Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 5 vom 2.2.2005 Seite 99 bis 118

Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2004
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Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2004

21222

Berufsordnung
der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen
vom 12. November 2004

Präambel

Diese Berufsordnung regelt auf der Grundlage des Heilberufsgesetzes vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 403), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2002 (GV. NRW. S. 641), die Berufsausübung der Psychologischen Psychotherapeutin und des Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten) im Land Nordrhein-Westfalen. Sie informiert über die Besonderheiten psychotherapeutischer Berufsausübung in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern und institutionellen Zusammenhängen, in denen psychologische Heilkunde zur Anwendung kommt.

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten handeln auf der Grundlage der ethischen Grundsätze, wie sie sich aus den allgemeinen Menschenrechten gemäß der Charta der Vereinten Nationen ergeben.

Die in der Berufsordnung enthaltenen Regelungen fördern die kritische Auseinandersetzung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit der eigenen ethischen Haltung. Insbesondere dient die Berufsordnung dazu,

- das Vertrauen zwischen Patientinnen oder Patienten und Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten zu fördern,

- die Qualität der psychotherapeutischen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sicher zu stellen,

- die Freiheit und das Ansehen des Berufs der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Öffentlichkeit zu wahren und zu befördern.

Grundsätze

§ 1
Geltungsbereich

(1) Diese Berufsordnung gilt für alle Mitglieder der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen und für alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die in Nordrhein-Westfalen ihren Beruf ausüben, mit Ausnahme derjenigen, die bei der Aufsichtsbehörde beschäftigt sind.

(2) Sie gilt auch für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die in einem andern Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen sind oder dort ihren Beruf ausüben und vorübergehend im Geltungsbereich dieser Berufsordnung grenzüberschreitend tätig werden.

§ 2
Berufsbezeichnung

(1) Zulässige Berufsbezeichnungen sind nach § 1 Abs. 1 PsychThG vom 16.06.1998

- „Psychologische Psychotherapeutin“ und

- „Psychologischer Psychotherapeut“,

- „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin“ und

- „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut“.

Die genannten Berufsbezeichnungen sind gesetzlich geschützt.

(2) Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte dürfen angegeben werden, sofern sie in angemessener Form erfolgen und nicht irreführend sind. Sie sind gegenüber der Kammer auf Verlangen nachzuweisen. Der Tätigkeitsschwerpunkt setzt eine nachhaltige Tätigkeit voraus. Bei der Darstellung von Tätigkeitsschwerpunkten muss der Zusatz „Tätigkeitsschwerpunkt“ erfolgen. Es dürfen nur bis zu drei Tätigkeitsschwerpunkte angegeben werden.

§ 3
Berufsausübung

(1) Die Psychotherapeutin und der Psychotherapeut dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten üben ihre Heilkunde mit dem Ziel aus, Krankheit zu heilen, Gesundheit zu fördern, zu erhalten oder wiederherzustellen, Verschlimmerung von Leiden entgegen zu wirken und Leiden zu lindern.

(2) Sie üben einen seiner Natur nach freien Beruf aus.

(3) Sie betätigen sich insbesondere in der kurativen Versorgung, in der Prävention und Rehabilitation, in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, in Forschung und Lehre, im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Leitung und dem Management von Gesundheits- und Versorgungseinrichtungen sowie der wissenschaftlichen Evaluation und der wissenschaftlichen Weiterentwicklung ihrer Konzepte und Methoden.

(4) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten behandeln auf der Grundlage ihrer fachlichen Qualifikation persönlich und eigenverantwortlich ihre Patientinnen und Patienten.

(5) Zu Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung ist ein somatischer Befund in die differentialdiagnostische Einschätzung einzubeziehen. Dabei können auch vorliegende Befunde berücksichtigt werden.

(6) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind verpflichtet, ihre professionelle Qualität und ihr Handeln zu überprüfen und wissenschaftliche Erkenntnisse einzubeziehen.

(7) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind gehalten, den kollegialen Austausch zu suchen, zu pflegen und weiter zu entwickeln.

§ 4
Allgemeine Berufspflichten

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind verpflichtet, die für die Ausübung ihres Berufs geltenden Gesetze und Verordnungen sowie das Satzungsrecht der Kammer zu beachten und darauf gegründete Anordnungen und Richtlinien zu befolgen.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten üben ihren Beruf persönlich, gewissenhaft, in eigener Verantwortung, frei und selbstbestimmt aus. Sie entsprechen in ihrer Berufsausübung dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen.

