Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 51 vom 5.12.2003 Seite 1495 bis 1520

Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.2003 - 25 - 5.35.00 - 5/03 -
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Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.2003 - 25 - 5.35.00 - 5/03 -

203030

Richtlinie zur Durchführung
der Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen (SGB IX)
im öffentlichen Dienst
im Lande Nordrhein-Westfalen

RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.2003
- 25 - 5.35.00 - 5/03 -

I.

Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 04.11.2003 folgende Grundsätze beschlossen, die ich mit der Bitte um Beachtung bekannt gebe:

1   Allgemeines

2   Geschützter Personenkreis

3   Beschäftigungspflicht

4   Einstellung

5   Personalaktenführung

6   Ausbildung und Prüfung

7   Beschäftigung

8   Einzelregelungen zum Ausgleich der Behinderung

9   Arbeitsplatzwechsel

10 Beurteilung

11 Fortbildung

12 Berufsförderung

13 Prävention

14 Rehabilitation

15 Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses

16 Schwerbehindertenvertretung

17 Integrationsvereinbarung

18 Befristung

1
Allgemeines

1.1
Das Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – bezweckt insbesondere die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen und unterstützt das Bemühen, sie ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechend zu beschäftigen, in ihrem beruflichen Fortkommen zu fördern und ihre Beschäftigung durch notwendige Präventionsmaßnahmen zu sichern. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen schwerbehinderter Frauen Rechnung getragen. Durch die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Richtlinie) wird die besondere Fürsorge und Förderungspflicht des Landes als Dienstherr und Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten konkretisiert. Insbesondere soll durch sie die Einstellung arbeitsloser schwerbehinderter Menschen gefördert werden. Daher ist die Richtlinie nicht nur Arbeits- und Informationsunterlage, sondern zusätzliche für die Anwender verbindliche Vorschrift zur Auslegung und Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen.

1.2
Diese Richtlinie gilt für die Dienststellen des Landes. Dienststellen im Sinne der Richtlinie sind die Behörden, Einrichtungen und Betriebe des Landes sowie die Hochschulen und Organe der Rechtspflege (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Vollzugsanstalten und Gnadenstellen).
Das Land wird sich aus seiner besonderen Fürsorgepflicht heraus dafür einsetzen, dass diese Richtlinie auch für Träger der genehmigten oder vorläufig erlaubten und der Aufsicht des Landes unterstehenden Ersatzschulen sowie für Beteiligungsgesellschaften des Landes sowie bei Veräußerungen oder Privatisierungen übernommen wird.
Wird der Begriff „Dienstherr“ benutzt, betrifft die Regelung grundsätzlich auch den Bereich, in dem das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber angesprochen ist.
Personalvertretung im Sinne dieser Richtlinie sind alle nach dem Landespersonalvertretungsgesetz zu bildenden Personalvertretungen sowie die Richterräte.
Den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie den sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.

1.3
Die Integrationsämter bei den Landschaftsverbänden, die örtlichen Fürsorgestellen und die Arbeitsverwaltung mit ihren Arbeitsämtern einschließlich der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn unterstützen die Dienststellen bei der Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am beruflichen Leben und setzen diese Regelungen in enger Zusammenarbeit um. Hierzu stehen insbesondere differenzierte behinderungsspezifische Beratungsangebote als auch finanzielle Förderungsmöglichkeiten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zur Verfügung.

1.4
Damit die gesetzlichen Fürsorge- und Förderungspflichten sachdienlich und wirkungsvoll erfüllt werden können, müssen sich alle Beschäftigten, die in Personalangelegenheiten tätig sind, sowie alle Vorgesetzten mit den Vorschriften des SGB IX und sonstigen einschlägigen Bestimmungen vertraut machen. Jede zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen getroffene Bestimmung ist großzügig anzuwenden; ein eingeräumtes Ermessen ist großzügig auszuüben. Das SGB IX und ergänzende Regelungen sind regelmäßig in Fortbildungsveranstaltungen zu behandeln.

1.5
Bei allen Dienststellen sind Beauftragte des Arbeitgebers gemäß § 98 SGB IX zu bestellen, auch wenn keine Schwerbehindertenvertretung besteht. Der Beauftragte bzw. die Beauftragten des Arbeitgebers sollen nach ihrer Bestellung an einer Schulungsmaßnahme der Integrationsämter oder an einer vergleichbaren Fortbildungsmaßnahme teilnehmen.

1.6
Im Interesse schwerbehinderter Menschen ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schwerbehindertenvertretung, Personalvertretung, Gleichstellungsbeauftragten oder Dienststellenleiter und Beauftragten des Arbeitgebers zu gewährleisten. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit den übrigen in § 99 SGB IX genannten Stellen. Dabei genügt nicht ein Verweis auf andere Informationsquellen, wie z. B. die Personalratssitzungen, vielmehr ist der Anspruch durch regelmäßige Zusammenkünfte mit der Dienststellenleitung bzw. den Beauftragten des Arbeitgebers zu erfüllen.

1.7
Zu den Angelegenheiten i. S. d. § 95 Abs. 2 SGB IX gehören nicht nur die in dieser Richtlinie ausdrücklich angesprochenen Maßnahmen. Die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht gilt für jede Art von Maßnahmen, z. B. für
Verwaltungsermittlungen, disziplinarrechtliche Vorermittlungen (soweit der Betroffene zugestimmt hat), Abmahnungen, Dienstvereinbarungen und Organisationsangelegenheiten. Soweit Personalführungsmaßnahmen und Personalentscheidungen delegiert werden, ist sicherzustellen, dass die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung gewahrt bleiben.

1.8
Bei Angelegenheiten i. S. d. §§ 72 bis 77 LPVG, die alle Beschäftigten einer Dienststelle betreffen, ist § 95 Abs. 2 SGB IX zu beachten. In Zweifelsfällen ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Zuständigkeit gemäß
§ 78 LPVG ergibt.

