Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2002 Nr. 39 vom 11.7.2002 Seite 741 bis 756
Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergie-Erlass - WEAErl.-) |
---|
Normkopf Norm Normfuß |
Grundsätze für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergie-Erlass - WEAErl.-)
I.
2310
Grundsätze für
Planung
und Genehmigung von Windenergieanlagen
(Windenergie-Erlass - WEAErl.-)
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen,
Kultur und Sport - II A 1 - 901.3/202 -,
d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz - VII 8 - 30.04.04 -
d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand,
Energie und Verkehr – IV A 3-00-19 –
u. d. Staatskanzlei – IV.4 - 30.27.01 –
v. 3.5.2002
Inhaltsverzeichnis
1 |
Allgemeines |
2 |
Landes- und Regionalplanung |
2.1 |
Allgemeine
Grundlagen |
2.2 |
Darstellung
in den Gebietsentwicklungsplänen |
2.3 |
Anpassung
gemeindlicher Planungen an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung |
3 |
Gemeindliche
Planung |
3.1 |
Allgemeines |
3.2 |
Bauleitplanung |
3.2.1 |
Anpassung
der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung |
3.2.2 |
Flächennutzungsplan |
3.2.3 |
Bebauungsplan |
3.2.4 |
Vorhabenbezogener
Bebauungsplan |
3.2.5 |
UVP
im B-Plan oder vorhabenbezogenen B-Plan |
4 |
Zulässigkeit
von Vorhaben der Windenergienutzung |
4.1 |
Allgemeines |
4.2 |
Planungsrechtliche
Zulässigkeit |
4.2.1 |
Geltungsbereich
eines B-Plans nach § 30 BauGB |
4.2.2 |
Unbeplanter
Innenbereich nach § 34 BauGB |
4.2.3 |
Außenbereich
nach § 35 BauGB |
4.2.4 |
Gebot
der gegenseitigen Rücksichtnahme |
4.2.5 |
Erschließung |
4.3 |
Bauordnungsrechtliche
Anforderungen |
4.3.1 |
Abstände |
4.3.2 |
Standsicherheit |
4.3.3 |
Eiswurf |
4.4 |
Gebühren |
4.4.1 |
Baugenehmigung, Bauüberwachung und
Bauzustandsbesichtigung, Prüfung des Standsicherheitsnachweises |
4.4.2 |
Entscheidungen nach dem BimSchG |
5 |
Berücksichtigung von Spezialgesetzen und Beteiligung
anderer Behörden |
5.1 |
Naturschutz, Landschaftspflege,
Wald |
5.2 |
Wasserwirtschaft |
5.3 |
Immissionsschutz |
5.3.1 |
Lärm |
5.3.2 |
Schattenwurf |
5.4 |
Denkmalschutz |
5.5 |
Straßenrecht |
5.6 |
Luftverkehrsrecht |
5.7 |
Wasserstraßenrecht |
5.8 |
Militärische Anlagen |
5.9 |
Arbeitsschutz |
1
Allgemeines
Der Windenergienutzung zur
Gewinnung elektrischer Energie kommt im Hinblick auf die Belange der Luftreinhaltung,
des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung steigende Bedeutung zu. Diese Art
der Energieerzeugung ist zwar auch mit Landschaftsverbrauch, mit Licht-,
Schatten- und Lärmimmissionen verbunden. Verglichen mit der Nutzung fossiler
Energieträger und der Atomenergie hat sie aber den Vorteil, dass sie sich einer
unerschöpflichen Energiequelle bedient und dabei im Betrieb weder
Luftschadstoffe, Reststoffe, Abfälle und Abwärme verursacht noch ein atomares
Risiko mit sich bringt. Regionale und lokale Initiativen zur Förderung von
Windenergieanlagen verdienen in diesem Zusammenhang besondere Unterstützung.
Eine ressourcenschonende Energieerzeugung trägt unter Beachtung des
Freiraumschutzes und der Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und
anderer Umweltbelange wesentlich zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen
bei.
Das Land Nordrhein-Westfalen will
die Nutzung erneuerbarer und unerschöpflicher Energien so weit wie möglich
begünstigen. Durch die Ausweisung von besonders geeigneten Flächen für die
Windenergienutzung werden die Voraussetzungen für eine planvolle und gezielte
Errichtung von Windenergieanlagen geschaffen. Im Hinblick auf die vorliegenden
Anträge zur Errichtung von Windenergieanlagen, die notwendige Schonung des
Freiraumes und die optimale Ausnutzung von Flächen ist eine Konzentration von
Windenergieanlagen an geeigneten, verträglichen Standorten in Windfarmen einer
Vielzahl von Einzelanlagen in der Regel vorzuziehen. Unter Windfarm wird die
Planung oder Errichtung von mindestens drei Anlagen verstanden, die
- sich
innerhalb einer bauleitplanerisch ausgewiesenen Fläche befinden (vgl. Nr. 3.1),
oder
- nahe beieinander liegen; Orientierungswert ist das Achtfache des Rotordurchmessers oder die gemeinsame Einwirkung (entsprechend Nr. 2.2 TA Lärm) auf einen Immissionsort, der größere Abstand ist maßgeblich.
Windenergieanlagen sind gemäß § 35
Abs. 1 Nr. 6 Baugesetzbuch (BauGB) im Außenbereich privilegiert. Um eine
ausgewogene Planung zu gewährleisten, können im Flächennutzungsplan oder als
Ziele der Raumordnung und Landesplanung Ausweisungen für Windenergieanlagen
erfolgen (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB), die als öffentlicher Belang einer
Windenergieanlage an anderer Stelle entgegenstehen können.
2
Landes- und Regionalplanung
2.1
Allgemeine Grundlagen
§ 26 Abs. 2 i.V.m. § 37
Landesentwicklungsprogramm - LEPro - verpflichtet unter anderem die Behörden
des Bundes, des Landes, die Gemeinden und die öffentlichen Planungsträger, den
Einsatz unerschöpflicher Energien anzustreben.
Gemäß Ziel D.II.2.4 des
Landesentwicklungsplanes Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - sind die Voraussetzungen
für den Einsatz erneuerbarer Energien zu verbessern und zu schaffen und dafür
besonders geeignete Gebiete in den Gebietsentwicklungsplänen durch „Darstellung
von Bereichen mit Eignung für die Nutzung erneuerbarer Energien - hier
Windenergie“ zu konkretisieren.
Sofern in den
Gebietsentwicklungsplänen eine zeichnerische Darstellung erfolgt, stehen dafür
„Freiraumbereiche für sonstige Zweckbindungen - Windenergie“ (Planzeichen 2.ec)
der Dritten Durchführungsverordnung zum Landesplanungsgesetz - 3. DVO zum LPlG
- zur Verfügung.
2.2
Darstellung in den Gebietsentwicklungsplänen
In den Gebietsentwicklungsplänen
können regionale Ziele zur Förderung und Steuerung der Windenergienutzung oder
für die landesplanerische Überprüfung von Darstellungen für die
Windenergienutzung in Flächennutzungsplänen textlich und zeichnerisch
festgelegt werden (vgl. Nr. 2.3).
Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
können durch eine positive Standortausweisung in einem Plangebiet für Anlagen
zur Nutzung von Windenergie die übrigen Flächen weitgehend freigehalten werden.
Das Steuerungsinstrument der Positivausweisung mit der damit in der Regel
verbundenen Ausschlusswirkung bezieht sich nur auf raumbedeutsame Vorhaben. Ab
einer Anzahl von drei nahe beieinander liegenden Windenergieanlagen (vgl. Nr. 1
Abs. 3, 2. Spiegelstrich) ist in der Regel von einem raumbedeutsamen Vorhaben
auszugehen.
Eine einzelne Windenergieanlage
ist in der Regel dann raumbedeutsam, wenn sie die Voraussetzungen nach § 14
Luftverkehrsgesetz (LuftVG) erfüllt, sie also eine Gesamthöhe (Nabenhöhe
zuzüglich Rotorradius) von 100 m über der Erdoberfläche überschreitet.
Im Einzelfall kann auch eine
kleinere Windenergieanlage als raumbedeutsam eingestuft werden. Die Raumbedeutsamkeit
kann sich dabei ergeben aus
dem besonderen Standort der Anlage (z.B. Hochplateau, Bergrücken, Bergkamm, weithin sichtbare Kuppe eines Berges, vgl. auch § 14 Abs. 2 LuftVG: Anlage von mehr als 30 m
Höhe, deren Spitze die höchste Bodenerhebung im Umkreis von 1,6 km um mehr
als 100 m überragt),
den Auswirkungen der Anlage auf eine bestimmte, planerisch als Ziel gesicherte Raumfunktion (z.B. für den Fremdenverkehr),
der Summierung der in einem
Gemeindegebiet vorhandenen oder genehmigten Anlagen außerhalb eines im
Gebietsentwicklungsplan ausgewiesenen Windenergiebereichs.
2.3
Anpassung gemeindlicher Planungen an die Ziele der Raumordnung und
Landesplanung
2.3.1
Im Verfahren nach § 20 LPlG werden Darstellungen für die Windenergienutzung in
Bauleitplänen (vgl. Nr. 3.1) darauf überprüft, ob sie an die Ziele der
Raumordnung und Landesplanung angepasst sind (grundsätzlich die Überprüfung von
Ausweisungen in Flächennutzungsplänen, ausnahmsweise auch von Festsetzungen in
Bebauungsplänen). Sofern Windenergiebereiche im Gebietsentwicklungsplan
ausgewiesen sind, kann eine Gemeinde aus auf der Ebene des
Gebietsentwicklungsplanes noch nicht berücksichtigten Gründen im Rahmen eines
gemeindlichen Gesamtkonzeptes davon abweichen (vgl. auch Nrn. 3.2.2 und
4.2.3.3).
2.3.2
Aus Sicht der Landesplanung sind insbesondere die allgemeinen Freiraum- und
Agrarbereiche für die Darstellung von Gebieten für die Windenergienutzung
geeignet, sofern sie nicht gleichzeitig entgegenstehende Funktionen,
insbesondere zum Schutz von Natur und Landschaft, erfüllen (vgl. Nrn. 2.3.3,
2.3.4, 2.3.6 und 5.1).
Weiterhin sind für die
Windenergienutzung insbesondere Bereiche für die gewerbliche und die industrielle
Nutzung geeignet. Diese Bereiche kommen - insbesondere wegen der dort schon
vorhandenen oder geplanten Nutzungen und der damit verbundenen vorhandenen oder
zu erwartenden Störungen sowie wegen der überwiegend vorhandenen Nähe zu
Leitungen - für die Nutzung von Windenergieanlagen in Betracht.
