Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 32 vom 24.6.2002 Seite 561 bis 572

Personalentwicklungskonzept für nordrhein-westfälisches Personal in europäischen und internationalen Institutionen (PEEK)
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Personalentwicklungskonzept für nordrhein-westfälisches Personal in europäischen und internationalen Institutionen (PEEK)

Ministerin für Bundes- und
Europaangelegenheiten

Personalentwicklungskonzept
für nordrhein-westfälisches Personal
in europäischen und internationalen Institutionen
(PEEK)

Bek. d. Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten  v. 23.4.2002

Die Landesregierung hat am 29. Januar 2002 das Personalentwicklungskonzept für nordrhein-westfälisches Personal in europäischen und internationalen Institutionen (PEEK) beschlossen. Es wird nachstehend bekannt gemacht:

Personalentwicklungskonzept
für nordrhein-westfälisches Personal
in europäischen und internationalen Institutionen
(PEEK)

Zielsetzung

Mittlerweile werden rund 80% der landespolitischen Entscheidungen direkt oder indirekt von Rechtsgrundlagen der EU beeinflusst. Diese Tendenz wird sich weiter verstärken. Ziel muss es deshalb sein, zum einen die Präsenz NRW’s in Brüssel, also dort, wo für das Land wichtige Entscheidungen getroffen werden, zu steigern und künftig stärker im Vorfeld von Entscheidungen auf die Akteure einzuwirken und eigene Vorschläge zu entwickeln. Die Interessenvertretung in den nächsten Jahren in diese Richtung systematisch auszubauen bedingt neben der angesprochenen Entwicklung einer fachbezogenen und europapolitischen Kompetenz in allen Bereichen der Landesverwaltung auch

- die Stärkung der Koordinierungskompetenzen der Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit den Ressorts zur Durchsetzung spezifischer fachlicher Interessen gegenüber der EU;

- die Stärkung des Lobbyings gegenüber und in den Dienststellen der EU;

- die Stärkung des NRW-Personalanteils bei europäischen und in internationalen Behörden und Gremien.

Zum anderen muss die europapolitische/internationale Kompetenz der Landesverwaltung gesteigert und das Personal der Landesregierung entsprechend weitergebildet werden. Dies bedingt eine systematische schulische und praktische Aus- und Fortbildung sowie eine Verankerung in der Personalentwicklungsplanung der Ressorts.

Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz der Bediensteten aus Nordrhein-Westfalen ist möglich als Nationale Expertinnen und Experten, Zeitbedienstete, Austauschbedienstete, Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter und Ländervertreterinnen und Ländervertreter u.ä.

- in Institutionen, Gremien und Organisationen der Europäischen Union und ihrem nachgeordneten Bereich sowie innerhalb europäischer Programme

- bei den Vereinten Nationen und ihren Hilfs- und Unterorganisationen sowie -institutionen

- in der NATO, OSZE und ihnen angeschlossenen Organisationen und Institutionen

- in der OECD und ihr angeschlossenen Organisationen und Institutionen

- dem Europarat und ihm angeschlossenen Organisationen und Institutionen

- bei sonstigen inter- und supranationalen Organisationen und Institutionen, soweit staatliche Träger an ihnen beteiligt sind

- bei Organisationen und Institutionen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit

- auf der kommunalen, regionalen und staatlichen Ebene außerhalb Deutschlands

- in Abteilungen von Bundesbehörden mit europäischen und internationalen Schwerpunkten

- in länderübergreifenden Zentralstellen innerhalb Deutschlands mit europäischen/internationalen Aufgabenstellungen (internationale/europäische Agenturen).

Insgesamt arbeiten zurzeit 301 Bedienstete des Landes im Ausland sowie in europäischen und internationalen Organisationen. Darunter sind 175 Lehrerinnen und Lehrer und 93 Polizisten. Es bleiben 37 Bedienstete außerhalb dieser beiden Berufsgruppen. Das Spektrum der Tätigkeiten reicht von OSZE- und UN-Einsätzen auf dem Balkan über die Beratung der Region Mpumalanga in Südafrika und der Regierung der Philippinen bis zur Tätigkeit als Nationaler Experte/Nationale Expertin in der europäischen Kommission.

In der Landesvertretung in Brüssel arbeiten 15 Bedienstete im höheren und gehobenen Dienst.

Für personalwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen besteht derzeit ein Pool von 9 Stellen für Nationale Expertinnen und Experten bei europäischen Einrichtungen.

Veränderungs- und Anpassungsbedarf

1
Verfahren und Haushalt

1.1
Mit Hilfe des gezielten Einsatzes von Nationalen Expertinnen und Experten bei der Europäischen Kommission und deren Netzwerken können nordrhein-westfälische Vorstellungen auf europäischer Ebene eingebracht und wichtige Informationen ins Land transportiert werden. Die Anzahl der Bediensteten, die als Nationale Experten tätig sind, soll ausgeweitet werden, damit deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als bisher europäische Erfahrungen sammeln können und zwischen Landesregierung und EU-Kommission ein Informationsnetzwerk entstehen kann. Eine Entsendung in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU dient ebenfalls der Netzwerkbildung. Darüber hinaus ist der Beobachter der Länder bei der Europäischen Union eine weitere Möglichkeit, europapolitische Erfahrungen zu sammeln.

