Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 27 vom 21.6.2005 Seite 669 bis 696

Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 20.5.2005 - 25 - 42.12.01 - 35.00 - 5 -
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Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 20.5.2005 - 25 - 42.12.01 - 35.00 - 5 -

203030

Richtlinie zur Durchführung
der Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen (SGB IX)
im öffentlichen Dienst
im Lande Nordrhein-Westfalen

RdErl. d. Innenministeriums v. 20.5.2005
- 25 - 42.12.01 - 35.00 - 5 -

Der RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.2003 - 25 - 5.35.00 - 5/03 (SMBl. NRW. 203030) wird wie folgt geändert:

1
In I. werden in Ziffer 13 nach dem Wort „Prävention“ ein „/“ und die Wörter „betriebliches Eingliederungsmanagement“ angefügt.

2
Ziffer 1.3 Satz 1 erhält folgende neue Fassung:

„Die Integrationsämter bei den Landschaftsverbänden, die Integrationsfachdienste, die örtlichen Fürsorgestellen, die Agenturen für Arbeit einschließlich der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn und die Arbeitsgemeinschaften bzw. die zugelassenen kommunalen Träger unterstützen die Dienststellen bei der Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am beruflichen Leben und setzen diese Regelungen in enger Zusammenarbeit um.“

3
In Ziffer 1.7 Satz 2 werden die Wörter „disziplinarrechtliche Vorermittlungen“ durch

das Wort „Disziplinarverfahren“ ersetzt.

4
In Ziffer 2.2 Satz 2 werden die Wörter „durch das Arbeitsamt“ durch die Wörter „der Agentur für Arbeit“ ersetzt.

5
In Ziffer 3.1 Satz 3 wird nach den Wörtern „gemäß § 72“ das Wort und die Zahl „Abs. 2“ eingefügt.

5.1
In Ziffer 3.1 werden nach Satz 3 folgende neue Sätze 4 und 5 eingefügt:
Dabei ist zu beachten, dass ein schwerbehinderter Mensch bei der beruflichen Ausbildung auf zwei Pflichtplätze angerechnet wird. Gleiches gilt bei Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis im Anschluss an die Ausbildung für die Dauer des ersten Beschäftigungsjahres (§ 76 Abs. 2 SGB IX).“

6
Nach Ziffer 3.1 wird folgende Ziffer 3.2 neu eingefügt und erhält folgende neue Fassung:

„Während der Zeit einer Berufsausbildung sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene, deren Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder für die ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Voraussetzungen des § 68 Abs. 4 Satz 2 SGB IX und der eingeschränkte Schutz (§ 68 Abs. 4 Satz 3 SGB IX) sind zu beachten.“

6.1
Ziffer 3.2 wird Ziffer 3.3; es wird folgender Satz angefügt:

„Auf den Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 08.04.2004 - 82-36 - (SMBl. NRW. 20021) wird hingewiesen.“

7
Ziffer 4.2 erhält folgende neue Fassung:

„§ 81 SGB IX verpflichtet den Dienstherrn unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit, der Arbeitsgemeinschaft oder den zugelassenen kommunalen Trägern als arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Dies gilt auch für Ausbildungsverhältnisse der schwerbehinderten Menschen und der gleichgestellten Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“

8
Ziffer 4.3.2 erhält folgende neue Fassung:

Unbeschadet einer Stellenausschreibung ist in jedem Fall unter Beschreibung der Stellenanforderungen bei der für die Einstellungsbehörde zuständigen Agentur für Arbeit, der Arbeitsgemeinschaft oder dem zugelassenen kommunalen Träger - bei allen akademischen Berufen zusätzlich bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn - schriftlich anzufragen, ob geeignete schwerbehinderte Menschen gemeldet sind. Das Verfahren kann zwischen den Einstellungsbehörden und den Agenturen für Arbeit, den Arbeitsgemeinschaften oder den zugelassenen kommunalen Trägern näher geregelt werden; die Schwerbehindertenvertretung ist zu beteiligen. Die Schwerbehindertenvertretung und die Personalvertretung erhalten gleichzeitig je eine Kopie der Anfrage. Die Schwerbehindertenvertretung ist auch dann bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen zu beteiligen, wenn zum Zeitpunkt der Bewerbung keine freien Stellen für eine Einstellung zur Verfügung stehen.“

9
In Ziffer 6.1 Satz 4 werden nach dem Wort „Integrationsämter“ die Wörter „oder Integrationsfachdienste“ eingefügt.

10
Ziffer 7.1 erhält folgende neue Fassung:

„Aus § 81 Abs. 4 SGB IX folgt grundsätzlich der Anspruch der schwerbehinderten Menschen gegenüber ihrem Dienstherrn auf

-          Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll

verwerten und weiterentwickeln können

-          bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens

-          Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung

-          behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit

-          Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen

Sind schwerbehinderte Menschen bei der Arbeitsausführung auf Arbeitsassistenz angewiesen, haben die Dienststellen sie bei der Ermöglichung von Arbeitsassistenz zu unterstützen, das heißt insbesondere, der Arbeitgeber hat die in seinem Verantwortungsbereich liegenden innerdienstlichen Maßnahmen auszuschöpfen. Auf die §§ 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6  i. V. m. Abs. 8 Nr. 3 und 102 Abs. 4 SGB IX wird hingewiesen. 