1.9
Mitteilungen an die Personalvertretungen über beabsichtigte Maßnahmen, die schwerbehinderte Menschen betreffen, müssen einen Hinweis auf die Eigenschaft als schwerbehinderte oder gleichgestellte behinderte Menschen enthalten.

1.10
Die vorsätzliche oder fahrlässige Nichtbeachtung eines der in § 156 SGB IX aufgeführten Tatbestände stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Alle mit Schwerbehindertenangelegenheiten befassten Beschäftigten, besonders die Beauftragten des Arbeitgebers, haben darauf zu achten, dass keine Ordnungswidrigkeiten i. S. v. § 156 SGB IX begangen werden.


2
Geschützter Personenkreis

2.1
Schwerbehinderte Menschen im Sinne dieser Richtlinie sind die schwerbehinderten und die ihnen gleichgestellten Menschen nach den Vorschriften des SGB IX. Für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 30, die nicht Gleichgestellte i. S. d. § 68 SGB IX sind, soll im Einzelfall geprüft werden, ob besondere, der Behinderung angemessene Fürsorgemaßnahmen i. S. dieser Richtlinie in Betracht kommen.

2.2
Als Nachweis der Schwerbehinderung dient der Ausweis i. S. d. § 69 Abs. 5 SGB IX; in Ausnahmefällen kann der Nachweis auch durch Vorlage von Bescheiden, amtlichen Bescheinigungen, Gerichtsentscheidungen usw. erbracht werden. Als Nachweis der Gleichstellung gilt die Feststellung durch das Arbeitsamt.

2.3
Beschäftigte, die eine Antragstellung als schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen beabsichtigen, können hierbei die Hilfestellung der Schwerbehindertenvertretung beanspruchen. Wenn ein solcher Antrag gestellt wurde, ist zu empfehlen, die Dienststelle hiervon schriftlich zu unterrichten. Bis zur Entscheidung über den Antrag sind sie unter Vorbehalt als schwerbehinderte oder als gleichgestellte Menschen zu behandeln. Ist die Schwerbehinderung offenkundig, entfällt der Vorbehalt.

2.4
Der Schwerbehindertenschutz endet
- mit Erlöschen des gesetzlichen Schutzes (§ 116 Abs. 1 und 2 SGB IX),
- bei befristeter Gleichstellung mit Ablauf der Frist (§ 68 Abs. 2 Satz 3 SGB IX),
-
für die zeitweilige Dauer der Entziehung des Schwerbehindertenschutzes (§ 117 SGB IX). Erlöschen und Entzug des Schwerbehindertenschutzes sind von den Beschäftigten der Dienststelle mitzuteilen.

2.5
Führen dienstliche Maßnahmen zum Erlöschen, zur Entziehung oder zur Einschränkung des Schwerbehindertenschutzes (z. B. bei Auslandseinsätzen), sind die schwerbehinderten Menschen darauf hinzuweisen.


3
Beschäftigungspflicht

3.1
Die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen trifft gemäß § 71 SGB IX in vollem Umfang auch Arbeitgeber der öffentlichen Hand und damit alle Dienststellen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Auf die Verpflichtung, gerade auch besonders betroffene schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 72 Abs. 1 Nr. 1 und 2  SGB IX zu beschäftigen sowie Ausbildungsplätze gemäß § 72 SGB IX mit diesen schwerbehinderten Menschen zu besetzen, wird ausdrücklich hingewiesen. Derartige Arbeitsplätze sind nach Möglichkeit zu erhalten oder nach Möglichkeit entsprechende neue zu schaffen.

3.2
Wegen der sozialpolitischen Bedeutung des gesetzlichen Auftrages ist es dringend erforderlich, dass geeignete Bewerber über die Mindestquote hinaus eingestellt werden; dadurch wird es ermöglicht, die unterschiedlichen Bedingungen der Dienststellen innerhalb eines Geschäftsbereiches und der einzelnen Geschäftsbereiche im Hinblick auf die Erfüllung der Mindestquote auszugleichen. Wird die Mindestbeschäftigungsquote nicht erreicht, vergeben - soweit rechtlich und tatsächlich möglich - die Dienststellen der Geschäftsbereiche Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen und Blindenwerkstätten in möglichst großem Umfang (mindestens 50 % des entsprechenden Bedarfs), damit das Land insoweit keine Ausgleichsabgabe mehr zahlen muss.


4
Einstellung

4.1
Die Verpflichtung zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung bestimmter Personenkreise nach anderen Gesetzen entbindet den Dienstherrn nicht von der Pflicht schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 122 SGB IX).

4.2
§ 81 SGB IX verpflichtet den Dienstherrn, unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Dies gilt auch für Ausbildungsverhältnisse.

4.3
Bei dieser Prüfung ist wie folgt zu verfahren:

4.3.1
In allen Stellenausschreibungen ist darauf hinzuweisen, dass die Bewerbung geeigneter schwerbehinderter Menschen erwünscht ist. Bei Bewerbungen ist zu prüfen, ob sie von schwerbehinderten Menschen stammen; in Zweifelsfällen sind entsprechende Rückfragen zu halten mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Bewerbungen schwerbehinderter Menschen erwünscht sind.

4.3.2
Unbeschadet einer Stellenausschreibung ist in jedem Fall unter Beschreibung der Stellenanforderungen beim für die Einstellungsbehörde zuständigen Arbeitsamt – bei allen akademischen Berufen zusätzlich bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn – schriftlich anzufragen, ob geeignete schwerbehinderte Menschen gemeldet sind. Das Verfahren kann zwischen den Einstellungsbehörden und den Arbeitsämtern näher geregelt werden; die Schwerbehindertenvertretung ist zu beteiligen. Die Schwerbehindertenvertretung und die Personalvertretung erhalten gleichzeitig je eine Kopie der Anfrage. Die Schwerbehindertenvertretung ist auch dann bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen zu beteiligen, wenn zum Zeitpunkt der Bewerbung keine freien Stellen für eine Einstellung zur Verfügung stehen.

