Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 12 vom 8.3.2002 Seite 213 bis 230

Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an abgelehnte Spätaussiedlerbewerber – Anordnung nach § 32 AuslG –
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Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an abgelehnte Spätaussiedlerbewerber – Anordnung nach § 32 AuslG –

Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an abgelehnte Spätaussiedlerbewerber –
Anordnung nach § 32 AuslG –

Rderl. d. Innenministeriums vom 16.01.2002-14/44.41

In Umsetzung des Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (IMK) vom 07./08. November 2001 ordne ich im Einvernehmen mit dem Bundesmi-nisterium des Innern nach § 32 AuslG Folgendes an:

In Umsetzung des Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (IMK) vom 07./08. November 2001 ordne ich im Einvernehmen mit dem Bundesmi-nisterium des Innern nach § 32 AuslG Folgendes an:

1.
Ehemaligen Spätaussiedlerbewerbern, die nicht über die für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit (§§ 4, 6 BVFG) erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse verfügen, kann zur Vermeidung von Härten unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, wenn sie ihre Sprachkenntnisse im Aufnahmeverfahren falsch eingeschätzt haben.

2.
Im Einzelnen gelten folgende Kriterien:

2.1
Ehemaligen Spätaussiedlerbewerbern, die im Wege des Aufnahmeverfahrens

ohne Ablegung eines Sprachtests nach Deutschland eingereist sind, kann der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet aus humanitären Gründen genehmigt werden, wenn allein wegen Fehlens der erforderlichen Sprachkenntnisse der Aufnahmebescheid zurückgenommen oder die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG abgelehnt wurde.

2.2
Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist ausgeschlossen, wenn der Aufnahmebescheid des Spätaussiedlerbewerbers wegen arglistiger Täuschung über das Erlangen und Vorliegen der erforderlichen Sprachkenntnisse nach § 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG zurückgenommen wurde oder nach Auffassung des Bundesverwaltungsamtes zurückgenommen werden könnte. Von einer arglistigen Täuschung ist im letzterwähnten Fall nur auszugehen, wenn sie anhand von objektiven Umständen festgestellt wurde, z.B. bei Vorlage gefälschter Urkunden oder wenn die Vermittlung der Bestätigungsmerkmale entgegen den Antragsangaben nicht durch die Familie erfolgte. Die Erteilung ist auch ausgeschlossen, wenn der Aufnahmebescheid gemäß § 48 VwVfG wegen Fehlens sonstiger Aufnahmevoraussetzungen zurückgenommen wurde und der Ausländer sich gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht auf Vertrauen berufen kann. Sie ist ferner ausgeschlossen, wenn ein Antrag nach § 15 Abs. 1 BVFG nicht gestellt wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre.

2.3
Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist außerdem ausgeschlossen, wenn der Antragsteller eine vorsätzliche Straftat begangen hat. Geldstrafen von bis zu 50 Tagessätzen bleiben außer Betracht.

Anwendungsregel:

Der Ausschluss eines Familienmitgliedes wegen Straffälligkeit steht der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die übrigen Familienmitglieder nicht entgegen, sofern diese die Voraussetzungen für die Erteilung eigenständig erfüllen. Mehrere Geldstrafen sind durch die Ausländerbehörde nicht zu addieren. Eine wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Straftaten nach strafrechtlichen Vorschriften gebildete Gesamtstrafe von über 50 Tagessätzen stellt in jedem Fall einen Ausschlussgrund dar. Die Tilgungsfrist und das Verwertungsverbot von Verurteilungen sind zu beachten (s. § 46 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG). Nach § 47 Abs. 3 BRZG ist bei mehreren Verurteilungen eine Tilgung im Übrigen erst zulässig, wenn alle Verurteilungen tilgungsreif sind.

2.4
Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist ferner ausgeschlossen, wenn der Antragsteller einen Ausweisungsgrund nach § 46 Abs. 1 bis 4 oder § 47 AuslG erfüllt.

2.5
Die Erteilung und die Verlängerung einer Aufenthaltsbefugnis sind ferner ausgeschlossen, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

Anwendungsregel:

Da § 6 Abs. 2 BVFG für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach dieser Anordnung keine Anwendung findet, können geringere Anforderungen an die Kenntnisse der deutschen Sprache des Antragstellers gestellt werden.