2.3.3
Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit kommt die bauleitplanerische
Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung in Bereichen für den Schutz
der Natur des Gebietsentwicklungsplanes nicht in Betracht. Sofern in solchen
Bereichen aus besonderen Gründen Gebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen
werden sollen (siehe dazu auch Erläuterung B.III.2.3.2, 6.Abs. des LEP NRW),
ist zuvor eine entsprechende Änderung des Gebietsentwicklungsplanes
erforderlich.
In Überschwemmungsbereichen dürfen
Windenergiegebiete nur ausgewiesen werden, wenn überwiegende Belange des Wohls
der Allgemeinheit für die Darstellung gerade an dieser Stelle sprechen, da die
Errichtung einer Windenergieanlage im Regelfall eine Beeinträchtigung der
Funktion des Überschwemmungsgebietes als natürliche Rückhaltefläche darstellt.
In Waldbereichen dürfen
Windenergiegebiete nur unter Beachtung der Ziele des Landesentwicklungsplanes
(insbesondere Ziel B.III.3.2) ausgewiesen werden. Das kommt in Betracht, wenn
eine Fläche im Gebietsentwicklungsplan als Waldbereich dargestellt, in der
Örtlichkeit aber nicht oder nur in geringem Umfang mit Bäumen bestockt ist, und
bei der Errichtung der Anlage keine wesentlichen zusätzlichen Eingriffe in die
Natur (z.B. durch neue oder erheblich verbreiterte Waldwege) zu erwarten sind.
2.3.4
Die bauleitplanerische Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung in
Bereichen für den Schutz der Landschaft und landschaftsorientierte Erholung
sowie in regionalen Grünzügen ist nur möglich, wenn die Windenergienutzung mit
der konkreten Schutzfunktion des jeweiligen Bereiches vereinbar ist. Derartige
Ausweisungen sind beispielsweise in großräumigen Bereichen für den Schutz der
Landschaft in Teilbereichen mit einer weniger hochwertigen Funktion für
Naturschutz und Landschaftspflege und in Teilbereichen mit einer bereits
vorhandenen Vorbelastung möglich. Hingegen kommt die Ausweisung in (Teil-)
Bereichen mit besonderer Bedeutung für den Landschaftsschutz und das
Landschaftsbild nicht in Frage (vgl. Nr. 5.1.3). Sofern in diesen Bereichen aus
besonderen Gründen Gebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen werden
sollen, obwohl dies mit der Schutzfunktion des Bereiches nicht vereinbar ist
und daher der Landschaftsschutz aufgehoben werden muss (vgl. Nr. 5.1.4), ist
zuvor eine entsprechende Änderung des Gebietsentwicklungsplanes erforderlich.
2.3.5
Für die Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung kommen auch die
Bereiche für Aufschüttungen und Ablagerungen (Standorte für Abfalldeponien und
Halden) und für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze in
Frage. Die Ausweisung hat hier zur Folge, dass diese Bereiche nach erfolgter
Nutzung als Abfalldeponie, Schüttung bzw. Abgrabung für die Windenergienutzung
als Nachfolgenutzung vorgesehen werden. Vor einem Abbau oberflächennaher
Bodenschätze und der Nutzung als Abfalldeponie ist die Nutzung für
Windenergieanlagen ausgeschlossen.
2.3.6
Nach Ziel C.IV.2.2.3 des LEP NRW kommt die Inanspruchnahme von „Reservegebieten
für den oberirdischen Abbau nicht energetischer Bodenschätze“ in den
Erläuterungsberichten zu den Gebietsentwicklungsplänen für andere Nutzungen nur
in Betracht, soweit die Inanspruchnahme von vorübergehender Art ist und die
Nutzung der Lagerstätte langfristig nicht in Frage gestellt wird. Auf diesen
Reserveflächen kann die Ausweisung als Konzentrationszonen für die
Windenergienutzung deshalb nur erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass in den
nächsten 25 Jahren eine Nutzung als Abgrabungsfläche nicht erfolgt.
Genehmigungen für Windenergieanlagen dürfen auf diesen Flächen nur befristet (§
36 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW) erteilt werden (25 Jahre nach
der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans nach § 6 Abs. 5 BauGB).
Wegen der besonders langfristigen
Sicherung von Flächen für den Braunkohlentagebau gilt die vorgenannte
Verfahrensweise für Darstellungen von Braunkohlentagebauen entsprechend.
2.3.7
In Freiraumbereichen für zweckgebundene Nutzungen können Gebiete für die
Windenergienutzung ausgewiesen werden, wenn dies mit der Nutzungsfunktion des
Bereiches vereinbar ist.
2.3.8
Neben den Aspekten der Raumverträglichkeit sind auch die Windhöffigkeit und die
Nähe zu Leitungen und Einspeisepunkten in das öffentliche Stromnetz zu
berücksichtigen.
3
Gemeindliche Planung
3.1
Allgemeines
Bei der gemeindlichen
Bauleitplanung bestehen grundsätzlich zwei Vorgehensweisen für die planerische
Ausweisung von Windenergieanlagen:
- Durch die Darstellung von Flächen für Windenergieanlagen im Flächennutzungsplan (im Sinne von Konzentrationszonen, Vorranggebieten und anderen positiven Standortplanungen) können die Gemeinden die Zulässigkeit von einzelnen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierten Windenergieanlagen in ihrem Gemeindegebiet steuern.
- Darüber hinaus können die Gemeinden für Windfarmen (z. B. Sondergebiet „Windfarm“) oder für einzelne Windenergieanlagen (z. B. Fläche für Versorgungsanlagen) räumlich konkrete Darstellungen bzw. Festsetzungen in den Bauleitplänen treffen (Nrn. 3.2.2, 3.2.3 und 3.2.4).
3.2
Bauleitplanung
Auf folgende Runderlasse wird hingewiesen:
- Gem. RdErl. v. 03.03.1998, Einführungserlass zum Bau- und
Raumordnungsgesetz 1998 (SMBl. NRW. 2311), Nrn. 2, 3, 4.4 bis 4.6 und 5,
- RdErl. des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft v. 26.04.2000 Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 92/43/EWG (FFH-RL) und 79/409/EWG (Vogelschutz-RL) –VV-FFH- (SMBl. NRW. 791), Nrn.6 und 10.2.
3.2.1
Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung
Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die
Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dementsprechend sind Ziele
der Raumordnung für die Bauleitplanung unmittelbar bindende Vorgaben und nicht
Gegenstand der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB (siehe Nr.2.3.1).
3.2.2
Flächennutzungsplan
Nach § 5 i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB können die Gemeinden im Flächennutzungsplan auch „Konzentrationszonen für
Windenergieanlagen“ darstellen. Eine solche Darstellung hat das Gewicht eines
öffentlichen Belangs, der einer Windenergieanlage an anderer Stelle in der
Regel entgegensteht. Um die Errichtung von Windenergieanlagen im Gemeindegebiet
wirksam steuern zu können, wird den Gemeinden empfohlen, von ihrem
Planungsrecht Gebrauch zu machen und ihre Bürgerinnen und Bürger – unabhängig
von ihren formalen Beteiligungsrechten - so frühzeitig wie möglich über die
Planung zu unterrichten. Die Voraussetzungen von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
liegen nur vor, wenn die Gemeinde auf der Grundlage einer Untersuchung des
gesamten Gemeindegebietes ein schlüssiges Plankonzept für die Ausweisung von Konzentrationszonen
erarbeitet hat. Im Erläuterungsbericht ist darzustellen, welche Zielsetzungen
und Kriterien für die Abgrenzung der Konzentrationszone maßgebend waren.
Nach dem OVG NRW [Urt. v.
30.11.2001 – 7 A 4857/00 – (nicht rechtskräftig), entgegen OVG Nds. Urt. v. 20.07.1999
– 1 L 5203/96 – NVwZ 1999, 1358] kann eine „Gemeinde bei der Ausweisung einer Vorrang-
oder Konzentrationszone für Windenergieanlagen, der zugleich eine regelmäßige
Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet zukommen soll, ihre Abwägung an
mehr oder weniger global und pauschalierend festgelegten Kriterien für die
Ungeeignetheit der von der Ausschlusswirkung erfassten Bereiche ausrichten“. Im
Rahmen der Bauleitplanung gewählte pauschale Abstände müssen
-
hinreichend städtebaulich begründet sein,
- die
Schutzwürdigkeit der betroffenen Baugebiete und
- die
besonderen Gegebenheiten vor Ort (z.B. Hauptwindrichtung) berücksichtigen.
Die Gemeinde kann
- Abstände in ihrer Größenordnung daran orientieren, dass sie im Hinblick auf den gebotenen Immissionsschutz (z.B. TA Lärm) „auf der sicheren Seite“ liegt,
- planungsrechtlich zulässige „künftige Entwicklungsmöglichkeiten, die der Sache nach nahe liegen,“ über die Darstellung des wirksamen Flächennutzungsplans hinaus berücksichtigen,
- Aspekte eines konkret begründeten Schutzes des Landschaftsbildes oder der Erholungsfunktion bestimmter Bereiche anführen, ohne dass „der Grad der Verunstaltung des Landschaftsbildes oder einer Vereitelung der Erholungsfunktion erreicht sein muss“.
Im Rahmen seines Urteils v.
30.11.2001 hat das OVG NRW im konkret zu entscheidenden Fall für die Ausweisung
einer „Vorrangzone für Windkraftanlagen“ durch die Gemeinde Abstände „von 300 m
zu Einzelgebäuden und Gehöften, von 300 bzw. 500 m zu überwiegend außerhalb des
Ortszusammenhangs liegender Wohnbebauung (je nach unterschiedlichen
Himmelsrichtungen) sowie von 500 bzw. 750 m zu überwiegend im Ortszusammenhang
liegender Wohnbebauung (gleichfalls je nach unterschiedlichen Himmelsrichtungen)“
als „nicht zu hoch gegriffen“ angesehen.
Wenn nach eingehender Untersuchung
keine geeignete Fläche für die Windenergienutzung ermittelt werden kann,
erübrigt sich eine Darstellung für Windenergienutzung im Flächennutzungsplan.
Auf Nr. 4.2.3.3 wird verwiesen.
