Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Abschluß von Verträgen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft durch Gemeinden RdErl. d. Innenministers v. 24.2.1989 -III B4-5/701-1555/89

 

Historisch:

Abschluß von Verträgen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft durch Gemeinden RdErl. d. Innenministers v. 24.2.1989 -III B4-5/701-1555/89

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Abschluß von Verträgen

auf dem Gebiet der Energiewirtschaft

durch Gemeinden

RdErl. d. Innenministers v. 24.2.1989 -III B4-5/701-1555/89

Entscheidungen über die Durchführung der Energieversorgung haben unter energiepolitischen, energiewirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen, haushaltsrechtlichen und stadtentwicklungspoliti-schen Gesichtspunkten eine herausragende Bedeutung für jede Gemeinde. Dabei ist neben der Zielsetzung einer sicheren, ausreichenden und preisgünstigen Energieversorgung der Gewährleistung umweltschonender, sparsamer und rationeller Energienutzung besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Unter Bezugnahme auf §§ 9, 107 GO weise ich auf fol-, gendes hin:

Den Gemeinden kommt bei der Umsetzung einer Politik der umweltschonenden und rationellen Energienutzung eine besondere Verantwortung zu, und zwar sowohl als Energienachfrager als auch als Energieanbieter; die Angebots- und Nutzungsmöglichkeiten von in rationeller Weise bereitgestellter Energie hängen nämlich vielfach davon ab, wie die Gemeinden in ihren verschiedenen Verantwortungsfeldern Angebot und Nachfrage einander zuordnen. Auf der Nachfrageseite verfügen die Gemeinden über die Möglichkeit von planerischen Rahmenvorgaben bis hin zu integrierten Energieplanungen, unter anderem zur Nutzung des örtlichen Energieeinsparpotentials, und zwar insbesondere durch Aufstellung von Energiekonzepten. Auf der Angebotsseite spielen die Gemeinden eine wichtige Rolle bei der gemäß örtlichen Gegebenheiten zu realisierenden Kraft-Wärme-Kopplung, die schon bislang vornehmlich durch eigene Versorgungsunternehmen verwirklicht worden ist, und der örtlich möglichen Nutzung unerschöpflicher Energiequellen. Auch wenn die wirtschaftliche Betätigung zur Energieversorgung bei anderen Trägern liegt, sollten die Gemeinden ihre planerischen Initiativfunktionen einsetzen.

Die Wahrnehmung kommunaler Einflußmöglichkeiten auf die Energieversorgung hat einen besonderen Stellenwert, weil zahlreiche Maßnahmen der umweltschonenden, sparsamen und rationellen Energiebedarfsdeckung durch verbrauchernahe, örtlich angepaßte Maßnahmen am wirksamsten herbeizuführen sind, z.B.

- Sicherung von Nahwärme-/Fernwärmevorrang-Gebie-ten, um Potentiale der Kraft-Wärme-Kopplung möglichst unter Verwendung heimischer Steinkohle zu nutzen

- Sicherung von Abwärmenutzung

- Planung örtlich angepaßter Energieversorgung unter Berücksichtigung entsprechender siedlungsstruktureller Gesichtspunkte

- Minderung des Energieverbrauchs durch bauliche und städtebauliche Maßnahmen

- Ausstattung der gemeindeeigenen Liegenschaften mit Anlagen für Energieangebot oder.-nutzung, die der umweltfreundlichen, sparsamen und rationellen Energieverwendung dienen

- Einflußnahme auf die Gestaltung der Energietarife mit .der Zielrichtung, daß die Tarifbedingungen Investitionen in Energiespartechniken begünstigen

- Einrichtung einer verbrauchernahen Energieberatung unter Einbeziehung ökologischer Belange.

Es ist Angelegenheit der Gemeinden, zu prüfen und festzulegen, in welcher Weise und durch wen diese Aufgaben am besten erfüllt werden können.