4.3.3
Liegen keine Bewerbungen schwerbehinderter Menschen vor, sind die Schwerbehindertenvertretung und die Personalvertretung darüber zu unterrichten. Wenn Bewerbungen schwerbehinderter Menschen vorliegen, sind diese mit der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern. Die Schwerbehindertenvertretung hat gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen. Die Vorlage vergleichender Übersichten erfüllt diesen Anspruch nicht. Damit die Schwerbehindertenvertretung eine begründete Stellungnahme abgeben kann, ist sie im erforderlichen Umfang auch über die Eignung der nicht behinderten Bewerber zu unterrichten.

4.3.4
Kommen einzelne schwerbehinderte Bewerber nach übereinstimmender Auffassung von Dienststelle und Schwerbehindertenvertretung für die freie Stelle nicht in Betracht, kann von ihrer Teilnahme an einem Vorstellungstermin abgesehen werden. Alle übrigen schwerbehinderten Menschen sind zu den Vorstellungsgesprächen einzuladen. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Vorstellungs- und Abschlussgesprächen auch mit nicht behinderten Bewerbern teilzunehmen.

4.3.5
Sind für die Einstellung Eignungstests oder andere Leistungsnachweise vorgesehen, müssen schwerbehinderte Bewerber rechtzeitig darauf hingewiesen werden, dass ihnen auf Antrag entsprechend der Art und dem Umfang der Behinderung Erleichterungen eingeräumt werden können. Die Erleichterungen sind unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung festzulegen. Behinderungsbedingte Einschränkungen dürfen schwerbehinderten Bewerbern nicht zum Nachteil gereichen (§ 81 Abs. 2 SGB IX).

4.3.6
Hat sich die Dienststelle für einen Bewerber entschieden, unterrichtet sie die Schwerbehindertenvertretung und leitet das Zustimmungsverfahren nach dem Landespersonalvertretungsgesetz ein. Eine von der Schwerbehindertenvertretung abgegebene Stellungnahme ist beizufügen. Die Schwerbehindertenvertretung ist zu einer Stellungnahme berechtigt, aber nicht verpflichtet. Dienststelle und Schwerbehindertenvertretung haben sich über eine Frist, innerhalb der eine Stellungnahme abgegeben werden kann, zu verständigen. Nach Ablauf der vereinbarten Frist ist die Anhörungspflicht gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB IX erfüllt. Die Mitteilungspflicht nach dem 2. Halbsatz bleibt unberührt. Führt eine nachgeordnete Dienststelle ein Personalvorauswahlverfahren durch, ist ihre Schwerbehindertenvertretung entsprechend den Nummern 4.3.1 bis 4.3.6 zu beteiligen. Ihre Stellungnahme ist dem Personalvorschlag beizufügen. Die Verpflichtung zur Beteiligung der Bezirks- bzw. der Hauptschwerbehindertenvertretung bleibt unberührt.
Die Schwerbehindertenvertretung ist nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung ausdrücklich ablehnt (§ 81 Abs. 1, letzter Satz SGB IX).

4.4
Schwerbehinderten Bewerbern ist vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelungen bei sonst gleicher Eignung vor nicht schwerbehinderten Bewerbern der Vorzug zu geben. Zusätzliche Einstellungserleichterungen zu Gunsten von schwerbehinderten Menschen als Beamte oder Richter ergeben sich beim Höchstalter aus § 6 LVO und bei den zu erfüllenden Mindestanforderungen an die gesundheitliche Eignung aus § 13 Abs. 1 LVO.

4.4.1
Im Hinblick auf § 128 SGB IX ist das erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung bereits dann als gegeben anzusehen, wenn schwerbehinderte Menschen nur bestimmte Dienstposten ihrer Laufbahn wahrnehmen können. Dabei sind Möglichkeiten der behinderungsgerechten und barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung (z. B. mit technischen Arbeitshilfen) nach dem SGB IX auszuschöpfen.

4.4.2
Schwerbehinderte Menschen können auch dann als Beamte eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Die Bewerber sind jedoch auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG sowie die mit einem Ausscheiden vor Ablauf einer fünfjährigen Dienstzeit verbundenen Folgen hinzuweisen. Diese Regelungen gelten auch für die Anstellung und Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

4.5
Vor der Antragstellung für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist zu prüfen, ob schwerbehinderte Menschen im Rahmen dieser Maßnahmen beschäftigt werden können. Das Ergebnis der Prüfung und die Arbeitsplatzanforderungen sind im Antragsvordruck zu vermerken.


5
Personalaktenführung

Nachweise über die Schwerbehinderung nach § 69 Abs. 5 SGB IX oder die Gleichstellung gemäß § 2  SGB IX sind mit den notwendigen Angaben in die Personalakte aufzunehmen. Die Personalakten  schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen sind in geeigneter Weise zu kennzeichnen.


6
Ausbildung und Prüfung

Im Rahmen der geltenden Vorschriften sind das Ausbildungsverhältnis und der Vorbereitungsdienst so zu gestalten, dass schwerbehinderte Menschen die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben können, ohne dass sie infolge ihrer Behinderung unzumutbar belastet werden.

6.1
Bei Prüfungen können sich für schwerbehinderte Menschen besondere Härten im Vergleich mit nicht behinderten Beschäftigten ergeben. Bei Prüfungsverfahren muss durch die Wahl der Methode oder spezielle Hilfen gesichert werden, dass die Leistungen von den schwerbehinderten Beschäftigten erbracht und nachgewiesen werden können. Die Prüfung ist im Einzelfall den behinderungsspezifischen Besonderheiten anzupassen. Erforderlichenfalls sind sachverständige Stellen, z. B. Fachdienste der Integrationsämter, einzuschalten. Das gilt für Eignungs-, Zwischen-, Aufstiegs-, Laufbahn- und verwaltungsinterne Prüfungen sowie für sonstige Auswahlverfahren und Aufsichtsarbeiten während der Ausbildung. Soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, kommen u. a. folgende Erleichterungen in Betracht:

6.1.1
- Verlängerung der Frist zur Abgabe schriftlicher Arbeiten
- Bereitstellung von behinderungsspezifischen Hilfen
- Ersatz einzelner schriftlicher Arbeiten oder praktischer Prüfungsteile, die wegen der
Art der Behinderung nicht geleistet werden können, durch andere geeignete
Prüfungsleistungen
- Erholungspausen
- Individuelle zeitliche Gestaltung der Prüfungsdauer
- Einzelprüfung.

