Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 18.4.2025
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität Gem. RdErl. d. Justizministeriums (4201 - III A.9), d. Innenministeriums (IV A 2 - 2700/2967), d. Finanzministeriums (IN 0991 - 6 - I A 3), d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III C 5 - 1010.3), d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (134 - 42 - 0.4), d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (l A 4 - 98.21.01), d. Ministeriums für Bauen und Wohnen (III A 3 - 0 - 1432 - 30) u. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr (ZA 3 0201/Z A 5 3947) v. 13.11.1990
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität Gem. RdErl. d. Justizministeriums (4201 - III A.9), d. Innenministeriums (IV A 2 - 2700/2967), d. Finanzministeriums (IN 0991 - 6 - I A 3), d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III C 5 - 1010.3), d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (134 - 42 - 0.4), d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (l A 4 - 98.21.01), d. Ministeriums für Bauen und Wohnen (III A 3 - 0 - 1432 - 30) u. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr (ZA 3 0201/Z A 5 3947) v. 13.11.1990
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der
Innenminister/-senatoren der
Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten
Kriminalität
Gem. RdErl. d. Justizministeriums
(4201 - III A.9),
d. Innenministeriums (IV A 2 - 2700/2967),
d. Finanzministeriums (IN 0991 - 6 - I A 3),
d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III C 5 - 1010.3),
d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (134 - 42 - 0.4),
d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (l A 4 - 98.21.01),
d. Ministeriums für Bauen und Wohnen (III A 3 - 0 - 1432 - 30)
u. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr (ZA 3 0201/Z A 5 3947)
v. 13.11.1990
1
Grundsätzliches
1.1
Die Verfolgung der Organisierten Kriminalität ist ein wichtiges Anliegen der
Allgemeinheit. Es ist eine zentrale Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden,
dieser Erscheinungsform der Kriminalität wirksam und mit Nachdruck zu begegnen.
1.2
Aufklärungserfolge können nur erreicht werden, wenn Staatsanwaltschaft und
Polizei im einzelnen Verfahren und verfahrensübergreifend besonders eng und
vertrauensvoll zusammenarbeiten; dies setzt eine möglichst frühzeitige
gegenseitige Unterrichtung voraus. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit dem
Zoll- und dem Steuerfahndungsdienst.
1.3
Notwendig ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen, insbesondere den
Justizvollzugsanstalten, den Finanz- und Zollbehörden, den Ordnungs- und
Sonderordnungsbehörden sowie den Dienststellen der Arbeitsverwaltung.
2
Begriff, Erscheinungsformen und Indikatoren der Organisierten Kriminalität
2.1
Organisierte Kriminalität ist die vom Gewinn- oder Machtstreben bestimmte
planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von
erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder
unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter
Mittel oder
c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder
Wirtschaft
zusammenwirken.
Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.
2.2
Die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sind vielgestaltig. Neben
strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich
abgestützt durch ethnische Solidarität, Sprache, Sitten, sozialen und
familiären Hintergrund)finden sich - auf der Basis eines Systems persönlicher
und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen - Straftäterverflechtungen
mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander, deren konkrete
Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.
2.3
Organisierte Kriminalität wird zur Zeit vorwiegend in den folgenden
Kriminalitätsbereichen festgestellt:
- Rauschgifthandel und -Schmuggel
- Waffenhandel und -Schmuggel
- Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (vor allem Zuhälterei,
Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücks- und Falschspiel)
- Schutzgelderpressung
- unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung
- illegale Einschleusung von Ausländern
- Warenzeichenfälschung (Markenpiraterie)
- Goldschmuggel
- Kapitalanlagebetrug
- Subventionsbetrug und Eingangsabgabenhinterziehung
- Fälschung und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel
- Herstellung und Verbreitung von Falschgeld
- Verschiebung insbesondere hochwertiger Kraftfahrzeuge und von Lkw-,
Container- und Schiffsladungen
- Betrug zum Nachteil von Versicherungen
- Einbruchdiebstahl in Wohnungen mit zentraler Beuteverwertung.
