Historische SMBl. NRW.
Historisch: Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 - V B 3 - 1027.18 (am 1.1.2003 MGSFF)
Historisch:
Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 - V B 3 - 1027.18 (am 1.1.2003 MGSFF)
Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern
HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung
RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 -
V B 3 - 1027.18
(am 1.1.2003 MGSFF)
Die
gesundheitliche Eignung des Bewerbers gehört zu den allgemeinen Voraussetzungen
für die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Weder das Beamtenrechtsrahmengesetz
noch das Landesbeamtengesetz enthalten allerdings ausdrückliche Regelungen
darüber, was unter gesundheitlicher Eignung zu verstehen ist. Konkretisierende
Verwaltungsvorschriften sind bisher nicht erlassen worden.
Nach
der von der Rechtsprechung bestätigten Verwaltungsübung ist für die Übernahme
in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gesundheitlich geeignet, wer für die
vorgesehene Tätigkeit dienstfähig ist und keinen krankheitsbedingten
vorzeitigen Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit erwarten lässt. Auszugehen ist
in der Regel von einer Prognose, die die volle Dienstfähigkeit bis zum
Erreichen der allgemeinen oder besonderen (z. B. Polizei) Altersgrenze erwarten
lässt. Bei Schwerbehinderten wird es nach den oben genannten Richtlinien als
ausreichend angesehen, wenn aufgrund amtsärztlicher Beurteilung erwartet werden
kann, dass sie nicht vor Ablauf von 10 Jahren dienstunfähig werden.
Diese
Anforderungen an die gesundheitliche Eignung ergeben sich daraus, dass der
Dienstherr mit der Verbeamtung auf Lebenszeit das volle Versorgungsrisiko für
den Beamten und dessen unterhaltsberechtigte Angehörige übernimmt, da Beamte
auf Lebenszeit bei Dienstunfähigkeit nicht entlassen werden können, sondern in
den Ruhestand zu versetzen sind.
Da
das Beamtenverhältnis auf Probe eine
Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ziel hat (vgl. § 5 Abs.
l Nr. 3 LBG), ist es gerechtfertigt die gleichen Anforderungen an die
gesundheitliche Eignung bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf
Probe zu stellen, da es weder dem Interesse des Bewerbers noch dem des
Dienstherrn dient, ein Beamtenverhältnis auf Probe zu begründen, wenn bereits
feststeht, dass die gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit, nicht vorliegt
Dasselbe
muss grundsätzlich gelten für das Beamtenverhältnis
auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, soweit es allein die spätere Übernahme
in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ziel hat. Eine andere Betrachtung
ist gerechtfertigt, wenn der Vorbereitungsdienst Voraussetzung für die Ausübung
eines Berufes auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ist (sogenannte
Monopolausbildungsverhältnisse, z. B. bei Juristen und Lehrern). Hier kann
gesundheitliche Eignung als gegeben angenommen werden, wenn der Bewerber bei
Begründung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf für die vorgesehene Ausbildung
dienstfähig ist.
Bei
Beamten auf Zeit erstreckt sich die Prognose der gesundheitlichen
Eignung auf die Dauer des Zeitbeamtenverhältnisses. Auch bei Beamten auf Zeit
trägt der Dienstherr das Versorgungsrisiko bei vorzeitiger krankheitsbedingter
Dienstunfähigkeit erst ab einer Dienstzeit von mindestens 5 Jahren, weil dieser
Beamte gemäß § 45 Abs. LBG in Verbindung mit § 4 Abs. l BeamtVG in den
Ruhestand zu versetzen ist; sonst endet das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß §
37 a Satz 2 LBG durch Entlassung.
Die
gesundheitliche Eignung ist grundsätzlich durch ein Zeugnis des zuständigen
Gesundheitsamtes nachzuweisen (Nr. 2.1 VV zu § 8 LBG). In Nordrhein-Westfalen
wird regelmäßig bereits bei der erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis
eine amtsärztliche Aussage über die gesundheitliche Eignung auch für die -
spätere - Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gefordert.
Das
geschieht auch bei Bewerbern für ein sogenanntes Monopolausbildungsverhältnis,
weil erfahrungsgemäß viele der Absolventen anschließend in ein
Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden.
Reicht
die gesundheitliche Prognose nicht für eine spätere Verbeamtung auf Lebenszeit,
so darf dem Bewerber allerdings nicht die Zulassung zum beamteten
Vorbereitungsdienst verweigert werden, wenn er für die beabsichtigte Ausbildung
gesundheitlich geeignet ist.
Da
die gesundheitliche Prognose hinsichtlich der Verbeamtung auf Lebenszeit
bereits zur ersten Einstellung abgegeben wird, wird eine erneute amtsärztliche
Untersuchung nur gefordert, wenn der Gesundheitszustand des Betroffenen dazu
Veranlassung gibt (vgl. Nr. 2.1 VV zu § 6 LBG und Nr. 1 VV zu § 9 LBG).
Ein
AIDS-Kranker ist nicht dienstfähig und kann daher nicht in ein
Beamtenverhältnis berufen werden.
Ob
eine HIV-Infektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Prognose zulässt,
dass der infizierte Bewerber keinen krankheitsbedingten vorzeitigen Eintritt
dauernder Dienstunfähigkeit erwarten lässt, lässt sich nach derzeitigem
medizinischen Stand nicht ganz eindeutig beantworten.
Auch
wenn man dem Bewerber die Beweislast für seine gesundheitliche Eignung, und
damit das Risiko einer unsicheren Prognose, auferlegt (VV Nr. 2.1 zu § 6 LBG),
ergibt sich daraus nicht zwingend, dass ein HIV-Infizierter dann nicht als
Beamter eingestellt werden darf, obgleich die Einstellung mit dem Ziel der
Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgt. Das BVerwG hatte
nämlich bisher nur Fälle zu beurteilen, in denen beim Beamtenbewerber bereits
konkrete Krankheitssymptome aufgetaucht waren. Eben dies aber ist bei einem
HIV-Infizierten typischerweise nicht der Fall. Der beurteilende Arzt kann aber
beim symptomlosen HIV-infizierten Beamtenanwärter lediglich eine Aussage von
statistischer Wahrscheinlichkeit über den Ausbruch der Erkrankung machen, die
nicht bewerberbezogen, sondern ausschließlich allgemeiner Art ist.
Auch
wenn man dieser einschränkenden Interpretation der bisherigen
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht folgt, erscheint ein allgemeiner
HIV-Test für Beamtenbewerber im Hinblick auf
-
die zur Zeit noch geringe Verbreitung der Infektion,
-
die Seltenheit von Angehörigen sogenannter Risikogruppen unter den
Beamtenbewerbern,
-
den Aufwand für einen allgemeinen Test und
-
die Auswirkungen der Signalwirkung eines solchen obligatorischen Tests für
andere Bereiche des Erwerbslebens
als
unverhältnismäßig. Dabei muss berücksichtigt werden, dass - wie das bayerische Beispiel zeigt - in der
Öffentlichkeit die feinen rechtlichen Differenzierungen hinsichtlich der
gesundheitlichen Eignung bei Arbeitnehmern einerseits und Beamten andererseits
nicht bekannt sind und auch durch rechtliche Erläuterung kaum verständlicher
werden. Die öffentlichen Dienstherren/Arbeitgeber würden damit als Vorreiter
einer allgemeinen Diskriminierung von HIV-infizierten im Erwerbsleben
angesehen.
Bis
auf das Aufwandsargument gelten die zur Problematik eines allgemeinen Tests
angeführten Argumente auch für eine bloße Befragung der Bewerber.
Es
bleibt die Frage, was zu geschehen hat, wenn ein Beamtenbewerber seine
HIV-Infektion von sich aus bekannt gibt oder diese aus anderen Quellen der
personalführenden Stelle bekannt ist. Insoweit dürfte es im Ermessen der
Behörde stehen, den Bewerber gleichwohl zu verbeamten. Hierfür sprechen
jedenfalls folgende Umstände:
-
Wenn solche Fälle überhaupt auftreten sollten, wird ihre Zahl, und damit die
fiskalische Bedeutung, äußerst gering bleiben.
-
Die Abweisung eines HIV-infizierten Bewerbers würde die oben bereits
beschriebene Signalwirkung für das übrige Erwerbsleben haben. Sie gilt es zu
vermeiden.
-
Mit der Einstellung eines HIV-infizierten Beamtenbewerbers würde umgekehrt der
öffentliche Dienstherr ein positives Zeichen gegen Diskriminierung und für
gesellschaftliche Integration setzen.
-
Nicht-Diskriminierung und Integration HIV-infizierter Personen sind angesichts
der Nichtheilbarkeit der Krankheit auf absehbare Zeit die einzigen Wege,
gegenüber der Herausforderung AIDS grundlegende Errungenschaften einer
zivilisierten Gesellschaft und Verfassungsgrundsätze wie den Schutz der
Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot zu wahren.
MBl. NRW. 1988 S. 904