Die gemeindlichen Bestimmungsrechte erlaubten es schon immer, die. räumlichen und funktionalen Versorgungszuständigkeiten neu zu ordnen, soweit die vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen dies zuließen. So konnten die Gemeinden auch bisher schon im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit die kommunale Energie-

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Versorgung entsprechend der Gebietsreform erweitern, mit anderen Gemeinden oder Regionalversorgern kooperieren, die Versorgung Dritten übertragen oder eigene Versorgungsunternehmen gründen. Die früher oftmals 50 Jahre und länger währende Laufzeit der Gebietsschutzverträge ließen derartige Entscheidungen aber nur in sehr großen zeitlichen Abständen zu. Mit der zeitlichen Befristung und der Möglichkeit zur Beendigung früher geschlossener Versorgungsverträge im Rahmen der 4. Kartellgesetznovelle ist der Handlungsrahmen für die Gemeinden in folgenden Punkten verbessert worden:

- Neuordnung des Zuschnittes von Versorgungsgebieten zwecks Erlangung von Rationalisierungsvorteilen, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Gebietsreform

- Rücknahme der Versorgungsaufgaben in die kommunale Trägerschaft

- Wechsel des beauftragten Unternehmens

- Aushandlung von Fortsetzungsverträgen unter Nutzung der vorher beschriebenen Wettbewerbsspielräume.

Vor diesem Hintergrund gibt der Ablauf vieler Konzessionsverträge zum 1. Januar 1995 den Gemeinden die Möglichkeit, Konzepte für eine umweltfreundliche, preisgünstige, sichere und zugleich ressourcenschonende Energieversorgung zum Gegenstand neuer Vertragsregelungen zu machen und damit zugleich die kommunale Selbstverwaltung auf diesem Sektor der Daseinsvorsorge zu stärken.

Die Betonung dieser gemeindlichen Verantwortung bedeutet keineswegs eine Absage an die weiterhin erforderliche Regional- und Verbundwirtschaft, deren Bemühungen um eine sichere und preiswürdige Energieversorgung unter Schonung von Ressourcen und Umwelt anerkannt wird. Sie bedeutet vielmehr eine kooperative Ausweitung dahingehend, daß örtlich erschließbare Potentiale rationeller Energieerzeugung für die Bedarfsdeckung nutzbar gemacht werden. Wegen der Bedeutung des überörtlichen Verbundes in der leitungsgebundenen Energieversorgung ist es notwendig, die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Versorgungsstufen entsprechend den eingangs genannten Zielsetzungen bestmöglich miteinander zu verknüpfen. Dahet ist vor einer Entscheidung über die Umordnung vorhandener Versorgungsnetze sorgfältig zu prüfen, wie den Zielsetzungen einer sicheren, preisgünstigen, rationellen und umweltschonenden Energieversorgung und -Verwendung am sinnvollsten Rechnung getragen wird. Dabei sollten auch die kohlepolitischen Zielsetzungen des Landes NRW beachtet werden.

Im Rahmen ihrer energiewirtschaftlichen Aufgabenstellung haben die Gemeinden den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 62 Abs. 2 GO) und die Verpflichtung, das Vermögen pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten (§ 76 Abs. 2 GO), zu beachten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Energieversorgung durch eigene oder fremde Versorgungsunternehmen durchgeführt werden soll. Im Fall der Erweiterung oder Gründung eines eigenen Versorgungsunternehmens ist daneben §§ 88 ff GO zu beachten. Daraus folgt auch, daß die Entscheidung für eine kommunale Energieversorgung nur dann gerechtfertigt ist, wenn dabei aus betriebswirtschaftlicher Sicht die notwendigen Erträge gesichert sind; denn eine sichere, preisgünstige und umweltschonende Energieversorgung ist sonst auf Dauer nicht gewährleistet.