Für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis auf der Grundlage dieser Anordnung reicht es daher aus, wenn der Antragsteller sich aufgrund seiner Sprachkenntnisse in einfacher Weise in deutscher Sprache verständigen kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Antragsteller ein Gespräch in der deutschen Sprache zwar nicht in vollem Umfang führen kann, die deutsche Sprache aber versteht und sich ohne Sprachmittler verständlich machen kann

Der Antragsteller ist bereits bei der Erstentscheidung schriftlich darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis nur möglich sein wird, wenn ausreichende deutsche Sprachkenntnisse i.S.d. § 6 Abs. 2 BVFG nachgewiesen werden können.

3
Der Bezug von Sozialhilfe steht der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis grundsätzlich entgegen, soweit nicht ein Härtefall vorliegt. Ein Härtefall liegt vor, wenn der Antragsteller

- arbeitsunfähig ist,

- sich in beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen befindet oder

- trotz anhaltender Bemühungen keine Arbeitsaufnahme erreichen konnte.

4
Anhängige asyl- oder ausländerrechtliche Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des ehemaligen Spätaussiedlerbewerbers, seines Ehegatten oder eines minderjährigen Kindes müssen vor Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach dieser Anordnung zum Abschluss gebracht worden sein.

Anwendungsregel:

Die Ausländerbehörde hat die gestellten Anträge zunächst dahingehend zu prüfen, ob die übrigen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wird dies festgestellt, ist der Antragsteller entsprechend zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erst erfolgen wird, nachdem Rechtsmittel und sonstige auf weiteren Verbleib im Bundesgebiet gerichtete Anträge zurückgenommen worden sind.

5
Eine Aufenthaltsbefugnis kann auch den Personen erteilt werden, die zusammen mit dem ehemaligen Spätaussiedlerbewerber eingereist sind und aufgrund der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid nach § 7 Abs. 2 BVFG oder der Eintragung in die Anlage des Aufnahmebescheides nach § 8 Abs. 2 BVFG ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht geltend gemacht haben. Im Übrigen bestimmt sich der Familiennachzug nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften.

Anwendungsregel:

Die Anwendungsregel zu Ziffer 4 gilt entsprechend.

6
Die Aufenthaltsbefugnis wird auf Antrag für 2 Jahre erteilt und verlängert. Die Verlängerung ist ausgeschlossen, wenn Ausschlussgründe nach den Ziffern 2.3, 2.4 oder 3 Satz1 vorliegen.

Anwendungsregel:

Der Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes muss grundsätzlich auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis durch legale Erwerbstätigkeit oder sonstige Eigenmittel gesichert sein. Demzufolge steht der Bezug von Sozialhilfe einer Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis entgegen, sofern nicht ein Härtefall vorliegt. Ein Härtefall liegt vor, wenn der Antragsteller

- arbeitsunfähig ist,

- sich in beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen befindet oder

- trotz seit mehr als einem Jahr anhaltender Bemühungen keine Arbeitsaufnahme erreichen konnte.

Letzteres gilt nicht, wenn eine Arbeitsaufnahme deshalb nicht möglich war, weil sich der Antragsteller seit seiner Einreise nach Deutschland nicht um den Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse bemüht hat, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre. Ausreichend sind die Deutschkenntnisse, wenn sie nunmehr den Anforderungen des § 6 BVFG entsprechen; das heißt, dass der Antragsteller in der Lage sein muss, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen.

Im Übrigen ist bei Antragstellern mit mehreren Kindern, die kein Kindergeld beziehen, der Bezug ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt unschädlich, soweit deren Betrag nicht höher ist als das im Fall eines Kindergeldanspruchs zu gewährende Kindergeld.

7
Die Anzahl der nach dieser Anordnung beantragten sowie die Anzahl der erteilten Aufenthaltsbefugnisse sind gegliedert nach ehemaligen Spätaussiedlerbewerbern und Familienangehörigen zu erfassen und mir vierteljährlich, beginnend mit dem 01. April 2002, zu melden.

MBl. NRW 2002 S. 218