Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 24 vom 27.5.2005 Seite 579 bis 602
Berücksichtigung von Flächen mit Bodenbelastungen, insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren (Altlastenerlass) Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport. - V A 3 – 16.21 - u. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV-5-584.10/IV-6-3.6-21 - v. 14.03.2005 |
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zugehörige Anlagen : |
Berücksichtigung von Flächen mit Bodenbelastungen, insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren (Altlastenerlass) Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport. - V A 3 – 16.21 - u. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV-5-584.10/IV-6-3.6-21 - v. 14.03.2005
2311
Berücksichtigung von Flächen mit
Bodenbelastungen,
insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung
und im Baugenehmigungsverfahren (Altlastenerlass)
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport.
- V A 3 – 16.21 -
u. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
- IV-5-584.10/IV-6-3.6-21 -
v. 14.03.2005
Inhaltsübersicht
1 Allgemeines
1.1 Zweck
des Erlasses, Anwendungsbereich
1.2 Bodenschutz
und Bauleitplanung
1.3 Rechtsvorschriften
1.3.1 Bauplanungsrecht
1.3.2 Bauordnungsrecht
1.3.3 Bodenschutzrecht
1.3.3.1 Bundes-Bodenschutzgesetz
1.3.3.2 Bundes-Bodenschutz-
und Altlastenverordnung
1.3.3.3 Landesbodenschutzgesetz
für das Land NRW
1.4 Begriffe
2 Aufstellung
von Bauleitplänen
2.1 Allgemeine
Grundsätze
2.1.1 Planungsanlass
2.1.2 Nachforschungspflicht
bei Zusammenstellung des Abwägungsmaterials
2.1.3 Bewertung
festgestellter Bodenbelastungen
2.1.4 Auswirkungen
auf das weitere Planverfahren und den Planinhalt
2.1.5 Kennzeichnung
2.2 Flächennutzungsplan
2.2.1 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen bei der Planaufstellung
2.2.2 Kennzeichnungen
2.2.3 Begründung
2.2.4 Auswirkungen
von Bodenbelastungen auf bestehende Flächennutzungspläne
2.3 Bebauungsplan
2.3.1 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen bei der Planaufstellung
2.3.2 Nachforschungspflicht
und Kostentragung bei Zusammenstellung des Abwägungsmaterials bei einem
vorhabenbezogenen Bebauungsplan
2.3.3 Instrumente
des Bau- und Planungsrechts
2.3.3.1 Festsetzungen
im Bebauungsplan
2.3.3.2 Kennzeichnungen
2.3.3.3 Städtebaulicher
Vertrag
2.3.3.4 Baulast
2.3.3.5 Zeitliche
Verknüpfung zwischen Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan, städtebaulichem
Vertrag und Baulast
2.3.4 Begründung
2.3.5 Auswirkungen
von Bodenbelastungen auf bestehende Bebauungspläne
3 Baurechtliche
Zulässigkeit von Vorhaben
3.1 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen bei der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben
3.1.1 Vorhaben
im Geltungsbereich eines Bebauungsplans
3.1.2 Vorhaben
im nicht beplanten Innenbereich
3.1.2.1 Zulässigkeit
nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB
3.1.2.2 Satzungen
nach § 34 Abs. 4, 5 BauGB
3.1.2.2.1 Klarstellungssatzung
3.1.2.2.2 Entwicklungs-
und Ergänzungssatzung
3.1.2.3 Auswirkungen
von Bodenbelastungen auf bestehende Satzungen
3.1.3 Auswirkungen
von Bodenbelastungen bei Vorhaben im Außenbereich
3.1.3.1 Zulässigkeit
von Vorhaben nach § 35 BauGB
3.1.3.2 Satzung
nach § 35 Abs. 6 BauGB
3.2 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen nach dem Bauordnungsrecht
4 Verfahrensrechtliche
Berücksichtigung von Bodenbelastungen
4.1 Baugenehmigungsverfahren
4.1.1 Vorhaben
nach § 30 Abs. 1 und 2 BauGB
4.1.2 Vorhaben
nach §§ 34 und 35 BauGB
4.1.3 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen im vereinfachten Verfahren
4.2 Freistellungsverfahren (§ 67 BauO NRW)
4.3 Berücksichtigung
von Bodenbelastungen nach Erteilung der Baugenehmigung
Anlage
1
Allgemeines
1.1
Zweck des Erlasses, Anwendungsbereich
Die Behandlung von Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind oder für die entsprechende Anhaltspunkte vorliegen, stellt sowohl
die Gemeinden bei der Bauleitplanung als auch die Bauaufsichtsbehörden bei der
Genehmigung von Vorhaben vor schwierige Probleme.
Inzwischen
sind nicht nur Bestimmungen des Baugesetzbuchs (BauGB) geändert worden sondern
auch neue Rechtsvorschriften zum Bodenschutz in Kraft getreten. Im Einzelnen
sind dies
- das Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG vom 17. 3. 1998 (BGBl. I S. 501),
-
die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung - BBodSchV vom 12. 7. 1999
(BGBl. I S. 1554) und
- das Landesbodenschutzgesetz - LbodSchG vom 9. 3. 2000 (GV. NRW. S. 439).
Dieser
Erlass befasst sich mit der Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der Bauleitplanung
und der Genehmigung von Vorhaben nach den Vorschriften des Bauplanungs- und
Bauordnungsrechts und mit den Schnittstellen zwischen diesem Rechtsbereich und
dem Bodenschutzrecht. Gegenstand des Erlasses sind nicht die Vorschriften zum
Bodenschutz allgemein. Dazu enthalten sowohl das Bauplanungs- und
Bauordnungsrecht (insbesondere § 1 a Abs. 2, § 35 Abs. 3 Nr. 5, § 35
Abs. 5, § 179 und § 202 Baugesetzbuch - BauGB - und § 3 Bauordnung für das Land NRW - BauO NRW) sowie ergänzend die vorgenannten Rechtsgrundlagen zum
Bodenschutz differenzierte Regelungen. Bergbaubedingte Auswirkungen, wie z. B.
Bodensenkungen, Tagesbrüche oder Austritte von Grubengas, sind ebenfalls nicht
Gegenstand dieses Erlasses.
Der vorliegende Erlass soll den für die Bauleitplanung verantwortlichen
Gemeinden, den Bauaufsichtsbehörden sowie den Bodenschutzbehörden als Trägern
öffentlicher Belange als Grundlage für die Berücksichtigung von schädlichen
Bodenveränderungen und Altlasten bei der Bauleitplanung und der Zulassung von
Vorhaben dienen und für Investoren und Grundstückseigentümer Planungs- und
Investitionssicherheit schaffen.
1.2
Bodenschutz und Bauleitplanung
Durch den in § 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG verankerten Grundsatz der Subsidiarität,
nach dem das Bundes-Bodenschutzgesetz auf schädliche Bodenveränderungen und
Altlasten nur Anwendung findet, soweit Vorschriften des Bauplanungs- und
Bauordnungsrechts Einwirkungen auf den Boden nicht regeln, sind beide
Rechtsbereiche klar getrennt. Dabei verfolgt das Bodenschutzrecht die Vorsorge
gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden, die Abwehr schädlicher
Bodenveränderungen sowie die Sanierung von Boden und Altlasten, während das
Bauplanungsrecht die städtebauliche Gesamtplanung zum Gegenstand hat, bei der
alle Belange, also auch das Vorhandensein und die Auswirkungen von schädlichen
Bodenveränderungen und Altlasten, berücksichtigt werden müssen. Die
Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der Bauleitplanung bleibt also eine
Aufgabe des Bauplanungsrechts.
Eine
Entlastung der bauplanungsrechtlichen Verfahren durch das Bodenschutzrecht kann
sich gleichwohl ergeben durch
- den Rückgriff auf
die Ergebnisse der Erhebungen bzw. der Erfassung nach § 5 bis 8 LbodSchG bei
der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials,
- die Begleitung der
Bauleitplanverfahren durch die örtlich zuständigen Bodenschutzbehörden als
Träger öffentlicher Belange,
- die Orientierung an
den Maßstäben des Bodenschutzrechts bei der Bewertung von stofflichen
Bodenbelastungen (insbesondere an bestimmten Bodenwerten der Bundesbodenschutz-
und Altlastenverordnung) und
- die Möglichkeit der
Nutzung der rechtlichen Instrumente des BBodSchG (z.B. Abschluss eines
Sanierungsvertrags im Zusammenhang mit einer Bauleitplanung).
Außerdem
unterstützen die Gefahrenabwehrpflichten nach § 4 BBodSchG die Gemeinden
mittelbar beim Einsatz der konsensualen Instrumente des Bauplanungsrechts
(Vorhaben- und Erschließungsplan, städtebaulicher Vertrag).
1.3
Rechtsvorschriften
Für die Berücksichtigung von Flächen mit Bodenbelastungen bei der Bauleitplanung
und im Baugenehmigungsverfahren sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften
zu beachten:
1.3.1
Bauplanungsrecht
§ 1 Abs. 6
Satz 2 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB:
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen ...
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die
Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, ... die Belange ... des
Umweltschutzes ... insbesondere … die Auswirkungen auf … Boden …
§
1 Abs. 6 BauGB:
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange
gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
§
5 Abs. 3 Nr. 3 BauGB:
Im Flächennutzungsplan sollen gekennzeichnet werden ... für bauliche Nutzungen
vorgesehene Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind.
§
9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB:
Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden ... Flächen, deren Böden
erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
1.3.2
Bauordnungsrecht
§ 3 Abs. 1 BauO NRW:
Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1
Satz 2 sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit
oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet wird.
§
16 Satz 1 BauO NRW:
Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1
Satz 2 müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser,
Feuchtigkeit, pflanzliche oder tierische Schädlinge sowie andere chemische,
physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare
Belästigungen nicht entstehen. Baugrundstücke müssen für bauliche Anlagen
geeignet sein.
1.3.3
Bodenschutzrecht
Soweit Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts Einwirkungen auf den
Boden nicht regeln, finden die Rechtsgrundlagen zum Bodenschutz (BBodSchG,
BBodSchV und ergänzende landesrechtliche Regelungen) auf schädliche
Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung (§ 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG). Dabei
sind insbesondere folgende Regelungen zu berücksichtigen:
1.3.3.1
Bundes-Bodenschutzgesetz
§ 2 Begriffsbestimmungen
§ 9 Gefährdungsabschätzungen und Untersuchungsanordnungen
§ 12 Information der Betroffenen
§ 13 Sanierungsuntersuchungen und Sanierungsplanung
1.3.3.2
Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
§ 2 Begriffsbestimmungen
§ 3 Untersuchung i. V. m. Anhang 1
§ 4 Bewertung i. V. m. Anhang 2
§ 5 Sanierungsmaßnahmen, Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen
§ 6 Sanierungsuntersuchung und Sanierungsplanung i.V. m. Anhang 3
§ 12 Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialien auf oder in
den Boden
1.3.3.3
Landesbodenschutzgesetz für das Land NRW
§ 4 Pflichten anderer Behörden und öffentlicher Planungsträger
§ 5 Erfassung von schädlichen Bodenveränderungen und Verdachtsflächen,
Bodenbelastungskarten
§ 6 Bodeninformationssystem
§ 7 Erhebungen über altlastverdächtige Flächen und Altlasten
§ 8 Kataster über altlastverdächtige Flächen und Altlasten
§ 9 Übermittlung der erfassten Daten, Aufbewahrungsdauer
§ 10 Weitergabe der Daten, Zugang zu Daten
§ 12 Bodenschutzgebiete
1.4
Begriffe
Anhaltspunkte
Wann
"Anhaltspunkte" für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung
oder Altlast bestehen, wird in § 3 Abs. 1 und 2 BBodSchV näher beschrieben.
Bodenbelastungen
Für "Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind" (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 und § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB) gibt es keine
Begriffsbestimmung oder Konkretisierung durch Bundesrecht. Dieser Erlass
verwendet für solche Flächen den Begriff "Bodenbelastungen". Davon
erfasst werden
- schädliche Bodenveränderungen i. S. d. § 2 Abs. 3 BBodSchG
und
- Altlasten i. S. d. § 2 Abs. 5 BBodSchG,
soweit
die Belastungen stofflich begründet sind, sowie Flächen, die im Hinblick auf
die angestrebte Nutzung nach den unter Nr. 2.3.1 dargestellten Bewertungsmaßstäben
als „erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet“ einzustufen sind.
Bodenbelastungsverdacht
Für Flächen, bei denen der Verdacht einer erheblichen Belastung der Böden mit
umweltgefährdenden Stoffen besteht, verwendet dieser Erlass den Begriff
„Bodenbelastungsverdacht“. Davon erfasst werden
- Verdachtsflächen i. S. v. § 2 Abs. 4 BBodSchG und
- altlastverdächtige Flächen i. S. v. § 2 Abs. 6 BBodSchG,
soweit
die Belastungen stofflich begründet sind, sowie Flächen mit einem
entsprechenden Verdacht im Hinblick auf die angestrebte Nutzung nach den unter
Nr. 2.3.1 dargestellten Bewertungsmaßstäben.
Schädliche
Bodenveränderungen
Schädliche Bodenveränderungen sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für
den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen (§ 2 Abs. 3 BBodSchG).
Verdachtsflächen
Verdachtsflächen sind Grundstücke, bei denen der Verdacht schädlicher
Bodenveränderungen besteht (§ 2 Abs. 4 BBodSchG).
Altlasten
Altlasten sind
1.
stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen
Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
2.
Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit
umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren
Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte),
durch
die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder
die Allgemeinheit hervorgerufen werden (§ 2 Abs. 5 BBodSchG.)
Altlastverdächtige
Flächen
Altlastverdächtige Flächen sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der
Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den
Einzelnen oder die Allgemeinheit besteht (§ 2 Abs. 6 BBodSchG).
Das Bodenschutzrecht knüpft an die Überschreitung der nachfolgend genannten
Werte Rechtsfolgen und Maßnahmen. Diese Regelungen sind auch für die
Bauleitplanung von Bedeutung. Sie gelten jedoch nicht unmittelbar und sind
wegen des unterschiedlichen Ansatzes (Sicherung und Wiederherstellung der
Bodenfunktionen einschließlich der Gefahrenabwehr im Bodenschutzrecht – vgl. §
1 BBodSchG –; städtebauliche Gesamtplanung unter Berücksichtigung aller Belange
in der Bauleitplanung) nicht ohne weiteres übertragbar. Im Einzelnen handelt es
sich um die folgenden Wertekategorien:
Prüfwerte
Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine
einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche
Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG).
Maßnahmenwerte
Werte für Einwirkungen oder Belastungen, bei deren Überschreiten unter
Berücksichtigung der jeweiligen Bodennutzung in der Regel von einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist und Maßnahmen erforderlich sind (§
8 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG).
Vorsorgewerte
Bodenwerte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung von geogenen oder
großflächig siedlungsbedingten Schadstoffgehalten in der Regel davon auszugehen
ist, dass die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht (§ 8 Abs. 2
Nr. 1 BBodSchG).
Hintergrundgehalt
Schadstoffgehalt eines Bodens, der sich aus dem geogenen (natürlichen)
Grundgehalt eines Bodens und der ubiquitären Stoffverteilung als Folge diffuser
Einträge in den Boden zusammensetzt (§ 2 Nr. 9 BBodSchV).
Sanierung (im Sinne des Bodenschutzrechts)
Maßnahmen
- zur Beseitigung oder
Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen),
- die eine Ausbreitung
der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne die Schadstoffe zu
beseitigen (Sicherungsmaßnahmen),
- zur Beseitigung oder
Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder
biologischen Beschaffenheit des Bodens (§ 2 Abs. 7 BBodSchG).
Schutz- und
Beschränkungsmaßnahmen
Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen sind sonstige Maßnahmen, die Gefahren,
erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die
Allgemeinheit verhindern oder vermindern, insbesondere Nutzungsbeschränkungen
(§ 2 Abs. 8 BBodSchG).
2
Aufstellung von Bauleitplänen
2.1
Allgemeine Grundsätze
2.1.1
Planungsanlass
Anlass zur Aufstellung (Änderung, Ergänzung oder Aufhebung) eines Bauleitplanes
kann gemäß § 1 Abs. 3 BauGB auch das Vorhandensein oder der Verdacht einer
Bodenbelastung im Bereich des Flächennutzungsplans oder von Bebauungsplänen
sein; dazu wird auf Nummern 2.2.4 und 2.3.5 verwiesen.
Wird aus allgemeinen städtebaulichen Gründen ein Bauleitplan aufgestellt, so
darf das Problem "Bodenbelastungen" nicht ausgeklammert werden. Das Abwägungsgebot
verlangt, dass in die Abwägung alle Belange eingestellt und ihrer Bedeutung
entsprechend gewichtet werden, die nach der konkreten Sachlage in Betracht
kommen. Gemäß § 1 Abs. 6 BauGB müssen insbesondere die allgemeinen
Anforderungen an gesunde Wohn‑ und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit
der Wohn- und Arbeitsbevölkerung gewahrt bleiben und die Auswirkungen auf den
Boden berücksichtigt werden; aus der Nutzung des Bodens darf keine Gefahr für
die Nutzer entstehen. Der Bauleitplan darf deshalb keine Nutzung vorsehen, die
mit einer vorhandenen oder vermuteten Bodenbelastung auf Dauer unvereinbar und
deshalb unzulässig wäre.
Zu den
Voraussetzungen, unter denen eine vorgesehene Nutzung mit vorhandenen oder
vermuteten Bodenbelastungen vereinbar sein kann, siehe Nummern 2.1.3, 2.2.1 und
2.3.1.
2.1.2
Nachforschungspflicht bei Zusammenstellung des Abwägungsmaterials
Anlass zu einer Nachforschung wegen Bodenbelastungen in einem konkreten
Bauleitplanverfahren besteht, wenn der Gemeinde nach Beteiligung der zuständigen
Bodenschutzbehörde Anhaltspunkte über das mögliche Bestehen von Bodenbelastungen
vorliegen oder sich sonst aus behördlichen oder allgemein zugänglichen
Informationsquellen ein Bodenbelastungsverdacht ergibt.
Informationsquellen können zum Beispiel sein
- die Ergebnisse der Erfassung von schädlichen
Bodenveränderungen und Verdachtsflächen, insbesondere die Darstellungen von
Bodenbelastungskarten nach § 5 LbodSchG,
- das Fachinformationssystem "Stoffliche
Bodenbelastung" nach § 6 Abs. 1 LbodSchG,
- die Ergebnisse der Erhebungen über
altlastverdächtige Flächen und Altlasten nach § 7 LbodSchG,
- die Kataster über altlastverdächtige Flächen
und Altlasten nach § 8 LbodSchG,
- Kenntnisse über die frühere Nutzung der
Flächen,
- Karten, Luftbilder, Schriftgut in öffentlichen
und privaten Archiven,
- Hinweise und Anregungen aus der Bevölkerung
und der Träger öffentlicher Belange,
-
Stellungnahmen aus Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz,
Betriebsunterlagen der Bergbehörden.
Die
zuständige untere Bodenschutzbehörde (Kreisordnungsbehörde bzw. Bergamt für
Flächen, die der Bergaufsicht unterliegen) und die Abteilung 8 „Bergbau und
Energie in NRW“ der Bezirksregierung Arnsberg (katasterführende Stelle für
Altlasten und altlastverdächtige Flächen, die durch Aufsuchen, Gewinnen,
Aufbereiten und Weiterverarbeiten von Bodenschätzen entstanden sind und unter
Bergaufsicht stehen sowie verzeichnisführende Stelle über entsprechende
Bereiche für den Zeitraum, in dem dort Bergaufsicht bestanden hat) weisen im
Rahmen der Beteiligung auf ihr bekannte Verdachtsflächen, schädliche Bodenveränderungen,
altlastverdächtige Flächen und Altlasten sowie ihr sonst vorliegende
Anhaltspunkte für Bodenbelastungen sowie auf die nachrichtlich in den Katastern
nach § 8 LbodSchG enthaltenen Flächen hin. Letzteres gilt vor allem auch
für Flächen, die nach einer Bewertung i. S. d. § 4 BBodSchV aus dem Verdacht
einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast entlassen wurden und für die in
den Katastern nachrichtlich enthaltenen sanierten Flächen, insbesondere wenn
eine Nutzungsänderung der betroffenen Flächen beabsichtigt ist. Sanierte,
insbesondere gesicherte Altlasten, sind im Hinblick darauf zu berücksichtigen,
ob im Zusammenhang mit der angestrebten Nutzung Nutzungseinschränkungen,
Kennzeichnungen oder Handlungsempfehlungen erforderlich sind, u. a. auch um die
vorhandenen Sicherungssysteme in ihrer Funktion nachträglich nicht zu
gefährden. Da die Bodenschutzbehörden nur tätig werden müssen, wenn und soweit
die Bodenbelastung die für die (bisher) planungsrechtlich zulässige Nutzung
zulässigen Werte und Anforderungen überschreitet, kann aus der nachrichtlichen
Führung einer Fläche in dem Kataster oder deren Entlassung aus dem Kataster
nicht die Unbedenklichkeit aller Nutzungen geschlossen werden.
Einem lediglich vagen Verdacht braucht die Gemeinde dagegen nicht nachzugehen,
ebenso nicht Hinweisen auf völlig unerhebliche Bodenverunreinigungen. Was die
Gemeinde nicht sieht und nach den gegebenen Umständen auch nicht zu sehen
braucht, kann von ihr bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden und braucht
nicht berücksichtigt zu werden [BVerwGE 59, 87 (103)]. Nachzugehen ist aber
einem Verdacht auf Bodenbelastungen, die für die Rechtmäßigkeit der Abwägung
von Bedeutung sein können (vgl. § 4 Abs. 3 S. 2 BauGB).
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der Rechtsprechung die Gemeinde als
Trägerin der Bauleitplanung mit der Ausweisung von Bauland das Vertrauen
erzeugt, dass die ausgewiesene Nutzung ohne Gefahr realisierbar, insbesondere
der Boden nicht übermäßig mit Schadstoffen belastet ist. Insoweit ist der
Bebauungsplan "Verlässlichkeitsgrundlage" für Dispositionen der
Eigentümer oder Bauwilligen beim Erwerb von Grundstücken sowie bei der
Errichtung oder dem Kauf von Wohnungen. Hat die Gemeinde Anhaltspunkte für
Bodenbelastungen und geht sie diesen nicht nach, kann das Schadensersatzansprüche
gegen die Gemeinde als Trägerin der Bauleitplanung begründen.
Zur ersten Vorklärung ist ein Behördengespräch zweckmäßig und daher zu
empfehlen.
Liegen der Gemeinde hiernach Anhaltspunkte für eine Bodenbelastung vor, so muss
sie sich gezielt Klarheit verschaffen über Art und Umfang der Bodenbelastungen
sowie über das Gefahrenpotenzial. Eine bloße Zusendung des Planentwurfs an die
Träger öffentlicher Belange reicht nicht aus. Die Gemeinde muss vielmehr die in
Betracht kommenden Stellen, insbesondere
-
untere Bodenschutzbehörde (Kreis, kreisfreie Stadt bzw. Bergamt, soweit
Bergaufsicht besteht),
-
Abteilung 8 der Bezirksregierung Arnsberg (soweit auf den Flächen Bergaufsicht
besteht oder bestanden hat) und
-
Gesundheitsamt,
unter
Darlegung des Verdachts konkret nach Erkenntnissen über die Bodenbelastung oder
nach Erkenntnissen aus vergleichbaren Fällen fragen und zu deren Auswirkungen
um Stellungnahme bitten. Da die Stellungnahmen in der Regel für die
Rechtmäßigkeit der Abwägung von Bedeutung sind, gilt für diese nicht die
Präklusionsregel des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Aus der Überschreitung einer
Frist zur Stellungnahme kann also weder auf das Nichtvorliegen von Bodenbelastungen
geschlossen werden noch können verspätet gegebene konkrete Hinweise
unberücksichtigt bleiben.
Häufig werden diese Stellungnahmen im weiteren Bauleitplanverfahren nicht
ausreichen, z.B. weil die Auswirkungen der Bodenbelastung auf die beabsichtigte
Nutzung nicht abgeschätzt werden können; vielmehr wird eine sachkundige
Begutachtung erforderlich sein. Dazu soll die Gemeinde als Trägerin der
Bauleitplanung ggf. das betroffene Grundstück zunächst einer Untersuchung in
Anlehnung an § 3 Abs. 3 BBodSchV unterziehen. Dabei ist hinsichtlich der
Intensität der Untersuchungen zwischen einem Flächennutzungsplan‑ und
einem Bebauungsplanverfahren zu unterscheiden (siehe Nrn. 2.2.1 und 2.3.1).
Wird ein Gutachten zur Ermittlung der Bodenbelastungen vergeben, so haben der
Auftrag und die Stellungnahme sich nicht nur auf Lage und Ausdehnung, sondern
auch auf die Auswirkungen der ermittelten Bodenbelastungen auf die
beabsichtigten Nutzungen zu erstrecken. Es wird empfohlen, die
Leistungsbeschreibung für ein Gutachten mit der zuständigen Bodenschutzbehörde
fachlich abzuklären. Auf die Möglichkeit der Beauftragung eines
Sachverständigen und einer Untersuchungsstelle gem. § 18 BBodSchG wird
hingewiesen.
Das Gutachten sollte ggf. auch Aussagen zu grundsätzlich geeigneten Maßnahmen
zur Verminderung oder Vermeidung dieser Einwirkungen enthalten.
Die Kosten für das Gutachten hat die Gemeinde als Trägerin der Bauleitplanung
zu tragen, soweit sie nicht durch städtebaulichen Vertrag i.S.d. § 11 BauGB
oder einen Durchführungsvertrag zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan nach §
12 durch einen Dritten übernommen werden. Ob darüber hinaus die Erstattung der
Kosten von Dritten, z. B. den Verursachern oder Beseitigungspflichtigen
der Bodenbelastungen, verlangt werden können, richtet sich nach
Rechtsvorschriften außerhalb des Baugesetzbuchs (siehe Nr. 2.3.4).
Kommt eine Kostentragung durch einen Dritten in Betracht, sollte mit diesem
frühzeitig der Umfang der durchzuführenden Untersuchungen und der Kostenerstattung
abgestimmt werden.
2.1.3
Bewertung festgestellter
Bodenbelastungen
Grundsätzlich darf ein Bauleitplan keine städtebaulichen Missstände oder
Gefahrentatbestände im Sinne des allgemeinen Ordnungsrechts oder keine auf
schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten zurückgehende Gefahren, erhebliche
Nachteile oder erhebliche Belästigungen i. S. d. BBodSchG hervorrufen oder
festschreiben. Vielmehr hat er bereits unterhalb dieser Schwelle Schutz vor
unzumutbaren Nachteilen und Belästigungen zu gewährleisten (sog. bauleitplanerisches
Vorsorgeprinzip).
Eigene
Schadstoff-Konzentrationswerte für Zwecke der Bauleitplanung liegen nicht vor,
so dass nachfolgend zu klären ist, inwieweit die auf die Vermeidung schädlicher
Bodenveränderungen oder die Gefahrenbeurteilung vorhandener Bodenbelastungen
ausgerichteten Bodenwerte der BBodSchV hilfsweise für die Bauleitplanung
herangezogen werden können:
-
Die Vorsorgewerte der BBodSchV sind auf die Vermeidung des Entstehens
schädlicher Bodenveränderungen durch zukünftige Stoffeinträge ausgerichtet.
Eine Überschreitung der Vorsorgewerte kann ein Indiz dafür sein, dass bei
weiteren Stoffeinträgen, z.B. durch Luftverunreinigungen, eine schädliche Bodenveränderung
i.S.d. BBodSchG entstehen kann. Daher entfalten die Vorsorgewerte für die
Beurteilung bereits bestehender Bodenbelastungen keine Rechtsfolgen.
-
Die Maßnahmenwerte zielen auf Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ab. Werden sie für
die angestrebten Nutzungen überschritten, kommt in der Regel eine Darstellung
oder Festsetzung der gefährdeten Nutzungen ohne vorherige Sanierungsmaßnahmen
oder planerisch festgelegte Nutzungseinschränkungen nicht in Betracht.
-
Die Prüfwerte markieren eine ”Gefahrenschwelle im ungünstigen Fall”. Ob für
eine Fläche tatsächlich eine Gefahr vorliegt, ist im Wege einer einzelfallbezogenen
Sachverhaltsermittlung festzustellen. Die Unterschreitung der Prüfwerte wird
dem Anspruch des Baugesetzbuches nach ”gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen”
i. S. d. § 1 Abs. 5 BauGB am ehesten gerecht. Die Unterschreitung der Prüfwerte
schließt bei repräsentativer Beprobung der Fläche eine Gefahr i. S. d. Bodenschutzrechts
aus. Sie können daher als Orientierung im bauplanungsrechtlichen
Abwägungsprozess herangezogen werden. Eine Überschreitung der Prüfwerte legt
auch bei Untersuchungen für Zwecke der Bauleitplanung eine weitergehende
einzelfallbezogene Sachverhaltsermittlung zur Aufklärung der Exposition nahe.
Diese sollte sich an den Untersuchungsvorschriften der BBodSchV orientieren.
Insbesondere sind mögliche Umlagerungen von Bodenmaterial durch Erdarbeiten zu
beachten.
Die
in der BBodSchV festgelegten Beprobungstiefen können im Rahmen der Untersuchung
und Beurteilung gegebenenfalls angepasst oder durch weitere ergänzt werden, um
der tatsächlichen oder zu erwartenden Schadstoffverteilung im Untergrund,
etwaigen Besonderheiten der vorgesehenen Nutzung oder möglichen
Bodenumlagerungen angemessen Rechnung zu tragen.
Soweit die Zielsetzung der Bauleitplanung über die Gefahrenabwehr hinausgeht
und eine umfassende, vorsorgende Gestaltungsaufgabe begründet, kann es im Sinne
der planerischen Optimierung der Flächennutzung sinnvoll sein, auch auf nur
gering belasteten Flächen keine empfindlichen Nutzungen vorzusehen, wenn
Nutzungsalternativen vorhanden sind. Grundsätzlich ist anzustreben, die
Prüfwerte so weit wie möglich zu unterschreiten.
