Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 34 vom 28.8.2003 Seite 865 bis 896
Konzeption der Staatlichen Immissionsüberwachung RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-3 - 8818.71 (V Nr. 1/03) v. 5.6.2003 |
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Konzeption der Staatlichen Immissionsüberwachung RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-3 - 8818.71 (V Nr. 1/03) v. 5.6.2003
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Konzeption
der Staatlichen Immissionsüberwachung
RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-3 - 8818.71 (V Nr. 1/03)
v. 5.6.2003
I
Aufgaben
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) verpflichtet insbesondere
in § 44 Abs. 1 die nach Landesrecht zuständigen Stellen, regelmäßige
Untersuchungen zur Überwachung der Luftqualität durchzuführen. Art und Umfang
dieser Untersuchungen sind in der "Verordnung über Immissionswerte für
Schadstoffe in der Luft" (22. BImSchV vom 11. September 2002 (BGBl. I S.
3626)) geregelt. Insbesondere ist die Luftqualität nach § 10 dieser Verordnung
von den Bundesländern für ihre gesamte Fläche u.a. unter Einbeziehung von
lokalen Belastungsschwerpunkten in einem bestimmten Zeitraum oder fortlaufend
zu beurteilen, wobei die Vorgaben der 22. BImSchV hinsichtlich der
Datenqualitätsziele zu beachten sind.
Weiterhin können für bestimmte
Luftverunreinigungen, für die in Rechtsverordnungen nach § 48 a BImSchG keine
Immissionswerte festgelegt wurden, Untersuchungsgebiete festgelegt werden, in
denen ebenfalls die Luftqualität für diese Stoffe zu untersuchen ist (§ 44 Abs.
2 BImSchG).
Darüber hinaus hat die Staatliche
Immissionsüberwachung insbesondere folgende weitere Aufgabenstellungen zu
erfüllen:
- Erfolgskontrolle der Emissionsminderungsmaßnahmen und der
Luftreinhalteplanung,
- Optimierung von Emissions- und Immissionsminderungsmaßnahmen im Verbund mit
Emissionskatastern und Ausbreitungsrechnungen,
- schnelles Erkennen und Beurteilen von außergewöhnlichen Immissionssituationen
und akuten Gefahrenfällen, um unmittelbar Sachaufklärungen sowie
Abhilfemaßnahmen durch die zuständigen Behörden veranlassen zu können, sowie
Beurteilung von Beschwerdefällen,
- Bereitstellung von Immissionsmessdaten für Genehmigungsverfahren nach
BImSchG,
- Bereitstellung aktueller Informationen für die Regional- und Landesplanung,
- Bereitstellung von Informationen zur Beurteilung der Auswirkung geplanter
Maßnahmen (z.B. Ausweisung von Schutzgebieten nach § 49 BImSchG, Festsetzung
von Immissionswerten, Luftreinhaltepläne nach § 47 BImSchG),
- die Information der Öffentlichkeit, sowohl anlassbezogen (z.B.
Ozon-Informationsdienst) als auch fortlaufend (z.B. über elektronische Medien
(Internet) und Jahresberichte),
- Bereitstellung von Daten für nationale und internationale
Berichtsverpflichtungen,
- Bereitstellung von Hilfsmitteln für wissenschaftliche Untersuchungen, z.B.
Daten für Transfer- und Wirkungsuntersuchungen in den verschiedenen
Umweltmedien, sowie für epidemiologische Untersuchungen in der Umweltmedizin.
II
Struktur
Zur Erfüllung der in I genannten Aufgaben betreibt das
Landesumweltamt NRW (LUA) ein Luftqualitätsüberwachungssystem (LUQS), das aus mehreren, sich ergänzenden kontinuierlich und diskontinuierlich
messenden Teilsystemen besteht. LUQS dient der Überwachung der Luftqualität in
NRW im Hinblick auf ubiquitäre Schadstoffe (z.B. Schwebstaubfraktion PM 10,
Stickoxide, Ozon) und auf toxische und kanzerogene Komponenten mit besonders
hohem Wirkungspotenzial. Das Luftqualitätsüberwachungssystem wird darüber
hinaus mit Modellrechnungen zur Bewertung der Luftqualität unterstützt.
1.
Messaufgaben, die die fortlaufende Information über die Luftqualität in
Echtzeit voraussetzen (z.B. Alarmwert-Überwachung, Ozon-Informationsdienst),
erfordern kontinuierliche Luftqualitätsmessungen mit direkter Datenerfassung
und –übermittlung. Das LUA unterhält dazu im Rahmen von LUQS ortsfeste und
mobile Messstationen, die rund um die Uhr messen und ihre Daten automatisch
übermitteln.
Die in den Stationen installierten Messgeräte
erfassen die kontinuierlich messbaren Komponenten, insbesondere die
Schwebstaubfraktion PM 10, Stickoxide (NO2 und NO), Ozon,
Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid sowie an ausgewählten Standorten auch
meteorologische Parameter.
Gemäß den gesetzlichen Aufgabenstellungen
befindet sich die Mehrzahl der Stationen sowohl im städtischen Umfeld als auch
an Belastungsschwerpunkten von Verkehr und Industrie in den elf Ballungsräumen:
- Aachen,
- Bielefeld,
- Dortmund,
- Düsseldorf,
- Duisburg,
- Essen/Bochum,
- Hagen,
- Köln/Bonn,
- Mönchengladbach,
- Münster,
- Wuppertal.
Darüber hinaus wird die Luftqualität auch in den
restlichen Gebieten von NRW an ausgewählten Standorten (u.a. Waldgebiete,
Gebiete zum Schutz von Ökosystemen und zum Schutz der Vegetation, ländliche
Bereiche, Peripherie der Ballungsräume, Belastungsschwerpunkte) mit
Dauermessstationen überwacht.
Eine Übersicht der Standorte kontinuierlich
messender LUQS-Stationen mit ihrer jeweiligen Ausstattung veröffentlicht das
LUA im Internet unter http://www.landesumweltamt.nrw.de/.
2.
Diskontinuierliche Messungen werden zur Ermittlung solcher Luftschadstoffe
eingesetzt, für die keine automatisierten kontinuierlichen Messverfahren
existieren, oder für Messaufgaben, bei denen eine hohe Zeitauflösung des
Messergebnisses nicht erforderlich ist und somit Stichprobenmessungen
genügender Kollektivstärke eine ausreichende Messaussage liefern. Zur analytischen
Auswertung hält das LUA Laborkapazität im erforderlichen Umfang bereit. Die
Kriterien für erforderliche Stichprobenumfänge sind durch Anforderungen
bezüglich der maximal zulässigen Messunsicherheit, Mindestdatenerfassung und
Mindestzeitdauer in der 22. BImSchV bzw. den einzelnen
EG-Luftqualitätsrichtlinien als Datenqualitätsziele festgelegt.
Derzeit durchgeführte Stichproben‑Messprogramme
sind:
a) Messung von Schwebstaubfraktionen (PM 10, PM 2,5) und ggf. Gesamtschwebstaub
(TSP) sowie seiner anorganischen (u.a. Blei, Cadmium, Arsen und Nickel) und
organischen (Benzo[a]pyren und ggf. andere ausgewählte polycyclische
aromatische Kohlenwasserstoffe) Inhaltsstoffe.
Die im Schwebstaubmessprogramm erfassten
Inhaltsstoffe sind zum Teil kanzerogen (insbesondere Cadmium, Arsen,
Benzo[a]pyren). Das Schwebstaubmessprogramm ist deshalb ein wichtiger Baustein
zur Überwachung der Luftqualität auf kanzerogene Stoffe und andere Stoffe mit
hohem Wirkungspotential in den Gebieten Nordrhein-Westfalens.
Bei einigen Metallen sind nur Verbindungen
bestimmter Oxidationsstufen bzw. bestimmter Löslichkeit als kanzerogen
anzusehen. Dies gilt z.B. für Chrom und Nickel. In derartigen Fällen kann die
Bestimmung einzelner Metallverbindungen oder Verbindungsgruppen angezeigt sein
(Spezifikation).
b) Messungen von Kohlenwasserstoffen (u.a. des
kanzerogenen Benzols)
Diskontinuierliche Messungen von
Kohlenwasserstoffen können sowohl mit aktiver als auch mit passiver Probenahme
erfolgen, sofern die oben erwähnten Datenqualitätsziele eingehalten werden.
c) Messungen von Stickstoffdioxid mithilfe von
Passivsammlern
Aus der 1. Tochterrichtlinie der EG ergeben sich
erhebliche Messverpflichtungen für Stickstoffdioxid. Wenn diese nicht mithilfe
kontinuierlicher Messungen erfüllt werden können, ist, soweit es die Bestimmung
der Jahresmittelwerte betrifft, auch der Einsatz von Passivsammlern möglich.
d) Messprogramm für Staubniederschlag und seine
Inhaltsstoffe
In Gebieten, in denen die Gefahr besteht, dass
Depositionswerte der TA Luft 2002 erreicht oder überschritten werden, wird der
Staubniederschlag gemessen und, soweit erforderlich, auch dessen Inhaltsstoffe
(Blei, Cadmium, Arsen, Nickel, Thallium und Quecksilber) als Jahreskenngrößen
ermittelt. Die Anforderungen an die Auswahl der Messstellen und andere
Randbedingungen richten sich nach den Bestimmungen der TA Luft 2002.
