Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 46 vom 26.10.2005 Seite 1211 bis 1226
Handhabung des Umweltinformationsanspruches im Lande NRW Gem. RdErL. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Innenministeriums, des Ministeriums für Bauen und Verkehr und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie v. 17.9.2005 |
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Handhabung des Umweltinformationsanspruches im Lande NRW Gem. RdErL. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Innenministeriums, des Ministeriums für Bauen und Verkehr und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie v. 17.9.2005
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Handhabung des Umweltinformationsanspruches
im Lande NRW
Gem. RdErL. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, des Innenministeriums, des Ministeriums für
Bauen und Verkehr und des Ministeriums für Wirtschaft,
Mittelstand und Energie v. 17.9.2005
I.
Die Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang
der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie
90/313/EWG des Rates vom 28. Januar 2003 erweitert das bisher schon geltende
Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt und verpflichtet zur
aktiven Verbreitung von Informationen über die Umwelt.
Anders als noch bei dem
Umweltinformationsgesetz vom 8. Juli 1994 sah der Bundesgesetzgeber keine
Kompetenz mehr, eine umfassende Regelung zum Umweltinformationsgesetz für die
öffentlichen Behörden und Stellen des Bundes und der Länder zu schaffen.
Der Bundesgesetzgeber hat daher mit dem
Umweltinformationsgesetz (UIG) vom 22. Dez. 2004 lediglich den
Informationszugang für informationspflichtige Stellen des Bundes geregelt.
Gleichzeitig ist mit Wirkung vom 14. Februar 2005 das Umweltinformationsgesetz
vom 8. Juli 1994 aufgehoben worden.
Für die informationspflichtigen Stellen
des Landes ist ein eigenes Umweltinformationsgesetz des Landes erforderlich.
Die Richtlinie war bis zum 14. Februar
2005 in das nordrhein-westfälische Landesrecht umzusetzen. Diese Frist konnte
nicht eingehalten werden.
Nach der Rechtsprechung des europäischen
Gerichtshofes entfalten die einzelnen Bestimmungen einer EG-Richtlinie
unmittelbare Wirkung, wenn sie
- nicht
ordnungsgemäß oder nicht fristgemäß umgesetzt wurden,
- inhaltlich
unbedingt und
- hinreichend
bestimmt
sind.
Die unmittelbare Wirkung von
Richtlinienbestimmungen ist von den Behörden und Gerichten in den Mitgliedsstaaten
von Amts wegen zu beachten.
II.
Auf Grundlage der Rechtsprechung des
europäischen Gerichtshofes ist davon auszugehen, dass zumindestens wesentliche
Teile der UI-Richtlinie so hinreichend klar und bestimmt sind, dass sie
unmittelbare Rechtswirkung entfalten. Dies zeigt sich u. a. auch daran, dass
Teile nahezu wörtlich in das Umweltinformationsgesetz des Bundes übernommen
worden sind.
Insofern schließen diese Vorschriften
nach § 4 Abs. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes
aus.
Um eine einheitliche Handhabung des
Umweltinformationsanspruches hinsichtlich des Anspruches selbst und der
Ablehnungsgründe zu gewährleisten, soll bis zum Erlass eines
Umweltinformationsgesetzes des Landes die Richtlinie unmittelbar angewandt
werden.
Die folgenden Hinweise und Empfehlungen
sollen die unmittelbare Anwendung der Richtlinie erleichtern:
1
Umweltinformationen
Der Begriff „Umweltinformationen“ ist in Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/4/EG definiert. Ausdrücklich werden jetzt Daten über gentechnisch veränderte Organismen, Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm, Strahlung, Abfälle und ähnliches sowie wirtschaftliche Analysen und der Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, soweit dieser durch Umweltfaktoren beeinflusst werden kann, erfasst.
2
Informationspflichtige Stellen
Informationspflichtig
sind
- Behörden, Einrichtungen und sonstige
öffentliche Stellen des Landes
- Gemeinden und Gemeindeverbände
- sonstige der Aufsicht des Landes
unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts und deren
Vereinigungen
- Private mit Beliehenenfunktionen,
soweit bei ihnen Umweltinformationen
vorhanden oder von einer selbst nicht informationspflichtigen Stelle für sie
bereit gehalten werden.
Die unmittelbare Rechtswirkung des
Umweltinformationsanspruches bezieht sich nicht auf natürliche oder juristische
Personen des Privatrechts, die unter Kontrolle einer öffentlichen
informationspflichtigen Stelle im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche
Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche
Dienstleistungen erbringen. Die Pflichten für diesen Personenkreis werden erst
durch das Gesetz festgelegt.
Die unmittelbare Rechtswirkung gilt auch
nicht für die die Geltendmachung des Informationsanspruches unterstützenden
Maßnahmen nach Artikel 3 Abs. 5 der UI–Richtlinie und für die aktive
Veröffentlichung von Umweltinformationen nach Artikel 7 der UI–Richtlinie. Hier
muss es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, die Spielräume bei der Umsetzung -
z.B. die Festlegung, wie ein Informationsanspruch am besten unterstützt wird
und in welcher Art Informationen veröffentlicht werden - auszufüllen.
Ausgenommen sind oberste Landesbehörden
sowie Kommunalverwaltungen im Rahmen ihrer Rechtssetzungstätigkeit (Gesetze,
Verordnungen, Satzungen) sowie Gerichte bei Ausübung der
Rechtsprechungstätigkeit und die Verwaltung bei Dienstordnungsverfahren.
