Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2006 Nr. 8 vom 3.3.2006 Seite 145 bis 168

Neufassung der Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein vom 19. November 2005
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Neufassung der Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein vom 19. November 2005

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Neufassung der Satzung der Ethikkommission
der Ärztekammer Nordrhein
vom 19. November 2005

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein hat in ihrer Sitzung am 19. November 2005 aufgrund § 7 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 403 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. März 2005 (GV. NRW. S.  148 ff.), die Satzung der Ethikkommission vom 28. Oktober 1995, zuletzt geändert am 14. November 1998, in folgender Neufassung beschlossen:

§ 1
Errichtung der Ethikkommission

(1) Die Ärztekammer Nordrhein errichtet eine Ethikkommission nach § 7 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen.

(2) Die Ethikkommission führt den Namen „Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein.“

(3) Die Ethikkommission hat ihren Sitz in Düsseldorf bei der Ärztekammer Nordrhein.

§ 2
Aufgaben und Zuständigkeit der Ethikkommission

(1) Die Ethikkommission hat die Aufgabe, auf Antrag biomedizinische Forschung am Menschen sowie Vorhaben epidemiologischer Forschung mit personenbezogenen Daten ethisch und rechtlich zu beurteilen und in diesem Rahmen die Kammermitglieder oder sonstige Antragsteller zu beraten.

Studien mit somatischer Zelltherapie, Gentransfer und genetisch veränderten Organismen sind ebenfalls Gegenstand ihrer Beurteilung.

(2) Gleiches gilt für die Durchführung gesetzlich zugelassener Forschung mit menschlichen Gameten, lebendem embryonalen Gewebe sowie entnommenem Körpermaterial.

(3) Die Ethikkommission nimmt die auf der Basis des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen einer Ethikkommission von Rechts wegen zugewiesenen Aufgaben wahr, insbesondere die nach dem Arzneimittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz, dem Transfusionsgesetz, der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung sowie der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein.

Die Kommission legt ihrer Arbeit die gesetzlichen Bestimmungen und berufsrechtlichen Regelungen, die Deklaration des Weltärztebundes von Helsinki in der geltenden Fassung sowie die europäischen Richtlinien 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln und die Richtlinie 2005/28/EG der Kommission vom 8. April 2005 zur Festlegung von Grundsätzen und ausführlichen Leitlinien der guten klinischen Praxis für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie von Anforderungen für die Erteilung einer Genehmigung zur Herstellung oder Einfuhr solcher Produkte zugrunde.

(4) Die an den medizinischen Fachbereichen errichteten Ethikkommissionen treten für den jeweiligen Hochschulbereich an die Stelle der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein.

Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Ort der Durchführung der klinischen Prüfung.

§ 3
Zusammensetzung

(1) Die Ethikkommission besteht aus acht Mitgliedern, die vom Vorstand der Ärztekammer Nordrhein für die Dauer der Wahlperiode der Organe der Ärztekammer Nordrhein bestellt werden.

(2) Um die interdisziplinäre Zusammensetzung zu sichern, gehören der Ethikkommission mindestens vier Ärztinnen und Ärzte, eine Person mit der Befähigung zum Richteramt, eine Person mit wissenschaftlicher oder beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik und eine Person aus dem Bereich der Patientenvertretungen an. Für die Bewertung von Vorhaben nach dem Arzneimittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz oder dem Transfusionsgesetz ist darüber hinaus mindestens eine Apothekerin oder ein Apotheker in die Kommission zu berufen.

(3) Für jedes Mitglied kann der Vorstand mehrere stellvertretende Mitglieder bestellen.

(4) Der Vorstand bestimmt die Vorsitzende/den Vorsitzenden aus der Mitte der ärztlichen Mitglieder. Ihr/ihm werden mehrere stellvertretende Vorsitzende zugeordnet.

(5) Die Mitgliedschaft/stellvertretende Mitgliedschaft beginnt nach der Berufung mit der Zustimmung des Kommissionsmitgliedes.

§ 4
Ausscheiden aus der Ethikkommission

(1) Jedes Mitglied/stellvertretende Mitglied kann ohne Angabe von Gründen durch eine schriftliche Erklärung gegenüber der Ärztekammer ausscheiden.

(2) Aus wichtigem Grund kann ein Mitglied/stellvertretendes Mitglied vom Vorstand abberufen werden.

(3) Scheidet ein Mitglied/stellvertretendes Mitglied während einer Amtsperiode aus, so kann der Vorstand im Bedarfsfall ein neues Mitglied/stellvertretendes Mitglied nachberufen. Gleiches gilt für die Vorsitzende/den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden.