6.1.2
In der mündlichen Prüfung soll bei hirngeschädigten und bei schwerbehinderten Beschäftigten mit erheblicher psychischer Beeinträchtigung auf das Abfragen von Gedächtniswissen verzichtet werden, soweit es mit dem Zweck der Prüfung vereinbar ist. Es genügt, wenn Aufgaben gestellt werden, deren Lösung erkennen lässt, dass die Beschäftigten die erforderlichen Kenntnisse und die Urteilsfähigkeit besitzen, die sie zu richtigen Entscheidungen befähigen. Auch ist darauf zu achten, dass kein behinderungsbedingter Prüfungsstress, insbesondere durch Zeitdruck entsteht.

6.1.3
Hörbehinderten oder gehörlosen Menschen sollen die Prüfungsfragen in der mündlichen Prüfung schriftlich vorgelegt werden. Auf Wunsch ist ein Gebärdendolmetscher hinzuzuziehen.

6.1.4
Sind blinde, hochgradig sehbehinderte oder behinderte Menschen, die in ihrer Fähigkeit zu schreiben stark eingeschränkt sind, schriftlich zu prüfen, ist eine im Prüfungsfach nicht vorgebildete Schreibkraft hinzuzuziehen.

6.2
Die personalführende Stelle unterrichtet rechtzeitig den Leiter einer Prüfung und die Schwerbehindertenvertretung über die Behinderung eines Prüflings.

6.3
Schwerbehinderte Menschen sind rechtzeitig auf mögliche Erleichterungen hinzuweisen. Hinweise auf in Anspruch genommene Erleichterungen dürfen in die Zeugnisse nicht aufgenommen werden.

6.4
Werden Prüfungserleichterungen im Sinne dieser Richtlinie trotz Antrages und Vorliegen der Voraussetzungen zu Unrecht nicht gewährt oder ist der schwerbehinderte Mensch auf mögliche Prüfungserleichterungen nicht hingewiesen worden, darf er eine Prüfung einmal mehr wiederholen als sonstige Prüfungsbewerber, soweit Rechtsvorschriften dies zulassen; die Wiederholungsprüfung soll auf den Teil der Prüfung beschränkt werden, in dem die Leistungen weniger als ausreichend gewesen sind.

6.5
Die Schwerbehindertenvertretung ist von der jeweiligen Prüfungsstelle rechtzeitig über die Prüfung eines schwerbehinderten Menschen zu informieren.

6.6
Der Schwerbehindertenvertretung ist, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, zu gestatten, an den mündlichen und praktischen Prüfungen teilzunehmen und nach deren Abschluss – vor der Beratung des Ergebnisses der Prüfung – gegenüber der Prüfungskommission eine Stellungnahme abzugeben.


7
Beschäftigung

-   7. 1
Aus § 81 Abs. 4 SGB IX folgt grundsätzlich der Anspruch der schwerbehinderten Menschen gegenüber ihrem Dienstherrn auf
- Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können
- bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens
- Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung
- behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit
- Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen
Dies ist bei der Zuweisung eines Dienstpostens besonders zu berücksichtigen.
Die Vorgesetzten sind verpflichtet, sich über die Gesamtsituation ihrer schwerbehinderten Mitarbeiter zu unterrichten und mit ihnen entsprechende Einzelgespräche zu führen. Dadurch sollen sie in die Lage versetzt werden, die Bestrebungen der Schwerbehinderten ihre Dienstaufgaben wie alle anderen Mitarbeiter zu erfüllen, nach Kräften zu unterstützen und ihnen dabei die erforderlichen Hilfestellungen zu geben.

7.2
Schwerbehinderte Menschen haben unter den Voraussetzungen des §  81 Abs. 5  SGB IX grundsätzlich einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung.

7.3
Arbeitszeiten und Pausen können für schwerbehinderte Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Bedürfnissen abweichend von den Arbeitszeitvorschriften geregelt werden; die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit darf nicht vermindert werden.

7.4
Schwerbehinderte Menschen werden gemäß § 124 SGB IX auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. Was Mehrarbeit ist, richtet sich nach den gesetzlichen und tariflichen Regelungen. Aus der Ablehnung der Mehrarbeit darf ihnen kein Nachteil entstehen. Dies gilt entsprechend für Rufbereitschaft, soweit nicht im Einzelfall die Heranziehung zur Rufbereitschaft aus dienstlichen Gründen geboten ist; die Schwerbehindertenvertretung ist vorher anzuhören.

7.5
Bei der Neu- und Ersatzbeschaffung von Fernsprechvermittlungsanlagen bzw. bei der Neugestaltung ist sicherzustellen, dass diese im Bedarfsfall mit Blinden und wesentlich Sehbehinderten besetzt werden können. 

7.6
Bei der Planung von Neubauten ist zu gewährleisten, dass sowohl die Gebäude, die Inneneinrichtung als auch die Außenanlagen barrierefrei gestaltet werden. Insbesondere ist der Abschnitt K Ziffer 28 der nach der Landesbauordnung erlassenen Richtlinie Bau NRW zu beachten. Bei Umbauten sind die Belange schwerbehinderter Menschen zu berücksichtigen. Die Schwerbehindertenvertretung ist bei der Planung von Baumaßnahmen so rechtzeitig zu hören, dass ihre Vorschläge in die Gesamtplanung eingehen können. Über den Baufortschritt kann sie sich jederzeit informieren lassen. Bei der Anmietung von Diensträumen ist entsprechend zu verfahren.