(3) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben die Würde, die Integrität und das Selbstbestimmungsrecht ihrer Patientinnen und Patienten zu wahren. Insbesondere haben sie darauf zu achten, dass sie diese nicht durch die vielfältigen Einflussmöglichkeiten verletzen, die ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu Gebote stehen.

(4) Sie haben ihr diagnostisches und psychotherapeutisches Wissen reflektiert einzusetzen, insbesondere mögliche Folgen für die Patientinnen und Patienten und andere zu bedenken und Schaden zu vermeiden.

(5) Sie dürfen weder das Vertrauen, die Unwissenheit, die Leichtgläubigkeit oder die Hilflosigkeit von Patientinnen und Patienten ausnutzen noch unangemessene Versprechungen oder Entmutigungen in Bezug auf den Heilungserfolg machen.

(6) Die Überweisung bzw. Zuweisung von Patientinnen und Patienten muss sich an den fachlichen Notwendigkeiten orientieren. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen sich für die Zuweisung von Patientinnen oder Patienten weder Entgelt versprechen lassen noch Entgelt selbst versprechen, annehmen oder leisten.

(7) Sie sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.

(8) Sie haben Forderungen und Weisungen, die dieser Berufsordnung widersprechen, zurückzuweisen.

Regeln der Berufsausübung

§ 5
Abstinenz

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben die Pflicht, ihre Beziehungen zu Patientinnen und Patienten und deren Bezugspersonen professionell zu gestalten und dabei jederzeit angemessen die besondere Verantwortung gegenüber ihren Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen.

(2) Sie dürfen die Vertrauensbeziehung von Patientinnen und Patienten nicht zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse missbrauchen. Die psychotherapeutische Tätigkeit wird ausschließlich durch das vereinbarte Honorar abgegolten. Die Annahme von Geschenken ist auch bei Tätigkeiten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses unzulässig, sofern der Wert nicht geringfügig ist.

(3) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollen außertherapeutische Kontakte zu Patientinnen und Patienten auf das Nötige beschränken und so gestalten, dass die eigene Unabhängigkeit und die der Patientinnen und Patienten möglichst wenig beeinträchtigt werden.

(4) Jeglicher sexueller Kontakt von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu ihren Patientinnen und Patienten ist unzulässig. Diese abstinente Haltung erstreckt sich auch auf die Personen, die diesen nahe stehen, bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf deren Eltern und Sorgeberechtigte.

(5) Die Verpflichtung, die Vertrauensbeziehung nicht zu missbrauchen, gilt auch nach Beendigung der Psychotherapie.

§ 6
Schweigepflicht

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind zur Verschwiegenheit verpflichtet über das, was ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit durch Patientinnen oder Patienten oder durch Dritte anvertraut und bekannt geworden ist. Dies gilt auch über den Tod ihrer Patientinnen und Patienten hinaus.

(2) Soweit Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Offenbarung nicht gesetzlich verpflichtet sind, sind sie zur Offenbarung nur befugt, wenn eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt oder ein öffentliches oder privates Interesse im konkreten Fall vorrangig ist. Dabei haben sie über die Weitergabe von Informationen unter Berücksichtigung der Folgen für die Patientinnen und Patienten und die Therapie zu entscheiden.

(3) Ist die Schweigepflicht aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift eingeschränkt, so ist die Patientin oder der Patient darüber zu unterrichten.

(4) Gefährdet eine Patientin oder ein Patient sich selbst oder andere, so hat die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut zwischen Schweigepflicht, Schutz der Patientin oder des Patienten und dem Allgemeinwohl abzuwägen. Jede Unterrichtung Dritter hat sich auf das im Einzelfall erforderliche Maß an Informationen zu beschränken.

(5) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf an einer psychotherapeutischen Tätigkeit teilnehmen, sind über die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu belehren. Dies ist schriftlich festzuhalten.

(6) Im Rahmen kollegialer Beratung, Intervision, Supervision oder zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Lehre dürfen Informationen über Patientinnen und Patienten und Dritte nur in anonymisierter Form verwendet werden, soweit nicht eine ausdrückliche Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt. Die Anonymisierung muss sicher stellen, dass keinerlei Rückschlüsse auf die Person der Patientin oder des Patienten erfolgen können.