Bei der Darstellung von
Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan empfiehlt es sich, neben der Grundnutzung
(in aller Regel „Fläche für die Landwirtschaft“) die Konzentrationszonen für
die Windenergieanlagen als zusätzliche Nutzungsmöglichkeit durch Randsignatur
darzustellen (überlagernde Darstellung). Weiterhin kann nach § 16 Abs. 1
Baunutzungsverordnung - BauNVO - die Begrenzung der Höhe baulicher Anlagen
dargestellt werden; dabei sind das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (Nr.
4.2.4) und der Stand der Anlagentechnik (z.B „gängige“ Höhe) zu
berücksichtigen. Höhenbeschränkungen müssen aus der konkreten Situation
abgeleitet und städtebaulich begründet sein. Soweit erforderlich, sind Flächen
für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche
Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 5 Abs. 2
Nr. 6 BauGB) sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur
Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 1 a Abs. 3, § 5 Abs. 2 Nr. 10
BauGB) darzustellen.
Zur Zulässigkeit von Konzentrationszonen
für Windenergieanlagen in Bereichen für den Schutz der Landschaft und
landschaftsorientierte Erholung, in regionalen Grünzügen, in
Überschwemmungsbereichen und in Waldbereichen wird auf die Nrn. 2.3.3, 2.3.4.
und 5.1. verwiesen.
Eine Darstellung von
Konzentrationszonen in Landschaftschutzgebieten kommt nur in Betracht, wenn
- bei Nichtvereinbarkeit mit der Schutzfunktion eines durch ordnungsbehördliche Verordnung ausgewiesenen oder durch einen Landschaftsplan festgesetzten Landschaftsschutzgebietes vor der Genehmigung des Flächennutzungsplanes die widersprechenden Teile durch die zuständige Landschaftsbehörde bzw. den Träger der Landschaftsplanung aufgehoben oder geändert worden sind,
- bei Vereinbarkeit mit der Schutzfunktion des Landschaftsschutzgebietes vor der Genehmigung des Flächennutzungsplanes die zuständige Landschaftsbehörde bzw. der Träger der Landschaftsplanung nach § 34 Abs. 4 a des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (LG) einen entsprechenden Ausnahmetatbestand nach Art und Umfang in die Landschaftsschutzverordnung aufgenommen bzw. im Landschaftsplan festgesetzt hat.
Windfarmen können außerdem im
Flächennutzungsplan gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO als sonstige Sondergebiete
ausgewiesen werden. Dabei ist die Zweckbestimmung (z.B. Sondergebiet
„Windfarm“) textlich darzustellen.
Die Standorte für
Windenergieanlagen können auch als „Flächen für Versorgungsanlagen“ gemäß § 5
Abs. 2 Nr. 4 BauGB bzw. mit Standortsymbol für Versorgungsanlagen dargestellt
werden.
Eine Ausschlusswirkung nach § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB liegt nur vor, wenn im Rahmen der vorgenannten
Darstellungen eine Untersuchung des gesamten Gemeindegebietes erfolgt und dies
im Erläuterungsbericht dargelegt ist.
3.2.3
Bebauungsplan
Insbesondere zur optimalen
Ausnutzung einer geeigneten Fläche für die Windenergienutzung kann die Aufstellung
eines Bebauungsplanes erforderlich werden, da im Bebauungsplan die Standorte
der Einzelanlagen festgesetzt werden können. Auf die Verpflichtung nach § 1a
BauGB wird hingewiesen.
Bei der Ausweisung eines
Sondergebietes „Windfarm“ nach § 11 Abs. 2 BauNVO sind die Zweckbestimmung und
die Art der Nutzung (Konkretisierung der zulässigen Art der Nutzung)
festzusetzen. Darüber hinaus können Festsetzungen zum Maß der baulichen
Nutzung, zur Erschließung, zum Immissionsschutz, zu den erforderlichen
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen getroffen und ggf. örtliche Bauvorschriften
nach § 86 Landesbauordnung - BauO NRW - über die äußere Gestaltung erlassen
werden. Dies gilt entsprechend bei der Festsetzung von Flächen für
Versorgungsanlagen. Hinsichtlich der Höhenbeschränkung gilt das unter Nr. 3.2.2
im 4. Absatz Ausgeführte entsprechend.
Eine Veränderungssperre ist gemäß
§ 14 BauGB nur zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich
zulässig, der künftige Planinhalt muss bereits in einem Mindestmaß bestimmt und
absehbar sein. Eine Veränderungssperre kann verwaltungsgerichtlich überprüft
werden, ob sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks erforderlich
ist (vgl. BVerwG, ZfBR 1993, 33). Gemäß § 14 Abs. 2 BauGB kann die Gemeinde
nach pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens eine Ausnahme von der Veränderungssperre
zulassen, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen.
3.2.4
Vorhabenbezogener Bebauungsplan
Die Gemeinde kann durch einen
vorhabenbezogenen Bebauungsplan gemäß § 12 BauGB die Zulässigkeit von Vorhaben
bestimmen, soweit ein Vorhabenträger auf der Grundlage eines von ihm
vorgelegten und mit der Gemeinde abgestimmten Planes zur Durchführung der
Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen bereit und in der Lage ist und sich zur
Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Übernahme der Planungs-
und Erschließungskosten ganz oder teilweise verpflichtet. Die Ausführungen zur
Ausweisung von Sondergebieten „Windfarm“ bzw. Fläche für Versorgungsanlagen
gelten entsprechend.
3.2.5
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Bebauungsplan oder vorhabenbezogenen
Bebauungsplan
Wird ein Bebauungsplan oder ein
vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt, findet dort gem. §§ 2 Abs. 3 Nr.
3, 17 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) des Bundes
i.d.F. des Gesetzes vom 27.07.2001 (BGBl. I. S. 1950) entsprechend dem
Planungsstand folgende Prüfung statt:
- bei
einer Planung für eine Windfarm mit insgesamt 3 bis 5 Anlagen:
eine überschlägige Prüfung gem. § 3c i.V.m. Anlage 2 Nr. 2 UVPG, ob auf Grund besonderer örtlicher Gegebenheiten erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind (standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls),
- bei
einer Planung für eine Windfarm mit insgesamt 6 bis 19 Anlagen:
eine überschlägige Prüfung gem. § 3c in Verbindung mit Anlage 2 UVPG, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles),
- bei einer Planung für eine Windfarm von insgesamt 20 oder mehr Anlagen oder wenn die Vorprüfung zum Ergebnis hatte, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen möglich sind:
gem.
§§ 3 b, 3 c UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
Im nachfolgenden
Genehmigungsverfahren soll die Vorprüfung des Einzelfalls oder die UVP auf
zusätzliche oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen beschränkt
werden. Angesichts der Konkretheit eines Bebauungsplanes für Windenergieanlagen
ist es möglich, die UVP abschließend im Bebauungsplan durchzuführen.
4
Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergienutzung
4.1
Allgemeines
Windenergieanlagen sind bauliche
Anlagen im Sinne des § 29 BauGB und des § 2 BauO NRW. Nach § 63 Abs. 1 BauO NRW
ist deshalb - unabhängig von der Leistung der Windenergieanlagen - ein
Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. Windenergieanlagen sind nicht
genehmigungsfrei i.S.v. § 65 Abs. 1 Nr. 9a BauO NRW. Form und
Antragsberechtigung für Bauvorlagen zu Windenergieanlagen richten sich nach den
§§ 63, 70 BauO NRW. Hinsichtlich der technischen Voraussetzungen wird auf den
Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 08.02.1996 - Az.: II B 3 -
474.203 - SMBl. NRW. 23236 - verwiesen, mit dem die Richtlinie für
Windkraftanlagen „Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und
Gründung“ als Technische Baubestimmung nach § 3 Abs. 3 BauO NRW
eingeführt wurde.
Nach Nr. 1.6 des Anhangs zur
Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950, 1978), i.V.m. § 1 der
4. BImSchV sind Windfarmen mit 3 oder mehr Windenergieanlagen
immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Das immissionsschutzrechtliche
Verfahren ist durchzuführen, wenn ein Betreiber die Errichtung von mindestens 3
Anlagen beantragt oder wenn ein Antrag lediglich die Errichtung von ein oder
zwei Anlagen vorsieht, aber zusammen mit anderen Anlagen desselben Betreibers
in der Windfarm die oben genannten maßgeblichen Größenwerte erreicht oder
überschritten werden.
Die jeweils zuständige
Genehmigungsbehörde hat bei der Errichtung von bis zu 19 Windenergieanlagen
überschlägig zu prüfen, ob die entstehende oder erweiterte Windfarm erhebliche
nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben kann und, wenn eine UVP
erforderlich ist, gemäß §§ 9 bis 9 b UVPG die Öffentlichkeit zu
beteiligen. Bei der Vorprüfung ebenso wie bei der UVP muss die Zulassungsbehörde ihr bekannte
Informationen, z.B. aus früheren Gutachten, dem Antragsteller zugänglich
machen.
4.2
Planungsrechtliche Zulässigkeit
Auf folgende Runderlasse wird
hingewiesen:
- Gem. RdErl. v. 03.03.1998, Einführungserlass zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (SMBl. NRW. 2311), Nrn. 4.8 bis 4.10 und 10,
- Rd.Erl. des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft v. 26.04.2000, Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 92/43/EWG (FFH-RL) und 79/409/EWG (Vogelschutz-RL) - VV-FFH - (SMBl. NRW. 791), Nrn. 5 und 10.1.
Nach den §§ 3 b,
3 c i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6 des UVPG sind für Windfarmen mit Anlagen in
einer Höhe von jeweils mehr als 35 Metern oder einer Leistung von jeweils mehr
als 10 KW die unter Nr. 3.2.5 genannten Prüfungen (standortbezogene oder
allgemeine Vorprüfung oder UVP) erforderlich.
Die Errichtung von ein oder zwei
Anlagen ist für sich genommen nicht UVP-relevant. Wenn mehrere Anlagen, die
gleichzeitig von denselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen,
innerhalb einer Windfarm (vgl. Nr. 1.2) errichtet werden sollen und sie
zusammen die Größenwerte der Anlage 1 zum UVPG erfüllen, ist für sie gemäß
§ 3 b Abs. 3 bzw. § 3 c Abs. 1 i.V.m. § 3 b Abs.
3 UVPG eine UVP bzw. eine standortbezogene oder eine allgemeine Vorprüfung
durchzuführen. Entscheidend ist, ob durch den jeweiligen Antrag unter
Berücksichtigung schon bestehender, genehmigter oder vorher beantragter Anlagen
innerhalb der Windfarm eine Pflicht zur Vorprüfung oder zur Durchführung einer
UVP ausgelöst wird. Windenergieanlagen, die vor dem 14.03.1999 (maßgeblicher
Stichtag zum Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Änderungsrichtlinie) genehmigt
wurden, sind gem. § 3 b Abs. 3 Satz 3 UVPG beim Bestand nicht zu
berücksichtigen. Ebenfalls bleiben zeitlich nachher gestellte Anträge nach dem
Prioritätsprinzip unberücksichtigt.
Bei einer standortbezogenen
Vorprüfung des Einzelfalles ist darzulegen und zu begründen, ob die beantragten
Windenergieanlagen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf den konkreten
Schutzzweck des betroffenen schützenswerten Gebietes haben können. Werden die
in Nr. 4.2.4.4 festgelegten Abstände zu schützenswerten Gebieten eingehalten,
sind in der Regel erhebliche negative Auswirkungen nicht zu erwarten, soweit
zwischen den Gebieten ein notwendiger Funktionsaustausch gewährleistet ist.
Findet eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles für eine in einer
Konzentrationszone eines Flächennutzungsplans geplante Windfarm statt, kann
davon ausgegangen werden, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht
zu erwarten sind, wenn sich nicht neue Gesichtspunkte ergeben, die bei der Ausweisung
im Flächennutzungsplan noch nicht berücksichtigt werden konnten. Bei der
allgemeinen Vorprüfung ist zu berücksichtigen, inwieweit der Prüfwert für Größe
(6 bis 19 Anlagen) erreicht oder überschritten wird (§ 3 c Abs. 1
Satz 4 UVPG).
Bei der Änderung oder Erweiterung
einer bislang nicht UVP-pflichtigen Windfarm ist eine UVP zwingend
erforderlich, wenn durch die zu berücksichtigenden Anlagen insgesamt der
X-Prüfwert (20 Windenergieanlagen) erreicht wird. Bei kleineren Vorhaben ist im
Rahmen einer Vorprüfung über die Erforderlichkeit einer UVP zu entscheiden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit der Änderung mindestens 3 Windenergieanlagen
errichtet werden sollen, da der vorhandene Bestand in die Bewertung mit
einbezogen werden muss. Sukzessive Änderungen sind demgemäß solange in die
Vorprüfung einzubeziehen, bis eine UVP durchgeführt werden muss.
Bei Erweiterung einer Windfarm,
die als solche bereits UVP-pflichtig ist, ist für die Feststellung der Erforderlichkeit
einer zwingenden UVP gemäß § 3 e Abs. 1 Nr. 1 UVPG allein der Umfang
der geplanten Erweiterung maßgeblich. Soll beispielsweise eine aus 20 Anlagen
bestehende Windfarm erweitert werden, ist (erst) eine Erweiterung um mindestens
20 Windenergieanlagen zwingend UVP-pflichtig; eine Erweiterung um 6 bis 19
Anlagen bedürfte der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls. Dabei werden nicht
die Anlagen berücksichtigt, die schon Gegenstand der UVP waren, sondern nur die
Anlagen, die danach errichtet, genehmigt oder vor dem konkreten Antrag
beantragt worden sind.
4.2.1
Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB
In Sondergebieten mit der
Zweckbestimmung „Windfarm“ und auf Versorgungsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12
BauGB sind Windenergieanlagen zulässig, wenn sie den Festsetzungen des
Bebauungsplanes nicht widersprechen.
Sofern der Bebauungsplan keine
ausdrückliche Festsetzung für Windenergieanlagen enthält, kann die
Windenergieanlage als untergeordnete Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz
1 BauNVO zulässig sein.
- Die Windenergieanlage muss dem Nutzungszweck (z. B. einem Gewerbebetrieb) der in dem jeweiligen Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebietes (mehrere Nachbarn versorgen mehrere Grundstücke durch eine gemeinsame Windenergieanlage) ausschließlich oder überwiegend dienen.
- Die Windenergieanlage muss der Hauptnutzung räumlich-gegenständlich untergeordnet sein. Eine Windenergieanlage kann im Hinblick auf ihr geringes bauliches Volumen in der optischen Wirkung derart zurücktreten, dass sie gegenüber einem Gebäude, dessen Energieversorgung sie dient, auch räumlich-gegenständlich als untergeordnet erscheint.
- Die Windenergieanlage darf nicht der Eigenart des Baugebietes widersprechen. Trotz dichter Bebauung kann eine Windenergieanlage in einem Industrie- oder Gewerbegebiet zulässig sein, weil sie sich als technische Anlage in die baulichen Anlagen des Gebietes (Schornsteine, Hochspannungsmasten, Kühltürme) einfügt.
4.2.2
Unbeplanter Innenbereich nach § 34 BauGB
Für Vorhaben in einem Baugebiet,
das nach der Art der Bebauung einem der in der BauNVO aufgeführten Baugebiete
entspricht, richtet sich das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die
überbaubare Grundstücksfläche nach dem aus der näheren Umgebung abzuleitenden
Rahmen (§ 34 Abs. 2 BauGB). Auf Nr. 4.2.1 wird verwiesen.
4.2.3
Außenbereich nach § 35 BauGB
Im Außenbereich sind
Windenergieanlagen als untergeordnete Anlagen privilegiert gemäß § 35 Abs.
1 Nr. 1 BauGB oder als selbständige Anlage gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Sie
sind zulässig, wenn ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine
ausreichende Erschließung gesichert ist.
4.2.3.1
Eine Windenergieanlage ist im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB als
unselbständiger Teil eines seinerseits privilegierten Betriebes (z. B. Land-
oder Forstwirtschaft, gartenbauliche Erzeugung) genehmigungsfähig.
Voraussetzung ist, dass die Windenergieanlage dem Betrieb der Hauptanlage
unmittelbar zu- und untergeordnet ist und bei landwirtschaftlichen Betrieben
(einschließlich aller Nebenanlagen) nur einen untergeordneten Teil der
Betriebsfläche einnimmt.
Die räumliche Zuordnung erfordert,
dass die Windenergieanlage sich in angemessener räumlicher Nähe zu dem mit
Energie versorgten landwirtschaftlichen Betrieb befindet. Nach der
Zweckbestimmung muss der überwiegende Teil der erzeugten Energie dem
privilegierten Vorhaben zugute kommen.
Eine Windenergieanlage kann im
Einzelfall als untergeordnete Nebenanlage mehreren im Außenbereich
zulässigerweise errichteten Betrieben dienen.
Die funktionale Zuordnung ist ggf. durch eine Nebenbestimmung zur
Baugenehmigung nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG NRW) auf Dauer sicherzustellen. Gesetzliche Voraussetzung für eine
Windenergieanlage als untergeordnete Nebenanlage nach § 35 Abs. 1 BauGB
ist, dass nicht der überwiegende Teil der erzeugten Energie zur Einspeisung in
das öffentliche Netz bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1994, DVBl. 1994,
1141). Die Zuordnung einer Anlage zu mehreren Betrieben ist immer erfüllt, wenn
- die
Betreiber der Windenergieanlage gesellschaftsrechtlich verbunden sind und
- nachweisen, dass der Stromverbrauch in ihren Betrieben zusammengenommen höher ist als 50 % der Energieerzeugungsleistung der Windenergieanlage, und
- die Windenergieanlage sich in angemessener räumlicher Nähe zu den mit Energie versorgten Betrieben befindet.
4.2.3.2
Windenergieanlagen, die Energie überwiegend in ein Verbundnetz der öffentlichen
Stromversorgung einspeisen, sind - unabhängig davon, ob sie als Einzelanlagen
oder in einer in einem Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone
liegen - als Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu
beurteilen.
Wenn Flächen bzw. Standortsymbole
für solche Anlagen in einem Flächennutzungsplan dargestellt werden,
konkretisiert diese Darstellung einen besonderen öffentlichen Belang, gegen den
sich andere öffentliche Belange in der Regel nicht durchsetzen können (vgl.
BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 4 C 57.84 - BVerwGE 77, 300).
4.2.3.3
Bei der Prüfung, ob öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB
der Errichtung einer Windenergieanlage im Einzelfall entgegenstehen, ist
folgendes zu beachten:
- Wenn der geplante Standort einer Windenergieanlage konkreten standortbezogenen Aussagen des Flächennutzungsplanes widerspricht (Darstellung einer Fläche als Sportplatz oder konkrete anderweitige Standortdarstellung innerhalb eines Sondergebiets für Windenergieanlagen – vgl. Nr. 3.2.2), steht diese Darstellung des Flächennutzungsplanes der Errichtung der Windenergieanlage als öffentlicher Belang entgegen. Die Darstellung „Fläche für die Landwirtschaft“ ist in der Regel kein Widerspruch zum Standort für einzelne Windenergieanlagen.
- Der Belang „Ausweisung an anderer Stelle“ steht nach § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB einer Windenergieanlage in der Regel entgegen, soweit im
Flächennutzungsplan (s. Nr. 3.2.2) oder im Gebietsentwicklungsplan (s. Nr. 2.2) eine Darstellung an anderer
Stelle erfolgt. Ausnahmen von der Ausschlusswirkung durch die Darstellung im
Flächennutzungsplan sind im Einvernehmen mit der Gemeinde (gem. § 36 Abs. 1
Satz 1 BauGB) möglich, wenn Umstände vorliegen, die bei der Festlegung der
Konzentrationszone nicht berücksichtigt wurden, oder wenn solche Umstände wegen
der notwendigerweise nur groben Betrachtung der Bereiche in der
Flächennutzungsplanung nicht greifen (vgl. OVG NRW Urt. v. 30.11.2001 –7 A
4857/00), z.B:
a) an einem
Standort, an dem bereits zulässigerweise eine gleichgeartete Anlage vorhanden
war,
b) im
räumlichen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn sie zu einem
nicht unbedeutenden Teil (mindestens 20% der von der Anlage erzeugten Energie)
der eigenen Energieversorgung dient,
c)
deren Nabenhöhe 35 m nicht überschreitet oder
d) auf
Halden, Braunkohle-Außenkippen und Deponien.
Von der Windenergieanlage dürfen i.Ü. keine negativen Folgen für den Landschaftsraum (z.B. Naturschutz, Erholungsfunktion, Landschaftsbild etc.) zu erwarten sein. Auf eine Anlage, die einem privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB zugeordnet ist, findet § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keine Anwendung.
- Belange des Natur- und Landschaftsschutzes stehen privilegierten Vorhaben entgegen, wenn diese naturschutzrechtlich unzulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1978, DÖV 1979, 212). Auf Nr. 5.1 dieses Runderlasses wird verwiesen.