1.2
Mit Hilfe von befristeten Abordnungen/Beurlaubungen - zum Beispiel im Rahmen von Wahlbeobachtungen (OSZE, Europarat, UNO), der Heranführungsstrategie der EU für Osteuropa (Twinning) oder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (Beratung von Regierungen, Projektmanagement) - lassen sich desgleichen wertvolle internationale Erfahrungen sammeln, die für das Land nutzbar gemacht werden können (Beratung der Ressorts, Netzwerke für vertiefte Kontakte).

1.3
Um den gezielten und optimalen Einsatz der Landesbediensteten in europäischen/internationalen Gremien vorzubereiten, wird in der Staatskanzlei eine für die Landesregierung zentrale Stelle für internationale Einsätze (Personalstelle für internationale Entsendungen, PIE) eingerichtet. Zu ihren Aufgaben gehört

- die Weiterleitung von Stellenausschreibungen von europäischen und internationalen Einrichtungen sowie Hinweise und Informationen über Einsatzmöglichkeiten an die Fachressorts

- mit Hilfe der Ressorts die Führung und Pflege einer zentralen Interessentenkartei

- Angebot und Organisation von Fortbildungsmaßnahmen für die in der Interessentenkartei geführten Personen

- die Betreuung der NRW-Beschäftigten während ihres europäischen/internationalen Einsatzes

- die Beratung der  Ressorts und der Betroffenen über die Verwendung der Bediensteten nach ihrem europäischen/internationalen Einsatz

- der Aufbau eines Netzwerkes von Interessenten und von Bediensteten nach ihrem Einsatz.

Personalführende Stelle bleibt das Fachressort.

Vor der Entsendung von Landesbediensteten zu Dienststellen der EU wird festgelegt, in welcher Form die Anbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Ressort während der Abordnung erfolgt.

1.4
Der vorhandene Pool von 9 Stellen für Nationale Expertinnen und Experten aus Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Kommission wird bis zum Jahre 2004 auf 18 Stellen (höherer Dienst) angehoben. Es kann sowohl Personal des gehobenen als auch des höheren Dienstes in dem Pool geführt werden. Seine Zweckbestimmung wird auf den gesamten europäischen und internationalen Bereich ausgedehnt. Die Stellen sind von den Ressorts in ihrem Geschäftsbereich zu erwirtschaften und in den Einzelplan der Staatskanzlei umzusetzen. Bei Auflösung des Pools fallen die Stellen an die Ressorts zurück. Der Pool wird im Jahre 2010 und folgend alle 5 Jahre auf seine Wirksamkeit hin überprüft.

1.5
Der Stellenpool wird von der Staatskanzlei im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten verwaltet.

1.6
Bei einer Entsendung werden die Beschäftigten auf einer Planstelle im Stellenpool der Staatskanzlei geführt.

Den Ressorts ist eine sofortige, auf den Zeitraum der Entsendung befristete Nachbesetzung der frei werdenden Stelle bei der entsendenden Behörde möglich. Die Nachbesetzung von kw-belasteten Stellen erfolgt im Rahmen von § 9 Abs. 1 HG, wobei die Entsendung zu europäischen und internationalen Organisationen und Institutionen im Sinne dieses Personalentwicklungskonzeptes als begründeter Einzelfall im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 HG gilt.

Die Ressorts haben die Möglichkeit, in eigener Verantwortung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb des Stellenpools abzuordnen.

2
Qualifizierungselemente

2.1
Schon bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den gehobenen und höheren Dienst wird die sprachliche Qualifikation und ein längerer Auslandsaufenthalt (Schule, Studium, Praktikum) gebührend berücksichtigt. Darüber hinaus sind entsprechende Studienschwerpunkte, Ergänzungsstudien sowie fachliche Auslandsaufenthalte besonders zu gewichten. Dies gilt insbesondere bei der Einstellung oder Übernahme für Tätigkeiten mit europäischem/internationalem Bezug.

2.2
Im Rahmen der persönlichen Aus- und Fortbildung wird die Möglichkeit zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit rechtlichen, politischen und institutionellen Fragen im europäischen/internationalen Zusammenhang gegeben. Die Sprachfortbildung wird besser auf die zukünftigen Erfordernisse zugeschnitten (z.B. ausgewählter Personenkreis mit Crash-Kurs im Ausland).

Über die Sprachkompetenz hinaus werden Eigenschaften wie soziale Kompetenz, administrative Kompetenz und Vermittlungskompetenz besonders gefördert.

Hospitationen in der Landesvertretung in Brüssel oder bei Verwaltungen in Regionen, mit denen Nordrhein-Westfalen besonders verbunden ist, sind ein weiteres Element der Qualifizierung.

2.3
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Leitungsfunktionen (zum Beispiel Referatsleitung, Gruppenleitung, Abteilungsleitung, Dienststellenleitung) ausüben und deren Arbeitsgebiet einen erheblichen Anteil an europapolitischen und internationalen Aufgaben enthält, soll der Auslandseinsatz (in diesem Sinne auch der Einsatz im Europabereich/internationalem Bereich einer Bundesbehörde oder in der NRW-Vertretung in Brüssel) in der Regel bei entsprechender persönlicher und fachlicher Eignung Voraussetzung für die Bekleidung von Führungspositionen sein. Sofern sie entsprechende Vorerfahrungen nicht mitbringen, werden sie in dem ersten Jahr nach Amtsantritt zu einem zweimonatigen Praktikum in Brüssel bzw. bei anderen geeigneten Institutionen auf ihre Aufgaben vorbereitet. Diese Maßnahme wird in Verbindung mit der Vertretung des Landes NRW in Brüssel durchgeführt, sofern es sich um europapolitische Maßnahmen handelt.

2.5
Die Europafortbildung und -qualifizierung ist eine wesentliche Führungsaufgabe. Dies muss in geeigneter Weise im Rahmen der Maßnahmen der Personalentwicklungsplanung verankert werden. Die Teilnahme an europabezogenen Fortbildungen gehört zum Pflichtprogramm jeder Führungskraft.

2.6
Mit einzelnen Institutionen (z.B. Auswärtiges Amt, Europäische Kommission, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) und mit den für Nordrhein-Westfalen besonders interessanten Regionen ist ein regelmäßiger Mitarbeiteraustausch anzustreben. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten des Bedienstetenaustauschs über das Europäische Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA) besser genutzt werden (z.B. Programme KAROLUS und FISCALIS). Dadurch entstehen ebenfalls Informations- und Zusammenarbeitsnetzwerke.

2.7
Den Bediensteten sollen durch den Auslandseinsatz keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte sollen gleich behandelt werden. Die bestehenden Vorschriften sind ausgerichtet an diesen Zielsetzungen zu überprüfen und an die Rechts- und Verordnungslage im Bund anzupassen.

2.8
Der Auslandseinsatz ist Teil der Weiterqualifizierung. Die erfolgreiche Tätigkeit in internationalen / europäischen Einrichtungen ist unter Beachtung des Einzelfalls bei Beurteilungen angemessen zu berücksichtigen. Ein Beurteilungsbeitrag ist von der entsendenden Behörde (Ressort) bei der aufnehmenden Institution anzufordern. Eine Beförderung/Höhergruppierung kann auch schon während der Tätigkeit bei der europäischen/internationalen Institution vollzogen werden.
3
Wiederverwendung nach Rückkehr

3.1
Für den Zeitpunkt der Rückkehr wird im vorhinein ein denkbarer Verwendungsrahmen festgelegt.

3.2
Den international und europäisch geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre hinzugewonnenen Fähigkeiten einzusetzen, sei es durch den sofortigen Einsatz an einer Schnittstelle zwischen internationaler/europäischer und Landesebene, sei es durch den mittelfristigen Einsatz an einer Schnittstelle.

4
Sonstiges

4.1
Grundlage für Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung sind die Entsendungsrichtlinien und die Richtlinien für den EG-Personalaustausch in der jeweils gültigen Fassung (Gem. RdErl. d. Innenministeriums und des Finanzministeriums vom 5. 10 1992 - SMBL. NRW 203033). Die von PEEK betroffenen Vorschriften sind - soweit erforderlich - anzupassen.

4.2
Personelle Schwierigkeiten, die in einzelnen Geschäftsbereichen durch die Entsendung entstehen können, sollen die Entscheidung nicht beeinflussen (s. Entsendungsrichtlinien von 1992).

4.3
Die Vorschriften des LGG sind bei der Planung und der Umsetzung des PEEK zu beachten.

4.4
So weit nicht durch die Ausbildung ohnehin geschehen, sollte die Möglichkeit zum vertieften Kennenlernen der Verwaltungsstrukturen des Landes bestehen, damit die auf internationaler und europäischer Ebene erworbenen Fähigkeiten im Land optimal eingesetzt bzw. die im Land erworbenen Fähigkeiten auf internationaler und europäischer Ebene optimal eingebracht werden können (Beratung von in- und ausländischen Partnern).

4.5
Bei einer Entsendung an die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Brüssel gelten die vorgenannten Richtlinien entsprechend mit folgender Maßgabe:

a) Es findet kein Ausgleich aus dem unter Ziff. 1.4 genannten Stellenpool statt, da die Vertretung in Brüssel Teil der Landesverwaltung (Staatskanzlei) ist.

b) Die Tätigkeit in der Vertretung des Landes in Brüssel erfolgt in der Regel für die Dauer von fünf Jahren.

4.6
Bei einem Bedienstetenaustausch mit Partnerregionen gelten die vorgenannten Richtlinien analog.

Hannelore K r a f t

(Ministerin für Bundes- und
Europaangelegenheiten
des Landes Nordrhein-Westfalen)

MBl. NRW 2002 S. 569