(7) Ton- und Bildaufnahmen psychotherapeutischer Tätigkeit bedürfen der vorherigen Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Ihre Verwendung unterliegt der Schweigepflicht. Die Patientin oder der Patient ist über das Recht zu informieren, eine Löschung zu verlangen.

§ 7
Aufklärungspflicht

(1) Jede psychotherapeutische Behandlung setzt die Einwilligung der Patientin oder des Patienten und Aufklärung gemäß Absätze 2 und 3 voraus. Anders lautende gesetzliche Bestimmungen bleiben davon unberührt.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollen ihre Patientinnen oder Patienten in einer auf deren Aufnahmefähigkeit und Entwicklungsstand abgestimmten Form über Befund, Diagnose, das geplante therapeutische Vorgehen, Behandlungsrisiken und Behandlungsalternativen informieren.

(3) Die Aufklärungspflicht bezieht sich auch auf die Rahmenbedingungen der psychotherapeutischen Behandlung, insbesondere Honorarregelungen, Sitzungsdauer und Sitzungsfrequenz und die voraussichtliche Dauer der Behandlung.

(4) In Institutionen arbeitende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben ihre Patientinnen und Patienten angemessen über besondere institutionelle Rahmenbedingungen und Zuständigkeitsbereiche der an ihrer Behandlung beteiligten Personen zu informieren.

§ 8
Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind verpflichtet, über Psychodiagnostik und Psychotherapie Aufzeichnungen zu erstellen. Diese müssen Datum, Befunde und psychotherapeutische Maßnahmen enthalten.

(2) Die psychotherapeutischen Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit sich nicht aus gesetzlichen Vorschriften eine andere Aufbewahrungsdauer ergibt.

(3) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben dafür Sorge zu tragen, dass bei Praxisübergabe und im Falle eigenen gesundheitlichen Unvermögens (Krankheit, Tod) ihre Aufzeichnungen sicher verwahrt und nach Ablauf der Aufbewahrungszeit (Absatz 2) unter Beachtung der Grundsätze der Datenschutzbestimmungen vernichtet werden.

§ 9
Einsicht in Aufzeichnungen

Patientinnen und Patienten haben, auch nach Abschluss der Therapie, auf Verlangen Einsicht in die sie betreffenden Aufzeichnungen zu erhalten, die nach § 8 Abs. 1 zu erstellen sind. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können darüber hinaus die Einsicht ganz oder teilweise verweigern, wenn dies die Patientin oder den Patienten gesundheitlich erheblich gefährden würde. Sie haben diese Entscheidung der Patientin oder dem Patienten angemessen zu erläutern.

§ 10
Datensicherheit

(1) Niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben sicherzustellen, dass erhobene Daten und persönliche Aufzeichnungen, auch bei Praxisaufgabe, Praxisnachfolge und über den eigenen Tod hinaus, sicher verwahrt werden und gegenüber Zugriffen unbefugter Dritter umfassend geschützt sind.

(2) Dies gilt auch für elektronisch gespeicherte Daten und Aufzeichnungen. Die jeweils aktuellen Sicherheitsstandards sind einzuhalten und die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen sind zu beachten.

§ 11
Umgang mit minderjährigen Patientinnen und Patienten

Einwilligungsfähig in eine psychotherapeutische Behandlung ist ein Minderjähriger oder eine Minderjährige nur dann, wenn er oder sie über die behandlungsbezogene natürliche Einsichtsfähigkeit verfügt. Bei Konflikten zwischen gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertretern und Patientinnen oder Patienten ist die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut verpflichtet, auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und deren besondere Abhängigkeit in ihrem Bezugssystem zu achten.

§ 12
Umgang mit eingeschränkt einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten

Einwilligungsfähig in eine psychotherapeutische Behandlung ist eine Patientin oder ein Patient, für die oder den ein rechtlicher Vertreter oder eine rechtliche Vertreterin eingesetzt ist, nur dann, wenn er oder sie über die behandlungsbezogene natürliche Einsichtsfähigkeit verfügt. Bei Konflikten zwischen gesetzlich eingesetzten Vertreterinnen oder Vertretern und Patientinnen oder Patienten ist die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut verpflichtet, auf die Bedürfnisse der Patientinnen oder Patienten und die Besonderheit der Betreuungssituation zu achten.

§ 13
Qualitätssicherung

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die ihren Beruf ausüben, sind verpflichtet, sich entsprechend den Richtlinien der Psychotherapeutenkammer NRW über qualitätssichernde Maßnahmen zu informieren und sie anzuwenden.

