Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2007 Nr. 9 vom 23.3.2007 Seite 157 bis 170
Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 18. November 2006 |
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Normkopf Norm Normfuß |
Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 18. November 2006
21220
Änderung der
Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte
vom 18. November 2006
Neufassung der
Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion
vom 18. November 2006
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein
hat in ihrer Sitzung am 18.11.2006 aufgrund des § 31 des Heilberufsgesetzes vom
9. Mai 2000 (GV. NRW.S. 403), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. März 2005 (GV. NRW.S. 148), folgende Änderung der Berufsordnung für die nordrheinischen
Ärztinnen und Ärzte vom 14.11.1998 (MBl. NRW.1999 S. 350) beschlossen, die durch
Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 22.01.07.
aufgrund § 31 Abs. 2 des Heilberufsgesetzes genehmigt worden ist.
Anlage E der Berufsordnung erhält folgende
Fassung:
„E. Anlage:
Richtlinie zur
Durchführung der assistierten Reproduktion
gem. § 13 und Kapitel D II Nr. 4
1.
Begriffsbestimmungen
Als assistierte Reproduktion wird die ärztliche
Hilfe zur Erfüllung des Kinderwunsches eines Paares durch medizinische Hilfen und
Techniken bezeichnet. In der Regel wird im Zusammenhang mit diesen Verfahren
eine hormonelle Stimulation durchgeführt. Darunter versteht man den Einsatz von
Medikamenten zur Unterstützung der Follikelreifung, sodass im Zyklus ein oder
mehrere Follikel heranreifen.
Die alleinige Insemination (ohne hormonelle
Stimulation) sowie die alleinige hormonelle Stimulation (ohne Insemination)
sind als Methode nicht von dieser Richtlinie erfasst.
1.1
Insemination
Unter Insemination versteht man das Einbringen
des Nativspermas in die Zervix (intrazervikale Insemination) oder des
aufbereiteten Spermas in den Uterus (intrauterine Insemination) oder in die
Eileiter (intratubare Insemination).
1.2 GIFT
Unter GIFT (Gamete-Intrafallopian-Transfer;
intratubarer Gametentransfer) versteht man den Transfer der männlichen und
weiblichen Gameten in den Eileiter.
1.3
Extrakorporale Befruchtung
1.3.1 IVF
Unter
In-vitro-Fertilisation (IVF), auch als „extrakorporale Befruchtung“ bezeichnet,
versteht man die Vereinigung einer Eizelle mit einer Samenzelle außerhalb des
Körpers.
1.3.2 ICSI
Unter der intrazytoplasmatischen
Spermieninjektion (ICSI) versteht man ein Verfahren der IVF, bei dem eine
menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle injiziert wird.
1.4 ET
Die Einführung des Embryos in die Gebärmutter
wird als Embryotransfer (ET) bezeichnet, unabhängig davon, ob es sich um den
Transfer von einem Embryo (Single-Embryo-Transfer / SET),
von zwei Embryonen (Double-Embryo-Transfer / DET) oder
drei Embryonen handelt.
1.5
homologer / heterologer Samen
Als homolog gilt der Samen des Ehemannes oder
des Partners in stabiler Partnerschaft. Als heterolog gilt der Samen eines
Samenspenders.
1.6 PKD
Bei der Polkörperdiagnostik (PKD) wird eine
mütterliche, genetische oder chromosomale Veränderung des haploiden weiblichen
Chromosomensatzes durch Beurteilung des ersten und – wenn möglich – auch des
zweiten Polkörpers im Ablauf einer IVF vor der Bildung des Embryos untersucht.
Es handelt sich um eine indirekte Diagnostik der Eizelle.
1.7 PID
Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) wird in
einem sehr frühen Entwicklungsstadium ein oder zwei Zellen eines durch
extrakorporale Befruchtung entstandenen Embryos entnommen und auf eine
Chromosomenstörung oder eine spezifische genetische Veränderung hin untersucht.
Diese Form einer PID ist nicht als Regelungsgegenstand zugrunde gelegt, da sie
in Deutschland nicht durchgeführt wird.
2.
Medizinische Voraussetzungen für die assistierte Reproduktion
Jeder Anwendung der Maßnahmen der assistierten
Reproduktion hat eine sorgfältige Diagnostik bei beiden Partnern vorauszugehen,
die alle Faktoren berücksichtigt, die sowohl für den unmittelbaren
Therapieerfolg als auch für die Gesundheit des Kindes von Bedeutung sind. Bei
der Wahl der Methode sollten die Dauer des Kinderwunsches und das Alter der
Frau Berücksichtigung finden.