7.7
Der betriebsärztliche Dienst berät in Fragen des Arbeits- und des Gesundheitsschutzes. Schwerbehindertenvertretung und betriebsärztlicher Dienst arbeiten bei dieser Aufgabe eng zusammen.

7.8
Die Schwerbehindertenvertretung ist zu Sitzungen des Arbeitsschutz- und Sicherheitsausschusses einzuladen. Gleiches gilt für Dienststellen- und Betriebsbegehungen mit Fachkräften der Arbeitssicherheit.


8
Einzelregelungen zum Ausgleich der Behinderung

8.1
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr (§ 125 SGB IX). Für gleichgestellte behinderte Menschen gilt diese Regelung nicht. Auf die tarifrechtliche Regelung in § 49 Abs. 4 MTArb, gemäß der Arbeiter mit einer  Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 und weniger als  50 v. H. einen Zusatzurlaub von 3 Arbeitstagen erhalten, wird verwiesen. Der Zusatzurlaub tritt zu dem zu gewährenden Erholungsurlaub hinzu und ist wie ein solcher zu behandeln; insbesondere die Regelung über den Verfall von Erholungsurlaub gilt auch für den Zusatzurlaub. Für die Berechnung des Teilurlaubs (Zwölftelung) bei Beginn und Ende des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im Laufe eines Urlaubsjahres gilt Folgendes:
Eine Zwölftelung ist dann nicht zulässig, wenn der Beamte bzw. der Arbeitnehmer
- in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres in das Beamten- oder Arbeitsverhältnis eintritt,
- in der zweiten Hälfte eines Kalenderjahres nach erfüllter Wartezeit ausscheidet.
Ein sich in anderen Fällen ggf. ergebender Bruchteil des gesetzlichen Zusatzurlaubs ist in diesem Umfang zu gewähren; er kann nicht auf- oder abgerundet werden. 
Wenn die Schwerbehinderteneigenschaft eines Beamten bzw. eines Arbeitnehmers im Laufe eines Urlaubsjahres zuerkannt wird oder i. S. d. § 116 SGB IX erlischt, ist für das Entstehen des Zusatzurlaubsanspruchs in voller Höhe allein die Tatsache maßgebend, dass im Urlaubsjahr überhaupt eine Schwerbehinderung bestanden hat. Das bedeutet, dass der schwerbehinderte Mensch, der während des gesamten Urlaubsjahres beschäftigt wird, den vollen Zusatzurlaub erhält, auch wenn seine Schwerbehinderung nur für einen Teil des Jahres festgestellt wird. Den Wünschen schwerbehinderter Menschen hinsichtlich Urlaubszeitpunkt bzw. Urlaubseinteilung soll entsprochen werden.

8.1.1
Können Beschäftigte den Nachweis ihrer Schwerbehinderung noch nicht erbringen, müssen sie sich gegenüber dem Dienstherrn zur Begründung des Anspruchs auf Zusatzurlaub gleichwohl ausdrücklich auf ihre Schwerbehinderung berufen. Der Urlaub ist konkret unter Hinweis auf das laufende Antragsverfahren zu beantragen. Verweigert der Dienstherr einen beantragten Zusatzurlaub, gerät er in Leistungsverzug, wenn die Schwerbehinderung später rückwirkend festgestellt wird. Ist ein solcher Anspruch nach der tariflichen Regelung dann schon erloschen, tritt an seine Stelle ein Ersatzanspruch nach § 249 Abs. 1 BGB oder ggf. ein Anspruch auf Entschädigung in Geld nach BGB (vgl. BAG vom 26. 6. 1986 – 8 ZR 75/83 – AP Nr. 5 zu § 44 SchwbG – § 47 SchwbG 1986).

8.2
Dienstbefreiung in angemessenem Umfang soll schwerbehinderten Menschen gewährt werden, die auf Grund ihrer Behinderung besonders von extremen Wetterlagen und sonstigen äußeren Einflüssen betroffen sind.

8.3
Bei der Gewährung von Sonderurlaub bzw. Arbeitsbefreiung aus Anlässen, die die Interessen von schwerbehinderten Menschen berühren, ist großzügig zu verfahren, insbesondere soweit auch ein dienstliches Interesse am Urlaubszweck besteht (z. B. Mobilitätstraining, Fortbildungsveranstaltungen für besondere Gruppen von Behinderten, Behindertensport usw.).

8.4
Bei der Zuteilung von Mietwohnungen, die im Besetzungsrecht des Landes stehen, soll auf die besonderen Bedürfnisse schwerbehinderter Menschen und die Nähe zum Arbeitsplatz sowie auf Art und Umfang der Behinderung Rücksicht genommen werden; bei gleicher Dringlichkeit ist schwerbehinderten Menschen vor anderen Wohnungssuchenden der Vorzug zu geben. Schwerbehinderten Menschen kann über die sonst für sie in Betracht kommende Zahl von Zimmern hinaus ein zusätzliches Zimmer zuerkannt werden.

8.5
Jede Dienststelle hat für schwerbehinderte Menschen, die wegen Art und Umfang ihrer Behinderung darauf angewiesen sind, ein Kfz zu benutzen, Parkflächen bereitzuhalten.
Die Einzelheiten der Zuteilung von Parkflächen an schwerbehinderte Beschäftigte sind mit der Schwerbehindertenvertretung zu regeln. Stehen landeseigene oder allgemein angemietete Liegenschaften als Parkflächen nicht zur Verfügung, sollen geeignete Flächen angemietet werden. Sofern in unmittelbarer Nähe eines Dienstgebäudes keine Abstellfläche bereitgestellt werden kann, ist von der Dienststelle für namentlich bestimmte Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen „aG“ auf dem Ausweis ein Parksonderrecht nach dem § 46 StVO bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu beantragen.
Werden Parkflächen allgemein nur gegen Entgelt oder im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung vergeben, sind hiervon gemäß § 3 Schwerbehindertenausweisverordnung schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen „G, aG, GI, BI“ im Schwerbehindertenausweis ausgenommen.