Je nach Belastungssituation und zur Verfügung stehenden Alternativflächen steht
für die Abwägung im Einzelfall damit eine Spannweite von den allgemein
vorhandenen Hintergrundgehalten bis zur
im Einzelfall ermittelten tatsächlichen Gefahrenschwelle zur Verfügung.
Landesweite bzw. regionale Hintergrundwerte für NRW werden regelmäßig vom
Landesumweltamt veröffentlicht (www.lua.nrw.de).
Weitergehende lokale Abgrenzungen, insbesondere von Gebieten mit erhöhten
Schadstoffgehalten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 oder § 12 Abs. 10 BBodSchV, können
sich aus Bodenbelastungskarten ergeben. Eine Zuordnung der für das Plangebiet
maßgeblichen Hintergrundwerte kann die Untere Bodenschutzbehörde vornehmen.
Die Prüf- und Maßnahmenwerte in Anhang 2 Nr. 1 und 2 BBodSchV sind nach
Wirkungspfaden und Nutzungen differenziert. Vorrangig relevant sind die Werte
für den Wirkungspfad Boden-Mensch (direkter Übergang) mit den Nutzungen
”Kinderspielfläche/Wohngebiet/Park- und Freizeitanlage/Industrie- und
Gewerbegrundstück”. Im Sinne der Gefahrenbeurteilung nach BBodSchV ist
ausgehend von der planungsrechtlich zulässigen Nutzung gemäß § 4 Abs. 4
BBodSchG immer die tatsächliche Flächennutzung zu beurteilen. Die
Nutzungskategorien der BBodSchV und die planerischen Kategorien zur Nutzungsausweisung
durch die Baunutzungsverordnung entsprechen sich nur bedingt.
Liegt innerhalb einer zu beurteilenden Fläche auf Teilflächen eine von der
vorherrschenden Nutzung abweichende empfindlichere Nutzung vor, so sind diese
Teilflächen in Anlehnung an die Grundsätze des § 4 Absatz 6 BBodSchV nach den
für ihre Nutzung jeweils festgesetzten Maßstäben zu bewerten. Das heißt, dass
zum Beispiel innerhalb von Wohngebieten Flächen mit einer Zweckbestimmung als
Kinderspielfläche (z.B. Spielplatz, Wohngarten) als solche zu bewerten und
damit von anderen Flächen (Abstandsgrünflächen, Flächen für den ruhenden
Verkehr), auf denen sich Kleinkinder nicht regelmäßig aufhalten oder der Boden
nur eingeschränkt zugänglich ist, zu unterscheiden sind.
Bei Nutzgärten und Kleingartenanlagen sollen zusätzlich die Werte für den
Wirkungspfad Boden-Pflanze herangezogen werden.
Für ”Wohngärten” (Nutzung sowohl als Nutzgarten als auch zum Kinderspiel) ist
beim Schwermetall Cadmium aufgrund einer integrativen Betrachtung beider
Wirkungspfade ein gesonderter Prüfwert der BBodSchV festgelegt worden, der von
den Werten für die einzelnen Wirkungspfade deutlich abweicht. Da die
Schadstoffaufnahme in die Pflanzen bei den anderen relevanten Schadstoffen
geringer ist, ist in solchen Fällen für Wohngärten der jeweils niedrigere Wert
vom Wirkungspfad Boden-Mensch oder Wirkungspfad Boden-Pflanze heranzuziehen.
Dieses sind
-
die Werte für den Wirkungspfad Boden-Mensch bei Arsen (25 mg/kg) und Blei (200
mg/kg) sowie
-
die Werte für den Wirkungspfad Boden-Pflanze bei Quecksilber (5 mg/kg) und
Benzo(a)pyren (1 mg/kg).
Da
die Gefahrenbeurteilung beim Wirkungspfad Boden-Grundwasser nutzungsunabhängig
zu erfolgen hat, ergibt sich durch eine Nutzungsänderung grundsätzlich keine
Änderung in der Bewertung einer Bodenbelastung im Hinblick auf den
Grundwasserpfad. Eine Überschreitung der Prüfwerte nach Anhang 2 Nr. 3 BBodSchV
kann jedoch für eine bauplanerische oder baurechtliche Entscheidung zu
Baumaßnahmen eine indirekte Bedeutung haben:
-
Die aufgrund einer Gefahrenbeurteilung als notwendig aber nicht prioritär
angesehenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sollten im Rahmen der Baumaßnahme
ergriffen werden, um nicht später einen höheren Aufwand leisten zu müssen bzw.
durch bauliche Anlagen behindert zu werden, oder
-
die Baumaßnahme kann zur Freisetzung einer bisher nicht mobilen
Schadstoffkontamination führen und erfordert daher eine erneute Beurteilung
aufgrund der veränderten Exposition und ggf. Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.
Werden
bei einer Begutachtung im Rahmen der Bauleitplanung Überschreitungen der
Prüfwerte für den Grundwasserpfad festgestellt, sind diese der zu beteiligenden
Bodenschutzbehörde mitzuteilen, damit mögliche Konflikte mit künftig unter
Umständen erforderlichen Überwachungs- oder Sanierungsmaßnahmen ausgeräumt
werden können.
Bei der Anwendung der vorgenannten schadstoffspezifischen Konzentrationswerte
sind die Bewertungsregelungen in § 4 der BBodSchV zu beachten. Insbesondere ist
zu berücksichtigen, dass die Werte nur einen Teil des zu beurteilenden
Sachverhalts betreffen, nämlich das einzelstoffbezogene Gefährdungspotenzial.
Bei der Beurteilung sind jedoch alle für das Plangebiet relevanten Umstände zu
berücksichtigen, insbesondere die konkreten Freisetzungs- und Ausbreitungsbedingungen
für Schadstoffe und die angestrebte Nutzung.
2.1.4
Auswirkungen auf das weitere Planverfahren und den Planinhalt
Bestätigt sich der Bodenbelastungsverdacht nicht, kann das Planverfahren mit
dem bisher vorgesehenen Planinhalt unbeeinflusst weitergeführt werden.
Bestehen
Bodenbelastungen, so muss beurteilt werden, ob die beabsichtigten Ausweisungen
mit den vorhandenen Bodenbelastungen vereinbar sind. Hierzu können weitere
Untersuchungen und/oder Stellungnahmen bestimmter Träger öffentlicher Belange
oder anderer Fachbehörden erforderlich werden.
Die Entscheidung über die Darstellungen bzw. Festsetzungen in den Bauleitplänen
ist abhängig einerseits von Lage, Ausdehnung und Art der Bodenbelastungen sowie
von den durch diese drohenden schädlichen Einwirkungen und andererseits von
räumlicher Lage und Art der auszuweisenden Nutzung. Das Ergebnis kann sein:
-
Weiterführung des Verfahrens mit dem bisherigen Inhalt, wenn die Bodenbelastung
mit der Art der Nutzung vereinbar ist, zum Beispiel keine Beeinträchtigung des
Wohnens etwa durch Ausgasung oder andere Einwirkungen, keine Gefährdung von
Kindern auf öffentlichen Spielplätzen, keine Verunreinigung von Nutzpflanzen
auf Flächen für die Landwirtschaft;
-
zeitweilige Unterbrechung des Verfahrens bis zur Sanierung (Sicherung, Dekontamination)
oder bis zum Abschluss sonst geeigneter Maßnahmen;
-
Weiterführung des Verfahrens bei öffentlich‑rechtlicher Sicherung der
Sanierung (siehe Nr. 2.3.3);
-
Kennzeichnung der Bodenbelastung im Bauleitplan und Weiterführung des
Verfahrens, soweit das Gebot der Konfliktbewältigung es zulässt, erforderliche
Maßnahmen nachfolgenden Verwaltungsverfahren zu überlassen (siehe Nr. 2.1.5);
-
Änderung des bisher vorgesehenen Planinhalts, soweit er mit der Bodenbelastung
nicht vereinbar ist (zur Prüfreihenfolge und zu bestimmten Sicherungsmaßnahmen
bzw. Nutzungseinschränkungen sowie zur planungsrechtlichen Umsetzung siehe die
Handlungsempfehlungen in der Anlage);
-
Teilung des Planbereichs bzw. Ausnahme von Flächen und sonstigen Darstellungen
aus dem Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BauGB, wenn keine
Rückwirkungen auf die übrigen Plangebiete gegeben sind. Dieses
"Ausnehmen" von Darstellungen setzt eine räumlich und sachlich
eingrenzbare Problemlage voraus, die keine Rückwirkungen auf die Bodennutzung
in den übrigen Teilen des Gemeindegebietes hat und einer späteren Entscheidung
überlassen bleiben kann. Diese Möglichkeit kann bei einem noch nicht
abschließend geklärten Bodenbelastungsverdacht in Betracht kommen, wenn noch
weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen.
-
Einstellung des Verfahrens, wenn die Weiterführung der Planung nicht für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.
Eine
Festsetzung in Bebauungsplänen mit der Maßgabe, dass die Nutzung erst nach der
Sanierung der Bodenbelastung aufgenommen werden kann, ist nicht zulässig. Eine
Weiterführung des Verfahrens mit dem bisherigen Planinhalt ist wohl möglich,
wenn durch Regelungen außerhalb des Bebauungsplanes oder tatsächlich
sichergestellt ist, dass vor Aufnahme der plangemäßen Nutzung die
Bodenbelastung saniert worden ist (vgl. Nrn. 2.3.3.3 und 2.3.3.4).
Die Begründung zum Bauleitplan muss hinreichende Aussagen zur Bodenbelastung
und zu ihrer Vereinbarkeit mit der künftigen Nutzung oder zur Sanierung
enthalten.
2.1.5
Kennzeichnung
Die Kennzeichnung nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 bzw. § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB entbindet
nicht von einer sachgerechten Abwägung. Aufgabe der Kennzeichnung ist es, für
die nachfolgenden Verfahren auf mögliche Gefährdungen durch Bodenbelastungen
und die erforderliche Berücksichtigung hinzuweisen ("Warnfunktion").
Eine
Kennzeichnung kann in Betracht kommen, wenn die Darstellung oder Festsetzung
einer bestimmten Nutzung trotz der Bodenbelastung gerechtfertigt ist. Denkbar
sind dabei insbesondere folgende Fallkonstellationen:
-
Für die erheblich belastete Fläche ist eine Nutzung vorgesehen, die mit den
Planungsgrundsätzen vereinbar ist; z. B. die Schadstoffkonzentration ist
”nur" pflanzengefährdend, der Plan sieht aber eine gewerbliche Nutzung
vor.
-
Für die erheblich belastete Fläche ist eine Nutzung vorgesehen, für deren
Verwirklichung zwar Vorkehrungen und Maßnahmen erforderlich sind, deren
Konkretisierung aber in nachfolgende Verfahren, z. B. Bebauungsplan‑,
Baugenehmigungs- oder bodenschutzrechtliches Sanierungsverfahren, verlagert werden
kann; hierfür ist die Prognose ausreichend, dass die Bodenbelastung nicht
generell der dargestellten Nutzung entgegenstehen wird (Sanierungsmaßnahmen
also möglich sind).
-
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes soll vorgesehen werden, dass die
Sanierung durch die späteren Bauherren erfolgt; hierzu ist erforderlich dass
eine Sanierung jeweils isoliert für das jeweilige Baugrundstück möglich ist
(z.B. bei kleinflächigen oder oberflächennahen Bodenbelastungen).
Es
ist zu empfehlen, in die Kennzeichnung die Ursache der Bodenbelastung (z.B.
frühere Deponie, Kokerei) aufzunehmen.
2.2
Flächennutzungsplan
2.2.1
Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der Planaufstellung
Sieht die Gemeinde Anhaltspunkte für möglicherweise erhebliche und damit
gefährdende Bodenbelastungen, so hat sie dem nachzugehen (vgl. Nr. 2.1.2). Die
betreffenden Flächen sind mit der der Stufe des Flächennutzungsplans
angemessenen Grobmaschigkeit auf das Vorhandensein von Bodenbelastungen, auf
deren Ausmaß und auf den Gefährlichkeitsgrad der von den Bodenbelastungen zu
erwartenden Einwirkungen hin zu untersuchen (angelehnt an die orientierende
Untersuchung i. S. v. § 3 Abs. 3 BBodSchV, vgl. Nr. 2.1.2). Je nach den
Untersuchungsergebnissen können sich unterschiedliche Auswirkungen auf das
Verfahren ergeben (vgl. Nr. 2.1.3). Es wird empfohlen, die durchzuführenden
Untersuchungen mit der zuständigen Bodenschutzbehörde abzustimmen.
2.2.2
Kennzeichnungen
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BauGB sollen im Flächennutzungsplan für bauliche
Nutzungen vorgesehene Flächen gekennzeichnet werden, deren Böden erheblich mit
umweltgefährdenden Stoffen belastet sind. Zweck dieser Kennzeichnung ist eine
”Warnfunktion" für die weiteren Planungsstufen, insbesondere für den
verbindlichen Bauleitplan. Die als Soll‑Vorschrift formulierte
"Kennzeichnungspflicht" gilt für eine Fläche jedoch nur, wenn
-
für die Stufe der vorbereitenden Bauleitplanung hinreichend konkret geklärt ist
(z. B. durch Auswertung des Altlastenkatasters oder einer Bodenbelastungskarte),
dass die Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind und
-
die Gemeinde gleichwohl als Ergebnis einer gerechten Abwägung eine bauliche
Nutzung ausweist.
Ein
genereller Wert für eine „erhebliche Belastung mit umweltgefährdenden Stoffen“
kann nicht angegeben werden. Als Orientierung kann auch hier der Bereich
zwischen Hintergrund- und Prüfwerten dienen. Eine Festlegung sollte im
Einzelfall in Abstimmung mit der Unteren Bodenschutzbehörde erfolgen.
Der Begriff "für bauliche Nutzungen vorgesehene Flächen" ist
umfassend zu verstehen. Die Beschränkung auf "für bauliche Nutzungen
vorgesehene Flächen" bedeutet nicht, dass eine derartige Kennzeichnung bei
anderen Nutzungsdarstellungen ausgeschlossen ist. In Betracht kommen
insbesondere von Menschen intensiv genutzte Freiflächen, z. B. Spiel- und
Sportplätze, Parks, aber auch Flächen, die über den Nahrungspfad (Boden -
Pflanze - Mensch) für den Menschen zu gesundheitlichen Gefahren führen können,
z. B. Dauerkleingärten. Die Belastung der Umwelt (z. B. Boden, Luft oder
Wasser) kann je nach Art, Beschaffenheit oder Menge nicht nur für Menschen,
sondern auch für Tiere und Pflanzen erheblich gefährdend sein.
Über diese Kennzeichnungspflicht hinaus sollte eine Kennzeichnung bei allen
Flächen erfolgen, die möglicherweise auch erst später, also bei einer Änderung
des Flächennutzungsplans für eine bauliche Nutzung in Betracht kommen. Die
Kennzeichnung sollte auch erfolgen, wenn die Bodenbelastung zwar der
“Gesamtnutzung” eines Gebietes (z. B. Wohngebiet) nicht entgegensteht, in
diesem Gebiet aber auch Nutzungen mit erhöhtem Schutzbedürfnis (z. B.
Kinderspielplätze) denkbar sind.
2.2.3
Begründung
In der Begründung nach § 5 Abs. 5 BauGB ist darzulegen, welche Bodenbelastungen
bekannt sind (Ergebnisse von Untersuchungen und Begutachtungen) und welche
Gründe für die Ausweisung der baulichen Nutzung trotz der bekannten
Bodenbelastung maßgebend sind.
Außerdem ist
ggf. darzulegen, welche Maßnahmen oder Vorkehrungen zu treffen sind, damit die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung gesichert werden kann und keine
Missstände planerisch vorbereitet werden.
2.2.4
Auswirkungen von Bodenbelastungen auf bestehende Flächennutzungspläne
Bei Bodenbelastungen im Geltungsbereich eines vorhandenen Flächennutzungsplans
kann der Bodenbelastungsverdacht bereits im Planverfahren bestanden haben (und
die Gemeinde diesem nicht nachgegangen sein) oder erst nach Abschluss des
Planverfahrens aufgetreten sein.
In beiden
Fällen ist von der Fehlerhaftigkeit des Flächennutzungsplans auszugehen, wenn
das Abwägungsergebnis nicht haltbar ist, d. h. wenn schlechterdings so nicht
hätte geplant werden dürfen.
Der Mangel wird in der Regel nicht den ganzen Flächennutzungsplan erfassen,
sondern lediglich die Darstellungen für die Flächen, die Bodenbelastungen
aufweisen. Dabei sind die Grundsätze über die Teilnichtigkeit entsprechend
anzuwenden.
Für Flächen mit Bodenbelastungen sollte in Anlehnung an die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Behandlung fehlerhafter Bebauungspläne ein förmliches
Verfahren eingeleitet werden, in dem über die zur Lösung der
Bodenbelastungsproblematik erforderliche Aufhebung, Änderung oder Ergänzung der
fehlerhaften Darstellungen zu befinden ist.
Hat die Gemeinde (erst) nach Abschluss des Planverfahrens Kenntnis von einem
Bodenbelastungsverdacht erhalten, so hat sie dem nachzugehen (vgl. Nr. 2.1.2).
Ergibt sich dabei, dass die im Flächennutzungsplan dargestellte Nutzung wegen
der Bodenbelastung nicht realisiert werden kann, ist grundsätzlich eine
Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich. Dies bedeutet indes nicht, dass
sofort und unabhängig von etwaigem sonstigen Fortschreibungs‑ oder
Änderungsbedarf ein (isoliertes) Verfahren durchgeführt werden müsste. Anders
als der Bebauungsplan schafft der Flächennutzungsplan für die Grundstückseigentümer
und ‑nutzer keine "Verlässlichkeitsgrundlage". Er begründet
keine Nutzungsrechte und positiven Zulassungstatbestände. Es reicht daher im
Allgemeinen zunächst aus, sicherzustellen, dass nicht irrtümlich Bebauungspläne
durch ein "Herausentwickeln" aus dem durch die Bodenbelastung
insoweit fehlerhaften Flächennutzungsplan aufgestellt werden.
Die künftige Nutzungsdarstellung kann bei einem Aufstellungsbeschluss noch
offen bleiben, wenn der neuen Planungsentscheidung noch weitere Untersuchungen
vorausgehen müssen. In der ortsüblichen Bekanntmachung des
Aufstellungsbeschlusses kann auf die Fehlerhaftigkeit entsprechender
Darstellungen im Flächennutzungsplan hingewiesen werden. In den
Flächennutzungsplan selbst kann ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden.
Dieser Hinweis ist von der Kennzeichnung nach § 5 Abs. 3 BauGB zu
unterscheiden:
-
Die Kennzeichnung hat eine Warnfunktion für die weitere Ausformung der
dargestellten, grundsätzlich möglichen Nutzung in nachfolgenden Verfahren.
-
Der Hinweis hingegen deutet auf die Fehlerhaftigkeit und damit
Unrealisierbarkeit der im Flächennutzungsplan (noch) dargestellten Nutzung hin
und auf die Absicht, eine neue Zweckbestimmung durch eine Änderung des
Flächennutzungsplans in dem dafür vorgesehenen Verfahren darzustellen. Dafür
können ggf. weitere Untersuchungen erforderlich sein.
Im
Ergebnis ist eine mit einem solchen Hinweis versehene Fläche ähnlich zu
behandeln wie eine von den Darstellungen "ausgenommene" Fläche nach §
5 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Wie bei dieser muss eine räumlich und sachlich
abgrenzbare Problemstellung gegeben sein, d. h. die Bodenbelastung darf sich
nicht auf andere, nicht mit einem Hinweis versehene Darstellungen in
angrenzenden Bereichen auswirken. Dabei kommen folgende Fälle in Betracht:
-
Die meist umfangreichen Darstellungen von Flächen für die Landwirtschaft werden
nur in besonderen Fällen in Bebauungspläne umgesetzt. Neben der Sicherung
zusammenhängender landwirtschaftlicher Flächen sind sie eine Art Auffangnutzung,
sodass aus einer fehlerhaften Darstellung im Allgemeinen keine akuten Probleme
erwachsen.