(2) Dazu gehört auch die Kenntnis und Erfüllung der rechtlichen Anforderungen der Ausübung ihres Berufs.

§ 14
Fortbildung

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die ihren Beruf ausüben, sind verpflichtet, entsprechend der Fortbildungsordnung der Psychotherapeutenkammer NRW ihre beruflichen Fähigkeiten zu erhalten, weiter zu entwickeln und auf Verlangen nachzuweisen.

§ 15
Honorierung

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben Anspruch auf eine angemessene Honorierung ihrer Leistungen. Das Honorar ist nach der Gebührenordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (GOP) zu bemessen, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen die Sätze nach der GOP nicht in unlauterer Weise unterschreiten. In sozial begründeten Ausnahmefällen können sie Patientinnen und Patienten das Honorar ganz oder teilweise erlassen.

(3) Honorarfragen sind vor Beginn der Psychotherapie zu klären. Honorarvereinbarungen, auch über Ausfallhonorare, sind schriftlich festzuhalten.

(4) Auf Antrag eines Beteiligten oder einer Beteiligten gibt die Psychotherapeutenkammer eine gutachterliche Äußerung über die Angemessenheit der Honorarforderung ab.

§ 16
Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind im Rahmen ihrer Berufstätigkeit verpflichtet, mit Angehörigen anderer Berufsgruppen kollegial zusammenzuarbeiten.

(2) Diagnostische Teilaufgaben und behandlungsergänzende Maßnahmen können an entsprechend qualifizierte Personen delegiert werden.

(3) Davon unberührt bleibt die Verantwortung der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten für die sachgerechte Durchführung der Psychotherapie.

§ 17
Verhalten gegenüber anderen Kammermitgliedern und Dritten

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind verpflichtet, ihren Berufskolleginnen und Berufskollegen mit Respekt zu begegnen und Rücksicht auf deren berechtigte Interessen zu nehmen. Unsachliche Kritik an der Behandlungsweise oder dem beruflichen Wissen von Kolleginnen und Kollegen sowie herabsetzende Äußerungen über deren Person sind zu unterlassen. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, in einem Gutachten nach bestem Wissen ihre fachliche Überzeugung auszusprechen, auch soweit es die Behandlungsweise von Kolleginnen und Kollegen betrifft.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können sich in kollegialer Weise auf Vorschriften der Berufsordnung aufmerksam machen. Sie verletzen ihre Pflicht zur Kollegialität auch dann nicht, wenn sie bei Vorliegen eines begründeten Verdachts die Psychotherapeutenkammer auf einen möglichen Verstoß einer Kollegin oder eines Kollegen gegen die Berufsordnung hinweisen.

(3) Konflikte zwischen Kammermitgliedern, zwischen Kammermitgliedern und Angehörigen anderer Berufe oder zwischen Kammermitgliedern und Patientinnen oder Patienten können im gegenseitigen Einvernehmen außergerichtlich durch die Psychotherapeutenkammer NRW geschlichtet werden.

Formen der Berufsausübung

§ 18
Ausübung des Berufs in eigener Niederlassung

(1) Die selbständige Ausübung des Berufs ist grundsätzlich an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. Die Durchführung einzelner therapeutischer Schritte kann auch außerhalb der Praxisräumlichkeiten stattfinden, soweit dies für die Behandlung notwendig ist und berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt werden.

(2) Es ist zulässig, über den Praxissitz hinaus an bis zu zwei weiteren Orten psychotherapeutisch tätig zu sein. Dabei hat die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Versorgung an jedem Ort ihrer oder seiner Tätigkeit zu treffen.

(3) Orte und Zeitpunkte der Aufnahme psychotherapeutischer Tätigkeiten und jede Veränderung sind der Psychotherapeutenkammer NRW unverzüglich mitzuteilen.

(4) Bei längeren Abwesenheiten hat der Praxisinhaber oder die Praxisinhaberin für eine Praxisvertretung Sorge zu tragen.

(5) Die Beschäftigung von Vertreterinnen oder Vertretern in der Praxis ist der Psychotherapeutenkammer NRW anzuzeigen, wenn die Vertretung in der Praxisausübung insgesamt länger als drei Monate innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten andauert.

(6) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben Personen, die sie in ihrer Praxis beschäftigen, zu angemessenen Bedingungen einzustellen.