- Auch der Schutz des Landschaftsbildes kann der Zulässigkeit privilegierter Vorhaben entgegenstehen. Wann eine Verunstaltung i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB, die als öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben entgegensteht, vorliegt, hängt von den Gebietscharakteristika ab. Dies hat dann für das Landschaftsbild Bedeutung, wenn eine gewerbliche Überformung des fraglichen Bereichs stattgefunden hat. (vgl. OVG Münster, Urt. 12.06.2001, 10 A 97/99). Aber auch nicht jede exponierte Lage im Mittelgebirge, bei der Windenergieanlagen mit rd. 100 m Höhe dominant wirken, führt zur Verunstaltung; sie ist nur dann anzunehmen, wenn es sich bei dem optisch betroffenen Bereich um eine wegen ihrer Eigenart, Schönheit, Vielfalt und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung handelt oder wenn ein besonders grober Eingriff in das Landschaftsbild in Rede steht (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.11.2001 - 7 A 4857/00).
- Das Ortsbild wird verunstaltet, wenn mit der Errichtung einer Windenergieanlage der städtebauliche Gesamteindruck erheblich gestört würde, d. h. wenn der Gegensatz zwischen der baulichen Anlage und dem Ortsbild von dem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (BVerwG, Urt. v. 28.06.1955, BVerwGE 2, 172, 177). Das Ortsbild kann durch den Standort, die Art und die Größe des Vorhabens oder durch die Änderung der Ortssilhouette verunstaltet werden. Bei bereits vorhandenen, das Ortsbild beeinträchtigenden Baulichkeiten ist im Einzelfall zu prüfen, ob die nachteiligen Wirkungen durch eine Windenergieanlage das Ortsbild zusätzlich erheblich beeinträchtigen. Bei der Abwägung kann die optische Gewöhnungsbedürftigkeit an die technische Neuartigkeit kein ausschlaggebendes Kriterium sein.
- Der Schutzzweck der natürlichen Eigenart der Landschaft ist darauf gerichtet, den Freiraum in seiner funktionellen Bestimmung für die naturgegebene Bodennutzung sowie als Erholungsfläche für die Allgemeinheit zu erhalten und ihn vor dem Eindringen wesensfremder und erholungseigenschaftsabträglicher Nutzung zu schützen. Ist ein Standort wegen seiner natürlichen Beschaffenheit ohnehin weder für das eine noch das andere geeignet oder hat er seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt, so kann von einer Beeinträchtigung keine Rede sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1994 - 4 C 20.93 - insoweit nicht veröffentlicht). Nur wenn die besondere Schutzwürdigkeit des in Aussicht genommenen Standortes konkret dargelegt und höher gewichtet wird als die vom Gesetzgeber mit der Privilegierung verfolgte Zielsetzung (vgl. Nr. 5.1), steht dieser Belang der Windenergieanlage entgegen.
4.2.4
Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme
Hinsichtlich der Abstände zu
Gebäuden und zur Nachbargrenze gelten die Vorschriften der Landesbauordnung
(siehe Nr. 4.3). Darüber hinaus können sich aus dem Gebot der gegenseitigen
Rücksichtnahme im Einzelfall größere Abstände zu baulichen Anlagen oder
sonstigen Nutzungen ergeben, wobei störende Licht-/Schattenreflexe auch durch
zeitlich begrenzte Abschaltung der Windenergieanlage und störende Spiegelungen
(„Disco-Effekt“) durch Beschichtung der Rotorblätter vermieden werden können.
Wegen eventuell auftretender Immissionen wird i.Ü. auf Nr. 5.3 verwiesen.
Abstände von Windenergieanlagen
untereinander können sich auch aufgrund des Gebotes der gegenseitigen
Rücksichtnahme ergeben. Wer sein Grundstück in zulässiger Weise baulich durch
Errichtung einer Windenergieanlage nutzen will, muss berechtigte Interessen
nicht schon deshalb zurückstellen, um gleichwertige fremde Interessen zu
schonen. Der Betreiber einer Windenergieanlage in einer Konzentrationszone muss
damit rechnen, dass ihm durch die Aufstellung weiterer Windenergieanlagen nicht
nur Wind genommen, sondern dieser auch in seiner Qualität verändert wird (vgl.
OVG NRW, Beschl. v. 24.1.2000 – 7 B 2180/99 und Beschl. v. 01.02.2000 – 10 B
1831/99). Das BVerwG (Beschl. v. 06.12.1996 in NVwZ-RR 1997, 516) hat
ausgeführt, ein Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, habe es nicht
in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung Einfluss auf die
Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schaffe keine
Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das eigene
Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des
angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks nicht
voll ausschöpfe.
Um den wirtschaftlichen Betrieb
einer Anlage auf Dauer zu gewährleisten, wird daher eine zivilrechtliche
Vereinbarung mit der Eigentümerin oder dem Eigentümer der in Hauptwindrichtung
gelegenen Grundstücke empfohlen.
Im Hinblick auf die effektive Nutzung
der Gesamtfläche einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone
sind - soweit nach dem jeweiligen Sachstand möglich - dort auch noch nicht
beantragte oder geplante Windenergieanlagen bei der Entscheidung zu
berücksichtigen. Bei jedem Einzelfall sind Gesichtspunkte des Landesinteresses
(vgl. Nr.2 dieses Erlasses), der Außenbereichsschonung (Konzentration auf engem
Raum) sowie der Investitionssicherheit (Funktionsfähigkeit jeder Anlage auf
Dauer) in die Abwägung einzubeziehen. Zur optimalen Ausnutzung des
hereinkommenden Windes wird empfohlen, in einem Winkelbereich von +/- 30° zur
Achse der Hauptwindrichtung vor den benachbarten Windenergieanlagen das 8fache
ihres Rotordurchmessers als Abstand einzuhalten; in allen übrigen
Windrichtungen das 4fache des Rotordurchmessers. Im Bereich des Übergangs von
Haupt- und Nebenwindrichtung soll der Abstand mindestens das 4fache des
Rotordurchmessers zur Achse der Hauptwindrichtung betragen. Die
Hauptwindrichtung ist aus meteorologischen Daten oder speziellen
Standortgutachten zu bestimmen.
Neben der Landesbauordnung (vgl.
Nr. 4.3) und den in Nr. 5 genannten Spezialgesetzen gibt es keine zwingenden
gesetzlichen Vorgaben, nach denen Windenergieanlagen bestimmte Abstände
einzuhalten haben. Um gegenseitig negative Einflüsse zu vermeiden, wird jedoch
empfohlen, Abstände zwischen Windenergieanlagen einerseits und Wohnsiedlungen,
Freileitungen, anderen technischen Anlagen oder naturschutzrechtlich
bedeutsamen Gebieten andererseits einzuhalten:
In begründeten Einzelfällen können
auch größere oder geringere Entfernungen zu den genannten Gebieten in Betracht
kommen. Z. B können sich größere Entfernungen bei besonders empfindlicher,
tatsächlich vorhandener Nutzung am Rande von Siedlungsgebieten ergeben,
geringere Entfernungen bei natürlichen Abschirmungen und nur geringer Bebauung.
4.2.4.1
Abstände zu Siedlungsgebieten und zu Wohngebäuden im Außenbereich sind jeweils
im Einzelfall zu berechnen. Es ist sicherzustellen, dass die jeweils
maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten werden (auf Nr. 5.3.1 dieses
Erlasses wird verwiesen).
Z.B. können vier
Windenergieanlagen mit jeweils 1,5 Megawatt Leistung, die mit jeweils
vierfachem Rotordurchmesser Entfernung nebeneinander quer zur Hauptwindrichtung
stehen, an dem in 400 m Entfernung in Hauptwindrichtung gelegenen Immissionsort
(Wohngebäude oder Siedlungsrand) unter Mitwindbedingungen einen
Schalldruckpegel von 44 dB(A) erzeugen - ein Lärmwert, der nachts für den
Außenbereich oder ein Mischgebiet [Immissionsrichtwert nach der TA-Lärm für
gemischt genutzte Gebiete 45 dB(A)] noch zulässig wäre (vgl. OVG NRW, Beschl.
v. 03.09.1999 – 10 B 1283/99 – NVwZ 1999, 1360). Drei vergleichbar zueinander
angeordnete Windenergieanlagen mit jeweils 600 kW Leistung können am 90° zur Hauptwindrichtung
gelegenen und 425 m zur nächsten Anlage entfernten Immissionsort einen
Schalldruckpegel von 39 dB(A) hervorrufen, ein Wert, der nachts im allgemeinen
Wohngebiet [Richtwert 40 dB(A)] noch zulässig wäre, nicht jedoch in einem
reinen Wohngebiet [Richtwert 35 dB(A)].
4.2.4.2
Abstand zwischen dem äußersten ruhenden Leiter einer Freileitung und dem
nächstgelegenen Punkt der Rotorfläche (Rotorblattspitze) einer
Windenergieanlage:
-
Freileitungen mit Nennspannungen ab 30 kV (110 kV-Gestänge)
ohne Schwingungsschutzmaßnahmen |
Þ
dreifacher Rotordurchmesser |
mit Schwingungsschutzmaßnahmen |
Þ
einfacher Rotordurchmesser. |
Aufwendungen für
Schwingungsschutzmaßnahmen (Dämpfungseinrichtungen) sind nach dem Verursacherprinzip
zu tragen.
- Für Freileitungen mit Nennspannungen unter 30 kV (Mittelspannungsgestänge) können geringere Abstände vereinbart werden, wenn sichergestellt ist, dass die Freileitung außerhalb der Nachlaufströmung der Windenergieanlage liegt.
- Für Freileitungen mit Nennspannungen von 30 kV ist der Abstand abhängig von der Bauart der Freileitung, einem typischen 110 kV- oder Mittelspannungsgestänge.
Für Freileitungen aller
Spannungsebenen gilt, dass bei ungünstiger Stellung des Rotors die Blattspitze
nicht in den Schutzstreifen der Freileitung ragen darf.
4.2.4.3
Abstände zwischen anderen technischen Anlagen und dem nächstgelegenen Punkt der
Rotorflächen (Rotorblattspitze) der Windenergieanlage (WEA):
Sendeanlagen |
Þ
Höhe der höheren Anlage (bei WEA einschließlich Rotorradius) |
Richtfunkstrecken |
Þ
kein Teil der WEA darf die Funkstrecke unterbrechen |
4.2.4.4
Abstände zwischen naturschutzrechtlich bedeutsamen Gebieten und dem nächstgelegenen
Punkt der Rotorflächen (Rotorblattspitze) der Windenergieanlage:
- Nationalparke, Naturschutzgebiete,
Feuchtgebiete gemäß RAMSAR-Konvention,
Vogelschutzgebiete, die gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie
an die EU gemeldet sind oder gemeldet werden müssen,
Gebiete nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie,
Biotope gemäß § 62 LG,
Þ200 m
-
sofern sie insbesondere dem
Schutz
bedrohter Vogelarten dienen
Þ 500 m.
4.2.5
Erschließung
Windenergieanlagen sind wie andere
bauliche Anlagen nur zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist. Das
Grundstück muss eine ausreichende Zufahrtsmöglichkeit aufweisen, die sowohl
Errichtung als auch Wartung der Windenergieanlagen zulässt. Im Außenbereich hat
die Gemeinde bei privilegierten Vorhaben ein zumutbares Angebot von Bauwilligen
anzunehmen, selbst ein Grundstück zu erschließen. Der Anschluss einer
Windenergieanlage an ein Verbundnetz zum Zwecke der Stromeinspeisung gehört
nicht zum bauplanungsrechtlichen Inhalt der Erschließung (BVerwG, Beschl. v.
05.01.1996, NVwZ 1996, 597).
4.3
Bauordnungsrechtliche Anforderungen
Sofern sich aus Gründen des
Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme (Nr. 4.2.4) oder aus Spezialgesetzen
(Nrn. 5.1 – 5.9) größere Abstände zu Nachbargrenzen oder zu Gebäuden als nach
den nachfolgenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen ergeben, so gelten
diese.
4.3.1
Abstandflächen
Bei Windenergieanlagen ist die
Abstandfläche ein Kreis um den geometrischen Mittelpunkt des Mastes (§ 6 Abs.
10 Satz 5 BauO NRW i.d.F. vom 9.5.2000). Gemäß § 6 Abs. 10
Satz 3 und 4 BauO NRW bemisst sich die Tiefe der Abstandfläche nach der
Hälfte ihrer größten Höhe, wobei sich die größte Höhe bei Anlagen mit
Horizontalachse aus der Höhe der Rotorachse zuzüglich des Rotorradius ergibt.
Der sich aus § 6 Abs. 5 Satz 5
BauO NRW ergebende Mindestgrenzabstand von 3 m sowie das Schmalseitenprivileg
des § 6 Abs. 6 BauO NRW gelten für Windenergieanlagen nicht (§ 6 Abs.
10 Satz 2 BauO NRW).
4.3.2
Standsicherheit
Gemäß § 15 Abs. 1 BauO NRW muss jede
bauliche Anlage im ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher
sein; die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen darf nicht gefährdet
werden. Erschütterungen oder Schwingungen, die von ortsfesten Anlagen ausgehen,
sind gemäß § 18 Abs. 3 BauO NRW so zu dämmen, dass Gefahren oder unzumutbare
Belästigungen nicht entstehen (vgl. OVG NRW Beschl. v. 01.02.2000 – 10 B
1831/99). Um diesen Anforderungen und der als technische Baubestimmung
eingeführten Richtlinie (RdErl. vom 08.02.1996 – SMBl. NRW 23236 – (vgl. Nr. 4.1.)) Rechnung zu tragen, ist ein ausreichender Abstand von Windenergieanlagen
untereinander und zu anderen vergleichbar hohen Bauwerken erforderlich.
Windenergieanlagen sind in der Lastannahme auf eine Turbulenzintensität von 0,2
ausgelegt. Ein Abstand von weniger als 3 Rotordurchmessern (bezogen auf den
jeweils größeren Durchmesser der benachbarten Anlagen) ist deshalb im Hinblick
auf die Standsicherheit grundsätzlich nicht zuzulassen.
Es ist unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 – 10 B 1831/99) davon
auszugehen, dass bei Abständen von weniger als 5 Rotordurchmessern in
Hauptwindrichtung Auswirkungen auf die Standsicherheit der Anlage zu erwarten
sind, da in Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen (Topografie,
Nabenhöhe, Windgeschwindigkeit) die Turbulenzintensität des Windes größer
werden kann, als in der Richtlinie (s.o.) vorgegeben. Zwischen 3 und 5
Rotordurchmessern Abstand muss daher der Antragsteller der hinzukommenden
Anlage mittels eines Gutachtens nachweisen, dass die Standsicherheit nicht
beeinträchtigt wird.
4.3.3
Eiswurf
Eine Windenergieanlage darf den
Verkehr auf Straßen und Wegen und den Erholungsverkehr nicht gefährden. Für
Windenergieanlagen in eisgefährdeten Gebieten (im Mittelgebirge, 400 m über
NHN, im Bereich feuchter Aufwinde, in der Nähe großer Gewässer oder von
Flussläufen) ist deshalb der Genehmigungsbehörde (ggf. durch Gutachten)
nachzuweisen, dass z.B.
- die Anlage sich bei Eisansatz aufgrund entsprechender technischer Vorkehrungen (z.B. Detektoren) selbst stilllegt oder
- der Eisansatz durch technische Maßnahmen (Beheizung und/oder wasserabweisende Beschichtung der Rotorblätter) auf Dauer vermieden wird.
Im Bereich unter einer Anlage in
einem eisgefährdeten Gebiet ist durch Hinweisschilder auf die Gefährdung
aufmerksam zu machen.
4.4
Gebühren
Für baurechtliche und für
immissionsschutzrechtliche Verfahren ergeben sich Kostenschuldner und Höhe der
Kosten (Gebühren und Auslagen) aus dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) in Verbindung mit der allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW).
4.4.1
Baugenehmigung, Bauüberwachung und Bauzustandsbesichtigung, Prüfung des
Standsicherheitsnachweises
Die Gebühren sind nach dem
Allgemeinen Gebührentarif (AGT) der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW) zu erheben, soweit nicht die Gemeinden Gebührenordnungen
(Satzungen) mit abweichenden Gebührensätzen erlassen haben (§ 2
Abs. 3 Gebührengesetz - GebG NRW -). Nach Tarifstelle (TS) 2.4.1.4
Buchstabe b) des AGT der AVwGebO NRW berechnet sich die Gebühr für die Baugenehmigung
einer Windenergieanlage, unabhängig von ihrer Höhe, mit 10. v. T. der
Herstellungssumme. Von den veranschlagten (geschätzten) Herstellungskosten der
gesamten Windenergieanlage ist auszugehen, weil sie insgesamt Gegenstand
baurechtlicher Prüfungen ist (z. B. planungsrechtliche Zulässigkeit, Immissionsschutz,
Abstandflächen, Landschafts- und Naturschutz).
Da die Herstellungskosten einer
Windenergieanlage maßgeblich von einer technischen Ausstattung (z.B. Generator,
Bremse, Kupplung, Welle, Nabe usw.) bestimmt werden, die selbst keiner
bauaufsichtlichen Prüfung unterliegt, ist nach TS 2.1.3 Abs. 2 Satz 2 bei der
Berechnung der Gebühren die Hälfte der Herstellungsumme zugrunde zu legen.
Darüber hinaus kommen nach TS
2.3.1 weitere Ermäßigungen in Betracht, wenn für mehrere gleiche oder
weitgehend vergleichbare Windenergieanlagen gleichzeitig eine oder mehrere
Baugenehmigungen, Teilbaugenehmigungen oder Vorbescheide beantragt werden. Die
Gebühren ermäßigen sich dann bei zwei Windenergieanlagen für jede
Windenergieanlage auf drei Viertel.
Die Gebühren für Amtshandlungen
nach TS 2.4.10.1 ff. AGT (Bauüberwachung und Bauzustandsbesichtigung) sind
unter Berücksichtigung der vorstehend ermittelten Genehmigungsgebühren [Gebühr
nach TS 2.4.1.4 Buchst. b)] zu berechnen.
Die Gebühren i.S.d. TS 2.4.8.1 und
2.4.8.4 (Prüfung des Standsicherheitsnachweises) sind nach TS 2.1.5.3 zu
ermitteln, wobei die Herstellungssumme der Windenergieanlage zugrundezulegen
ist. Bei der Ermittlung der Herstellungssumme bleiben jedoch die
Herstellungskosten der Windturbine unberücksichtigt, weil die Windturbine
keiner bautechnischen Prüfungen hinsichtlich der Standsicherheit unterliegt (TS
2.1.3 Abs. 2 Satz 1). Die Herstellungssumme besteht deshalb vorliegend nur aus
den veranschlagten Kosten des Fundaments und des Turms der Windenergieanlage.
4.4.2
Entscheidungen nach dem BImSchG
Für die Genehmigung sowie weiterer
Entscheidungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz berechnen sich die
Gebühren nach den Tarifstellen zu Nr. 15a des AGT der AVwGebO NRW.
Berechnungsgrundlage sind die Errichtungskosten, die sich aus den
voraussichtlichen Gesamtkosten (einschließlich der Mehrwertsteuer) der
Windenergieanlage oder derjenigen Anlagenteile ergeben, die nach der (Teil-,
Änderungs- ) Genehmigung errichtet werden dürfen. Maßgeblich sind die
voraussichtlichen Gesamtkosten im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, es
sei denn diese sind niedriger als zum Zeitpunkt der Antragstellung.
Genehmigungen nach dem BImSchG
schließen gemäß § 13 BImSchG andere, die Anlage betreffende behördliche
Entscheidungen mit Ausnahme wasserrechtlicher Erlaubnisse und Bewilligungen
nach dem Wasserhaushaltsgesetz ein.
5
Berücksichtigung von Spezialgesetzen und Beteiligung anderer Behörden
Die spezialgesetzlichen Regelungen
sind sowohl bei der Bauleitplanung als auch bei der Genehmigung einzelner
Anlagen zu beachten.
5.1
Naturschutz, Landschaftspflege, Wald
5.1.1
Windenergieanlagen sind so zu planen und zu errichten, dass vermeidbare
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterlassen werden. Wird eine
Anlage genehmigt, ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch
hinsichtlich der Kompensationspflichten (Ausgleich / Ersatz) zu beachten. Auf §
1 a BauGB, § 21 BNatSchG, §§ 4 bis 6 LG sowie auf die Nrn. 3 und 4 des
Einführungserlasses zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 vom 03.03.1998 (SMBl.