Neben diesen Kriminalitätsbereichen zeichnen sich Ansätze Organisierter
Kriminalität auch auf den Gebieten der illegalen Entsorgung von Sonderabfall
und des illegalen Technologietransfers ab.
2.4
Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung Anlass geben
können, einen Sachverhalt der Organisierten Kriminalität zuzurechnen, sind in
der Anlage genannt. Die Aufzählung ist nicht abschließend und nicht auf
spezielle Deliktsbereiche abgestellt. In Zweifetefällen stellen die einander
zugeordneten Strafverfolgungsbehörden umgehend Einvernehmen darüber her, obsie
einen Sachverhalt als Organisierte Kriminalität bewerten.
3
Grundlagen der Zusammenarbeit
3.1
Die zügige und wirksame Verfolgung der Organisierten Kriminalität setzt eine
aufeinander abgestimmte Organisation der Strafverfolgungsbehörden voraus. Ein
identischer Aufbau ist nicht erforderlich.
3.2
örtliche und überörtliche Stellen der Staatsanwaltschaft:
3.2.1
Bei jeder Staatsanwaltschaft wird ein Abteilungsleiter oder Staatsanwalt
bestellt, der die Aufgabe hat, in ständiger und enger Zusammenarbeit mit den
zuständigen Kriminalpolizeidienststellen die Entwicklung der Organisierten
Kriminalität zu beobachten, zu analysieren und Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden
zu planen und zu koordinieren (Ansprechpartner/OK-Beauftragter).
3.2.2
Der Abteilung oder dem Sachgebiet des Ansprechpartners/OK-Beauftragten soll die
Bearbeitung aller Verfahren zugewiesen werden, denen Organisierte Kriminalität
zugrunde liegt. Soweit besondere Zuständigkeiten bestehen (z. B. für die
Rauschgift- oder Wirtschaftskriminalität), können diese hiervon ausgenommen
werden.
3.2.3
Bei dem Generalstaatsanwalt werden die verfahrensübergreifenden Aufgaben des
Ansprechpartners/OK-Beauftragten für den Bezirk des Generalstaatsanwalts einem
Koordinator übertragen. Der Koordinator sorgt auch dafür, dass über die Führung
von Sammelverfahren umgehend entschieden wird.
Er hat ferner die Aufgabe, den Erfahrungs- und Informationsaustausch auf
überörtlicher Ebene zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sowie mit den sonst
in den Nrn. 1.2 und 1.3 genannten Behörden vorzubereiten und durchzuführen. Nr.
3.2.2 gilt sinngemäß.
3.2.4
Der Generalstaatsanwalt prüft in geeigneten Fällen, ob bestimmte Verfahren für
den Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften einer Staatsanwaltschaft zuzuweisen
sind (§§ 143,145 GVG).
3.3
örtliche und überörtliche Steilen der Kriminalpolizei
3.3.1
Zur Aufdeckung und Verfolgung von Organisierter Kriminalität werden beim
Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern sowie in den Flächenstaaten im
örtlichen oder regionalen Bereich an Brennpunkten' der Organisierten
Kriminalität spezialisierte Dienststellen/ Einheiten eingerichtet bzw.
ausgebaut, die insbesondere deliktsübergreifend und täterorientiert ermitteln.
Dienststellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind beim
Landeskriminalamt und den zu Kriminalhauptstellen bestimmten
Kreispolizeibehörden eingerichtet. Fälle der deliktstreuen Organisierten
Kriminalität, insbesondere der Rauschgiftkriminalität, können von besonders
eingerichteten Organisationseinheiten der Kriminalpolizei bearbeitet werden.
Sonderkommissionen
zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sollen nur .in Ausnahmefällen
eingerichtet werden.