§ 19
Zusammenschlüsse zur gemeinsamen Praxisführung,
zu Kooperationsgemeinschaften und sonstigen Partnerschaften

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen sich im Rahmen der Vorgaben des Heilberufsgesetzes zu Berufsausübungsgemeinschaften in allen rechtlich möglichen Formen mit anderen Angehörigen ihres Berufsstandes oder anderer Heilberufe zusammenschließen.

(2) Bei Berufsausübungsgemeinschaften sind die Namen aller in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, der Angehörigen der anderen Berufsgruppen, die zugehörigen Berufsbezeichnungen, die Rechtsform und jeder Ort der Berufsausübung anzukünden.

(3) Darüber hinaus dürfen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich an Kooperationen beteiligen, deren Ziel ein bestimmter Versorgungsauftrag oder eine andere Form der Zusammenarbeit zur Patientenversorgung ist.

(4) Bei allen Formen von Zusammenschlüssen muss die freie Wahl der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten durch die Patientinnen und Patienten gewährleistet und die eigenverantwortliche und selbständige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung gewahrt bleiben.

(5) Bei allen Formen von Zusammenschlüssen ist die Verarbeitung der Patientendaten so zu organisieren, dass bei Auflösung des Zusammenschlusses eine Trennung der Datenbestände unter Wahrung der gesetzlichen Geheimhaltungspflichten, der Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten, der schutzwürdigen Belange der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, sowie der schutzwürdigen Belange der betroffenen Patientinnen und Patienten möglich ist.

(6) Alle Zusammenschlüsse nach Absatz 1 bis Absatz 3 sowie deren Änderungen sind der Psychotherapeutenkammer NRW anzuzeigen. Kooperationsverträge nach Absatz 1 bis Absatz 3 sind vorzulegen.

§ 20
Anforderungen an die Praxen

(1) Praxen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen den besonderen Anforderungen der psychotherapeutischen Behandlung genügen.

(2) Räumlichkeiten, in denen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihren Beruf ausüben, müssen von ihrem privaten Lebensbereich getrennt sein.

(3) Die Anforderungen nach den Absätzen 1 und 2 gelten für alle Orte psychotherapeutischer Tätigkeit entsprechend.

§ 21
Informationen über Praxen

(1) Die Ausübung von Psychotherapie in einer Praxis muss durch ein Schild angezeigt werden, das die für eine Inanspruchnahme durch Patientinnen und Patienten notwendigen Informationen enthält.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen auf ihre berufliche Tätigkeit werbend hinweisen. Die Werbung muss sich in Form und Inhalt auf die sachliche Vermittlung des beruflichen Angebots beschränken. Werbeverbote auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt.

(3) Eine Internetpräsenz muss den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Vorschriften des Teledienstgesetzes (TDG) entsprechen.

(4) Psychotherapeutische Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte dürfen angegeben werden. Sie sind gegenüber der Psychotherapeutenkammer NRW auf Verlangen zur Überprüfung nachzuweisen.

(5) Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ist verpflichtet, die Psychotherapeutenkammer NRW über die Beendigung ihrer oder seiner Tätigkeit in Kenntnis zu setzen.

§ 22
Ausübung des Berufs in einem Beschäftigungsverhältnis

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in einem privaten oder öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis dürfen Weisungen für das Vorgehen bei einer psychotherapeutischen Behandlung, die mit dieser Berufsordnung nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie selbst nicht verantworten können, nicht befolgen.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als vorgesetzte Personen dürfen keine Weisungen erteilen, die mit dieser Berufsordnung nicht vereinbar sind.

§ 23
Ausübung des Berufs in einem Beschäftigungsverhältnis
 und zugleich in eigener Praxis

Üben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihren Beruf in einem Beschäftigungsverhältnis und zugleich freiberuflich in eigener Praxis aus, haben sie Interessenkonflikte, die sich hierbei ergeben könnten, so zu lösen, wie es dem Wohl der Patientinnen und Patienten entspricht.

§ 24
Öffentliches Auftreten von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

(1) Bei öffentlichen Auftritten und Tätigkeiten achten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten darauf, dass ihre fachlichen Aussagen und Handlungen sachlich informieren, wissenschaftlich fundiert sind und nicht als psychotherapeutische Behandlungstätigkeit missverstanden werden.

(2) Irreführende Heilversprechen und unlautere Vergleiche mit anderen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und deren Methoden sind berufswidrig.

(3) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind gehalten, alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen ihres Berufsstandes herabzusetzen.