8.6
Schwerbehinderte Menschen können in eng begrenzten Ausnahmefällen mit anderweitig nicht benötigten Dienstkraftwagen innerhalb des Dienstortes zwischen Wohnung/ Haltestelle und Dienststätte befördert werden (§ 15 Abs. 5 der Kraftfahrzeugrichtlinien).

8.7
Schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX sind auf ihren Wunsch von Krankheits-, Urlaubs- und Abwesenheitsvertretungen freizustellen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen.

8.8
Schwerbehinderte Menschen sind bei Reisen zu Aus- und Fortbildungszwecken, die mit Übernachtungen verbunden sind, grundsätzlich berechtigt, ein Einzelzimmer in Anspruch zu nehmen. Schwerbehinderten Menschen, die eine Dienstreise nur mit fremder Hilfe ausführen können und sich deshalb einer Begleitperson bedienen, die nicht im Landesdienst steht, können die insoweit notwendigen Auslagen im Rahmen des § 9 LRKG als Nebenkosten erstattet werden.

8.9
Schwerbehinderten Menschen soll ein Einzelzimmer als Arbeitsraum zugewiesen werden, wenn die Art der Behinderung dies erfordert. Im Zweifelsfall soll das Integrationsamt eingeschaltet werden.

9
Arbeitsplatzwechsel

9.1
Soweit schwerbehinderte Menschen ihre Versetzung, Abordnung oder Umsetzung beantragen, soll dem nach Möglichkeit entsprochen werden. Schwerbehinderte Menschen sollen gegen ihren Willen unter Berücksichtigung des § 81 Abs. 4 SGB IX nur aus dringenden dienstlichen Gründen versetzt, abgeordnet oder umgesetzt werden. Dies gilt auch für jede andere wesentliche Änderung des Arbeitsplatzes. Vor jedem Arbeitsplatzwechsel ist nach § 95 Abs. 2 SGB IX zu verfahren. Die Beteiligung der Personalvertretung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz bleibt unberührt.


10
Beurteilung

10.1
Im Beurteilungsverfahren gelten für schwerbehinderte Menschen die jeweils gültigen Beurteilungsrichtlinien unter Beachtung des Grundsatzes, dass schwerbehinderte Menschen zur Erbringung gleichwertiger Leistungen i. d. R. mehr Energie aufwenden müssen als nicht behinderte Menschen.

10.2
Bei der Beurteilung der Leistung schwerbehinderter Menschen ist eine etwaige Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit durch die Behinderung zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 3 LVO).

10.2.1
Eine geringere Quantität der Arbeitsleistung, soweit sie auf behinderungsbedingter Minderung beruht, darf das Beurteilungsergebnis nicht negativ beeinflussen.

10.2.2
Die Personalstelle teilt der Schwerbehindertenvertretung die bevorstehende Beurteilung eines schwerbehinderten Menschen rechtzeitig mit und ermöglicht ihr ein vorbereitendes Gespräch mit dem Beurteiler, sofern der schwerbehinderte Mensch einem solchen Gespräch zustimmt.  Findet ein Beurteilungsgespräch statt, so soll die Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch des zu beurteilenden schwerbehinderten Menschen hinzugezogen werden. Ist für die Beurteilung ein Beurteilungsbeitrag einzuholen, sollte der für den Beurteilungsbeitrag Verantwortliche auf Wunsch des schwerbehinderten Menschen hinzugezogen werden. In diesem Gespräch soll zwischen den Beteiligten festgestellt werden, ob eine durch die Behinderung bedingte quantitative Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit Einfluss auf die Arbeitsleistung hat. Findet ein Beurteilungsgespräch nicht statt, so ist der Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch des zu beurteilenden schwerbehinderten Menschen Gelegenheit zu geben, ihre Auffassung, ob eine durch die Behinderung bedingte quantitative Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit Einfluss auf die Arbeitsleistung hat,  schriftlich oder mündlich gegenüber dem Beurteiler - und ggf. gegenüber dem für einen Beurteilungsbeitrag Verantwortlichen - darzulegen.

10.2.3
Liegen einer Beurteilung einzelne Leistungsnachweise zu Grunde, ist die Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch eines betroffenen schwerbehinderten Menschen berechtigt, bei der Abnahme der Leistungsnachweise anwesend zu sein, es sei denn, Rechtsvorschriften stehen dem entgegen.


11
Fortbildung

Die berufliche Fortbildung der schwerbehinderten Menschen ist gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX zu fördern. Sie sind zu Fortbildungsmaßnahmen, die vom Dienstherrn veranstaltet werden, bevorzugt zuzulassen. Soweit Maßnahmen vom Dienstherrn angeboten werden, sind sie barrierefrei zu gestalten. Schwerbehinderte Menschen sollen zur Teilnahme an anderen Berufsfortbildungen Sonderurlaub und Kostenzuschuss nach den geltenden Vorschriften erhalten.


12
Berufsförderung

12.1
Für die Einarbeitung in neue Aufgaben sind schwerbehinderten Menschen je nach Art und Umfang der Behinderung ausreichende Zeiträume einzuräumen.

12.2
Schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 72 SGB IX sollen wegen ihrer besonderen Beeinträchtigungen zusätzliche Hilfen zum beruflichen Fortkommen erhalten.

12.3
Bei der Auswahlentscheidung zwischen gleich beurteilten Bewerbern ist die Schwerbehinderung als ein rechtlich anerkanntes Hilfskriterium zu berücksichtigen. Fällt die Auswahlentscheidung zum Nachteil des schwerbehinderten Menschen aus, ist die Entscheidung zu begründen und aktenkundig zu machen. Soweit zur Beförderung und Übertragung höherwertiger Aufgaben allgemein eine sogenannte Rotation verlangt wird, diese aber aus behinderungsbedingten Gründen ausgeschlossen ist, dürfen sich hieraus keine Nachteile für die Beförderungsentscheidung ergeben. Gleiches gilt für die Verwendungsbreite und deren Einschränkung aus behinderungsbedingten Gründen.