-
Anders sind Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen zu beurteilen, und zwar auch
dann, wenn sie selbst nicht mit baulichen Anlagen größeren Umfanges ausgestattet
werden sollen. Ihre besondere Funktionszuweisung, die meist vielfältige
Einbindung in die örtliche Infrastruktur sowie ihre Zuordnung zu den
Baugebieten kann eine umgehende Abklärung eines aufgekommenen
Bodenbelastungsverdachts und - bei dessen Bestätigung - zumindest einen raschen
Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit entsprechender Nutzungsdarstellungen
erfordern.
-
Das Gleiche gilt für Flächen, für die im Flächennutzungsplan eine bauliche
Nutzung dargestellt ist.
2.3
Bebauungsplan
2.3.1
Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der Planaufstellung
Für das Gebot gerechter Abwägung im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von
Bodenbelastungen sind folgende Grundsätze zu beachten:
-
Bei der Bauleitplanung sind insbesondere die allgemeinen Anforderungen an
gesunde Wohn‑ und Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen (sog. bauleitplanerisches
Vorsorgeprinzip). Für die Beurteilung von Bodenbelastungen und der von ihnen
ausgehenden oder zu erwartenden Einwirkungen ist deshalb nicht erst die
Schwelle, an der die Gefahrenabwehr einsetzt, maßgeblich (siehe Nr. 2.3.1).
-
Nach dem Gebot planerischer Konfliktbewältigung darf ein Bebauungsplan die von
ihm ausgelösten Nutzungskonflikte nicht unbewältigt lassen. Die auf Grund der
Planung ggf. erforderliche Behandlung der Bodenbelastung (Vorkehrungen im
weiten, nicht nur technischen Sinne) muss technisch, rechtlich und finanziell
möglich sein. Im Bebauungsplan sind soweit erforderlich die Festsetzungen zu
treffen, die zur Behandlung der Bodenbelastung nach § 9 BauGB zulässig und
geeignet sind.
-
Die Gemeinde hat zu prüfen, ob der Bebauungsplan vor der Behandlung der
Bodenbelastung in Kraft gesetzt werden kann oder ob die Behandlung der Bodenbelastung
parallel zum Planverfahren durchgeführt wird und der Bebauungsplan erst nach
deren Abschluss in Kraft gesetzt werden kann.
-
Vor Behandlung der Bodenbelastung kann der Bebauungsplan in Kraft gesetzt
werden, wenn
-
durch Festsetzungen im Bebauungsplan oder durch sonstige öffentlich‑rechtliche
Sicherungen (wie der Eintragung von Baulasten oder dem Abschluss öffentlich-rechtlicher
Verträge) sichergestellt ist, dass von der Bodenbelastung keine Gefährdungen
für die vorgesehenen Nutzungen ausgehen können, oder wenn
-
eine Kennzeichnung ausreichend ist, weil die Durchführung der Maßnahmen nach
den Umständen des Einzelfalls künftigem Verwaltungshandeln überlassen werden
kann. Dabei erfordert das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung, dass die
technische und wirtschaftliche Machbarkeit der erforderlichen Bodenbehandlung
hinreichend genau prognostiziert werden kann und dass die rechtliche Umsetzung
durch die nachfolgenden Verwaltungsverfahren (z.B. bauaufsichtliches Verfahren)
gesichert ist.
-
Es ist ferner zu berücksichtigen, dass durch den Vollzug des Bebauungsplans
nicht eventuell später erforderliche Maßnahmen auf Grund anderer Rechtsvorschriften
(z. B. aus Gründen des Grundwasserschutzes) erschwert werden.
-
Die Nutzungskonflikte sollen möglichst innerhalb des Plangebietes gelöst
werden. Konfliktbereiche dürfen nicht durch eine zu enge Planbegrenzung ausgeklammert
werden. Ist die Konfliktbewältigung nur in verschiedenen Bebauungsplänen
möglich, so sind diese auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts sachlich und
zeitlich aufeinander abzustimmen.
-
Die Abwägung kann auch zu dem Ergebnis führen, dass eine Planung, deren
Realisierung in keinem vernünftigen Kosten‑ und Nutzenverhältnis steht,
eingestellt wird oder eine weniger schutzbedürftige Nutzung ausgewiesen wird.
2.3.2
Nachforschungspflicht und Kostentragung bei Zusammenstellung des
Abwägungsmaterials bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan
Obwohl das Satzungsverfahren auf der Grundlage der vom Vorhabenträger
vorgelegten Planunterlagen eingeleitet wird, ergeben sich hinsichtlich der Nachforschungspflicht
der Gemeinde nach Bodenbelastungen keine Unterschiede zum Bebauungsplan. Es
wird insoweit auf die Nummern 2.1.2 und 2.3.1 verwiesen.
Mit der
Nachforschungspflicht der Gemeinde korrespondiert die Nachweispflicht des
Vorhabenträgers, dass er bereit und in der Lage ist, das Vorhaben und die
Erschließungsmaßnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durchzuführen.
Hierzu hat er auf seine Kosten die zur städtebaurechtlichen Beurteilung des
Vorhabens erforderlichen Planunterlagen vorzulegen und bei einem
Bodenbelastungsverdacht substantiiert nachzuweisen, dass das Vorhaben auch insoweit
öffentlich-rechtlich mit den Grundsätzen des § 1 BauGB vereinbar ist.
Aus der Nachforschungspflicht der Gemeinde und der Nachweis- und
Kostentragungspflicht des Vorhabenträgers folgt für ein evtl. erforderliches
Gutachten eines Sachverständigen in Anlehnung an
eine Detailuntersuchung i. S. v. § 3 Abs. 4 BBodSchV Folgendes:
-
Der Sachverständige und der Untersuchungsrahmen des Gutachtens werden von der
Gemeinde bestimmt. Es wird empfohlen, die durchzuführenden Untersuchungen mit
der zuständigen Bodenschutzbehörde abzustimmen.
-
Das Gutachten kann entweder von der Gemeinde oder vom Vorhabenträger in Auftrag
gegeben werden. Wird es von der Gemeinde vergeben, sollte diese zuvor mit dem
Vorhabenträger klären, ob dieser zur Übernahme der Kosten bereit ist. Besteht
diese Bereitschaft, sollte sie vertraglich niedergelegt und evtl. in Höhe der
voraussichtlichen Kosten des Gutachtens durch eine Bankbürgschaft gesichert
werden.
Ist
der Vorhabenträger zur Übernahme der Gutachterkosten oder zur Vergabe eines
entsprechenden Auftrages nicht bereit, muss die Gemeinde entscheiden, ob sie
das Satzungsverfahren bei eigener Kostentragung des Gutachtens fortsetzt. Ein
Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Andernfalls ist das Satzungsverfahren
einzustellen.
2.3.3
Instrumente des Bau- und Planungsrechts
2.3.3.1
Festsetzungen im Bebauungsplan
§ 9 BauGB enthält in seinem ‑ abschließenden ‑ Katalog keine
speziellen Festsetzungen zur Sanierung von Bodenbelastungen. Unter Sanierung
werden in diesem Erlass Sicherungs‑, Dekontaminationsmaßnahmen und
sonstige geeignete Maßnahmen (z. B. gezielte Versiegelung oder Überbauung)
verstanden. Eine Abstimmung mit der zuständigen Bodenschutzbehörde wird
empfohlen. Für diese Problemstellung können insbesondere folgende Festsetzungen
in Betracht kommen:
-
Die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2
BauGB),
-
der besondere Nutzungszweck von Flächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB),
-
Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung (§ 9 Abs. 1
Nr. 10 BauGB),
-
Flächen für Aufschüttungen und Abgrabungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 17 BauGB),
-
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die
Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutze vor schädlichen
Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes‑Immissionsschutzgesetzes
sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder
Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen
technischen Vorkehrungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB),
-
Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB.
Es
bestehen keine Bedenken, wenn die Gemeinde in den Bebauungsplan Hinweise
aufnimmt, die für nachfolgende Genehmigungsverfahren von Bedeutung sind.
Allgemein ist bei der Festsetzung der Art der zulässigen Nutzung zu
berücksichtigen, dass die Nutzungsdifferenzierungen der BBodSchV – soweit sie
für die Wirkungspfade Boden-Mensch (direkter Kontakt) und Boden-Pflanze Prüf-
und Maßnahmenwerte für bestimmte Bodennutzungen vorsieht (vgl. Anhang 2 Nr. 1
und 2 zur BBodSchV) – nur zwischen Kinderspielflächen, Wohngebieten, Park‑
und Freizeitanlagen sowie Industrie‑ und Gewerbegrundstücken unterscheidet.
Die Beschreibung dieser Bereiche weicht zum Teil von ähnlichen Begriffen des
Bauplanungsrechts ab.
Die vorgenannten Werte stellen nach dem Konzept des Bodenschutzrechts auf die
konkrete Nutzung der einzelnen Fläche ab. Demgegenüber lassen bauleitplanerische
Festsetzungen oft mehrere Nutzungen mit im Sinne des Bodenschutzrechts
unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit zu. So können in einem Mischgebiet
Flächen zum Wohnen oder zur Gewerbeausübung genutzt werden. Eine öffentliche
Grünfläche kann eine größere Parkfläche sein, in der auch eine Kinderspielfläche
liegt. Schließlich sind auch in Gewerbe- und Industriegebieten in beschränktem
Umfang Wohnnutzungen zulässig.
Bei der Festsetzung der Art der baulichen und sonstigen Nutzung ist daher
bezogen auf Bodenbelastungen die Bandbreite der danach möglichen Nutzungen zu
berücksichtigen.
Beim Vorhaben- und Erschließungsplan besteht nach § 12 Abs. 3 BauGB keine
Bindung an die Festsetzungen nach § 9 BauGB, die Baunutzungsverordnung sowie
die Planzeichenverordnung. Damit kann der Plan auch Festlegungen z. B. zur Regelung
der Sanierung enthalten, die über den im Übrigen abschließenden Katalog des § 9
BauGB hinausgehen. Dabei sind jedoch die vorgenannten Grundsätze zu beachten.