2311) wird verwiesen. Der Beitrag der Windenergieanlage zur
ressourcenschonenden Energieerzeugung und zum Erhalt der natürlichen
Lebensgrundlagen ist hierbei zu berücksichtigen.
5.1.2
Wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit kommen die nachfolgend aufgeführten
Bereiche als Standorte für Windenergieanlagen nicht in Betracht:
- Nationalparke, festgesetzte oder einstweilig sichergestellte und aufgrund des Biotopkatasters der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten vorgesehene Naturschutzgebiete, Naturdenkmale und geschützte Landschaftsbestandteile,
-
gesetzlich geschützte Biotope gemäß § 62 LG,
- in der Regel international bedeutsame Feuchtgebiete gemäß RAMSAR-Konvention sowie Vogelschutzgebiete, die gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie an die Europäische Union gemeldet sind oder gemeldet werden müssen,
- in der Regel Gebiete, die gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) an die Europäische Union gemeldet sind oder gemeldet werden müssen,
- nachgewiesene
avifaunistisch bedeutsame Rast-, Nahrungs- und Brutplätze.
Gesetzliche Ausnahmetatbestände
bleiben unberührt.
5.1.3
In Landschaftsschutzgebieten ist die Ausweisung von Konzentrationszonen für
Windenergieanlagen unter bestimmten Voraussetzungen möglich (vgl. Nr. 3.2.2).
Wegen der besonderen Bedeutung der Landschaftsschutzgebiete für den
Naturhaushalt, das Landschaftsbild und die Erholung dürfen sie dort aber nur
nach Einzelfallprüfung und umfassender Abwägung der Auswirkungen auf den
Schutzzweck des Gebietes mit dem öffentlichen Interesse an der Nutzung der
Windenergie errichtet werden. Entsprechendes gilt für landschaftsschutzwürdige
Flächen des Biotop-Katasters der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und
Forsten sowie für Naturparke.
Sollen mehrere Windenergieanlagen
auf einer Fläche im Landschaftsschutzgebiet errichtet werden, ist zu prüfen, ob
dies noch mit dem Schutzzweck vereinbar ist oder der Landschaftsschutz für die
betreffenden Flächen aufgehoben werden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall,
wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Errichtung der
Windenergieanlagen zulassen und die Schutzgründe des § 21 LG auf der
Fläche nicht mehr erreichbar sind, sodass auch das öffentliche Interesse an der
Aufrechterhaltung des Landschaftsschutzes (§ 19 LG) auf der betroffenen
Fläche entfällt (zur ggf. erforderlichen vorherigen Änderung des GEP vgl. Nr.
2.3.4).
5.1.4
Kernvorschrift einer Landschaftsschutzgebietsausweisung ist regelmäßig ein
Bauverbot. Dies gilt grundsätzlich auch für Windenergieanlagen, es sei denn, es
sind innerhalb von Konzentrationszonen Ausnahmetatbestände in die
Landschaftsschutzverordnung aufgenommen bzw. im Landschaftsplan festgesetzt
worden (vgl. Nr. 3.2.2). Eine Ausnahme wird auf Antrag von der unteren Landschaftsbehörde
erteilt, soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.
Außerhalb von Konzentrationszonen
ist stets die Erteilung einer Befreiung nach § 69 LG erforderlich. Sie
kann von der unteren Landschaftsbehörde auf Antrag erteilt werden, wenn z.B.
überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern. Dies
ist dann der Fall, wenn das gesetzlich festgelegte Interesse am Ausbau
erneuerbarer Energien, wie es in dem Ziel D.II.2.4 des LEP NRW aufbauend auf §
26 Abs. 2 i.V.m. § 37 LEPro und durch die baurechtliche
Privilegierung zum Ausdruck kommt, das Interesse am Erhalt der geschützten
Landschaft gemäß § 32 LEPro überwiegt.
Insbesondere in großräumigen
Landschaftsschutzgebieten können in Teilbereichen mit einer weniger hochwertigen
Funktion des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Einzelfall Befreiungen
in Betracht kommen.
Befreiungen vom Landschaftsschutz
kommen auch dann in Frage, wenn Teilbereiche bereits eine Vorbelastung
aufweisen. Als Vorbelastung können anthropogen stark veränderte Standorte, wie
z. B. Halden oder Deponien, gewerbliche Anlagen, Verkehrswege, Trassen von
Hochspannungsfreileitungen, Schornsteine, Sendemasten, Silos oder bereits
vorhandene Windenergieanlagen sowie andere technische Bauwerke angesehen werden.
5.1.5
Außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile besteht an Gewässern erster
Ordnung sowie an stehenden Gewässern mit einer Fläche von mehr als 5 ha in
einem Abstand von 50 m ein Bauverbot, von dem die höhere
Landschaftsbehörde im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung erteilen kann (§ 57
LG). Das Bauverbot besteht nicht für Vorhaben, die den Festsetzungen eines
Bebauungsplanes entsprechen, der mit Zustimmung der unteren Landschaftsbehörde
zustande gekommen ist.
5.1.6
Die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart bedarf der Genehmigung durch
die Forstbehörde (§ 39 Landesforstgesetz –LFoG-). Bei der Entscheidung hat die
Forstbehörde die Ziele und Erfordernisse der Landesplanung zu beachten, die
Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie die
Belange der Allgemeinheit abzuwägen (§ 39 Abs. 2 bis 4 LFoG). Dabei sind
im Hinblick auf die Erhaltung des Waldes möglichst solche Standorte zuzulassen,
an denen Errichtung und Betrieb der Anlage die bestehenden Waldfunktionen nicht
oder nur gering beeinträchtigen. Dies gilt z.B. für bereits infrastrukturell
genutzte Standorte (z.B. aufgegebene militärische Einrichtungen), die
gleichwohl den gesetzlichen Waldbegriff erfüllen. Darüber hinaus sollen
- Bauart und Errichtung (Transport und Aufbau) der Anlage zu einer geringst möglichen Inanspruchnahme von Waldbäumen führen,
- bei Anlagen mit Horizontalachse der unterste Punkt der
Rotorfläche mindestens 70 m über dem Boden liegen,
- der Anschluss der Anlage an ein Verbundnetz zum Zwecke der Stromeinspeisung über bestehende Wegetrassen im Tiefbau erfolgen.
Soweit Anlagen im Wald oder bis zu
35 m vom Waldrand entfernt errichtet werden sollen, hat sich der Betreiber der
Windenergieanlage zu verpflichten, im Falle von Schäden an der Anlage durch
umfallende Bäume auf einen Ersatzanspruch zu verzichten. Darüber hinaus soll er
den Waldbesitzer von Verkehrssicherungspflichten freistellen, die sich aus der
Errichtung oder dem Betrieb im Wald ergeben.
5.2
Wasserwirtschaft
In den Schutzzonen I und II von
Wassergewinnungsanlagen und von Heilquellenschutzgebieten gem. § 19
Wasserhaushaltsgesetz (WHG), §§ 14, 16 Landeswassergesetz (LWG) kommt
die Errichtung von Windenergieanlagen in der Regel nicht in Betracht. Im
Einzelfall ist zu prüfen, ob das Vorhaben mit den Schutzbestimmungen für die
Schutzzone nach der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnung in Einklang steht.
Verunreinigungen und sonstige Beeinträchtigungen des Wassers dürfen nicht zu
besorgen sein.
5.2.1
In Überschwemmungsgebieten nach § 32 Abs. 1 WHG stellt die Errichtung einer
Windenergieanlage im Regelfall eine Beeinträchtigung der Funktion des
Überschwemmungsgebietes als natürliche Rückhaltefläche i.S.d. § 32 Abs. 2
Satz 1 WHG dar. Sofern eine Beeinträchtigung vorliegt, ist die Errichtung nur möglich,
wenn überwiegende Belange des Wohls der Allgemeinheit für sie sprechen und ein
Ausgleich erfolgt (§ 32 WHG).
5.3
Immissionsschutz
Im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens zur Errichtung einer Windenergieanlage sind die
immissionsschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes und des Landes zu beachten.
Bei Windenergieanlagen handelt es sich um Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 5
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie unterliegen den
immissionsschutzrechtlichen Anforderungen nach § 5 BImSchG bei genehmigungsbedürftigen
Anlagen nach dem BImSchG und nach § 22 BImSchG bei nach Baurecht zu
genehmigenden Anlagen.
Schädliche Umwelteinwirkungen lassen sich durch die Einhaltung erforderlicher Abstände, ggf. in Verbindung mit Standortverschiebungen oder Auflagen (Drehzahlbegrenzung, zeitweise Abschaltung) vermeiden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.07.1998 - 7 B 956/98 - NVwZ 1998, 980). Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sollte die am wenigsten belastende Einschränkung bevorzugt werden.
Die Überwachung des Immissionsschutzes
gem. § 52 BImSchG (Lärm und Schattenwurf) obliegt den Staatlichen Umweltämtern
(vgl. Nr. 24 des Gem.RdErl. v. 01.09.2000 „Verwaltungsvorschriften zum
Bundes-Immissionsschutzgesetz“ - SMBl. NRW. 7129). Die Bauaufsichtbehörden
haben bei Anlagen, die nicht der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG
unterliegen, das örtlich zuständige Staatliche Umweltamt zu beteiligen, das
später die Anlagen immissionsschutzrechtlich zu überwachen hat.
5.3.1
Lärm
Im Rahmen der Prüfung, ob
erhebliche Belästigungen durch Geräuschimmissionen zu befürchten sind, ist die
Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA - Lärm vom 26.08.1998 (GMBl. S. 503) zu berücksichtigen
(vgl. § 18 Abs. 2 BauO NRW, Nr. 18.22 der Verwaltungsvorschrift zur
Landesbauordnung - VV BauO NRW). Es ist dabei entsprechend der in der BauNVO
zum Ausdruck kommenden Wertung bei Errichtung einer Windenergieanlage von einer
abgestuften Schutzwürdigkeit der verschiedenen Baugebiete auszugehen.
Bauwillige sollten den Genehmigungsbehörden gesicherte Datenblätter vorlegen,
in denen unabhängige Institute das Geräuschverhalten der Anlage in allen
regulären Betriebszuständen wenigstens bis zum Erreichen der Nennleistung
belegen.
Die Anforderungen an die
Emissionsdaten sind in der Technischen Richtlinie zur Bestimmung der Leistungskurve,
der Schallemissionswerte und der elektrischen Eigenschaften von
Windenergieanlagen, Teil 1 „Technische Richtlinie zur akustischen
Vermessung von Windenergieanlagen“ (Herausgeber: FGW, Fördergesellschaft für
Windenergie e. V., Stresemannplatz 4, 24103 Kiel, unter Mitwirkung
des Arbeitskreises „Geräusche von Windenergieanlagen“ der
Immissionsschutzbehörden und Messinstitute), beschrieben.