12.4
Bei schwerbehinderten Beamten, die infolge ihrer Behinderung voraussichtlich vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden müssen, ist zu prüfen, ob eine solche Beförderung angezeigt ist, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ohne die besondere Art der Behinderung noch die nächstmögliche Beförderungsstelle ihrer Laufbahn erreichen würden; dabei ist § 5 Abs. 3 BeamtVG zu beachten. Die Entscheidung ist auf der Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens zu treffen. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung kann ein Facharzt hinzugezogen werden.


13
Prävention

Bei erkennbaren personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten, die zur Gefährdung des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses führen können   (§ 84 Abs. 1 SGB IX), hat der Arbeitgeber präventive Maßnahmen zu ergreifen. In den Fällen, in denen auf Grund der Behinderung die künftige Notwendigkeit eines Arbeitsplatzwechsels abzusehen ist, sind die schwerbehinderten Menschen bei beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen bevorzugt zu berücksichtigen. Die Schwerbehindertenvertretungen, die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen und das Integrationsamt sind im frühestmöglichen Stadium zu beteiligen. Dies gilt insbesondere, wenn das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis durch Erkrankungen gefährdet ist (§ 84 Abs. 2 SGB IX).
Die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten richtet sich nach den Bestimmungen des Landesgleichstellungsgesetzes.


14
Rehabilitation

14.1
Um das Ziel einer dauernden Eingliederung schwerbehinderter Menschen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu sichern, sehen die Vorschriften des SGB IX entsprechende Leistungen im medizinischen, berufsfördernden und ergänzenden Bereich vor. Als Grundsatz gilt „Rehabilitation geht vor Rente“.

14.2
Soweit schwerbehinderte Menschen Leistungen der gesetzlichen Reha-Träger – unvermeidbar – während der Dienstzeit in Anspruch nehmen müssen, können sie im Rahmen der tariflichen Regelungen (§ 52 BAT, § 33 Abs. 5 MTArb) unter Fortzahlung der Vergütung bzw. des Lohnes von der Arbeit freigestellt werden. Dies gilt auch für Maßnahmen im berufsfördernden Bereich und auch dann, wenn Leistungen subsidiär durch eine Fürsorgestelle/Integrationsamt erbracht werden (z. B. Trainingsmaßnahmen für Sinnesbehinderte). Ein eingeräumtes Ermessen ist großzügig auszuüben.

14.3
Sofern zur Vermeidung von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung aus zwingenden gesundheitlichen Gründen längerfristige außerbetriebliche Umschulungsmaßnahmen erforderlich werden, soll Arbeitnehmern Sonderurlaub unter Wegfall der Vergütung bzw. des Lohnes gewährt werden. Dies setzt voraus, dass die Umschulung einvernehmlich mit Dienststelle und Reha-Träger durchgeführt  wird.

14.4
Ist nach längerer Erkrankung die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess auf ärztliches Anraten nur stufenweise möglich, soll dieses im Einvernehmen mit dem zuständigen Reha-Träger vereinbart werden. Während des Wiedereingliederungsverfahrens besteht für Arbeitnehmer weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Beamten soll eine reduzierte Arbeitszeit entsprechend der notwendigen Wiedereingliederungsmaßnahme bis zur Dauer von höchstens 6 Monaten (§ 2 Abs. 4 AZVO)  eingeräumt werden.

14.5
Sofern schwerbehinderte Beamte berufsfördernde Maßnahmen aufgrund ihrer Behinderung mit dem Ziel der verbesserten Eingliederung in das Berufsleben zu Lasten eines Reha-Trägers, einer Fürsorgestelle, des Integrationsamtes oder auf eigene Kosten durchführen, soll ihnen hierfür analog zu Nummer 14.2 Sonderurlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge gewährt werden.

14.6
Beamten aller Fachrichtungen soll im Rahmen der geltenden Laufbahnvorschriften dann ein Laufbahnwechsel ermöglicht werden, wenn sie aufgrund von Art und Schwere ihrer Behinderung in ihrer eigenen Laufbahn nur noch mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit auf Dauer verwendet werden können, bei einer Verwendung in einer anderen Laufbahn dagegen auf Grund ihrer bisherigen Vorbildung, ihrer beruflichen Tätigkeit und nach im Einzelfall festzulegender Unterweisungszeit wieder voll dienstfähig sein könnten. Eine solche Maßnahme kommt einer Umschulung nach Nummer 14.3 gleich.

15
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses

15.1
Gelingt es schwerbehinderten Menschen aus Gründen, die in ihrer Behinderung liegen, nicht, sich in der tariflichen Probezeit hinreichend zu bewähren, kann nach Ablauf der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit ein Zeitarbeitsverhältnis zum Zweck der beruflichen Förderung begründet werden. Dies setzt die Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag voraus. Eine Verlängerung der Erprobungszeit durch Zeitvertrag soll die Dauer von 6 Monaten nicht überschreiten. Dabei müssen die Motive für die Begründung des befristeten Arbeitsverhältnisses im Vertragstext deutlich zum Ausdruck gebracht werden; der Abschluss des üblichen, formularmäßigen Arbeitsvertrages reicht nicht aus. Das Zeitarbeitsverhältnis ist dem Integrationsamt anzuzeigen. Bei erfolgreicher Ableistung des Zeitarbeitsverhältnisses ist dieses in ein unbefristetes umzuwandeln.

15.2
Beantragen schwerbehinderte Menschen die Entlassung oder die Beendigung ihres Dienst-, Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnisses, ist die Entscheidung hierüber eine beteiligungspflichtige Angelegenheit i. S. d. § 95 Abs. 2 SGB IX. Dies gilt auch, wenn das Dienst-, Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis gegen den Willen des schwerbehinderten Menschen beendet werden soll. Im Übrigen wird auf die einschlägigen Vorschriften des SGB IX verwiesen, insbesondere auf das Erfordernis der vorherigen Zustimmung durch das Integrationsamt gemäß §§ 85 ff. und der vorherigen Anhörung nach § 128 Abs. 2 SGB IX.