Auftraggeber der Arbeitsassistenz ist der schwerbehinderte Mensch selbst; er beschäftigt die Assistenzkraft oder vereinbart mit einem Dritten (z. B. professionelle Hilfsdienste) das Erbringen entsprechender Dienstleistungen (Arbeitgeber-/Dienstleistungsmodell).

Die Vorgesetzten sind verpflichtet, sich über die Gesamtsituation ihrer schwerbehinderten Mitarbeiter zu unterrichten und mit ihnen entsprechende Einzelgespräche zu führen. Dadurch sollen sie in die Lage versetzt werden, die Bestrebungen der schwerbehinderten Menschen, ihre Dienstaufgaben wie alle anderen Mitarbeiter zu erfüllen, nach Kräften zu unterstützen und ihnen dabei die erforderlichen Hilfestellungen zu geben.“

11
Ziffer 7.6 erhält folgende neue Fassung:

Bei der Planung von Neubauten ist zu gewährleisten, dass sowohl die Gebäude, die Inneneinrichtung als auch die Außenanlagen barrierefrei gestaltet werden. Insbesondere sind der Abschnitt K Ziffer 28 der nach der Landesbauordnung erlassenen Richtlinie Bau NRW und die Verordnung über Arbeitsstätten vom 12.08.2004 (BGBl. I S. 2179) zu beachten. Dies gilt auch für Gebäude, die durch einen Investor errichtet, öffentlich genutzt und insoweit angemietet werden. Bei Umbauten sind die Belange schwerbehinderter Menschen zu berücksichtigen. Die Schwerbehindertenvertretung ist bei der Planung von Baumaßnahmen so rechtzeitig zu hören, dass ihre Vorschläge in die Gesamtplanung eingehen können. Über den Baufortschritt kann sie sich jederzeit informieren lassen. Bei der Anmietung von Diensträumen ist entsprechend zu verfahren.“

12
Ziffer 8.1 erhält folgende neue Fassung:

„Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr (§ 125 SGB IX). Für gleichgestellte behinderte Menschen gilt diese Regelung nicht. Auf die tarifrechtliche Regelung in § 49 Abs. 4 MTArb, gemäß der Arbeiter mit einer  Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 und weniger als  50 v. H. einen Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen erhalten, wird verwiesen. Der Zusatzurlaub tritt zu dem zu gewährenden Erholungsurlaub hinzu und ist wie ein solcher zu behandeln; die Regelung über den Verfall von Erholungsurlaub gilt auch für den Zusatzurlaub. In folgenden Fällen ist in Anwendung der Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes (§§ 4 und 5), der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und nach der Regelung in § 125 Abs. 2 SGB IX Teilurlaub zu berechnen:

-          Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Kalenderjahr:

Für jeden vollen Monat der im Dienst- oder Arbeitsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft besteht Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs.

-          Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres sowie Eintritt in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres:

Für jeden vollen Monat besteht Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs.

Sich hierbei ergebende Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. Ein geringerer Bruchteil ist in diesem Umfang zu gewähren.

Bei neueingestellten schwerbehinderten Menschen, denen im laufenden Urlaubsjahr bei einem anderen Dienstherrn oder Arbeitgeber bereits ganz oder anteilig Zusatzurlaub gewährt worden ist, ist dieser anzurechnen.

Den Wünschen schwerbehinderter Menschen hinsichtlich Urlaubszeitpunkt bzw. Urlaubseinteilung soll entsprochen werden.“

13
Nach Ziffer 8.9 werden die folgenden neuen Ziffern 8.10 und 8.11 angefügt:

(8.10)
„Für blinde und sehbehinderte Beschäftigte ist sicherzustellen, dass Internet- und Intranetnutzung nach Maßgabe der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung NRW (BITV NRW - SGV. NRW. 201 -) zur Verfügung gestellt wird.“

(8.11)
„Servicehunde (z. B. Blinden-, Rollstuhlbegleithunde) sind während der Dienstzeit am

Arbeitsplatz unterzubringen.“

14
In Ziffer 9 wird die Zahl „9.1“ gestrichen.

15
In Ziffer 10.1 wird folgender Satz angefügt:

„Schwerbehinderte Menschen dürfen wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligt werden (§ 81 Abs. 2 SGB IX).“

16
In Ziffer 13 wird in der Überschrift nach dem Wort Prävention ein „/“ und die Wörter

„betriebliches Eingliederungsmanagement“ angefügt.

16.1
Der bestehende Absatz erhält die Nummerierung „13.1“.  

16.2
In Ziffer 13.1 Satz 1 wird das Wort „und“ durch die Wörter „oder eines sonstigen“ ersetzt.

16.3
In Ziffer 13.1 werden die zwei letzten Sätze gestrichen.  

16.4
Die folgenden Ziffern 13.2 und 13.3 werden neu angefügt:

(13.2)
„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber die besondere Verpflichtung, mit einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) die Möglichkeiten zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und zum Erhalt des Arbeitsplatzes zu klären.

Die zuständige Interessenvertretung (§ 93 SGB IX) - bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung - haben das Recht, die Klärung zu verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Werden generelle Regelungen zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements getroffen, ist die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig zu beteiligen.“

(13.3)
„Die Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung (§ 93 SGB IX) richtet sich nach dem Landespersonalvertretungsgesetz; die der Gleichstellungsbeauftragten nach dem Landesgleichstellungsgesetz.“

17
Ziffer 15.2 erhält folgende neue Fassung:

Beantragen schwerbehinderte Menschen die Entlassung oder die Beendigung ihres Dienst-, Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnisses, ist die Entscheidung hierüber eine beteiligungspflichtige Angelegenheit i. S. d. § 95 Abs. 2 SGB IX. Soll das Dienst-, Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis gegen den Willen des schwerbehinderten Menschen beendet werden, sind neben der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung die Schutzvorschriften für Arbeitnehmer gemäß §§ 85 ff. SGB IX zu beachten.“

18
In Ziffer 16.1 wird folgender Satz angefügt:

„Im Übrigen kann die Schwerbehindertenvertretung unter den Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nach Unterrichtung des Arbeitgebers das 1. oder das 1. und das 2. stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen.“

19
In Ziffer 16.2 letzter Satz werden nach dem Wort „kann“ die Wörter und die Zahl „(s. Anlg. 1).“ angefügt.

20
In Ziffer 16.5 Satz 3 werden nach dem Wort „ihr“ die Wörter „in jedem Fall“ eingefügt.

21
Ziffer 17 erhält folgende neue Fassung:

„Integrationsvereinbarung

Integrationsvereinbarungen sind ein zentrales Anliegen des SGB IX (§ 83). Hiernach ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit der Schwerbehindertenvertretung und der zuständigen Personalvertretung in Zusammenarbeit mit dem bzw. den Beauftragten des Arbeitgebers auf die Dienststelle zugeschnittene Integrationsziele festzulegen und eine verbindliche Integrationsvereinbarung mit Regelungen gemäß § 83 Abs. 2 und 2 a SGB IX abzuschließen. Die Schwerbehindertenvertretung hat nach Maßgabe der auf der jeweiligen Ebene angesiedelten Zuständigkeit das Recht, eine Integrationsvereinbarung neben dieser Richtlinie einzufordern.“

22
In Ziffer 18 wird die Zahl „8“ durch die Zahl „9“ ersetzt.

23
Ziffer II. wird gestrichen.

24
Die Anlage zu Nr. 16.2 des Runderlasses des Innenministeriums vom 14.11.2003 erhält folgende neue Fassung:

„Im Interesse einer einheitlichen Handhabung kann in Anlehnung an die in der Steuerverwaltung regelmäßig durchgeführte Personalbedarfsberechnung ausschließlich für die Freistellung der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen von folgenden Werten ausgegangen werden:

Der Personalbedarfsberechnung zu Grunde liegen zurzeit

-          eine durchschnittliche Jahresarbeitszeit (JAZ) einer Normalarbeitskraft von 100.280 Minuten, gerundet 100.000 Minuten

-          207 Jahresarbeitstage (Anwesenheitstage)

-          490 Tagesarbeitsminuten, gerundet 500 Minuten

Dies bedeutet im Einzelnen:

Vertrauensperson auf Ortsebene:

10 v. H. der JAZ (Grundwert 10.000 Minuten) zzgl. 500 Minuten je schwerbehinderten Beschäftigten in der Dienststelle (Zahl der gem. § 80 SGB IX für das Vorjahr gemeldeten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen)

Beispiel:

19 schwerbehinderte Beschäftigte in der Dienststelle

- Grundwert                     10.000 Minuten

- 19 x 500 Minuten            9.500 Minuten

                        --------------------

Summe:                           19.500 Minuten

aufgerundet                      20.000 Minuten

entspricht einer Freistellung von 20 v. H.

Bezirksvertrauensperson:

30 v. H. der JAZ (Grundwert) zzgl. 60 Minuten je schwerbehinderten Beschäftigten auf Bezirksebene

Hauptvertrauensperson:

100 v. H.

Diese Empfehlung stellt eine Art Nichtbeanstandungsgrenze dar, die bei besonderen Verhältnissen Anpassungen zulässt (z. B. Betreuung von schwerbehinderten Menschen an unterschiedlichen Dienstorten oder in mehreren Dienstgebäuden).“

- MBl. NRW. 2005 S. 670