2.3.3.2
Kennzeichnungen
Nach § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB sollen im Bebauungsplan Flächen gekennzeichnet
werden, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Schadstoffen belastet
sind. Ein genereller Wert für eine „erhebliche Belastung mit umweltgefährdenden
Stoffen“ kann nicht angegeben werden. Als Orientierung kann auch hier der
Bereich zwischen Hintergrund- und Prüfwerten dienen. Eine Festlegung sollte im
Einzelfall in Abstimmung mit der Unteren Bodenschutzbehörde erfolgen.
Die
Kennzeichnungspflicht ist nicht - wie beim Flächennutzungsplan - auf für
bauliche Nutzung vorgesehene Flächen beschränkt, d. h. die Kennzeichnungspflicht
erstreckt sich auf alle in Betracht kommenden Flächen im Gebiet eines
Bebauungsplanes. Aufgabe der Kennzeichnung ist es, für die dem Bebauungsplan
nachfolgenden Verfahren (z. B. Baugenehmigungsverfahren, Genehmigungsverfahren
nach dem Bundes‑Immissionsschutzgesetz) auf mögliche Gefährdungen und die
erforderliche Berücksichtigung von Bodenbelastungen hinzuweisen
("Warnfunktion"). Im Übrigen wird auf Nummer 2.2.2 verwiesen.
2.3.3.3
Städtebaulicher Vertrag
Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB können die
Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen Gegenstand eines
städtebaulichen Vertrages sein. Zu den sonstigen vorbereitenden Maßnahmen
gehören die Untersuchungen der Bodenbelastung sowie die Freilegung von
Grundstücken (Abbruch baulicher Anlagen und Entsiegelung).
Städtebauliche
Verträge zur Regelung der Sanierung von Flächen mit Bodenbelastungen werden
zwischen Gemeinde und Eigentümer bzw. Bauträger abgeschlossen. Als sinnvoll
werden sich Vertragsbestimmungen über den Ablauf der Sanierungsmaßnahmen
erweisen, vor allem Informations‑, Untersuchungs‑, Abstimmungs‑
und auch Kostenpflichten. Auch zeitliche Vorgaben können vereinbart werden.
Zur Vermeidung von Meinungsunterschieden über den Umfang der Verpflichtung und
deren Erfüllung sollte in den Abschluss und den “Vollzug” des Vertrages die
Bodenschutzbehörde einbezogen werden (z. B. zur Feststellung, dass die
Sanierung ordnungsgemäß abgeschlossen ist). Es wird empfohlen, den Vertrag ggf.
in Verbindung mit einem Sanierungsplan nach BBodSchG abzuschließen.
Wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt, werden die vorgenannten
Regelungen regelmäßig Gegenstand des Durchführungsvertrages sein.
2.3.3.4
Baulast
Vielfach sind Grundstückseigentümer oder Vorhabenträger zur Sanierung von
Bodenbelastungen bereit, wenn die Gemeinde die belasteten Flächen verbindlich
überplant bzw. den vorhabenbezogenen Bebauungsplan in Kraft setzt. In diesen
Fällen kann es in Betracht kommen, die Sanierungsverpflichtungen durch Baulast (§ 83 BauO NRW) zu sichern. Auf diese Weise können auch Rechtsnachfolger in die
Sanierungsverpflichtung eingebunden werden.
2.3.3.5
Zeitliche Verknüpfung zwischen
Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan, städtebaulichem Vertrag und Baulast
Der Bebauungsplan kann erst in Kraft treten, wenn durch geeignete rechtliche
Instrumente (Festsetzungen im Bebauungsplan, öffentlich-rechtlicher Vertrag,
Baulast) die im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung erforderliche Behandlung
der Bodenbelastung gesichert ist, soweit nicht eine Sanierung im Zuge nachfolgender
Verwaltungsverfahren möglich und ausreichend ist. Daraus folgt, dass der
Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan nur im zeitlichen Zusammenhang mit den
genannten öffentlich‑rechtlichen Instrumenten (Abschluss eines
städtebaulichen Vertrages, Eintragung der Baulast) gefasst werden kann. Für den
Durchführungsvertrag zum Vorhaben- und Erschließungsplan ergibt sich das
bereits aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
2.3.4
Begründung
Die nach § 9 Abs. 8 BauGB erforderliche Begründung muss Aussagen zu den Zielen,
Zwecken und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplanes und den für die
Abwägung wesentlichen Punkten enthalten. Bei der Überplanung von
Bodenbelastungen kommen daher Aussagen zu folgenden Punkten in Betracht:
-
im Zusammenhang mit der Planung ermittelte Bodenbelastungen (insbesondere
Ergebnisse von Untersuchungen und Begutachtungen),
-
eventuell noch erforderliche Maßnahmen zur Sanierung der Bodenbelastung
einschließlich Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten,
-
durch städtebaulichen Vertrag/Durchführungsvertrag oder Baulast getroffene
Verpflichtungen,
-
Maßnahmen zur Plandurchführung, wie z. B. städtebauliche Gebote (§ 175 ff.) und
Sanierungsmaßnahmen nach §§ 136 ff. BauGB und
-
Maßnahmen nach anderen Rechtsvorschriften (z. B. Bodenschutzrecht, Abfallrecht,
Wasserrecht, Bauordnungsrecht).
Die
der Abwägung zugrundeliegenden Gutachten sollten der Begründung als Anlage
beigefügt werden, soweit auf sie Bezug genommen wird.
2.3.5
Auswirkungen von Bodenbelastungen auf bestehende Bebauungspläne
Bei Bodenbelastungen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes kann der
Bodenbelastungsverdacht bereits im Planverfahren bestanden haben (und die
Gemeinde diesem nicht nachgegangen sein) oder erst nach Abschluss des
Planverfahrens aufgetreten sein.
In beiden
Fällen ist von der Fehlerhaftigkeit des Bebauungsplans auszugehen, wenn das
Abwägungsergebnis nicht haltbar ist, d. h. wenn schlechterdings so nicht hätte
geplant werden dürfen. Die Gemeinde hat dem Bodenbelastungsverdacht auch bei
einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf eigene Initiative und Kosten
nachzugehen, da nun in erster Linie die Gültigkeit der gemeindlichen Satzung
über einen Vorhaben und Erschließungsplan in Frage steht.
Wird der Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nur teilweise von Bodenbelastungen
betroffen, besteht Teilnichtigkeit nur dann, wenn der Bebauungsplan ohne den
nichtigen Teil noch eine sinnvolle, den Grundsätzen des § 1 BauGB entsprechende
Ordnung der Bodennutzung enthält und dem planerischen Willen der Gemeinde
entspricht. Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ist regelmäßig zusätzlich
erforderlich, dass das Vorhaben räumlich und funktional so teilbar sein muss,
dass der nicht betroffene Teil für sich ein funktionsfähiges Ganzes ergibt.
Wenn und soweit die Satzung zum Vorhaben- und Erschließungsplan nichtig ist,
führt dies auch zu Nichtigkeit des zu ihrer Durchführung geschlossenen
Durchführungsvertrages. Kommt es zu keiner Einigung über die Anpassung des
Durchführungsvertrages, fehlt es an einer notwendigen Grundlage für die
Satzung.
Für jeden der Fälle gilt, dass in Anlehnung an die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts über die Behandlung fehlerhafter Bebauungspläne
(Urteil vom 21. 11. 1986 ‑ 4 C 22.83 ‑, BauR 1987, 171) ein
förmliches Verfahren eingeleitet werden sollte, in dem über die zur Lösung der
Problematik erforderliche Aufhebung, Änderung oder Ergänzung des fehlerhaften
Bebauungsplanes zu befinden ist. Unter den Voraussetzungen des § 215a BauGB
kommt hierfür auch ein ergänzendes Verfahren in Betracht. Dies setzt aber
u. a. voraus, dass durch die Bodenbelastung nicht das Konzept des Planes
insgesamt in Frage gestellt ist.
Will die Gemeinde einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan wegen der
Bodenbelastungen aufheben, bedarf sie dazu nicht der Zustimmung des Vorhabenträgers.
Sie hat jedoch in der Abwägung eine eventuelle Absicht des Vorhabenträgers, den
Vorhaben- und Erschließungsplan in einer den Anforderungen des § 1 BauGB
gerecht werdenden Art zu ändern, in besonderer Weise zu berücksichtigen.
Von der Gemeinde kann nicht verlangt werden, für alle Bebauungspläne mit
Bodenbelastungsverdacht gleichzeitig ein solches Verfahren durchzuführen. Es
ist grundsätzlich sachgerecht, wenn die Gemeinde ein Konzept zur Überprüfung
der betroffenen Bebauungspläne ‑ Reihenfolge der zu überprüfenden Bebauungspläne
unter Berücksichtigung insbesondere des möglichen Gefährdungsgrades der
tatsächlichen oder ausgewiesenen Nutzung ‑ erarbeitet und danach die
Verfahren zur Überprüfung der Bebauungspläne durchführt.
Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass in den einzuleitenden förmlichen
Verfahren nicht allein der Rechtsschein eines nichtigen Bebauungsplanes oder
einzelner Festsetzungen zu beseitigen ist, sondern gleichzeitig darüber zu
entscheiden ist, ob gemäß § 1 Abs. 3 BauGB die (erneute) Aufstellung eines Bebauungsplanes
erforderlich ist. Ein durchsetzbarer Anspruch der Bürger besteht nicht (§ 1
Abs. 3 Satz 2 BauGB). Ein Unterlassen der (Um‑) Planungspflicht kann
allerdings Amtshaftungsansprüche auslösen; diese können sich aber nur auf
künftige Schäden erstrecken.
Bei Bekanntwerden eines Bodenbelastungsverdachts erfolgt das Tätigwerden der
Gemeinde als Planungsträger unabhängig von den behördlichen Maßnahmen, die im
Hinblick auf die Gefahrenabwehr erforderlich sind. Gleichwohl ist ein enger
fachlicher Kontakt und eine Abstimmung des Vorgehens von Gemeinde und
Bodenschutzbehörde angezeigt (vgl. Nummer 2.3.3.3).
Wenn durch Maßnahmen nach Bauordnungsrecht oder Bodenschutzrecht der möglichen
Gefahr entgegengetreten werden kann, kann eine Änderung des Bebauungsplans
entbehrlich sein. Davon bleibt die Kennzeichnungspflicht unberührt.
3
Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben
3.1
Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der bauplanungsrechtlichen
Zulässigkeit von Vorhaben
3.1.1
Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans
Lassen die Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes im Sinne von § 30
Abs. 1 BauGB oder eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs.
2 BauGB ein Vorhaben zu und ist der Bodenbelastungsverdacht Gegenstand des
Bauleitplanverfahrens gewesen und im Bauleitplanverfahren abgearbeitet worden,
ist grundsätzlich von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens –
ggf. nach einer erforderlichen Sanierung – auszugehen (zum bauordnungsrechtlichen
Verfahren vgl. Nummer 4.1.1).
3.1.2
Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich
3.1.2.1
Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 und 2
BauGB
Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB, der auch in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB
Anwendung findet, muss ein Vorhaben u. a. den Anforderungen an "gesunde
Wohn‑ und Arbeitsverhältnisse" entsprechen. Daher ist ein Vorhaben
unzulässig, wenn es in einem belasteten Gebiet errichtet werden soll und wenn
es schädlichen Einwirkungen aus dem Boden ausgesetzt wird.
Besteht der
Verdacht auf eine Belastung des Baugrundstücks (z. B. durch Daten oder
Erkenntnisse aus dem Kataster über altlastverdächtige Flächen und Altlasten
nach § 8 LbodSchG oder aus einer Bodenbelastungskarte), so ist dem
nachzugehen (s. Nummer 4.1.2). Bestätigt sich der Verdacht und sind die gesunden
Wohn‑ und Arbeitsverhältnisse durch geeignete Maßnahmen nicht zu
gewährleisten, ist das Vorhaben unzulässig. Bei dieser Entscheidung ist die beabsichtigte
Nutzung (z. B. Wohn‑ oder gewerbliche Nutzung) zu berücksichtigen.
3.1.2.2
Satzungen nach § 34 Abs. 4, 5 BauGB
3.1.2.2.1
Klarstellungssatzung
Die so genannte Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB hat
nur deklaratorische Wirkung und bildet damit keine "Verlässlichkeitsgrundlage".
Einer vorherigen Überprüfung der durch die Satzung erfassten Fläche auf
Bodenbelastungen hin bedarf es also nicht.
3.1.2.2.2
Entwicklungs- und Ergänzungssatzung
Der Erlass einer Entwicklungs‑ und einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs.
4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB setzt nach § 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. voraus, dass die
Satzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist. Damit
gelten für den Erlass einer solchen Satzung die Grundsätze wie für die Aufstellung
eines Bebauungsplanes (auf Nummer 2.3 wird verwiesen).
3.1.2.3
Auswirkungen von Bodenbelastungen auf
bestehende Satzungen
Stellt sich heraus, dass im Bereich einer "Entwicklungs‑ oder
Ergänzungssatzung" Bodenbelastungen vorhanden sind oder ein Verdacht
darauf ernsthaft begründet ist, so ist die Gemeinde verpflichtet, die
Bodenbelastungen mit dem Ziel zu überprüfen, ob die Satzung aufzuheben ist oder
weiterhin bestehen bleiben kann. Ergibt die Überprüfung, dass bei Vorhaben auf
Grund der Gefährdung durch die Bodenbelastung gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse sowie die Sicherheit der Wohn‑ und Arbeitsbevölkerung
beeinträchtigt werden, so ist die Satzung unwirksam und der durch ihren Erlass
begründete Rechtsschein aufzuheben. Auf Nummer 2.3.5 wird verwiesen.
3.1.3
Auswirkungen von Bodenbelastungen bei Vorhaben im Außenbereich
3.1.3.1
Vorhaben nach § 35 BauGB
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher
Belange vor, wenn das Vorhaben "schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen
kann oder ihnen ausgesetzt wird". Hier ist wie in den Fällen des § 34 Abs.
1 Satz 2 BauGB zu verfahren; auf Nummer 3.1.2.1 wird verwiesen.
3.1.3.2
Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB
Auf "Außenbereichssatzungen'' nach § 35 Abs. 6 BauGB ist Nummer 3.1.2.2.2
entsprechend anzuwenden.
3.2
Berücksichtigung von Bodenbelastungen nach dem Bauordnungsrecht
Nach § 16 Satz 1 BauO NRW müssen bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und
Einrichtungen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch
Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche oder tierische Schädlinge sowie andere
chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare
Belästigungen nicht entstehen. Baugrundstücke müssen für bauliche Anlagen
geeignet sein (Satz 2). Gegen diese Vorschrift wird verstoßen, wenn auf
Grundstücken mit Bodenbelastungen bauliche Anlagen, insbesondere Gebäude,
errichtet werden sollen und hierdurch die Nutzer einer konkreten Gefahr
ausgesetzt werden.
Zur
Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 16 BauO NRW können die
Werte der BBodSchV als Hilfsmittel herangezogen werden. Ein Gefahrenverdacht
wird indiziert, wenn Anhaltspunkte im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2
BBodSchV vorliegen, insbesondere dann, wenn die Prüfwerte nach der BBodSchV für
die jeweilige Nutzung überschritten werden. Werden die Maßnahmenwerte
überschritten, ist das Vorhaben ohne vorherige Sanierung regelmäßig unzulässig.
4
Verfahrensrechtliche Berücksichtigung von Bodenbelastungen
4.1
Baugenehmigungsverfahren
Zu unterscheiden ist zwischen dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren mit
beschränktem Prüfungsumfang (vgl. § 68 BauO NRW ) und dem umfassenden
Baugenehmigungsverfahren (vgl. § 63 Abs. 1 BauO NRW).
Das
vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gilt für alle Bauvorhaben, die nicht zu
den so genannten „großen“ Sonderbauten im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 3 zählen;
nur noch für diese findet die umfassende Prüfung im Rahmen des „normalen“
Baugenehmigungsverfahrens statt. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit wird in
allen Baugenehmigungsverfahren geprüft. Im vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren werden weite Teile des materiellen Bauordnungsrechts
nicht geprüft; so z. B. gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW auch nicht die
Anforderungen der §§ 3 und 16 BauO NRW.
Gemäß § 56 BauO NRW sind der Bauherr oder die Bauherrin und im Rahmen ihres
Wirkungskreises die anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die
öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dieser Grundsatz gilt
unabhängig davon, ob und in welchem Umfang ein geplantes Bauvorhaben von der
Bauaufsichtbehörde präventiv geprüft wird.
4.1.1
Vorhaben nach § 30 Abs. 1 und 2 BauGB
Liegt das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes
im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB oder eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans im
Sinne von § 30 Abs. 2 BauGB und entspricht es dessen Festsetzungen, so ist das
Vorhaben trotz vorhandener Bodenbelastung bauplanungsrechtlich zulässig.
Unabhängig
davon ist jedoch zu prüfen, ob die Baugenehmigung für das Vorhaben wegen eines
Verstoßes gegen die §§ 3 Abs. 1, 16 BauO NRW abgelehnt werden muss. Gemäß § 36
Abs. 1 VwVfG NRW kann die Baugenehmigung auch unter Nebenbestimmungen erteilt
werden, wenn sie ohne diese nicht erteilt werden könnte.
4.1.2
Vorhaben nach §§ 34 und 35 BauGB
Besteht der Verdacht auf eine Bodenbelastung (z. B. durch Verzeichnis in
einem Kataster über altlastverdächtige Flächen und Altlasten nach § 8
LbodSchG), so ist dieser Verdacht auszuräumen. Der Nachweis, dass das Vorhaben
den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entspricht bzw.
nicht schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist, ist vom Bauherrn im
Baugenehmigungsverfahren zu führen. Das dafür notwendige Gutachten muss die beabsichtigte
Nutzung (ob für Wohn- oder für gewerbliche Zwecke oder als Kinderspielfläche
bzw. für eine sonstige schutzwürdige Nutzung) berücksichtigen; dabei kann es
graduelle Unterschiede geben. Erforderlichenfalls ist durch ein Gutachten
nachzuweisen, dass die Anforderungen erfüllt sind. Können diese nicht erfüllt
und kann die Gefährdung auch durch Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung nicht
ausgeräumt werden, ist der Bauantrag abzulehnen.
4.1.3
Berücksichtigung von Bodenbelastungen
im vereinfachten Verfahren
Die Anforderungen nach § 16 BauO NRW werden im vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft. Kommt die Bauaufsichtsbehörde aufgrund
von ihr vorliegenden Erkenntnissen allerdings zu dem Ergebnis, dass das
Bauvorhaben gegen § 16 BauO NRW verstößt, so kann die Baugenehmigung auch aus diesem
Grund verweigert oder mit Nebenbestimmungen versehen werden.
4.2
Freistellungsverfahren (§ 67 BauO NRW)
Wird das Bauvorhaben im Freistellungsverfahren nach § 67 BauO NRW durchgeführt,
werden der Bauaufsichtsbehörde keine Bauvorlagen zugeleitet, ihr wird lediglich
der Baubeginn mitgeteilt. Auch die Gemeinde, bei der gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1
Bauvorlagen eingereicht werden, soll dadurch lediglich feststellen, ob von dem
Vorhaben gemeindliche Belange in einer Weise berührt sind, dass es ihr geboten
erscheint, die Durchführung eines (vereinfachten) Baugenehmigungsverfahrens zu
verlangen.
4.3
Berücksichtigung von Bodenbelastungen nach Erteilung der Baugenehmigung
Wird der Bauaufsichtsbehörde, nachdem sie die Baugenehmigung erteilt hat, ein
Bodenbelastungsverdacht bekannt, der die geplante Bebauung des Grundstücks –
etwa wegen eines Verstoßes gegen § 16 BauO NRW - beeinträchtigt oder
ausschließt, so soll sie den Bauherrn hierauf hinweisen und ihn auffordern ,
die Bauarbeiten nicht aufzunehmen oder einzustellen und ggf. eine bereits
aufgenommene Nutzung zu unterlassen. Kommt der Bauherr einer solchen Aufforderung
nicht nach, entscheidet die Bauaufsichtsbehörde auf Grund des § 48 VwVfG NRW
über die Rücknahme der Baugenehmigung, ordnet erforderlichenfalls die sofortige
Vollziehbarkeit der Rücknahme an (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und stellt
danach ggf. die Bauarbeiten ein und/oder untersagt die Aufnahme oder die
Fortsetzung der Nutzung.
- MBl. NRW. 2005 S. 582