(4) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen sich in Verzeichnisse eintragen lassen, sofern diese für alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die die Kriterien der Verzeichnisse erfüllen, zu gleichen Bedingungen offen sind. Die Eintragungen haben sich auf die ankündigungsfähigen Informationen zu beschränken.

§ 25
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
als Lehrende und Ausbilderinnen und Ausbilder,
als Supervisorinnen und Supervisoren und
Lehrtherapeutinnen und Lehrtherapeuten in Ausbildungsstätten

(1) In der Ausbildung tätige Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen Abhängigkeiten nicht zur Befriedigung eigener Bedürfnisse und Interessen ausnutzen oder Vorteile daraus ziehen.

(2) Sie sollen keine Prüfungen bei Ausbildungsteilnehmerinnen und Ausbildungsteilnehmern abnehmen, die bei ihnen in Selbsterfahrung oder Lehrtherapie sind oder waren.

(3) Die Ausbildungsbedingungen müssen für alle Betroffenen transparent und durch schriftlichen Vertrag festgelegt sein.

(4) Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sind auf ihren späteren Beruf hin angemessen auszubilden.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten für die Tätigkeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Fortbildung und der Supervision entsprechend.

§ 26
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
als Gutachterinnen und Gutachter

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen sich als Gutachter betätigen, soweit ihre Fachkenntnisse und ihre berufliche Erfahrung ausreichen, um die zu untersuchende Fragestellung nach bestem Wissen und Gewissen beantworten zu können.

(2) Gutachten sind den fachlichen Standards entsprechend zu erstellen und dürfen keine Gefälligkeitsaussagen enthalten.

(3) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben vor Übernahme eines Gutachtenauftrags ihre gutachterliche Rolle zu verdeutlichen und von einer psychotherapeutischen Behandlungstätigkeit klar abzugrenzen.

(4) Ein Auftrag zur Begutachtung eigener Patientinnen und Patienten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ist in der Regel abzulehnen. Eine gutachterliche Stellungnahme ist nur dann möglich, wenn die Patientin oder der Patient auf die Risiken einer möglichen Aussage der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten als Sachverständige oder Sachverständiger in geeigneter Weise hingewiesen wurde und die Psychotherapeutin oder den Psychotherapeuten diesbezüglich von der Schweigepflicht entbunden hat.

§ 27
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Forschung

(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben bei der Planung und Durchführung von Studien die anerkannten ethischen Prinzipien einzuhalten und dabei insbesondere das Selbstbestimmungsrecht und Wohl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu beachten.

(2) Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind vor Beginn von Psychotherapiestudien sorgfältig über deren Inhalte, Rahmenbedingungen und mögliche Belastungen sowie Risiken aufzuklären. Diese Information und die Zustimmung zur Teilnahme an der Studie müssen vor Beginn der Durchführung schriftlich niedergelegt sein.

(3) Sofern im Rahmen des Forschungsvorhabens Behandlungen nicht abgeschlossen werden können, ist dafür Sorge zu tragen, dass Weiterbehandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen oder vermittelt werden können.

§ 28
Ahnden von Verstößen

(1) Schuldhafte, d.h. vorsätzliche und fahrlässige Verstöße gegen die Bestimmungen dieser Berufsordnung können berufsrechtliche Verfahren nach dem Heilberufsgesetz nach sich ziehen.

(2) Ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten einer Psychotherapeutin oder eines Psychotherapeuten kann dann eine berufsrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung sein, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Patientinnen oder Patienten oder sonstiger Adressaten der psychotherapeutischen Leistungserbringung in einer für die psychotherapeutische Berufsausübung bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(3) Eine berufsrechtliche Maßnahme kann nicht verhängt werden, wenn die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut zur Zeit der berufsordnungswidrigen Handlung der Berufsgerichtsbarkeit nicht unterstand.

Schlussbestimmungen

§ 29
In-Kraft-Treten

Diese Berufsordnung tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft. Sie ist im offiziellen Mitteilungsorgan der Kammer zu veröffentlichen.

Die vorstehende Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer NRW wird hiermit ausgefertigt.

Düsseldorf, den 12. November 2004

Die Präsidentin

Monika   K o n i t z e r

Genehmigt.

Düsseldorf, den 23. Dezember 2004

Ministerium für Gesundheit, Soziales,
 Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen
III 7 – 0810.103 –

Im Auftrag

G o d r y

- MBl. NRW. 2005 S. 100