Die Erwartung, daß die Gemeinden aus einem Versorgungsauftrag an dritte Unternehmen Konzessionsabgaben erzielen können, während bei der eigenen versorgungswirtschaftlichen Betätigung ein unternehmerisches Risiko (z.B. Abhängigkeit der Konzessionsabgabenzah-lung vom betriebswirtschaftlichen Ergebnis) besteht, spricht nicht von vornherein gegen eine kommunale Energieversorgung. Auch bei kommunaler Energieversor-

gung bleibt die Möglichkeit bestehen, unter Beachtung einer hinreichenden Eigenkapitalausstattung Konzessionsabgaben (durch die Stadtwerke) zu erhalten. Daneben können Erträge als Ausdruck erfolgreichen Wirt-schaftens realisiert werden. Im übrigen sind auch Konzes-sionsabgabenzahlungen Dritter an Gewinn- und Wirtschaftlichkeitsvoraussetzungen geknüpft, welche außerhalb der Einflußsphäre der Gemeinden liegen. Die Gemeinden müssen daher im Einzelfall abwägen, ob die kommunale Energieversorgung oder die Übertragung der Versorgungsaufgaben auf Dritte der kommunalen Aufgabenerfüllung besser entspricht.

Entscheidungen über Aufbau, Erweiterung oder Abbau einer kommunalen Energieversorgung sowie der Abschluß von Verträgen, die die Energiewirtschaft betreffen, werfen über diese allgemeinen Erwägungen hinaus eine Vielzahl haushaltswirtschaftlicher, betriebswirtschaftlicher, energiewirtschaftlicher und städtebaulicher Probleme auf, deren Lösung in jedem Einzelfall besondere Sachkunde verlangt. Jede Gemeinde ist daher gehalten, sich rechtzeitig vor Auslaufen eines Konzessionsvertrages über die planerischen, wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Konsequenzen möglicher Versorgungsalternativen sowie über die sonstige rechtliche Lage sachkundig zu machen.

. Weil die möglichen Vertragspartner der Gemeinden aufgrund jahrzehntelanger Erfahrungen über umfangreiche Sach- und Fachkunde verfügen, ist es empfehlenswert, daß die Gemeinden ihre energiewirtschaftlichen Entscheidungen durch die Inanspruchnahme von Sachverständigen oder durch kommunale Kooperation frühzeitig sachgerecht vorbereiten. Um Nachteile zu vermeiden, die wegen der langfristigen Bindungen nachträglich nicht mehr zu beseitigen sind, sollten vor allen anstehenden Entscheidungen rechtzeitig erfahrene und unabhängige Sachverständige zugezogen werden. Die kommunalen Spitzenverbände sind zur sachverständigen Beratung in der Lage; sie können gegebenenfalls Sachverständige benennen. Des weiteren kann sich eine beratende Beteiligung der beim Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes liegenden Energie-, Preis- und Kartellaufsicht anbieten. Vor Vertragsabschlüssen energiewirtschaftlicher Art empfehle ich, die in der Anlage zusammengestellten „Hinweise für den Abschluß von Verträgen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft durch Gemeinden" zu beachten.

Im Hinblick auf die besondere finanzwirtschaftliche Bedeutung der Energieversorgungsverträge bitte ich die Gemeinden, dem Regierungspräsidenten über die Absicht, neue Verträge abzuschließen (hierunter fallen auch sog. „Vertragsverlängerungen") bzw. über die Absicht, die Energieversorgung in kommunale Trägerschaft zu übernehmen, diese auszuweiten oder aufzugeben, gemäß § 107 GO frühzeitig schriftlich auf dem Dienstweg zu berichten. Vertragsabschlüsse und Beschlüsse über die Übernahme der Energieversorgung in kommunale Trägerschaft bzw. deren Erweiterung sind ihm unter Darlegung, inwieweit unabhängige Sachverständige zugezogen waren oder von ihrem Gutachten abgewichen wurde, mitzuteilen. Dem Bericht sind wesentliche, in der Gemeinde vorhandene Entscheidungsgrundlagen, wie etwa Wirtschaftlichkeitsberechnungen und/oder Energiekonzepte, beizufügen.

Ergänzend weise ich auf die Nummer 23 der Förderrichtlinien Stadterneuerung d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr v. 16. 3. 1988 (SMB1. NW. 2313) zu vorbereitenden Untersuchungen und Planungen für die Aufstellung örtlicher und regionaler Energieversorgungskonzepte hin.

Anlage: Hinweise für den Abschluß von Verträgen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft durch Gemeinden

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Anlagen: