Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 54 vom 30.12.2005 Seite 1387 bis 1406

Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 24. September 2005
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Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 24. September 2005

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Satzung der Ethik-Kommission
der Ärztekammer Westfalen-Lippe
und der Medizinischen Fakultät der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
vom 24. September 2005

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe hat in ihrer Sitzung am 24. September 2005 aufgrund § 7 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 403 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. März 2005 (GV. NRW. S. 148 ff.), die Satzung der Ethik-Kommission vom 22. Mai 1996, zuletzt geändert am 25. November 2000, in folgender Neufassung beschlossen:

§ 1
Errichtung, Zuständigkeit und Aufgaben

(1) Bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist eine Ethik-Kommission als unabhängige Einrichtung eingerichtet. Sie führt die Bezeichnung: „Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster“. Sie hat ihren Sitz in Münster unter der Anschrift der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität.

(2) Die Ethik-Kommission hat die Aufgabe, auf Antrag medizinische Forschung am Menschen und epidemiologische Forschung mit personenbezogenen Daten ethisch und rechtlich zu beurteilen und in diesem Rahmen Kammerangehörige und Fakultätsmitglieder in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragestellungen zu beraten. Sie nimmt auf der Basis des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen ferner die einer Ethik-Kommission von Rechts wegen zugewiesenen Aufgaben wahr, insbesondere die nach dem Arzneimittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz, dem Transfusionsgesetz, der Strahlenschutz- und der Röntgenverordnung sowie der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Studien mit somatischer Zelltherapie, Gentransfer und genetisch veränderten Organismen sind ebenfalls Gegenstand ihrer Beurteilung. Die Kommission legt ihrer Arbeit die gesetzlichen Bestimmungen und berufsrechtlichen Regelungen sowie die Deklarationen des Weltärztebundes von Helsinki in der jeweils geltenden Fassung und die Richtlinien zur Guten Klinischen Praxis der Internationalen Harmonisierungskonferenz (ICH-GCP) zugrunde.

(3) Die an den medizinischen Fachbereichen der Ruhr-Universität Bochum und der Privatuniversität Witten-Herdecke errichteten Ethik-Kommissionen treten für den jeweiligen Hochschulbereich an die Stelle der Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

(4) Die Ethik-Kommission ist zuständig für alle von Kammerangehörigen durchgeführten medizinischen Forschungsvorhaben und klinischen Prüfungen am Menschen. Wird eine klinische Prüfung von Arzneimitteln von mehreren Prüfern durchgeführt, so ist der Antrag auf Beurteilung der Prüfung durch eine Ethik-Kommission jedoch bei der für den Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission zu stellen. Die Ethik-Kommission kann auch Nichtärztinnen und Nichtärzte aus Westfalen-Lippe in ethischen Fragen der Forschung am Menschen beraten.

§ 2
Zusammensetzung

(1) Die Ethik-Kommission besteht aus 12 Mitgliedern. Sie werden von der Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe auf Vorschlag des Kammervorstandes für die Dauer der Wahlperiode der Organe der Ärztekammer Westfalen-Lippe gewählt und durch den Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bestätigt.

(2) Mindestens 6 Mitglieder müssen Ärztinnen oder Ärzte sein. Ein Mitglied muss Apothekerin oder Apotheker sein, eines die Befähigung zum Richteramt besitzen, ein weiteres Mitglied muss über eine durch einen akademischen philosophischen oder theologischen Grad ausgewiesene Qualifikation sowie über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik verfügen und ein weiteres aus dem Bereich der Patientenvertretungen kommen. Zwei der ärztlichen Mitglieder sollen erfahrene Klinikerinnen oder Kliniker, ein Mitglied sollte auf dem Gebiet der theoretischen Medizin besonders erfahren sein. Für Stellvertreterinnen oder Stellvertreter gilt Entsprechendes.

(3) Für jedes Mitglied können mehrere Stellvertreterinnen bzw. Stellvertreter gewählt werden.

(4) Die Ethik-Kommission wählt aus ihrer Mitte mit Mehrheit ein ärztliches Mitglied zum/zur Vorsitzenden und ein weiteres ärztliches Mitglied zum/zur stellvertretenden Vorsitzenden.

(5) Mitglieder der Ethik-Kommission können aus wichtigem Grund vom Kammervorstand abberufen werden. Das Mitglied ist vorher anzuhören. In einem Verfahren der Ethik-Kommission getroffene Entscheidungen können keinen Grund für die Abberufung eines Mitgliedes der Kommission darstellen.

§ 3
Anforderungen an die Sachkunde,
die Unabhängigkeit und die Pflichten der Mitglieder

(1) Die Mitglieder und ihre Stellvertreterinnen bzw. Stellvertreter müssen über die erforderliche Fachkompetenz verfügen.

(2) Sie sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig, an Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich. Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.

§ 4
Antrag

(1) Die Ethik-Kommission wird auf schriftlichen Antrag tätig. Dem Antrag sind die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen beizufügen. Die Zahlung der Verwaltungsgebühren ist nach der Verwaltungsgebührenordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe in der Regel Voraussetzung für die Bearbeitung eines Antrags.

(2) Antragsberechtigt sind

a)  für eine Beratung von Ärztinnen und Ärzten in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen (Berufsordnung) die durchführende kammerangehörige Ärztin bzw. der durchführende kammerangehörige Arzt,

b)  für einen Antrag auf zustimmende Bewertung einer klinischen Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz der Sponsor,

c)  für einen Antrag auf zustimmende Stellungnahme zu einer klinischen Prüfung nach dem Medizinproduktegesetz der Auftraggeber sowie Prüfeinrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Ethik-Kommission,

d)  für einen Antrag auf zustimmendes Votum zu einer Spenderimmunisierung nach dem Transfusionsgesetz die das Immunisierungsprogramm leitende Ärztin bzw. der leitende Arzt,

e)  für einen Antrag auf Stellungnahme zur Anwendung von Röntgen- oder ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe zum Zwecke der medizinischen Forschung nach der Röntgen- oder der Strahlenschutzverordnung die Leiterin bzw. der Leiter der Studie,

f)  in den Fällen des § 1 Abs. 4 Satz 3 die jeweilige Leiterin bzw. der jeweilige Leiter des Forschungsvorhabens.

(3) Anträge können, soweit gesetzlich zulässig, geändert oder zurückgenommen werden. Gesetzliche Vorgaben bleiben unberührt.

(4) Das Nähere kann eine Geschäftsordnung der Ethik-Kommission regeln.

§ 5
Verfahren und Entscheidung

(1) Die Ethik-Kommission trifft ihre Entscheidungen in der Regel nach mündlicher Erörterung. Soweit gesetzlich zulässig, können Anträge, die nach Meinung des/der Vorsitzenden keine besonderen Schwierigkeiten medizinischer, ethischer oder rechtlicher Art aufweisen, im schriftlichen Verfahren behandelt werden, sofern nicht ein Mitglied der Kommission eine mündliche Erörterung verlangt. Soweit gesetzlich zulässig, kann die Kommission durch Mehrheitsbeschluss die Entscheidung über im Einzelnen zu bestimmende Fragen, die keine besonderen Schwierigkeiten medizinischer, ethischer oder rechtlicher Art aufweisen dürfen, auf einen Ausschuss übertragen. Auf Antrag eines Kommissionsmitglieds ist auch in diesen Fällen eine Entscheidung der Kommission herbeizuführen.

(2) Der/die Vorsitzende oder im Verhinderungsfall der/die stellvertretende Vorsitzende lädt zu den Kommissionssitzungen ein, so oft es die Geschäftslage erfordert. Die Ethik-Kommission ist beschlussfähig, wenn mindestens sechs Mitglieder oder stellvertretende Mitglieder anwesend sind; davon muss ein Mitglied die Befähigung zum Richteramt haben. Mitglieder oder stellvertretende Mitglieder sind von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen, wenn sie selbst an dem Forschungsprojekt oder der klinischen Prüfung mitwirken oder ihre Interessen berührt sind.

(3) Die Kommission kann von den Antragstellerinnen bzw. Antragstellern ergänzende Unterlagen, Angaben oder Begründungen sowie eine persönliche Erläuterung des Antrags durch die Antragstellerin/den Antragsteller oder die wissenschaftliche Leiterin/den wissenschaftlichen Leiter des Forschungsvorhabens in der Sitzung verlangen. Die Kommission kann Sachverständige beratend hinzuziehen.

(4) Die Sitzungen der Ethik-Kommission sind nicht öffentlich. Über jede Sitzung ist eine Niederschrift mit den wesentlichen Ergebnissen anzufertigen.

(5) Die Kommission entscheidet bei mündlicher Erörterung mit einfacher Mehrheit der Anwesenden. Im schriftlichen Verfahren ist die Entscheidung der Kommission gefallen, wenn Voten von mehr als sechs Kommissionsmitgliedern, darunter eines juristischen Mitglieds vorliegen. Stimmenthaltung gilt als Ablehnung. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

Das Nähere kann eine Geschäftsordnung regeln. Im Übrigen richtet sich das Verfahren der Kommission nach den für den jeweiligen Antrag geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen findet Anwendung.

(6) Die Entscheidung der Kommission wird der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller schriftlich bekannt gegeben. Sie kann darüber hinaus weiteren Beteiligten und den zuständigen Behörden mitgeteilt werden. Entscheidungen in Verfahren nach dem Arzneimittel- und dem Medizinproduktegesetz sowie alle Entscheidungen, die nicht lediglich dem gestellten Antrag entsprechen, sind schriftlich zu begründen. Der Antragsteller bzw. die Antragstellerin hat die Entscheidung allen teilnehmenden Prüfern mitzuteilen. Die Entscheidung der Kommission kann mit weiteren Hinweisen, Ratschlägen oder Empfehlungen versehen werden.

(7) Bei Anzeige von schwerwiegenden oder unerwarteten, unerwünschten Ereignissen, die während des Forschungsvorhabens auftreten und die die Sicherheit der Teilnehmer oder die Durchführung des Forschungsvorhabens beeinträchtigen könnten, prüft die Kommission die Wiederaufnahme des Verfahrens. Wird das Verfahren wieder aufgenommen, prüft die Kommission, ob sie ihr früheres Votum aufrechterhält.

§ 6
Sonderbestimmungen bei Vorliegen von
Entscheidungen anderer Ethik-Kommissionen

Die Ethik-Kommission erkennt eine vorliegende Beurteilung von Forschungsvorhaben durch eine andere Ethik-Kommission an, wenn die gesetzlichen Bestimmungen zur Zuständigkeit und Einrichtung der votierenden Kommission beachtet wurden. Wenn Ärztinnen oder Ärzte im Zuständigkeitsbereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe an einem Forschungsvorhaben teilnehmen wollen, das bereits von einer anderen Ethik-Kommission positiv bewertet wurde, beschränkt sich die Ethik-Kommission auf die berufsrechtliche und berufsethische Beratung der Ärztin bzw. des Arztes sowie ihr sonst zugewiesene Aufgaben. Die Antragstellerin bzw. der Antragsteller hat mit seinem Antrag das Votum der anderen Ethik-Kommission vorzulegen.

§ 7
Geschäftsführung

(1) Die Ärztekammer Westfalen-Lippe stellt die für die Geschäftsführung der Ethik-Kommission notwendigen personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung und erhebt dafür Gebühren nach Maßgabe der Verwaltungsgebührenordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Mitglieder der Ethik-Kommission erhalten Sitzungsgeld nach der Spesenordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 hinzugezogene Sachverständige haben Anspruch auf Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz. Die Kosten hierfür hat der Antragsteller zu tragen.

§ 8
In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt am Tage nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft.

Münster, den 26. September 2005

Prof. Dr. med. Ingo   F l e n k e r

Präsident

Genehmigt:

Düsseldorf, den 15. November 2005

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen
- Az.: III 7 0810.11.2 -

Im Auftrag

 G o d r y

Die Neufassung der Satzung der Ethik-Kommission wird hiermit ausgefertigt und im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen sowie im „Westfälischen Ärzteblatt“ bekannt gemacht.

Münster, den 24. November 2005

Prof. Dr. med. Ingo   F l e n k e r

Präsident

- MBl. NRW. 2005 S. 1388