3.3.2
Den Kreispolizeibehörden und dem Landeskriminalamt obliegen in enger Abstimmung
mit der für das jeweilige Verfahren zuständigen Staatsanwaltschaft die
kriminalpolizeilichen Ermittlungen einschließlich operativer Maßnahmen.
Zu ihren Aufgaben gehören ferner
- das Zusammenführen OK-relevanter Erkenntnisse
- die Mitwirkung an der Erstellung des Kriminalitätslagebildes
"Organisierte Kriminalität" für das Land
- der Informationsaustausch
- mit der Staatsanwaltschaft
- mit den Organisierte Kriminalität
bearbeitenden Dienststellen des Landes
- anlassbezogen mit anderen
Polizeidienststellen
- mit dem Landeskriminalamt.
3.3.3
Das Landeskriminalamt wertet zentral den OK-Bereich betreffende Informationen
aus und verknüpft sie mit eigenen und landerübergreifenden Erkenntnissen. Im
Rahmen seiner Zuständigkeit führt es die Ermittlungen selbst oder veranlasst
ihre Durchführung durch andere Dienststellen. Für den Informationsaustausch
gilt Nr. 3.3.2 entsprechend.
3.3.4
Das Bundeskriminalamt wertet zentral OK-relevante Informationen aus und
verknüpft sie mit Erkenntnissen aus eigenen Verfahren und aus dem
internationalen Bereich. Es führt im Rahmen seiner originären oder
auftragsabhängigen Zuständigkeit die kriminalpolizeilichen Ermittlungen selbst
oder weist sie im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen einem Land zu.
3.4
Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist eine Aufgabe nicht nur der in
den Nrn. 3.2 und 3.3 aufgeführten Behörden, Dienststellen und Beamten. Vielmehr
sind alle Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden gehalten, auf Anzeichen für
Organisierte Kriminalität zu achten:
3.4.1
Im Bereich der Staatsanwaltschaft ist sicherzustellen, dass sich die Beamten an
die besonderen Sachbearbeiter/Dezernenten wenden und, wenn die Sachbearbeitung
konzentriert ist, die Verfahren abgeben können.
3.4.2
Im Bereich der Polizei sind entsprechende Erkenntnisse an die zur Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität eingerichteten Organisationseinheiten
weiterzuleiten.
4
Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung
4.1
Vorrangiges Ziel der Ermittlungen muss es sein, in den Kernbereich der
kriminellen Organisation einzudringen und die im Hintergrund agierenden
hauptverantwortlichen Straftäter zu erkennen, zu überführen und zur Aburteilung
zu bringen.
4.2
Der Staatsanwalt schaltet sich schon zu Beginn der Ermittlungen in die
unmittelbare Fallaufklärung ein. Die Verfahrenstaktik und die einzelnen
Ermittlungsschritte sind abzustimmen. Die Sachleitungsbefugnis der
Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.
4.2.1
Der Grundsatz, dass Ermittlungen straff und beschleunigt zu führen sind, gilt
auch in Verfahren wegen Organisierter Kriminalität. Das vorrangige
Ermittlungsziel ist aber im Auge zu behalten, auch wenn dies länger dauernde
Ermittlungen erfordert.
4.2.2
Im Interesse des vorrangigen Ermittlungszieles sind die Mittel zur Begrenzung
des Verfahrensstoffes (§§ 153 ff. StPO) möglichst frühzeitig zu nutzen. Dies
gilt besonders auch im Hinblick auf das Hauptverfahren, das sich auf die
wesentlichen Vorwürfe konzentrieren sollte.
4.2.3
Die Abfolge der Ermittlungshandlungen wird in erster Linie von dem vorrangigen
Ermittlungsziel bestimmt. Einzelne Maßnahmen können vorläufig zurückgestellt
werden, wenn ihre Vornahme die Erreichung dieses Zieles gefährden würde. Dies
gilt nicht, wenn sofortige Maßnahmen wegen der Schwere der Tat oder aus Gründen
der Gefahrenabwehr geboten sind.
