Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 18.4.2025
Richtlinie für die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei Gem. RdErl. d. Justizministeriums - 4600 - III A.10 – u. d. Innenministeriums - IV D 1 – 2941 – v. 1.8.1999
Richtlinie für die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei Gem. RdErl. d. Justizministeriums - 4600 - III A.10 – u. d. Innenministeriums - IV D 1 – 2941 – v. 1.8.1999
Richtlinie für die Zusammenarbeit
von Staatsanwaltschaft und Polizei
Gem. RdErl. d. Justizministeriums - 4600 - III A.10 –
u. d. Innenministeriums - IV D 1 – 2941 – v. 1.8.1999
1
Vorbemerkungen
Zur Erfüllung
des gesetzlichen Auftrages, eine rechtsstaatliche und effektive Strafverfolgung
sicherzustellen, ist eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen
Staatsanwaltschaft und Polizei unerlässlich. Nur ein gegenseitig abgestimmtes
Zusammenwirken beider Strafverfolgungsbehörden, das sich auch veränderten
Rahmenbedingungen anpasst, kann gewährleisten, dass die verfügbaren personellen
und sächlichen Ressourcen effektiv und rationell eingesetzt werden. Eine
Verstärkung der Zusammenarbeit setzt aber auch das gegenseitige Verständnis für
unterschiedliche Aufgaben und Arbeitsweisen voraus.
Die
nachfolgenden Leitsätze sollen unbeschadet spezieller Regelungen der
Verwirklichung dieser Ziele dienen; hierdurch werden flexible, besonderen
örtlichen Gegebenheiten oder kriminalpolitischen Bedürfnissen Rechnung tragende
Kooperationsvereinbarungen nicht ausgeschlossen.
2
Wahrnehmung der Aufgaben von Staatsanwaltschaft und Polizei
Neben
der Verantwortung der Staatsanwaltschaft für das Ermittlungsverfahren als
Ganzes trägt die Polizei die Verantwortung für die von ihr durchgeführten
Ermittlungen. Beide Behörden nehmen die ihnen im Ermittlungsverfahren jeweils
zugewiesenen Aufgaben in dem Bewusstsein einer gemeinsamen Verantwortung für
das gesamte Ermittlungsverfahren wahr und arbeiten daher eng und vertrauensvoll
zusammen.
3
Information und Kommunikation
Eine
wirksame Strafverfolgung setzt vor allem eine möglichst frühzeitige
gegenseitige Unterrichtung in herausragenden Einzelfällen und im Rahmen
allgemeiner Verbrechensbekämpfungsstrategien voraus.
Die
Polizei unterrichtet dabei die Staatsanwaltschaft sofort über die zu ihrer
Kenntnis gelangten Straftaten und die von ihr getroffenen Maßnahmen
-
- in
rechtlich oder tatsächlich schwierigen oder sonst bedeutsamen Fällen,
-
- wenn die
Staatsanwaltschaft eine Unterrichtung im Einzelfall oder aus verfahrensmäßigen
oder justizpolitischen Gründen in bestimmten Fallgruppen wünscht.
Die
Staatsanwaltschaft teilt der Polizei die Einleitung eines bedeutsamen
Ermittlungsverfahrens frühzeitig mit, sofern sie nicht alsbald durch
Einschaltung in die Ermittlungen unterrichtet wird. Die Unterrichtung über die
Einleitung von Ermittlungsverfahren soll auch durch gegenseitige
Beteiligung an den Informations- und Kommunikationssystemen der Polizei und
Justiz gewährleistet werden.
Die
Polizei unterrichtet die Staatsanwaltschaft über ihre Zielvereinbarungen,
soweit sich diese auf deren Geschäftsbereich auswirken können. Sind die
Aufgaben der Staatsanwaltschaft erheblich berührt, sind Zielvereinbarungen abzustimmen.
4
Ermittlungen
Die
Staatsanwaltschaft kann jederzeit die Ermittlungen ganz oder teilweise selbst
durchführen oder der Polizei übertragen.
Ermittlungsaufträge
an die Polizei werden von der Staatsanwaltschaft so konkret wie möglich gefasst
und im Hinblick auf die kriminalistische Fachkunde der Polizei auf das nach den
Umständen des Einzelfalles erforderliche Maß beschränkt.
Ihre
Aufträge richtet die Staatsanwaltschaft in Form von Ersuchen an die
Polizeibehörde. Beamtinnen und Beamten, die von der Polizeibehörde mit der
Bearbeitung eines bestimmten Einzelfalles betraut sind, kann die
Staatsanwaltschaft zur Geschäftserleichterung Ersuchen unmittelbar zuleiten.
Die Polizeibeamtinnen und –beamten unterrichten unverzüglich ihre Vorgesetzten.