§ 5
Anforderungen an die Sachkunde, die Unabhängigkeit
und die Pflichten der Mitglieder

(1) Die Mitglieder/stellvertretenden Mitglieder sind bei der Ausübung ihrer Aufgaben unabhängig, an Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich.

Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet und müssen über die erforderliche Fachkompetenz verfügen.

(2) Die Mitglieder/stellvertretenden Mitglieder sind verpflichtet, der Veröffentlichung folgender persönlicher Daten
- vollständiger Name,
- Titel,
- Beruf,
- berufliche Zugehörigkeit und
- Funktion in der Ethikkommission
im Zusammenhang mit ihrer Kommissionstätigkeit zuzustimmen.

§ 6
Befangenheit

Mitglieder/stellvertretende Mitglieder sind von der Beratung der Studie und der Beschlussfassung ausgeschlossen, wenn sie an einem Forschungsprojekt beteiligt sind oder in sonstiger Weise an der klinischen Prüfung mitwirken oder ihre Interessen berührt sind.

Eine mögliche Befangenheit ist rechtzeitig mitzuteilen.

§ 7
Vorsitz

(1) Die/der Vorsitzende/Stellvertreterin/Stellvertreter lädt zur Sitzung ein, eröffnet, leitet und schließt sie.

(2) Die/der Vorsitzende/Stellvertreterin/Stellvertreter fertigt die Bewertungen aus.

(3) Die/der Vorsitzende/Stellvertreterin/Stellvertreter kann fehlende Unterlagen nachfordern und die Kontrolle der Vollständigkeit nachgereichter Unterlagen alleine vornehmen.

§ 8
Antrag

(1) Die Ethikkommission wird grundsätzlich auf schriftlichen Antrag von Ärztinnen und Ärzten tätig; soweit nicht andere Antragsteller gesetzlich zugelassen sind.

Antragsteller sind

a) für eine Beratung von Ärztinnen und Ärzten in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen (Berufsordnung) die durchführende kammerangehörige Ärztin bzw. der durchführende kammerangehörige Arzt,

b) für einen Antrag auf zustimmende Bewertung einer klinischen Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz der Sponsor,

c) für einen Antrag auf zustimmende Stellungnahme zu einer klinischen Prüfung nach dem Medizinproduktegesetz der Auftraggeber sowie die Prüfeinrichtung im Zuständigkeitsbereich der Ethikkommission,

d) für einen Antrag auf zustimmendes Votum zu einer Spenderimmunisierung nach dem Transfusionsgesetz die das Immunisierungsprogramm leitende Ärztin bzw. der leitende Arzt,

e) für einen Antrag auf Stellungnahme zur Anwendung von Röntgen- oder ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe zum Zwecke der medizinischen Forschung nach der Röntgen- oder der Strahlenschutzverordnung die Leiterin bzw. der Leiter der Studie.

(2) Dem Antrag sind die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen beizufügen.

Soweit keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, ist der Antrag in der von der Kommission festgesetzten Art und Anzahl von Unterlagen so einzureichen, dass er eine Urteilsbildung ermöglicht und über die Ziele und Methoden des Forschungsvorhabens sowie über mögliche Beeinträchtigung und Risiken für die Versuchsperson klar und verständlich informiert.

(3) Anträge können, soweit gesetzlich zulässig, geändert oder zurückgenommen werden. Gesetzliche Vorgaben bleiben unberührt.

(4) Das Nähere kann eine Geschäftsordnung der Ethikkommission regeln.

§ 9
Voraussetzung für die Bewertung

Voraussetzung für die Bewertung der Ethikkommission ist ein ordnungsgemäßer Antrag mit den erforderlichen Unterlagen und die Entrichtung der Gebühren.

§ 10
Verfahren

(1) Das Verfahren richtet sich nach den für die jeweilige Studie geltenden Gesetzen und Rechtsverordnungen.

(2) Im Übrigen gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.

§ 11
Sitzungen

(1) Die/der Vorsitzende/Stellvertreterin/Stellvertreter leitet die Sitzungen.

(2) Die Mitglieder/stellvertretenden Mitglieder sind unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu laden. Die Ladung kann zusammen mit den zu prüfenden Unterlagen zugestellt werden.

(3) Die Kommission tagt, so oft es die Geschäftslage erfordert.

(4) Die Sitzungen sind nicht öffentlich.

(5) Die Kommission kann die Antragstellerin/den Antragsteller oder die Leiterin/den Leiter der klinischen Prüfung zur Beratung des Antrages einladen und in der Sitzung von ihr/ihm eine persönliche Erläuterung des Forschungsvorhabens verlangen.

(6) Die Kommission kann Sachverständige beratend hinzuziehen.

§ 12
Beschlussfassung und Entscheidung

(1) Die Ethikkommission ist beschlussfähig, wenn mindestens fünf Mitglieder/stellvertretende Mitglieder anwesend sind; ein Mitglied muss die Befähigung zum Richteramt haben.

(2) Die Ethikkommission trifft ihre Entscheidungen in der Regel nach mündlicher Erörterung.

Soweit gesetzlich zulässig, können Anträge, die nach Meinung des/der Vorsitzenden keine besonderen Schwierigkeiten medizinischer, ethischer oder rechtlicher Art aufweisen, im schriftlichen Verfahren behandelt werden, sofern nicht ein Mitglied der Kommission eine mündliche Erörterung verlangt.

Soweit gesetzlich zulässig, kann die Kommission durch Mehrheitsbeschluss die Entscheidung über im Einzelnen zu bestimmende Fragen, die keine besonderen Schwierigkeiten medizinischer, ethischer oder rechtlicher Art aufweisen dürfen, auf einen Ausschuss übertragen.

Auf Antrag eines Kommissionsmitglieds ist auch in diesen Fällen eine Entscheidung der Kommission herbeizuführen.

(3) Die Kommission entscheidet bei mündlicher Erörterung mit einfacher Mehrheit der Anwesenden.

Im schriftlichen Verfahren ist die Entscheidung der Kommission gefallen, wenn Voten von fünf oder mehr Kommissionsmitgliedern, darunter eines juristischen Mitglieds vorliegen.

Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der/des Vorsitzenden.

(4) Das Nähere kann eine Geschäftsordnung regeln.

Im Übrigen richtet sich das Verfahren der Kommission nach den für den jeweiligen Antrag geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

(5) Die Entscheidung der Kommission ist dem Antragsteller und den in den Gesetzen genannten Behörden schriftlich mit Begründung mitzuteilen.

Der Antragsteller bzw. die Antragstellerin hat die Entscheidung allen teilnehmenden Prüfern mitzuteilen.

(6) Die Entscheidung der Kommission kann mit weiteren Hinweisen, Ratschlägen oder Empfehlungen versehen werden.

(7) Die Bearbeitung von Anzeigen von schwerwiegenden oder unerwarteten, unerwünschten Ereignissen, die während des Forschungsvorhabens auftreten und die die Sicherheit der Teilnehmer oder des Forschungsvorhabens beeinträchtigen könnten, richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben.

Das Nähere kann eine Geschäftsordnung der Ethikkommission regeln.

§ 13
Sonderbestimmungen bei Studien nach
dem Medizinproduktegesetz (MPG),
der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
und der Röntgenverordnung (RöV)

Bei multizentrischen Studien nach MPG, StrlSchV und RöV genügt ein Votum einer Ethikkommission. Mit der Vorlage dieses Votums ist die Beratungspflicht gemäß § 15 Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte erfüllt.

§ 14
Protokoll

Über jede Sitzung ist eine Niederschrift mit dem wesentlichen Ergebnis der Beratung anzufertigen.

§ 15
Geschäftsführung

Die Ärztekammer Nordrhein stellt die für die Geschäftsführung der Ethikkommission notwendigen personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung und erhebt dafür Gebühren nach Maßgabe der Verwaltungsgebührenordnung der Ärztekammer Nordrhein in der jeweils geltenden Fassung.

§ 16
Kosten des Verfahrens

(1) Für Verfahren vor der Ethikkommission sind Gebühren nach § 6 Abs. 5 Satz 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen und der Gebührenordnung der Ärztekammer Nordrhein zu entrichten.

(2) Mitglieder und Sachverständige erhalten eine Aufwandsentschädigung nach der Entschädigungsordnung der Ärztekammer Nordrhein.

(3) Die Entschädigung der Gutachter richtet sich nach dem Justizvergütungs- und
-entschädigungsgesetz.

§ 17
Schlussbestimmungen

Diese Satzung tritt nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde am Tage nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft.

Gleichzeitig tritt die Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein vom
28. Oktober 1995, zuletzt geändert am 14. November 1998, außer Kraft.

Düsseldorf, den 19. November 2005

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg-Dietrich   H o p p e

Präsident

Genehmigt.

Düsseldorf, den 12. Januar 2006

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen
- Az.: III 7 – 0810.11.2 –

Im Auftrag

G o d r y

Die Neufassung der Satzung der Ethikkommission wird hiermit ausgefertigt und im Ministerialblatt für  das Land Nordrhein-Westfalen sowie im „Rheinischen Ärzteblatt“ bekannt gemacht.

Düsseldorf, den 23. Januar 2006

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg-Dietrich   H o p p e

Präsident

 - MBl. NRW. 2006 S. 147