4.2.4
Erfordert die Erledigung von Verfahren gegen Randtäter der kriminellen
Organisation oder sonstige Nebenbeteiligte noch weitere Ermittlungen, so darf
der schnelle Abschluss dieser Verfahren dem vorrangigen Ermittlungsziel nicht
übergeordnet werden. Bei der gebotenen Abwägung ist den Ermittlungen gegen die
verantwortlichen Haupttäter der Vorzug zu geben; die übrigen Verfahren sind
vorübergehend zurückzustellen.
4.3
In Verfahren wegen Organisierter Kriminalität soll möglichst der Staatsanwalt
die Anklage vertreten, der die Ermittlungen geleitet hat.
4.4
Für die Zusammenarbeit bei der Inanspruchnahme von Informanten, bei dem Einsatz
von V-Personen und Verdeckten Ermittlern sowie beim Zeugenschutz gelten die
hierfür erlassenen Richtlinien.
4.5
Für die Zusammenarbeit im Rahmen von Initiativermittlungen gilt Nr. 6.
5
Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit
5.1
Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei
hat zum Ziel, dass beide Behörden einen vertieften und gleichen Erkenntnisstand
über die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität und die spezifischen
Probleme einschlägiger Verfahren gewinnen, gemeinsam fortentwickeln und bei den
jeweiligen Einzelmaßnahmen zugrunde legen. Die verfahrensübergreifende
Zusammenarbeit dient auch der Verständigung über die örtliche und zeitliche
Steuerung der Ermittlungskapazitäten von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei
durch Bildung von Schwerpunkten entsprechend dem jeweiligen Lagebild.
5.2
Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei vereinbaren regelmäßige
Dienstbesprechungen, bei denen insbesondere erörtert werden
- Lage, voraussichtliche Entwicklung und Maßnahmen zur Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität in ihrem Bereich
- Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ablauf von Ermittlung(r)- und
gerichtlichen Verfahren, auch Auswirkungen von Fehlern in der
Ermittlungstätigkeit
- Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Anwendung verdeckter Ermittlungsmethoden
und aus dem Zeugenschutz, einschließlich der Sicherung der gebotenen
Geheimhaltung
- Erkenntnisse und Erfahrungen aus Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung
- örtliche Praxis der internationalen Rechtshilfe und sonstigen Zusammenarbeit
mit ausländischen Behörden
- allgemeine Fragen der Zusammenarbeit
- Öffentlichkeitsarbeit.
Die Besprechungen sollen einmal jährlich, bei Bedarf auch häufiger,
stattfinden. Dem Zollfahndungsdienst soll Gelegenheit zur Teilnahme gegeben
werden. Ober die Zuziehung anderer Behörden entscheiden die beteiligten
Stellen. Ober das Ergebnis der Besprechungen ist den jeweils vorgesetzten
Behörden zu berichten.
5.3
Die Besprechungen können auch auf der Ebene der Generalstaatsanwälte vereinbart
werden.
5.4
Gemeinsame Information(r)- und Fortbildungsveranstaltungen sind vorzusehen.
5.5
Die Hospitation von Beamten der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei bei
der jeweils anderen Behörde ist zu ermöglichen.
6
Initiativermittlungen
6.1
Organisierte Kriminalität wird nur selten von sich aus offenbar, Strafanzeigen
in diesem Bereich werden häufig nicht erstattet, u. a. weil die Zeugen Angst
haben.
Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der Organisierten Kriminalität setzt
daher voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer
gesetzlichen Befugrasse Informationen gewinnen, oder bereits erhobene
Informationen zusammenführen um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten
(Initiativermittlungen).
