Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 51 vom 5.12.2003 Seite 1495 bis 1520
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Erpressungslagen zum Nachteil von Wirtschaftsunternehmen Gem. RdErl. d. Innenministeriums 41/42 - 6117/2941/160 – u. d. Justizministeriums 4100 - III A. 275 - v. 31.10.2003 |
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Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Erpressungslagen zum Nachteil von Wirtschaftsunternehmen Gem. RdErl. d. Innenministeriums 41/42 - 6117/2941/160 – u. d. Justizministeriums 4100 - III A. 275 - v. 31.10.2003
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Gemeinsame Richtlinien der
Justizminister/-senatoren
und Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder
über die Zusammenarbeit bei der Bewältigung von
Erpressungslagen zum Nachteil von Wirtschaftsunternehmen
Gem. RdErl. d. Innenministeriums
41/42 - 6117/2941/160 –
u. d. Justizministeriums 4100 - III A. 275 -
v. 31.10.2003
Hiermit werden
die folgenden von der Konferenz der Justizministerinnen und -minister sowie von
der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder gebilligten
Richtlinien zur Festlegung der polizeilichen Einsatzführung und der
staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit bei Erpressungen mit mehreren Tatorten
sowie zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Kraft gesetzt:
1
Grundsätze
Die Staatsanwaltschaft
trägt die Verantwortung für das Ermittlungsverfahren und für die
Vollständigkeit der Ermittlungen. Sie hat in diesem Rahmen Leitungs- und
Weisungsbefugnis gegenüber der Polizei.
Die
Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Polizei. Hier entscheidet die Polizei über Art
und Weise sowie Zeitpunkt der Maßnahmen. In diesem Bereich besteht kein Raum
für Anordnungen der Staatsanwaltschaft.
Ergeben sich aus
einem Sachverhalt gleichzeitig und unmittelbar Aufgaben der Strafverfolgung und
Gefahrenabwehr, ist nach dem Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung zu
entscheiden, welchen Maßnahmen der Vorrang einzuräumen ist. In jedem Fall ist
hier eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft
und Polizei erforderlich (vgl. auch RiStBV, Anlage A, Abschnitt B III).
2
Festlegung der polizeilichen Einsatzführung
Zeichnet sich
ab, dass Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich verschiedener Polizeibehörden zu
treffen sind, wird vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen für die
Allgemeinheit, betroffene Unternehmen und die Einsatzbewältigung, im Rahmen
eines Abstimmungsverfahrens unverzüglich eine Polizeibehörde mit der Führung
des Einsatzes beauftragt. Dabei erfolgt die Festlegung der Zuständigkeit im
Wesentlichen unter taktischen Gesichtspunkten. Bei der Festlegung sind die
beteiligten Staatsanwaltschaften, soweit im Einzelfall möglich, einzubinden.
Die mit der
Einsatzführung beauftragte Polizeibehörde sowie die anderen durch die
Erpressung betroffenen Polizeibehörden teilen den für ihren Bezirk zuständigen
Staatsanwaltschaften die Entscheidung über die Festlegung der Einsatzführung
mit.
Die beteiligten
Staatsanwaltschaften konzentrieren unverzüglich die Ermittlungsverfahren bei
einer zuständigen Staatsanwaltschaft, die dann das Sammelverfahren führt. Dabei
beziehen sie die Entscheidung der Polizei über die getroffene Zuständigkeit bei
der Einsatzführung mit ein. Die das Sammelverfahren führende Staatsanwaltschaft
informiert die mit der Einsatzführung beauftragte Polizeibehörde über die
Entscheidung.
Bis zur
Entscheidung über die zentralen Zuständigkeiten obliegen den von der Erpressung
betroffenen Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden alle unaufschiebbaren
Maßnahmen. Diese sind zwischen allen betroffenen Behörden abzustimmen.
3
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Die
nachfolgenden Grundsätze für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gelten
sowohl während als auch nach Beendigung der Einsatzlage. Staatsanwaltschaft und
Polizei haben sich an diesen Grundsätzen zu orientieren.
Die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit muss die Belange der Lagebewältigung, des
Ermittlungsverfahrens sowie des Presserechts berücksichtigen.
Während der
Lagebewältigung durch die Polizei richtet sich die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit an taktischen Erfordernissen, insbesondere Aspekten der
Gefahrenabwehr, aus. Hierfür ist durch die einsatzführende Polizeibehörde ein
Konzept zu erstellen, das mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt wird.
Nach Beendigung
der Gefahrenlage führt die zuständige Staatsanwaltschaft die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
fort, in die sie die ermittlungsführende Polizeibehörde einbindet.
Pressekonferenzen
sind in gegenseitiger Absprache vorzubereiten und grundsätzlich gemeinsam
durchzuführen.
Im Rahmen der
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind insbesondere folgende Aspekte zu
berücksichtigen:
- Eine
frühzeitige Information der Medien kann erforderlich werden, wenn
-
die Täter offen agieren,
-
die Täter die Öffentlichkeit oder Medien in den Tatablauf einbeziehen oder
-
eine Gefährdung für die Allgemeinheit besteht (Warnmeldung).
- Haben Medienvertreter von der Erpressung bereits
Kenntnis oder ist zu erwarten, dass diese
Kenntnis erhalten, ist mit ihnen ein vertrauliches Gespräch mit dem Ziel zu
führen, Gefährdungen der Allgemeinheit und Beeinträchtigungen des Ermittlungsverfahrens
durch vorzeitige Veröffentlichungen zu vermeiden. Dies gilt insbesondere, wenn
Veröffentlichungen beabsichtigt sind.
Erforderlichenfalls
ist eine zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft abgestimmte Pressemitteilung
herauszugeben.
- Informationen
dürfen nicht zu einer erhöhten Gefährdung der Erpressten und sonstigen
Betroffenen oder zu einer Beunruhigung
der Bevölkerung führen.
- Grundsätzlich
dürfen keine Informationen weitergegeben werden über Einzelheiten,
- die taktische und technische Maßnahmen
offen legen,
- deren Bekanntwerden auch zukünftige
Einsätze in erheblichem Umfang gefährden können,
- die nur die Täter kennen können,
- die die Rechte der Erpressten oder
sonstigen Betroffenen verletzen.
Inhalte und
Umstände von Täterkontakten (Telefonate, Tatschreiben) sowie Einzelheiten zu
Täteraktivitäten dürfen grundsätzlich nicht bekannt gegeben werden. Dadurch
sollen Nachahmungen erschwert und Trittbrettfahrer leichter erkannt werden.
- MBl. NRW. 2003
S. 1505