Eine aktuelle Übersicht der Messorte für
Staubniederschlag veröffentlicht das LUA im Internet unter http://www.landesumweltamt.nrw.de/.
e) Sondermessprogramm zur Ermittlung von
Luftkonzentrationen und Depositionen von speziellen luftverunreinigenden
Stoffen, insbesondere persistenten und hochtoxischen Verbindungen, wie z.B. von
polychlorierten Dibenzodioxinen und ‑furanen oder polychlorierten
Biphenylen.
f) Der Sondereinsatzdienst des LUA wird bei Stör‑
und akuten Gefahrenfällen, z.B. bei Bränden tätig, um vor Ort
Luftqualitätsmessungen und ‑bewertungen als Basis für Sofortmaßnahmen
durchzuführen.
Soweit nichts Besonderes bestimmt ist, werden
die Messorte für die Stichprobenmessungen je nach Aufgabenstellung, unter
anderem auch im Rahmen der Luftreinhalteplanung, festgelegt.
3.
Zusätzlich zu den ortsfesten Stationen werden im Rahmen von LUQS auch mobile
Stationen (MILIS) für zeitlich befristete kontinuierliche und
diskontinuierliche Messungen vorwiegend außerhalb der Ballungsräume sowie an
Belastungsschwerpunkten eingesetzt. Darüber hinaus können sie von kommunalen
Stellen wie auch von Bürgerinitiativen angefordert werden und nehmen dabei im
Rahmen der verfügbaren Kapazität sowohl Messaufgaben der gebietsbezogenen
Luftqualitätsüberwachung (z.B. für die Luftreinhalteplanung) als auch
Messaufgaben an Brennpunkten des Kraftfahrzeug-Verkehrs wahr. Die Messzeiten
können je nach Aufgabenstellung zwischen einem Monat und mehreren Jahren
variieren. Die MILIS-Stationen sind somit ein wichtiges Instrument, um die
Luftqualitätsüberwachung auch außerhalb der Ballungsräume landesweit
durchzuführen.
Eine aktuelle Übersicht der Standorte mobiler
Messstationen veröffentlicht das LUA im Internet unter http://www.landesumweltamt.nrw.de/.
4.
Als Ergänzung des Luftqualitätsüberwachungssystems werden vom LUA
Modellrechnungen zur Beurteilung der Luftqualität gem. § 10 der 22. BImSchV
durchgeführt. Diese werden unterstützend eingesetzt bei der Messplanung, wobei
die flächenrepräsentative bzw. flächenhafte Immissionsbelastung für
Nordrhein-Westfalen ermittelt wird. Emissionsminderungsmaßnahmen und
Szenarienbetrachtungen werden mit Hilfe der Ausbreitungsrechnung im Rahmen der
Luftreinhalteplanung, bzw. Maßnahmenplanung in ihrer Effizienz beurteilt.
Darüber hinaus werden Modellrechnungen in den Fällen eingesetzt, in denen ein
schnelles Ermitteln und Bewerten der Luftqualität notwendig ist
(hot-spot-Situationen).
Hierzu pflegt das LUA die notwendigen Methoden
zur Strömungs- und Ausbreitungsmodellierung, um die zur Beurteilung
maßgeblichen Einflüsse bei der Ausbreitung von Luftschadstoffen, wie z. B.
Geländerelief, Gebäudeeinfluss, physikalische und chemische Umwandlungen im
Ausbreitungspfad, je nach Anwendungsfall zu berücksichtigen.
III
Durchführung
Die Durchführung der in II beschriebenen
Überwachungsaufgaben obliegt dem LUA. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden
Haushaltsmittel können Teilaufgaben an geeignete Stellen vergeben werden. Für
Messaufgaben kommen dabei insbesondere Stellen in Frage, die nach § 26 BImSchG
bekannt gegeben sind oder die nachweislich die Anforderungen erfüllen, die in
der Norm DIN EN ISO/IEC 17025 "Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz
von Prüf- und Kalibrierlaboratorien", Beuth-Verlag, Berlin, 2000, festgelegt
sind. Grundlage der Kompetenzprüfung sind dabei die im sog. "Fachmodul
Luft" festgelegten Anforderungen.
Eine Vergabe oder Teilvergabe von Messprogrammen
kommt insbesondere dann in Betracht, wenn
- das LUA bei der Durchführung von Routineaufgaben entlastet werden soll oder
- bei (kurzfristig) auftretenden Sondermessaufgaben das LUA wegen zu geringer
und fehlender Messkapazität diese Aufgaben nicht oder nur unzureichend
ausführen kann oder
- die Vergabe oder Teilvergabe kostengünstiger ist.
Bei Vergabe oder Teilvergabe hat das LUA die
erforderliche Aussagesicherheit der Messungen durch begleitende Maßnahmen der
Qualitätssicherung zu gewährleisten, soweit dies im Einzelfall möglich ist. In
der Regel soll das LUA deshalb einen Teil des Messprogramms selbst übernehmen
und weitere Maßnahmen zur Qualitätssicherung (z.B. Vergleichsmessungen,
Ringversuche, Kontrolle der Messberichte) durchführen.
IV
Aufhebung
Der RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und
Landwirtschaft v. 17.3.1994 (SMBl. NRW. 7129) wird aufgehoben.
- MBl. NRW. 2003 S. 886