6.2
Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem nach kriminalistischer Erfahrung die wenn
auch geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat
begangen worden ist, besteht ein Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO). Dieser
löst die Strafverfolgungspflicht aus. Es ist nicht notwendig, dass sich der
Verdacht gegen eine bestimmte Person richtet.
Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte unklar, ob ein
Anfangsverdacht besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen
vorhanden, so können die Strafverfolgungsbehörden diesen nachgehen. In solchen
Fällen besteht keine gesetzliche Verfolgungspflicht. Ziel ist allein die
Klärung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Strafprozessuale Zwangs- und
Eingriffsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden in diesem Stadium nicht
zu.
Ob und inwieweit die Strafverfolgungsbehörden sich in diesen Fällen um weitere
Aufklärung bemühen, richtet sich nach Verhältnismäßigkeitserwägungen; wegen der
besonderen Gefährlichkeit der Organisierten Kriminalität werden sie ihre
Aufklärungsmöglichkeiten bei Anhaltspunkten für solche Straftaten in der Regel
ausschöpfen.
6.3
Die Befugnisse der Polizei zu Initiativermittlungen im Rahmen der
Gefahrenabwehr richten sich nach dem Polizeigesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen.
6.4
Bei Initiativermittlungen liegen häufig die Elemente der Strafverfolgung und
der Gefahrenabwehr in Gemengelage vor oder gehen im Verlauf eines Verdichtungs-
und Erkenntnisprozesses ineinander über. Staatsanwaltschaft und Polizei
arbeiten auch in diesem Bereich eng zusammen. Für die Zusammenarbeit gelten die
Nrn. 4 und 5 sinngemäß mit der Maßgabe, dass
- das Ziel der Initiativermittlungen die Klärung des Anfangsverdachts/der
Gefahrenlage ist
- dem Staatsanwalt in Fällen der Gefahrenabwehr eine Leitungsbefugnis nicht
zusteht.
6.5
Die Zusammenarbeit obliegt auf der Seite der Staatsanwaltschaft der Behörde,
die für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens zuständig wäre. In
Zweifelsfällen entscheidet die nächsthöhere Behörde.
7
Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten
7.1
Die von der Organisierten Kriminalität ausgehenden Gefahren sind auch bei
Vollzugsentscheidungen zu berücksichtigen.
7.2
Die Justizvollzugsanstalten sind über
- Verbindungen eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen zur Organisierten
Kriminalität
- Erscheinungsformen und Entwicklung der Organisierten Kriminalität
zu informieren, soweit es für Vollzugsentscheidungen erheblich sein kann und
Belange der Strafverfolgung nicht entgegenstehen.
7.3
Die Information über den Gefangenen muss möglichst bei der Einlieferung
erfolgen. Anderenfalls ist sie nachzuholen. Sie obliegt der Staatsanwaltschaft,
in Eilfällen der Kriminalpolizei.
7.4
Den Vollzugsbehörden soll Gelegenheit gegeben werden,, an den in Nrn. 5.3 und
5.4 genannten Veranstaltungen teilzunehmen; bei Bedarf sind sie auch zu den
Besprechungen nach Nr. 5.2 hinzuzuziehen.
7.5
Die Justizvollzugsanstalt unterrichtet die Staatsanwaltschaft, in Eilfällen die
Kriminalpolizei, über Erkenntnisse, die für die Verfolgung der Organisierten
Kriminalität von Bedeutung sein können.
7.6
Ansprechpartner in der Justizvollzugsanstalt ist der Anstaltsleiter.