Die Staatsanwaltschaft kann gegenüber der Polizeibehörde anregen, aus
besonderen Gründen eine bestimmte Beamtin oder einen bestimmten Beamten zu
beauftragen. Bei Gefahr im Verzuge für das Ermittlungsverfahren kann ein
Auftrag zur Durchführung bestimmter Maßnahmen der Strafverfolgung unmittelbar
an einzelne Polizeibeamtinnen oder -beamte gerichtet werden, die einer für die
Maßnahmen sachlich und örtlich zuständigen Behörde angehören, soweit ein
Ersuchen an die Polizeibehörde nicht rechtzeitig wäre und nicht andere dringende
Aufgaben von der Beamtin oder dem Beamten vorrangig wahrzunehmen sind.
5
Verfahrensökonomie
Vor
allem bei der Bekämpfung der Massenkriminalität ist eine ökonomische Gestaltung
des Ermittlungsverfahrens von besonderer Bedeutung. Zu ihrer Gewährleistung
sollen durch gemeinsame Vereinbarungen generelle Bearbeitungsrichtlinien
aufgestellt und standardisierte Vordrucke entwickelt werden.
Im
Interesse der Verfahrensbeschleunigung sowie zur Vermeidung unnötiger
polizeilicher Ermittlungsarbeit trifft die Staatsanwaltschaft in
Umfangsverfahren der Schwerkriminalität, insbesondere der
Wirtschaftskriminalität und der Organisierten Kriminalität, so frühzeitig wie
möglich die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang der Verfahrensstoff
beschränkt oder eine abschließende Verfügung getroffen werden kann.
6
Haftsachen
Bei
der Bearbeitung von Haftsachen beachten Staatsanwaltschaft und Polizei das
besondere Beschleunigungsgebot und stellen seine Einhaltung durch geeignete
organisatorische Maßnahmen sicher.
7
Abgabe der Ermittlungsvorgänge
Nach
Abschluss ihrer Ermittlungen übersendet die Polizei die Ermittlungsvorgänge
ohne Verzug an die Staatsanwaltschaft.
Vor
Abschluss ihrer Ermittlungen übersendet die Polizei die Ermittlungsvorgänge an
die Staatsanwaltschaft, wenn
-
- diese um
Übersendung bittet,
-
- die
Vornahme einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen
Untersuchungshandlung erforderlich erscheint oder die Ermittlungen in der Sache
vor allem durch die Vielzahl der Taten oder Tatverdächtigen einen besonderen
Umfang annehmen oder sich rechtlich schwierig gestalten, es sei denn, die
Staatsanwaltschaft hat im Einzelfall auf die Übersendung der Vorgänge
verzichtet,
-
- sich die
Polizei aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sieht, die
Sache angemessen zu fördern,
-
-
Anhaltspunkte vorliegen, dass die Staatsanwaltschaft eine Beschränkung des
Verfahrensstoffes vornehmen oder eine abschließende Entscheidung (Nr. 5)
treffen kann.
-
8
Akteneinsicht
Über die Gewährung von Einsicht in die Ermittlungsvorgänge und die Erteilung
von Auskünften aus den Akten entscheidet die Staatsanwaltschaft. Soweit die
Polizei, die die Ermittlungen führt, von der Staatsanwaltschaft hierzu
ermächtigt ist, darf sie im Rahmen dieser Ermächtigung Einsicht in die
Ermittlungsakten gewähren oder Auskünfte hieraus erteilen. Ist der Betroffene
mit einer Versagung der Einsicht oder Auskunft nicht einverstanden, führt die
Polizei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbei. Sie übersendet ihr
hierzu die Ermittlungsakten und fügt eine Begründung bei.
9
Presse
Über
die Veranstaltung von und die Teilnahme an Pressekonferenzen in Fällen der
Strafverfolgung ist Einvernehmen anzustreben; ist dieses nicht herzustellen, so
entscheidet die Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der von der Polizei
vorgetragenen Belange. Über die Erteilung sonstiger Auskünfte gegenüber der
Presse oder anderen Medien bzw. Publikationsorganen in Fällen der
Strafverfolgung treffen Staatsanwaltschaft und Polizeibehörden Vereinbarungen,
dieeine zeitnahe und sachgerechte Unterrichtung gemäß § 4 des Pressegesetzes
für das Land Nordrhein-Westfalen gewährleisten.
Besondere
Regelungen über die Unterrichtung von Medien durch die Polizei bleiben
unberührt.
10
Allgemeine Kontaktpflege
Regelmäßige
Zusammenkünfte auf allen staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen
Entscheidungsebenen sollen sicherstellen, dass regional und überregional
auftretende Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung insbesondere hinsichtlich
der Gestaltung der Ermittlungen zeitnah und einvernehmlich gelöst werden. Zu
diesem Zweck sind regelmäßige - unter Umständen auch anlassbezogene -
Dienstbesprechungen zur Erörterung sowohl allgemeiner als auch aktueller, die
Zusammenarbeit und (auch gemeinsame) Öffentlichkeitsarbeit betreffender Fragen
durchzuführen.
Darüber
hinaus sollen gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen sowie gegenseitige
Hospitationen ermöglicht werden.
MBl. NRW. 1999 S. 1060