Bei
Beratungsgremien (z. B. Landschaftsbeirat) trifft die Informationspflicht die
Stelle, bei der die Beratungsgremien eingerichtet sind.
3
Zugangsanspruch
Gemäß Art. 3 Abs. 1 der EU-Richtlinie hat jede bzw. jeder (auch Vereine, Verbände, Parteien) ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt.
Der Antrag ist an keine Form und keine
Begründung gebunden.
Ist der Antrag zu unbestimmt, wird dies
der antragstellenden Person spätestens innerhalb eines Monats mitgeteilt. Der
Antragsteller wird bei der Präzisierung unterstützt, indem z.B. auf
Hilfestellungen im Sinne von Artikel 3 Abs. 5 der EU-Richtlinie hingewiesen
wird.
Wird der Antrag dann nicht innerhalb einer gesetzten Frist präzisiert, ist er zurückzuweisen. Wird er präzisiert, beginnt die Bearbeitungsfrist erst mit dem Eingang des ergänzten Antrags.
Verfügt die informationspflichtige Stelle
nicht selbst über die gewünschten Informationen, leitet sie entweder den Antrag
an die zuständige Stelle weiter oder unterrichtet die antragstellende Person
darüber, bei welcher Stelle diese Informationen erhältlich sind. Die
informationspflichtige Stelle ist nicht zur Informationsbeschaffung bei einer
anderen informationspflichtigen Stelle verpflichtet.
Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Eingang des Anspruches zu beantworten. Ausnahmsweise kann die Bearbeitungsfrist bei umfangreichen und komplexen Sachverhalten auf zwei Monate verlängert werden. Dies ist der antragstellenden Person innerhalb der Monatsfrist mitzuteilen.
Falls eine antragstellende Person die
Umweltinformationen in einer bestimmten Form oder einem bestimmten Format
erhalten will, so ist diesem Antrag zu entsprechen, es sei denn, die Wahl einer
anderen Form oder eines anderen Formates ist für die informationspflichtige
Stelle angemessener - was dann der Fall ist, wenn die Gründe für eine andere
Zugangsart beträchtlich überwiegen (z. B. bei erheblichen Verwaltungsaufwand
der begehrten Form) – oder die Informationen sind bereits in anderen leicht
zugänglichen Formen oder Formaten öffentlich verfügbar. Dies ist z.B. bei
Personen der Fall, die über einen Internetanschluss verfügen, wenn die
Information per Internet leicht bei einer anderen Stelle abrufbar ist. Die
Nichtweitergabe in der gewünschten Form muss begründet werden.
4
Ablehnung des Antrages
Die
Ablehnung des Antrages setzt zweierlei voraus:
- es muss ein
Ablehnungsgrund gem. Art. 4 der Richtlinie 2003/4/EG vorliegen und
- die Abwägung
zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe und dem Interesse an der
Verweigerung der Bekanntgabe ergibt, dass letzteres im Einzelfall schwerer
wiegt.
Dabei ist bei der Abwägung davon auszugehen, dass alle Ablehnungsgründe des Artikels 4 der EU-Richtlinie zur Anwendung kommen können.
Beziehen sich
die Ablehnungsgründe nur auf einen Teil der beantragten Informationen, ist der
Rest zugänglich zu machen, sofern es möglich ist, die Informationen zu trennen.
Die Erteilung von Umweltinformationen,
die sich auf Emissionen in die Umwelt beziehen, darf nicht unter Hinweis auf
die in Artikel 4 Abs. 2 Buchstaben a), d), f), g) und h) genannten
Ablehnungsgründe der EU-Richtlinie zurückgewiesen werden.
Noch nicht vervollständigte Daten müssen
nicht herausgegeben werden; es ist aber mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt die
Verarbeitung wahrscheinlich abgeschlossen ist.
Werden Umweltinformationen verlangt, die Einzelangaben über persönliche oder sächliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person enthalten, ist die Übermittlung an Personen und Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nur unter den Voraussetzungen des Datenschutzgesetzes NRW zulässig (§ 16 i.V.m. § 13 Abs 2 DSG NRW). In der Regel wird die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich sein, es sei denn, die Übermittlung ist „zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer sonst unmittelbar drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich“ (§ 13 Abs. 2 Buchst. d).
5
Rechtsschutz der antragstellenden Person
Die Ablehnung, eine verlangte Umweltinformation überhaupt oder in der gewünschten Form/dem gewünschten Format herauszugeben, erfolgt durch einen Verwaltungsakt, der mit einer Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4/EG fordert dazu vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zwingend ein Vorverfahren. Dafür gelten die Vorschriften der §§ 68 bis 73 der Verwaltungsgerichtsordnung.
6
Kosten
Die frühere Regelung für die Erhebung von Gebühren für Umweltinformationen nach Ziffer 15c der Allgemeinen Gebührenordnung konnte nicht mehr angewandt werden, da sie sich ausdrücklich auf das aufgehobene Umweltinformationsgesetz aus dem Jahre 1994 bezog.
Durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 20. September 2005 (GV. NRW.S. 762) ist Ziffer 15c dahingehend geändert worden, dass sich die dortige Gebührenregelung nunmehr auf die unmittelbare Rechtswirkung der UI–Richtlinie erstreckt.
- MBl. NRW. 2005 S. 1216