8
Zusammenarbeit mit anderen Behörden
8.1
Zoll- und Finanzbehörden
8.1.1
Soweit Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bei ihren Ermittlungen im
Bereich der Organisierten Kriminalität Anhaltspunkte für
- Hinterziehung von Eingangsabgaben oder Verbrauchsteuern , z. B. Gold- oder
Alkoholschmuggel
- Straftaten im Sinne des § 37 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der
gemeinsamen Marktorganisationen (MOG), z.B. Subventionsbetrug im Zusammenhang
mit Fleisch oder Getreide
- Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) z. B. illegaler
Technologietransfer, oder Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG)
mit Auslandsbezug
- Zuwiderhandlungen gegen Verbote und Beschränkungen des grenzüberschreitenden
Warenverkehrs, z.B. Rauschgift- oder Waffenschmuggel, Warenzeichenfälschungen
feststellen, ist der Zollfahndungsdienst zu unterrichten (vgl. §§ 403, 116 AO,
42 AWG). Dies kann entweder über das Zollkriminalinstitut - Zentrales
Zollfahndungsamt - oder das örtliche Zollfahndungsamt erfolgen.
Gewinnt der Zollfahndungsdienst im Rahmen seiner Ermittlungen Anhaltspunkte,
die auf das Vorliegen Organisierter Kriminalität hindeuten und für dessen
Aufklärung die Polizei/Staatsanwaltschaft zuständig ist, so unterrichtet er die
zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Handelt es sich bei den Ermittlungen des
Zollfahndungsdienstes um Ermittlungen wegen einer Zoll- oder
Verbrauchssteuerstraftat, 90 ist das Steuergeheimnis zu beachten. Es ist dann
im Einzelfall zu prüfen, ob das Steuergeheimnis durchbrochen werden kann.
8.1.2
Soweit Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bei ihren Ermittlungen im
Bereich der Organisierten Kriminalität Anhaltspunkte für Steuerstraftaten
feststellen, ist der Steuerfahndungsdienst zu unterrichten (vgl. §§ 403,
116AO).
Gewinnt derSteuerfahndungsdienst im Rahmen seiner steuerstrafrechtlichen
Ermittlungen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen von Organisierter
Kriminalität hindeuten und für dessen Aufklärung die Polizei/Staatsanwaltschaft
zuständig ist, so unterrichtet er die zuständigen Strafverfolgungsbehörden,
wenn das Steuergeheimnis dem nicht entgegensteht. Dies ist im Einzelfall zu
prüfen.
8.2
Andere Behörden
Die Organisierte Kriminalität kann mit strafrechtlichen Mitteln allein nicht
mit Erfolg bekämpft werden. Dievon ihr ausgehenden Gefahren sind auch bei den
Entscheidungen der Ordnungsbehörden und sonstiger Verwaltungsbehörden (vgl. Nr.
1.3) zu berücksichtigen.
Die Verwaltungsbehörden können ferner zur Aufklärung der Organisierten
Kriminalität beitragen, indem sie relevante Erkenntnisse z. B. über unerlaubte
Arbeitsvermittlung, illegale Beschäftigung, illegale Einschleusung von
Ausländern, den Strafverfolgungsbehörden mitteilen. ,
8.3
Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit
Für die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit kann sich die Einrichtung von
Gesprächskreisen auf örtlicher und überörtlicher Ebene durch die
Ansprechpartner/OK-Beauftragten und Koordinatoren (Nr. 3.2) empfehlen.
9
Schutz der Ermittlungen
Dem Schutz der Ermittlungen kommt in Verfahren wegen
Organisierter Kriminalität besonders hohe Bedeutung zu. Ihm muss durch
Ermittlungsbehörden und Justizvollzugsanstalten Rechnung getragen werden. Um
das vorrangige Ermittlungsziel (vgl. Nr. 4.1) nicht zu gefährden, ist
sicherzustellen, dass
- ausschließlich unmittelbar an den Ermittlungen Beteiligte Kenntnis von
Maßnahmen der verdeckten Informationsgewinnung erlangen
- in den mit der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität befassten
Dienststellen/Organisationseinheiten alle Voraussetzungen für den Schutz der
Ermittlungen gegeben sind.
Die Rechte der Verteidigung bleiben unberührt.
MBl. NRW. 1990 S. 1721
Anlagen: