Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2006 Nr. 12 vom 5.4.2006 Seite 217 bis 226

Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV) nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) (Kommunale Vergabegrundsätze) RdErl. d. Innenministeriums v. 22.3.2006 - 34-48.07.01/01-2178/05 -
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Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV) nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) (Kommunale Vergabegrundsätze) RdErl. d. Innenministeriums v. 22.3.2006 - 34-48.07.01/01-2178/05 -

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Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV)
nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO)
(Kommunale Vergabegrundsätze)

RdErl. d. Innenministeriums v. 22.3.2006
- 34-48.07.01/01-2178/05 -

Gemäß § 25 Abs. 2 GemHVO sind die Gemeinden (GV) gehalten, bei der Vergabe von Aufträgen unterhalb der durch die Europäische Union vorgegebenen Schwellenwerte die Vergabebestimmungen anzuwenden, die das Innenministerium festlegt. Unter Ausschöpfung des Spielraums für die kommunale Selbstverwaltung, bei Ermöglichung eines möglichst flexiblen, aber einheitlichen Handlungsrahmens für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, gebe ich die nachfolgenden Grundsätze bekannt:

1
Geltungsbereich

1.1
Öffentliche Auftraggeber, die diese Vergabegrundsätze anzuwenden haben, sind Gemeinden (GV) sowie deren Einrichtungen nach § 107 Abs. 2 der Gemeindeordnung (GO), die wie Eigenbetriebe geführt werden (eigenbetriebsähnliche Einrichtungen).

1.2
Keine Anwendung finden diese Vergabegrundsätze auf Eigenbetriebe und kommunale Eigengesellschaften sowie Zweckverbände, deren Hauptzweck der Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens ist. Für gemeindliche Anstalten des öffentlichen Rechts i.S. des § 114 a GO (Kommunalunternehmen) gilt hinsichtlich der Vergabegrundsätze die Regelung des § 8 der Kommunalunternehmensverordnung (KUV) vom 24.10.2001 (GV. NRW. S. 733) in der jeweils geltenden Fassung.

1.3
Die Vergabegrundsätze gelten ausschließlich bei öffentlichen Aufträgen, deren geschätzte Auftragswerte die in Ziffer 2 genannten EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer nicht erreichen.

2
Bundesrechtliche Verpflichtungen

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten grundsätzlich die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB -  4. Teil) vom 15.7.2005 (BGBl.  I S. 2114) in der jeweils geltenden Fassung, sofern im Einzelfall die EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer erreicht oder überstiegen werden. Diese ergeben sich aus § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) vom 11.2.2003 (BGBl.  I S. 169) in der jeweils geltenden Fassung.[i]  

3
Allgemeine Vergabeprinzipien

3.1
Die Europäische Kommission leitet aus den in den Art. 12, 28, 43 und 49 des EG-Vertrags niedergelegten Grundsätzen die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und Transparenz her. Diese grundlegenden Anforderungen gelten nach aktueller Auffassung der Kommission prinzipiell für alle Fälle von Auftragsvergaben durch öffentliche Auftraggeber, auch für solche außerhalb der europäischen Vergaberichtlinien. Daraus folgernd könnte die Notwendigkeit entstehen, zugunsten jedes potenziellen Bieters einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit zu sichern, der es ermöglicht, die Märkte dem Wettbewerb zu öffnen und die Objektivität des Verfahrens sicher zu stellen.
Sollten diese Anforderungen bei Auftragsvergaben mit Auftragswerten oberhalb einer Grenze von 10% der unter Ziffer 2 genannten
EU-Schwellenwerte nicht hinreichend erfüllt sein, ist nicht auszuschließen, dass die Kommission Vergaben beanstandet.

3.2
Nach den allgemeinen wettbewerblichen Anforderungen sind die öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, auch unterhalb der EU-Schwellenwerte neben transparenten und diskriminierungsfreien Beschaffungsvorgängen für einen fairen und lauteren Wettbewerb zu sorgen. Einzelne Vergabeentscheidungen haben sie fortlaufend und zeitnah zu dokumentieren und zu begründen. Kleinere und mittlere Unternehmen haben sie angemessen zu berücksichtigen. Auf eine ausreichende Streuung der Angebotsaufforderungen haben sie zu achten, indem die Leistung in jedem Falle, in dem dies nach Art und Umfang zweckmäßig ist, möglichst in Lose geteilt und nach Losen vergeben wird (Teillose). Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige haben sie in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben (Fachlose). Auch neuen Bewerbern und Bewerbern aus anderen Kommunen soll Gelegenheit zur Angebotsabgabe gegeben werden.

4
Vergabe von Bauleistungen

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken sollen bei Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes deshalb grundsätzlich die Teile A (Abschnitt 1), B und C der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) in der jeweils geltenden, im Bundesanzeiger (BAnz.) veröffentlichten Fassung angewendet werden. Die Regelungen der Ziffern 7 und 8 bleiben davon unberührt.

5
Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen

Zur Vermeidung rechtlicher Risiken wird bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich die Anwendung der Teile A (Abschnitt 1) und B der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) in der jeweils geltenden, im Bundesanzeiger veröffentlichten Fassung empfohlen. Die Regelungen der Ziffern 7 und 8 bleiben davon unberührt.

6
Vergabe von freiberuflichen Leistungen

Die Anwendung der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der jeweils geltenden, im Bundesanzeiger veröffentlichten Fassung ist für Leistungen, die im Rahmen von freiberuflichen Tätigkeiten erbracht werden und deren Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwerts für Liefer- und Dienstleistungsaufträge liegt, nicht vorgeschrieben. Sollte eine freiberufliche Leistung eindeutig und erschöpfend beschreibbar sein, gelten die Regelungen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.

7
Wahl der Vergabeart

Gemäß § 25 Abs. 1 GemHVO muss der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der kommunalen Praxis halte ich im Rahmen dieses Erlasses folgende typisierende Betrachtungsweise zur vereinfachten Auswahl der Vergabeart für vertretbar:

7.1
Die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung ohne weitere Einzelbegründung bei der Vergabe von Leistungen nach Ziffer 4 bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens

-          300.000 € im Tiefbau,

-          150.000 € für Rohbauarbeiten im Hochbau (Erd-, Beton- und Maurerarbeiten mit und ohne Putzarbeiten) und

-          75.000 € für Ausbaugewerke und sonstige Gewerke im Hochbau sowie für Pflanzungen und Straßenausstattung.

7.2
Die Durchführung einer freihändigen Vergabe ohne weitere Einzelbegründung bei der Vergabe von Leistungen nach Ziffern 4 und 5 bis zu einem Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von höchstens 30.000 €.

7.3
Die Möglichkeit einer beschränkten Ausschreibung oder einer freihändigen Vergabe oberhalb dieser Wertgrenzen bleibt bei entsprechender Begründung in Einzelfall unberührt.

8
Elektronische Auktionen

Der Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Rahmen dieses Erlasses darf eine elektronische Auktion auf einem dafür vorgesehenen Internet-Marktplatz vorausgehen, sofern die Spezifikation des Auftrags hinreichend präzise beschrieben werden kann. Bei der Durchführung einer elektronischen Auktion sind die diesbezüglichen Regelungen der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (insbesondere Artikel 54) entsprechend anzuwenden.  

9
Korruptionsverhütung

9.1
Bei öffentlichen Aufträgen sind die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung und zur Errichtung und Führung eines Vergaberegisters in Nordrhein-Westfalen (Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW- KorruptionsbG) vom 16.12.2004 (GV. NRW. 2005 S. 8) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Zur Vermeidung von Manipulationen sind entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.

9.2
Auf die zwischen dem Innenministerium NRW und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Erläuterungen zum Korruptionsbekämpfungsgesetz (Stand 20.06.2005), in denen die Heranziehung des RdErl. des Innenministeriums, zugleich im Namen des Ministerpräsidenten und aller Landesministerien vom 26.4.2005 (SMBl. NRW. 20020) empfohlen wird, weise ich besonders hin.  

10
Aufhebungsvorschrift

Der RdErl. des Innenministeriums vom 10.4.2003 (SMBl. NRW. 6300) wird aufgehoben.

11
In-Kraft-Treten

Dieser Runderlass tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft.



[i]   Zum Stichtag 31.01.2006 gelten danach folgende Schwellenwerte: Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich (Trinkwasser- oder Energieversorgung, Verkehrsbereich): 400.000 €; für alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 200.000 €; für Bauaufträge: 5 Mio. €; weitere Schwellenwerte für Auslobungsverfahren und losweise Vergabe.

- MBl. NRW. 2006 S. 222