Ergänzend zu den Vorgaben der
Technischen Richtlinie FWG werden auch akustische Vermessungen durch
Messstellen anerkannt, die ihre Kompetenz z.B. durch die Teilnahme an
regelmäßigen Ringversuchen zur akustischen Vermessung von Windenergieanlagen
nach Technischer Richtlinie nachweisen.
Die Schallimmissionsprognose ist
nach Nr. A. 2 der TA Lärm durchzuführen. Für die
Immissionsprognose ist grundsätzlich der Schallleistungspegel zu verwenden, der
gemäß Technischer Richtlinie bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s in
10 m Höhe über Boden, aber bei nicht mehr als 95 % der Nennleistung
ermittelt wurde. Bei üblichen Nabenhöhen von 40 m bis 70 m liegt die
Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe dann bei etwa 12 bis 14 m/s, so dass bei
den meisten Anlagen die Leistungsabgabe im Bereich der Nennleistung liegt.
Wenn infolge ständig
vorherrschender Fremdgeräusche (z.B. windinduzierte Geräusche) keine zusätzlichen
schädlichen Umwelteinwirkungen durch die zu beurteilende Anlage zu
berücksichtigen sind, kann in Anlehnung an die Regelungen der Nr. 3.2.1
Abs. 5 der TA Lärm verfahren werden.
Hinsichtlich der zu berücksichtigenden
Tonzuschläge wird folgende Verfahrensweise festgelegt:
0 <
KTN < 2 Tonzuschlag
KT von 0 dB
2 <
KTN < 4 Tonzuschlag
KT von 3 dB
KTN > 4 Tonzuschlag KT von 6 dB
KTN
= Tonhaltigkeit bei Emissionsmessungen im Nahbereich nach der Technischen
Richtlinie FGW gemessen
KT
= in Abhängigkeit vom KTN ab
einer Entfernung von 300 m für die Immissionsprognose anzusetzende Tonzuschläge
Bei der Schallimmissionsprognose
ist der Nachweis zu führen, dass unter Berücksichtigung der oberen
Vertrauensgrenze aller Unsicherheiten (insbesondere der Emissionsdaten und der
Ausbreitungsrechnung) der nach TA Lärm ermittelte Beurteilungspegel mit einer
Wahrscheinlichkeit von 90% den für die Anlage anzusetzenden Immissionsrichtwert
einhält. Auf die Möglichkeit nachträglicher Anordnungen im Einzelfall gemäß
Nr. 5.2 der TA Lärm sollte im Genehmigungsbescheid hingewiesen
werden.
Nach Errichtung der Anlage ist
durch eine Bescheinigung zu belegen, dass die errichtete Anlage in ihren
wesentlichen Elementen und in ihrer Regelung mit derjenigen Anlage
übereinstimmt, die der akustischen Planung zugrunde gelegt worden ist. Anstelle
der Bescheinigung kann auch durch eine akustische Abnahmemessung der Nachweis
geführt werden, dass die Emissionsdaten der Anlage nicht höher sind als diejenigen,
welche der Genehmigung zugrunde gelegt wurden.
Sofern eine Anlage aus Gründen des
Immissionsschutzes nachts z. B. durch eine Leistungs- oder Drehzahlbegrenzung
geräuschreduziert betrieben wird, muss die Anlage mit einer kontinuierlichen
Aufzeichnung geeigneter Betriebsparameter (z. B. Windgeschwindigkeit,
Leistung, Drehzahl) versehen sein, die rückwirkend für einen Zeitraum von
wenigstens drei Monaten den Nachweis der tatsächlichen Betriebsweise der Anlage
ermöglicht.
5.3.2
Schattenwurf
Die sog. bewegten Schatten und die als Disco-Effekt
bezeichneten periodischen Lichtreflexionen fallen als „ähnliche
Umwelteinwirkungen“ i.S. des § 3 Abs. 3 BImSchG unter den Begriff der
Immissionen. Im Unterschied zu den üblichen Fällen des Schattenwurfs durch feststehende
Gebäude verursacht bei Windenergieanlagen erst die Bewegung des Rotorblattes einen periodischen Wechsel von Licht
und Schatten auf dem Nachbargrundstück. Der Schattenwurf ausgehend von
Windenergieanlagen stellt somit eine qualitative Veränderung der natürlichen
Lichtverhältnisse dar. Das Ausmaß der qualitativen Veränderung auf die betroffene Nachbarschaft ist i.S. des BImSchG
- schädliche Umwelteinwirkungen – zu prüfen. Schattenwurf von
geringer Dauer ist hinzunehmen bzw. kann vernachlässigt werden (vgl. OVG NRW,
Beschl. v. 09.09.1998 – 7 B 1560/98). Belastende Auswirkungen auf
Wohngrundstücke können z.B. durch eine Auflage zur Genehmigung, nach der die
Anlage automatisch generell stillzulegen ist, wenn Schlagschatten unmittelbar
oder durch Spiegelung mittelbar auf die Wohnhäuser und deren intensiv genutzte
Außenbereiche einwirken würden, unterbunden werden (vgl. OVG NRW, Beschl. v.
03.09.1999 - 10 B 1283/99 - NVwZ 1999, 1360).
Die Auflage muss deshalb
sicherstellen, dass der Immissionsrichtwert für die astronomisch maximal mögliche
Beschattungsdauer von 30 Stunden pro Kalenderjahr (das entspricht einer
tatsächlichen Beschattungsdauer von 8 Stunden pro Jahr) nicht überschritten
wird. Der Immissionsrichtwert für die tägliche Beschattungsdauer beträgt 30
Minuten. Die Einhaltung der Immissionsschutzanforderungen ist durch geeignete
Maßnahmen zu gewährleisten. Durch eine Abschaltautomatik, die meteorologische
Parameter (z. B. Intensität des Sonnenlichtes) berücksichtigt, ist die
tatsächliche Beschattungsdauer auf 8 Stunden pro Jahr zu begrenzen. Es kann
davon ausgegangen werden, dass bei einem Abstand einer Windenergieanlage von
mehr als 1300 Metern keine Schattenprobleme auftreten.
Bei Beschwerden hinsichtlich des
Schattenwurfs durch bereits bestehende Anlagen ist zu überprüfen, ob die
Immissionsrichtwerte eingehalten werden.
5.4
Denkmalschutz
Nach § 9 i.V.m. § 21
Denkmalschutzgesetz - DSchG - ist die Errichtung von Windenergieanlagen in der
engeren Umgebung von Baudenkmälern und ortsfesten Bodendenkmälern oder an bzw.
auf ihnen erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis der unteren Denkmalbehörde ergeht
im Benehmen mit dem Amt für Denkmalpflege oder Bodendenkmalpflege beim
Landschaftsverband (vgl. Sonderregelung für das Stadtgebiet Köln gemäß § 22
Abs. 5 DSchG). Wegen der Konzentrationswirkung gemäß § 9 Abs. 2 DSchG hat die
Genehmigungsbehörde die Entscheidung der zuständigen unteren Denkmalbehörde
einzuholen, die im Benehmen mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt oder
Bodendenkmalpflegeamt beim Landschaftsverband bzw. der Stadt Köln ergeht. Die
für die Genehmigung der Windenergieanlage zuständige Behörde ist an die Entscheidung
der unteren Denkmalbehörde gebunden.
5.5
Straßenrecht
Nach § 9 Bundesfernstraßengesetz
und § 25 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gelten
innerhalb bestimmter Entfernungen zu Bundesautobahnen, Landes- und Kreisstraßen
Anbauverbote und -beschränkungen. Im Bereich der Anbaubeschränkungen bedarf die
Erteilung einer Bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Zustimmung
der zuständigen Straßenbaubehörde, von Anbauverboten können im Einzelfall
Ausnahmen erteilt werden. Hinsichtlich des Verfahrens wird auf den Gem. RdErl.
des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr und
des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 04.02.1997 (SMBl. NRW. 911) über die
Zusammenarbeit der Straßenbaubehörden und der Bauaufsichtsbehörden bei
Anbauvorhaben an Straßen des überörtlichen Verkehrs (Anbauerlass) verwiesen.
5.6
Luftverkehrsrecht
Baubeschränkungen ergeben sich
gemäß den §§ 12 bis 18 a Luftverkehrsgesetz - LuftVG -, d.h. nicht nur in der
näheren Umgebung zu Flugplätzen (Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände),
insbesondere bedürfen Großanlagen mit einer Bauhöhe von mehr als 100 m
über Grund gemäß § 14 LuftVG der vorherigen Zustimmung der Luftfahrtbehörden.
5.7
Wasserstraßenrecht
Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2
Bundeswasserstraßengesetz - WaStrG - bedarf die Errichtung, die Veränderung und
der Betrieb von Anlagen am Ufer einer Bundeswasserstraße einer strom- und schifffahrtspolizeilichen
Genehmigung, wenn durch die beabsichtigte Maßnahme eine Beeinträchtigung des
für die Schifffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraßen oder der
Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist. Windenergieanlagen am
Ufer einer Bundeswasserstraße sind daher gemäß § 31 Abs. 2 WaStrG dem Wasser-
und Schifffahrtsamt anzuzeigen.
5.8
Militärische Anlagen
Nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über
die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung -
Schutzbereichgesetz - ist die Anordnung eines Schutzbereiches auf das
unerlässliche Maß zu beschränken. Nach § 3 Schutzbereichgesetz ist für die
Errichtung, Änderung oder Beseitigung von baulichen oder anderen Anlagen
innerhalb der Schutzbereiche die Genehmigung der Schutzbereichbehörden (Wehrbereichsverwaltung)
erforderlich.
5.9
Arbeitsschutz
Bei Windenergieanlagen handelt es
sich um Arbeitsplätze auf Betriebsgelände im Freien nach § 41 der Verordnung
über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV) vom 20.03.1975
(BGBl. I S. 729), zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.12.1996 (BGBl. I S.
1841). Insbesondere sind § 12 (Schutz gegen Absturz und herabfallende
Gegenstände), § 17 Abs. 1 bis 3 (Verkehrswege) und § 20 (Steigleiter,
Steigeisengänge) zu beachten.
Der
Gem.RdErl. v. 3.5.2000 wird aufgehoben.
MBl. NRW. 2002 S. 742