische Signale, damit sie in ihrer
Persönlichkeitsentwicklung gefördert und gestärkt werden.
Alle mit
kindlicher und jugendlicher Delinquenz befassten Behörden und Stellen sollen
zum Wohle der Kinder und Jugendlichen eng zusammenwirken und die Zusammenarbeit
mit freien Organisationen und Verbänden intensivieren.
Eine besondere Bedeutung
kommt dabei auch dem Landesarbeitskreis „Jugendhilfe und Polizei“ zu, in dem
das Landeskriminalamt, das Polizeifortbildungsinstitut Neuss, die
Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz - Landesstelle Nordrhein-Westfalen
e.V. und die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe vertreten sind.
4.2
Gewalt- und Suchtprävention
Programme
und Aktivitäten zur Reduzierung der Gewalt in unserer Gesellschaft, vor allem
bei Kindern und Jugendlichen, sowie zur Verhinderung sexueller Angriffe auf
Frauen und Kinder, zur Suchtvorbeugung sowie zum Schutz von Minderheiten (z.B.
ethnisch-kulturelle oder gleichgeschlechtliche Lebensformen) haben einen
besonderen Stellenwert.
Um den lokal
unterschiedlichen Problemschwerpunkten besser begegnen zu können, sollen die
Präventionsträger individuelle Konzepte entwickeln. Aufgrund ihrer
Opferkontakte kommt der Polizei dabei häufig eine Initiativfunktion zu.
5
Opferschutz/ Opferhilfe
Bürgerinnen
und Bürger haben ein Anrecht darauf, vor Kriminalität geschützt und als
Kriminalitätsopfer in ihrer Not nicht alleine gelassen zu werden. Sie haben ein
Anrecht auf Verständnis und Unterstützung, aufInformation über den Fortgang des Verfahrens, über Opferentschädigung
und Opferhilfeeinrichtungen.
Gesetzlich
festgeschriebene Rechte ergeben sich aus dem Gesetz zur Sicherung der
zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten, dem Gesetz über die
Entschädigung von Opfern von Gewalttaten und der Strafprozessordnung. Die
Rechtsstellung des Opfers im Strafprozess ist mit Inkrafttreten des Gesetzes
zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung
des Opferschutzes vom 1.12.1998 weiter gestärkt worden.
Zur
Förderung des Opferschutzes und damit der Opferbelange bringen die zuständigen
Ministerien und deren Geschäftsbereiche spezifische Schwerpunkte zur
gemeinsamen Zielerfüllung des Aufbaus regionaler Netzwerke des Opferschutzes
und der Opferhilfe ein.
Denn Opferschutz und
Opferhilfe müssen örtlich praktiziert werden, im Verbund von Behörden undEinrichtungen mit den freien Trägern der
Opferhilfe.
Eine
wirksame Kriminalitätsvorbeugung ist der beste Opferschutz. Da Straftaten
dennoch zur Lebensrealität gehören, sollten Opferschutz und Opferhilfe von der
Anzeigenerstattung bis zum Abschluss des Verfahrens vor Gericht und auch
darüber hinaus selbstverständlich sein, wobei der ganzheitliche Umgang mit der
Opferthematik zu gewährleisten ist.
6
Fortbildung
Die
beteiligten Stellen führen Fortbildungsveranstaltungen durch und ermöglichen
eine Teilnahme von Angehörigen anderer Stellen.
7
Geltungsdauer
Der Erlass
gilt bis zum 31.03.2008.
-
MBl. NRW. 2002 S. 1198
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