2.1 Methoden
und Indikationen
Die
Voraussetzungen für die Methoden der alleinigen Insemination (ohne hormonelle
Stimulation) und der alleinigen hormonellen Stimulation (ohne Insemination)
sind durch die Richtlinie nicht geregelt.
2.1.1 Hormonelle Stimulation
der Follikelreifung
Indikationen:
-
Follikelreifungsstörungen
-
leichte Formen männlicher Fertilitätsstörungen
2.1.2 Homologe Insemination
Indikationen:
-
leichte Formen männlicher Fertilitätsstörungen
-
nicht erfolgreiche hormonelle Stimulationsbehandlung
-
somatische Ursachen (z. B. Hypospadie, retrograde Ejakulation,
Zervikal-Kanal-Stenose)
-
idiopathische Unfruchtbarkeit
2.1.3 Homologe
In-vitro-Fertilisation mit intrauterinem Embryotransfer (IVF mit ET) von einem
(SET), von zwei (DET) oder drei Embryonen
Uneingeschränkte
Indikationen:
-
Tubenverschluss bzw. tubare Insuffizienz
-
männliche Fertilitätsstörungen nach erfolgloser Insemination
Eingeschränkte
Indikationen:
- Endometriose von
hinreichender Bedeutung
-
idiopathische Unfruchtbarkeit
Eine
unerklärbare (idiopathische) Unfruchtbarkeit kann nur als Indikation für eine
assistierte Reproduktion im Sinne einer IVF-Behandlung angesehen werden, wenn
alle diagnostischen Maßnahmen durchgeführt und hormonelle Stimulation,
intrauterine und / oder intratubare Insemination nicht erfolgreich waren oder
keine hinreichende Aussicht zur Erreichung einer Schwangerschaft darstellen.
2.1.4
Intratubarer
Gametentransfer (GIFT)
Indikationen:
-
einige Formen männlicher – mit anderen Therapien einschließlich der
intrauterinen Insemination nicht behandelbarer – Fertilitätsstörungen
-
idiopathische Unfruchtbarkeit
2.1.5
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
Indikationen:
-
schwere Formen männlicher Fertilitätsstörungen
-
fehlende oder unzureichende Befruchtung bei einem IVF-Versuch
2.1.6 Heterologe Insemination
Indikationen:
-
schwere Formen männlicher Fertilitätsstörungen
-
erfolglose Behandlung einer männlichen Fertilitätsstörung mit intrauteriner und
/ oder intratubarer Insemination und / oder In-vitro-Fertilisation und / oder
intrazytoplasmatischer Spermieninjektion im homologen System
- ein
nach humangenetischer Beratung festgestelltes hohes Risiko für ein Kind mit
schwerer genetisch bedingter Erkrankung
Voraussetzung sind funktionsfähige, offene
Eileiter.
Beim
Einsatz heterologer Spermien sind die unter 5.3 genannten Voraussetzungen zu
beachten.
2.1.7
Heterologe In-vitro-Fertilisation mit intrauterinem Embryotransfer (IVF mit
ET), heterologe intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI mit ET)
Indikationen:
-
schwere Formen männlicher Fertilitätsstörungen
-
erfolgloser Einsatz der intrauterinen und / oder intratubaren Insemination und
/ oder der In-vitro-Fertilisation und / oder der intrazytoplasmatischen
Spermieninjektion im homologen System (nach Vorliegen der jeweiligen
Indikation)
-
erfolgloser Einsatz der heterologen Insemination
- ein
nach humangenetischer Beratung festgestelltes hohes Risiko für ein Kind mit
schwerer genetisch bedingter Erkrankung
Beim Einsatz heterologer Spermien sind die unter
5.3 genannten Voraussetzungen zu beachten.
2.1.8 Polkörperdiagnostik
(PKD)
Die
PKD ist ein in Erprobung befindliches Verfahren.
Indikationen:
-
Erkennung eines spezifischen genetischen einschließlich chromosomalen
kindlichen Risikos mittels indirekter Diagnostik der Eizelle
-
Erkennung unspezifischer chromosomaler Risiken im Rahmen von IVF zur möglichen
Erhöhung der Geburtenrate
Eine
Erhöhung der Geburtenrate ist bisher nicht hinreichend belegt.
Die
PKD ist an die Anwendung der IVF und ICSI geknüpft, obwohl eine
Fertilitätsstörung nicht vorliegen muss. Soweit diese Untersuchungen vor
Bildung des Embryos erfolgen, ist das Embryonenschutzgesetz nicht berührt.
2.2
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen:
- alle
Kontraindikationen gegen eine Schwangerschaft
Eingeschränkte Kontraindikationen:
-
durch eine Schwangerschaft bedingtes, im Einzelfall besonders hohes
medizinisches Risiko für die Gesundheit der Frau oder die Entwicklung des
Kindes
-
psychogene Fertilitätsstörung: Hinweise auf eine psychogene Fertilitätsstörung
ergeben sich insbesondere dann, wenn Sexualstörungen als wesentlicher
Sterilitätsfaktor angesehen werden können (seltener Geschlechtsverkehr,
Vermeidung des Verkehrs zum Konzeptionsoptimum, nicht organisch bedingte
sexuelle Funktionsstörung). In diesem Fall soll zuerst eine Sexualberatung /
-therapie des Paares erfolgen.
2.3
Humangenetische Beratung
Eine humangenetische Beratung soll die Partner
in die Lage versetzen, auf der Grundlage ihrer persönlichen Wertmaßstäbe eine
Entscheidung in gemeinsamer Verantwortung über die Vornahme einer genetischen
Untersuchung im Rahmen der assistierten Reproduktion und über die aus der
Untersuchung zu ziehenden Handlungsoptionen zu treffen. Im Rahmen dieser
Beratung sollen ein mögliches genetisches Risiko und insbesondere die mögliche
medizinische und ggf. psychische und soziale Dimension, die mit einer Vornahme
oder Nicht-Vornahme einer genetischen Untersuchung sowie deren möglichem
Ergebnis verbunden ist, erörtert werden.
Eine genetische Untersuchung darf erst
vorgenommen werden, nachdem die betreffende Person schriftlich bestätigt hat,
dass sie gemäß dem oben genannten Verfahren über die Untersuchung aufgeklärt
wurde und in diese eingewilligt hat.
3.
Allgemeine Zulassungsbedingungen
Bei der assistierten Reproduktion handelt es
sich mit Ausnahme der alleinigen Insemination (ohne hormonelle Stimulation) und
der alleinigen hormonellen Stimulation (ohne Insemination) um besondere
medizinische Verfahren gemäß § 13 Berufsordnung. Die Ärztin / der Arzt hat bei
der Anwendung dieser Verfahren insbesondere das Embryonenschutzgesetz und diese
Richtlinie zu beachten.
3.1
Rechtliche Voraussetzungen
3.1.1 Statusrechtliche
Voraussetzungen
Methoden der assistierten Reproduktion sollen
unter Beachtung des Kindeswohls grundsätzlich nur bei Ehepaaren angewandt
werden. Dabei darf grundsätzlich nur der Samen des Ehemannes verwandt werden;
sollen Samenzellen eines Dritten verwandt werden, sind die unter 5.3 genannten
Voraussetzungen zu beachten.
Methoden der assistierten Reproduktion können
auch bei einer nicht verheirateten Frau angewandt werden. Dies gilt nur, wenn die
behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt zu der Einschätzung gelangt ist, dass
-
die Frau mit einem nicht verheirateten Mann in einer festgefügten Partnerschaft
zusammenlebt und
-
dieser Mann die Vaterschaft an dem so gezeugten Kind anerkennen wird.
Dabei
darf grundsätzlich nur der Samen des Partners verwandt werden; sollen
Samenzellen eines Dritten verwandt werden, sind die unter 5.3 genannten
Voraussetzungen zu beachten. Die Leiterin/der Leiter der
reproduktionsmedizinischen Arbeitsgruppe hat die notarielle Dokumentation in
allen diesen Behandlungsfällen sicher zu stellen.
3.1.2
Embryonenschutzrechtliche Voraussetzungen
Für die Unfruchtbarkeitsbehandlung mit den
genannten Methoden dürfen maximal drei Embryonen einzeitig auf die Mutter
übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nrn. 3 u. 5 ESchG). An den zum Transfer
vorgesehenen Embryonen dürfen keine Maßnahmen vorgenommen werden, die nicht
unmittelbar der Erhaltung der Embryonen dienen. Beim Einsatz der oben genannten
Methoden dürfen nur die Eizellen der Frau befruchtet werden, bei der die
Schwangerschaft herbeigeführt werden soll.
3.1.3
Sozialversicherungsrechtliche Voraussetzungen
Sofern Leistungen der Verfahren zur assistierten
Reproduktion von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, sind
ferner die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches V (insbes. §§ 27a, 92, 121a und
135 ff. SGB V) und die Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
in der jeweils gültigen Fassung zu beachten.
3.1.4 Berufsrechtliche
Voraussetzungen
Jede Ärztin / jeder Arzt, der solche Maßnahmen
durchführen will und für sie die Gesamtverantwortung trägt, hat die Aufnahme
der Tätigkeit, bei der Ärztekammer anzuzeigen und nachzuweisen, dass die
fachlichen, personellen und technischen Voraussetzungen erfüllt sind, außerdem
hat sie / er an den Maßnahmen der Qualitätssicherung teilzunehmen. Änderungen
sind der Ärztekammer unverzüglich anzuzeigen.
Eine Ärztin / ein Arzt kann nicht dazu
verpflichtet werden, entgegen ihrer / seiner Gewissensüberzeugung Verfahren der
assistierten Reproduktion durchzuführen.
3.2
Information, Aufklärung, Beratung und Einwilligung
Das Paar muss vor Beginn der Behandlung durch
die behandelnde Ärztin / den behandelnden Arzt über die vorgesehene Behandlung,
die Art des Eingriffs, die Einzelschritte des Verfahrens, seine zu erwartenden
Erfolgsaussichten, Komplikationsmöglichkeiten, Risiken, mögliche Alternativen, sonstige
Umstände, denen erkennbar Bedeutung beigemessen wird, und die Kosten
informiert, aufgeklärt und beraten werden.
3.2.1 Medizinische Aspekte
Im Einzelnen sind Information, Aufklärung und
Beratung insbesondere zu folgenden Punkten zu geben:
-
Ablauf des jeweiligen Verfahrens
-
Erfolgsrate des jeweiligen Verfahrens
-
Möglichkeit einer behandlungsunabhängigen Schwangerschaft
-
Zystenbildung nach Stimulationsbehandlung
-
Überstimulationsreaktionen
-
Nebenwirkungen von Medikamenten
-
operative Komplikationen bei Follikelpunktionen
-
Festlegung der Höchstzahl der zu transferierenden Embryonen
-
Kryokonservierung für den Fall, dass Embryonen aus unvorhergesehenem Grund
nicht transferiert werden können
-
Abortrate in Abhängigkeit vom Alter der Frau
-
Eileiterschwangerschaft
-
durch die Stimulation bedingte erhöhte Mehrlingsrate und den damit verbundenen
mütterlichen und kindlichen Risiken (u.a. mit Folge der Frühgeburtlichkeit)
-
möglicherweise erhöhtes Risiko von Auffälligkeiten bei Kindern, insbesondere
nach Anwendung der ICSI-Methode
-
mögliche Risiken bei neuen Verfahren, deren endgültige Risikoeinschätzung nicht
geklärt ist.
Neben diesen behandlungsbedingten Risiken müssen
Faktoren, die sich auf das Basisrisiko auswirken (z. B. erhöhtes Alter der
Partner, Verwandtenehe), Berücksichtigung finden. Hierzu sollte eine
Stammbaumerhebung beider Partner über mindestens drei Generationen hinweg (u.
a. Fehlgeburten, Totgeburten, Personen mit körperlichen oder geistigen
Behinderungen, andere Familienmitglieder mit Fertilitätsstörungen) durchgeführt
werden. Ergeben sich Hinweise auf Chromosomenstörungen oder auf Erkrankungen,
die genetisch bedingt sein könnten, so muss über Information und Aufklärung
hinaus das Angebot einer humangenetischen Beratung erfolgen und dies
dokumentiert werden.
3.2.2 Psychosoziale Aspekte
Im Einzelnen sind Information, Aufklärung und
Beratung insbesondere zu folgenden Punkten zu geben:
-
psychische Belastung unter der Therapie (der psychische Stress kann belastender
erlebt werden als die medizinischen Schritte der Behandlung)
-
mögliche Auswirkung auf die Paarbeziehung
-
mögliche Auswirkung auf die Sexualität
-
mögliche depressive Reaktion bei Misserfolg
-
mögliche Steigerung des Leidensdrucks der Kinderlosigkeit bei erfolgloser
Behandlung
-
Alternativen (Adoption, Pflegekind, Verzicht auf Therapie)
- mögliche psychosoziale
Belastungen bei Mehrlingen.
3.2.3
Aspekte der humangenetischen Beratung
Dem Paar muss über Information und Aufklärung
hinaus eine humangenetische Beratung (vgl. Kapitel „Humangenetische Beratung“)
insbesondere angeboten werden bei:
-
Anwendung der ICSI-Methode im Zusammenhang mit einer schweren
Oligoasthenoteratozoospermie oder nicht entzündlich bedingter Azoospermie
-
genetisch bedingten Erkrankungen in den Familien
-
einer Polkörperdiagnostik (PKD)
-
habituellen Fehl- und Totgeburten
-
Fertilitätsstörungen in der Familienanamnese.
3.2.4 Aspekte der
behandlungsunabhängigen Beratung
Unabhängig von dieser Art der Information,
Aufklärung und Beratung muss die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt dem
Paar die Möglichkeit einer behandlungsunabhängigen ärztlichen Beratung
empfehlen und auf die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung hinweisen.
3.2.5
Aspekte der Kostenübernahme
Fragen
zur Übernahme der Kosten der Behandlung durch gesetzliche oder private Krankenkassen
bzw. Beihilfeträger sind zu erörtern.
3.2.6 Aspekte der
Dokumentation
Die erfolgte Information, Aufklärung, Beratung
und die Einwilligung der Partner zur Behandlung müssen dokumentiert und von
beiden Partnern und der aufklärenden Ärztin / dem aufklärenden Arzt
unterzeichnet werden.
4. Fachliche, personelle
und technische Voraussetzungen
Die
Durchführung der Methoden
-
homologe Insemination nach hormoneller Stimulation
-
IVF mit ET
-
GIFT
-
ICSI mit ET
-
heterologe Insemination nach hormoneller Stimulation
-
heterologe IVF / ICSI
-
PKD
als
Verfahren setzt die Erfüllung der nachstehend festgelegten fachlichen,
personellen und technischen Mindestanforderungen voraus. Die Anzeige umfasst
den Nachweis, dass die sachgerechte Durchführung der erforderlichen Leistungen
sowohl fachlich (Ausbildungs- und Qualifikationsnachweis) als auch personell
und sachlich (räumliche und apparative Ausstattung) auf den nachstehend
genannten Teilgebieten gewährleistet ist.
4.1 Homologe
Insemination nach Stimulation
4.1.1
Fachliche Voraussetzungen
Die anwendende Fachärztin / der anwendende
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe muss über den Schwerpunkt bzw. über
die fakultative Weiterbildung „Gynäkologische Endokrinologie und
Reproduktionsmedizin“ verfügen.
4.1.2 Technische
Voraussetzungen
Folgende Einrichtungen müssen ständig verfügbar
bzw. einsatzbereit sein:
-
Hormonlabor
-
Ultraschalldiagnostik
-
Labor für Spermiendiagnostik und Spermienpräparation.
4.2
Heterologe Insemination nach Stimulation
Es
gelten die gleichen fachlichen und technischen Voraussetzungen wie für die
homologe Insemination nach Stimulation (siehe hierzu: 4.1.1 und 4.1.2).
4.3 IVF mit
ET, GIFT, ICSI, PKD
Diese Methoden setzen für die Patientenbetreuung
das Zusammenwirken in einer ständig einsatzbereiten interdisziplinären
Arbeitsgruppe voraus.
4.3.1 Fachliche
Voraussetzungen
Die Leitung bzw. die stellvertretende Leitung
der Arbeitsgruppe obliegt Fachärztinnen/Fachärzten für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt bzw. mit der fakultativen Weiterbildung
„Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin“. Ihnen obliegen die
verantwortliche Überwachung der in dieser Richtlinie festgeschriebenen
Maßnahmen.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe müssen über folgende
Kenntnisse und Erfahrungen verfügen:
-
Endokrinologie der Reproduktion
-
Gynäkologische Sonographie
-
Operative Gynäkologie
-
Reproduktionsbiologie mit dem Schwerpunkt der In-vitro-Kultur
-
Andrologie
-
Psychosomatische Grundversorgung.
Von
diesen sechs Bereichen können nur zwei gleichzeitig von einer Ärztin oder
Wissenschaftlerin / einem Arzt oder Wissenschaftler der Arbeitsgruppe neben der
Qualifikation der Psychosomatischen Grundversorgung verantwortlich geführt
werden.
Grundsätzlich müssen andrologisch erfahrene
Ärztinnen/Ärzte in Diagnostik und Therapie im Rahmen der assistierten Reproduktion
integriert sein.
Die regelmäßige Kooperation mit einer
Humangenetikerin / einem Humangenetiker und einer Fachärztin/einem Facharzt für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie, Ärztlichen Psychotherapeutin/Psychotherapeuten oder
gegebenenfalls Psychologischen Psychotherapeutin/Psychotherapeuten muss
gewährleistet sein.
Es empfiehlt sich weiterhin eine Kooperation mit
einer psychosozialen Beratungsstelle.
Falls
eine PKD durchgeführt werden soll, obliegt die humangenetische Beratung und die
zytogenetische oder molekulargenetische Diagnostik Fachärztinnen / Fachärzten
für Humangenetik oder Ärztinnen / Ärzten mit der Zusatzbezeichnung
„Medizinische Genetik“.
4.3.2 Technische
Voraussetzungen
Folgende
Einrichtungen müssen ständig verfügbar bzw. einsatzbereit sein:
-
Hormonlabor
-
Ultraschalldiagnostik
-
Operationsbereitschaft mit Anästhesie-Team
-
Labor für Spermiendiagnostik und -präparation
-
Labor für In-vitro-Fertilisation, In-vitro-Kultur und ggf. Mikroinjektion
-
EDV-gestützte Datenerfassung
-
Möglichkeit der Kryokonservierung.
Falls
eine PKD durchgeführt werden soll, muss die untersuchende Institution über
diagnostische Erfahrung mittels molekulargenetischer und
molekular-zytogenetischer Methoden an Einzelzellen verfügen.
5.
Voraussetzungen für spezielle Methoden und Qualitätssicherung
5.1
Embryotransfer
Ziel einer Sterilitätstherapie ist die
Herbeiführung einer Einlingsschwangerschaft, da diese Schwangerschaft im
Vergleich zu Mehrlingsschwangerschaften das geringste Risiko für Mutter und
Kind darstellt.
Zwillingsschwangerschaften beinhalten für die
Mutter erhöhte Risiken (schwangerschaftsinduzierter Hypertonus, Präeklampsie),
die in der Beratung mit zu berücksichtigen sind. Die Risiken für das Kind sind
bei Zwillingen im Vergleich zu Einlingen ebenfalls erhöht, wobei besondere
Komplikationen bei monozygoten Zwillingsschwangerschaften zu erwarten sind (z.
B. fetofetales Transfusionssyndrom).
Höhergradige Mehrlinge (mehr als Zwillinge)
sollen verhindert werden, da hierbei sowohl das Leben oder die Gesundheit der
Mutter gefährdet als auch die Morbidität und Mortalität der meist frühgeborenen
Kinder deutlich erhöht sein können.
Das Risiko besonders für höhergradige Mehrlinge
mit allen gesundheitlichen und sozialen Problemen für Kinder und Eltern wiegt
so schwer, dass das Ziel, eine Schwangerschaft herbeizuführen, untergeordnet
werden muss. Zur Senkung des Mehrlingsrisikos müssen folglich die wesentlichen
Parameter wie Alter der Mutter, Anzahl der bisherigen Versuche und Indikation
zur Therapie abgewogen werden.
Es ist daher unter Berücksichtigung des
aktuellen Wissensstandes zu empfehlen, bei Patientinnen unter 38 Jahren im
ersten und zweiten IVF- und / oder ICSI-Versuch nur zwei Embryonen zu
transferieren. Wenn von dem Paar der Transfer von drei Embryonen gewünscht
wird, darf dies nur nach ausführlicher Information und Aufklärung über das erhöhte
Risiko für höhergradige Mehrlingsschwangerschaften und den damit verbundenen
Risiken für Mutter und Kind sowie nach entsprechender Dokumentierung der
hiermit verbundenen Gefahren erfolgen.
5.2
Kryokonservierung
Kryokonservierung von Eizellen im Stadium der
Vorkerne zur Behandlung der Infertilität von Patientinnen ist zulässig.
Kryokonservierung von Embryonen ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn die im
Behandlungszyklus vorgesehene Übertragung nicht möglich ist.
Die weitere Kultivierung von Eizellen im
Vorkernstadium darf nur zum Zwecke des Transfers und nur mit der Einwilligung
beider Partner vorgenommen werden. Das Paar ist darauf hinzuweisen, dass über
konservierte Eizellen im Vorkernstadium beide nur gemeinschaftlich verfügen
können. Hierüber ist eine schriftliche Vereinbarung zu treffen.
Die Kryokonservierung von Eizellen ist ebenfalls
möglich, jedoch nicht so erfolgreich wie die Kryokonservierung von Eizellen im
Vorkernstadium. Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe ist als experimentell
anzusehen.
Die Kryokonservierung von ejakulierten,
epididymalen und testikulären Spermatozoen bzw. von Hodengewebe kann ohne
Einschränkung durchgeführt werden.
5.3 Verwendung
von heterologem Samen
5.3.1 Medizinische Aspekte
Der
Einsatz von heterologem Samen ist medizinisch zu begründen, und es ist
darzulegen, warum der Einsatz von homologem Samen nicht erfolgreich war oder
nicht zum Einsatz kommen konnte (siehe 2.1.6).
Die Ärztin / der Arzt hat sicherzustellen, dass
-
kein Mischsperma verschiedener Samenspender verwendet wird,
-
kein frisches Spendersperma verwendet wird,
-
der Samenspender vor der ersten Samenprobe auf HIV 1 und 2 untersucht wurde,
-
weitere HIV-Kontrollen in regelmäßigen Abständen von sechs Monaten erfolgt
sind,
-
die heterologe Insemination mit kryokonserviertem Sperma nur erfolgen darf,
wenn es über eine Quarantänezeit von mindestens 180 Tagen gelagert wurde
und wenn der Spender auch nach Ablauf dieser Zeit frei von HIV 1 - und 2 -
Infektionen geblieben ist und
-
eine serologische Untersuchung auf Hepatitis B und C, Treponema pallidum,
Cytomegalieviren (Verwendung von CMV-positivem Spendersperma nur für
CMV-positive Frauen) durchgeführt wurde.
Dies gilt auch bei der Kooperation mit
Samenbanken.
Eine
Erfassung von medizinischen und phänotypischen Merkmalen wie Blutgruppe,
Augenfarbe, Haarfarbe, Körpergröße, Körperstatur und Ethnie erscheint sinnvoll.
5.3.2 Psychosoziale Beratung
Vor
einer heterologen Insemination müssen die künftigen Eltern über die möglichen
psychosozialen und ethischen Probleme, welche die heterologe Insemination mit
sich bringt, beraten werden. Dabei soll auf die künftige Entwicklung ihrer
Beziehung sowie auf die Frage der künftigen Aufklärung des Kindes über seine
Abstammung besonderes Gewicht gelegt werden. Die Beratung erfolgt im Rahmen
eines ärztlichen Gesprächs; dabei soll den künftigen Eltern eine
weiterführende, qualifizierte Beratung durch Fachärztinnen/Fachärzte für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärztinnen/Fachärzte für
Psychiatrie und Psychotherapie, Ärztliche oder Psychologische
Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten oder auch psychosoziale Beratungsstellen
angeboten werden.
5.3.3
Rechtliche Aspekte
Die
behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt muss sich über die möglichen
rechtlichen Folgen der Verwendung von heterologem Samen für alle Beteiligten
unterrichten. Unbeschadet dieser eigenverantwortlich durchzuführenden
Unterrichtung wird empfohlen, folgende Grundsätze zu beachten:
5.3.3.1
Unterrichtung über Rechtsfolgen
Die
behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt sollte sich vor der Verwendung von
heterologem Samen vergewissern, dass der Samenspender und die künftigen Eltern
über mögliche rechtliche Konsequenzen unterrichtet worden sind.
5.3.3.2
Dokumentation der Beratung
Die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt
muss
-
die Identität des Samenspenders und die Verwendung der Samenspende
dokumentieren;
außerdem muss sie / er dokumentieren,
-
dass sich der Samenspender mit der Dokumentation von Herkunft und Verwendung
der Samenspende und – für den Fall eines an sie / ihn gerichteten
Auskunftsverlangens des Kindes – mit einer Bekanntgabe seiner Personalien
einverstanden erklärt hat,
-
dass sich die künftigen Eltern mit der Verwendung von heterologem Samen und
der Dokumentation von Herkunft und Verwendung der Samenspende
einverstanden erklärt haben und die behandelnde Ärztin / den behandelnden Arzt
- für den Fall eines an diese / diesen gerichteten Auskunftsverlangens des
Kindes oder eines der künftigen Elternteile – von ihrer / seiner
Schweigepflicht entbunden haben.
Dies
gilt auch für den Fall, dass die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt mit
einer Samenbank kooperiert; die Dokumentation kann nicht auf die Samenbank
delegiert werden.
5.4
Verfahrens- und Qualitätssicherung
Erforderlich sind die Qualitätssicherung der
medizinisch angewendeten Verfahren und deren Dokumentation.
5.4.1 Dokumentation
Zum
Zwecke der Verfahrens- und Qualitätssicherung hat die Leiterin bzw. der Leiter
der Arbeitsgruppe der Ärztekammer jährlich einen Bericht über die Arbeit der
Arbeitsgruppe vorzulegen. Die Ärztin/der Arzt kann sich hierzu der
Dokumentation gegenüber dem Deutschen IVF-Register = DIR bedienen.
Im Einzelnen müssen mindestens dokumentiert
werden:
-
homologe Insemination nach hormoneller Stimulation
-
IVF mit
ET
-
GIFT
-
ICSI
-
heterologe Insemination nach hormoneller Stimulation
-
heterologe IVF / ICSI
-
PKD
bezüglich:
-
Alter der Patientin
-
Indikation der Methoden
-
Verlauf der Stimulation
-
Anzahl und Befruchtungsrate der inseminierten Eizellen bei IVF / ICSI
-
Anzahl der transferierten Eizellen bei GIFT
-
Anzahl der transferierten Embryonen bei IVF / ICSI
-
Schwangerschaftsrate
-
Geburtenrate
-
Fehlgeburten
-
Eileiterschwangerschaften
-
Schwangerschaftsabbrüche
-
Mehrlingsrate
-
Fehlbildungen.
Die Datenerfassung hat den Anforderungen an
Prospektivität zu genügen. Die Prospektivität der Datenerhebung wird dadurch
gewährleistet, dass die ersten Angaben zum Behandlungszyklus innerhalb von acht
Tagen nach Beginn der hormonellen Stimulation eingegeben werden.
Der Zweck ist eine nachträgliche Selektion nach
erfolgreichen und nicht erfolgreichen Behandlungszyklen zu vermeiden.
5.4.2 Weitere Regelungen
Soweit die Behandlung als Leistung der Gesetzlichen
Krankenversicherung erbracht wird, sind neben den vorstehenden Regelungen die
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 SGB V zu beachten.
5.4.3 Ständige Kommission der
Ärztekammer
Die
Ärztekammer bildet eine „Ständige Kommission
In-vitro-Fertilisation/Embryotransfer“, die die Einhaltung der in dieser
Richtlinie definierten fachlichen, personellen und technischen Voraussetzungen
prüft. Die Kommission prüft ferner die Qualität der Arbeitsgruppen
verfahrens- und ergebnisbezogen und berät sie. Ihr gehört neben geeigneten
Ärztinnen /Ärzten mindestens eine Juristin/ein Jurist an. Mindestens eine
Ärztin/ein Arzt muss Erfahrungen in der Reproduktionsmedizin haben. Die
Kommission kann sich in speziellen Fragen durch Vertreter anderer Gebiete
ergänzen.
Die vorstehende Änderung der
Berufsordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt für
das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft.
Ausfertigung:
Düsseldorf, den 27. November 2006
Prof.
Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe
- Präsident -
Genehmigt:
Düsseldorf, den 22. Januar 2007
Ministerium
für Arbeit, Gesundheit und Soziales,
des Landes Nordrhein-Westfalen
Az: III 7 – 0810.43
Im Auftrag
( G o d r y)
Die vorstehende Änderung der
Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 20.11.2004 wird
nach Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land NRW im Rheinischen
Ärzteblatt bekannt gemacht.
Düsseldorf, den 5. Februar 2007
Prof.
Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe
Präsident -
- MBl. NRW. 2007 S. 161