15.3
Sofern der weitere Einsatz von schwerbehinderten Menschen am bisherigen Arbeitsplatz aus organisatorischen, strukturellen oder betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, ist dem schwerbehinderten Menschen im Rahmen der tariflichen und beamtenrechtlichen Regelungen und sonstigen Vereinbarungen ein anderer angemessener und gleichwertiger Arbeitsplatz – vorrangig in der bisherigen Dienststelle bzw. am bisherigen Dienstort oder wunschgemäß – zu vermitteln.


16
Schwerbehindertenvertretung

16.1
Nach § 96 Abs. 4 SGB IX sind die Vertrauenspersonen ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Umfang der Freistellung richtet sich nach den spezifischen örtlichen und räumlichen Erfordernissen sowie nach etwaigen besonderen Verhältnissen der einzelnen Verwaltungen (z. B. besondere Schwierigkeiten bei der Verteilung der anfallenden Arbeitszeit). Sind in einer Dienststelle in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch freigestellt.

16.2
Ergänzend zu den Freistellungsregelungen nach  § 96 Abs. 4 SGB IX ist der Umfang der Freistellung so zu bemessen, dass die Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an allen Sitzungen gemäß § 95 Abs. 4 und 5 SGB IX gewährleistet ist. Für die individuelle Betreuung der in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen ist darüber hinaus eine Freistellung zu gewähren, die sich an dem Muster 150 der Personalbedarfsberechnung des Finanzministeriums orientieren kann.

16.3
Die vielseitigen und schwierigen Aufgaben der Vertrauenspersonen einschließlich der Bezirks- und Hauptvertrauenspersonen erfordern ständige Weiterbildung. Die Dienststellen sollen sie bei dieser Aufgabe großzügig unterstützen.

16.4
Gemäß § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX ist eine Freistellung der Vertrauenspersonen für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu gewährleisten, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Ein Weiterbildungsanspruch besteht auch für die erste und zweite Stellvertretung. Nach § 96 Abs. 8 SGB IX trägt der Arbeitgeber auch die durch die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen entstehenden Kosten.
Reisekostenvergütung erhalten Vertrauenspersonen, die an Schulungs- oder Bildungsveranstaltungen teilnehmen, nach den Bestimmungen des LRKG. Erhält die Vertrauensperson ihres Amtes wegen unentgeltliche Verpflegung und Unterkunft, so sind die Kürzungsbestimmungen des § 7 Abs. 2 und des § 8 Abs. 2 LRKG zu beachten. Das gilt auch, wenn Verpflegung und Unterkunft kostenlos bereitgestellt werden oder die Kosten hierfür in dem Teilnehmerbeitrag enthalten sind. 

16.5
Die Schwerbehindertenvertretung ist mit dem notwendigen Geschäftsbedarf zu versorgen. Hierbei sind die Ausstattungsansprüche der jeweiligen Personalvertretung als Maßstab anzulegen. Soweit die Schwerbehindertenvertretung kein eigenes Geschäftszimmer hat, ist ihr ein Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen.

16.6
Nach § 96 Abs. 8 SGB IX trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die zur Erfüllung der Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung notwendigen Reisekosten.
Voraussetzung für die Erstattung von Reisekosten ist, dass die Reise zur Erfüllung von Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung nach dem SGB IX notwendig ist. Der Dienststellenleitung ist die Reise rechtzeitig vorher anzuzeigen. Geht aus der Anzeige der Schwerbehindertenvertretung an die Dienststellenleitung hervor, dass die beabsichtigte Reise nicht notwendig ist, soll sie rechtzeitig vor Antritt der Reise darauf hingewiesen werden, dass Reisekosten nicht erstattet werden, um ihr Gelegenheit zu geben, die Frage der Notwendigkeit der Reise erneut zu prüfen.
Die Vertrauenspersonen erhalten Reisekostenvergütung in sinngemäßer Anwendung des LRKG wie bei Reisen zur Erfüllung der Aufgaben der Personalvertretung. Die Reisen sind somit reisekostenrechtlich wie Dienstreisen abzugelten, unabhängig davon, ob die Vertrauensperson voll, teilweise oder gar nicht freigestellt ist.
Bei der Abrechnung der Reisekosten ist das Rundschreiben des Finanzministeriums über die Festsetzung von Aufwandsvergütungen nach § 7 Abs. 3 LRKG vom 22.12.1998, zuletzt geändert durch Rundschreiben vom 20.12.2001 – B 2906 – 7.2 – IV A 4 -, zu beachten.

16.7
Die Schwerbehindertenvertretungen können sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 95 SGB IX zu regionalen und überregionalen Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen.


17
Integrationsvereinbarung

Integrationsvereinbarungen sind ein zentrales Anliegen des novellierten Schwerbehindertengesetzes, das unverändert in § 83 SGB IX übernommen wurde. Hiernach ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit der Schwerbehindertenvertretung und der zuständigen Personalvertretung in Zusammenarbeit mit dem bzw. den Beauftragten des Arbeitgebers auf die Dienststelle zugeschnittene Integrationsziele festzulegen und eine verbindliche Integrationsvereinbarung abzuschließen. Die Schwerbehindertenvertretung hat nach Maßgabe der auf der jeweiligen Ebene angesiedelten Zuständigkeit das Recht, eine Integrationsvereinbarung neben dieser Richtlinie einzufordern; ein Anspruch auf Abschluss auf der Ebene der Stufenvertretungen besteht nicht.  Integrationsvereinbarungen enthalten Regelungen insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfeldes, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Dienststellen. Bei der Personalplanung werden besondere Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von schwerbehinderten Frauen vorgesehen.  


18
Befristung

Diese Richtlinie tritt mit Ablauf des 31. Dezember des Jahres 2008 außer Kraft.

II.

Mein RdErl. v. 11.11.1994 – II A 3 – 5.35.00 – 5 /94 – (MBl. NW 1994 S. 1522 / SMBl. NRW 203030) wird aufgehoben.

Anlage

MBl. NRW. 2003 S. 1498.